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Diskussionsstand DIN 1988-300

Künftige Regeln für die ­ Bemessung von ­Trinkwasser-Installationen

Seit 1988 werden die Durchmesser der Trinkwasserleitungen kalt und warm nach DIN 1988-3 ermittelt mit dem Ziel, bei der kalkulierten Spitzenbelastung der Anlage die kleinstmöglichen Rohrdurchmesser zu wählen, sofern die Strömungsgeschwindigkeiten die zulässigen Grenzen nicht überschreiten. Damit kann das Rohrleitungssys­tem wirtschaftlich ausgeführt und der Wasseraustausch in der Installation bei richtiger Wahl der Durchmesser maximiert werden.

In dieser Norm werden zwei Berechnungsverfahren angeboten, der vereinfachte und der differenzierte Rechengang. Beide sind für alle Gebäude­arten anwendbar, wobei der vereinfachte Rechengang die Beachtung bestimmter Randbedingungen erfordert. Der Grundgedanke war einerseits, ein Handrechenverfahren für die schnelle Ermittlung von Rohrdurchmessern vorzuhalten und andererseits, insbesondere bei komplexen Netzstrukturen, eine möglichst genaue Abbildung der Druckverhältnisse zu ermöglichen. Auf der Grundlage der Annahmen für die Gleichzeitigkeit der Nutzung an den Entnahmestellen konnten damit relativ exakt die notwendigen Rohrdurchmesser bestimmt werden.

Ursprünglich wurden auch die Nennweiten der Zirkulationsleitungen nach DIN 1988-3 bestimmt, nur zeigten theoretische Überlegungen, dass der dort gewählte Ansatz nicht korrekt ist. Zudem hat die Diskussion über die mögliche ­Kontamination mit Legionellen in den 1990er-Jahren dazu geführt, aus hygienischen Gründen in einem neuen Arbeitsblatt des DVGW (W 551) bestimmte Temperaturen zu fordern. Damit war der Lastzustand in einem Zirkulationssystem klar ­vorgegeben und die Wahl der Systembauteile (Rohrleitungen, Pumpe) nur noch eine Frage der Wirtschaftlichkeit. Das Ergebnis findet sich im DVGW-Arbeitsblatt W 553 in Form von drei Rechengängen: Kurzverfahren für kleine Gebäude (z.B. Ein- und Zweifamilienhäuser), vereinfachtes und differenziertes Verfahren für alle Gebäudetypen. Auch hier ermöglicht das differenzierte Rechenverfahren die optimale Wahl der Nennweiten für die Rohre, die Ventile und die Größe der Zirkulationspumpe.

Regeln in Europa

Im Sommer 2006 ist als Teil des europäischen Normenwerks zur Trinkwasser-Installation die DIN EN 806-3 erschienen, in der die Wahl der Rohrdurchmesser für Kalt- und Warmwasserleitungen neu geregelt worden ist. Dort wird ein Berechnungsverfahren für die Bemessung von ­Rohren für sogenannte (Trinkwasser-)Nor­mal­-Installationen angegeben und darüber hin­aus über den informativen Anhang C die Tür geöffnet, auch alternative Berechnungsverfahren zur europäischen Norm zu verwenden. Genau dieser Weg wird aus Überzeugung in Deutschland beschritten, indem DIN 1988-3 überarbeitet und zukünftig als DIN 1988-300 die Grundlage für die Bemessung von Kaltwasser-, Warmwasser- und Zirkulationsleitungen sein wird. Welche wesentlichen Motive diesem Weg zugrunde liegen, wird in den nachfolgenden Kapiteln erläutert.

Diskurs über DIN EN 806-3

Es muss schon die Frage beantwortet werden, warum das europäische Berechnungsverfahren als nicht geeignet angesehen wird und es deshalb sinnvoller ist, auf die in der Praxis bewährten, aber durchaus zu überarbeitenden Berechnungsgrundlagen der DIN 1988-3 und des Arbeitsblattes DVGW W 553 zurückzugreifen. Die Diskussion erfolgt – zum Teil pointiert – an sechs Punkten:

1. Beschränkung auf „Normal-Installatio­nen“ unverständlich.

2. Renaissance der Belastungswerte über­flüssig.

3. Durchflüsse der Entnahmearmaturen zweifelhaft.

4. Kurven für den Spitzendurchfluss unzureichend.

5. Ohne Druck läuft (strömt) es nicht!

6. Hinweise zur Berechnung der Durchmesser der Zirkulationsleitungen fehlen.

1. Beschränkung auf Normalinstallatio­nen unverständlich: In DIN EN 806-3 werden zwei Installationstypen unterschieden: „Normal-Installa­tionen“ und „Spezial-Installationen“, wobei erstere nach der Norm berechnet werden können. Nur, woher weiß der Planer, was eine Normal-Installation ist? Dazu die Norm (Zitat): „Als Normal-Installationen werden Installationen bezeichnet, deren gleichzeitige Nutzung nicht höher liegt als in Bild 1“. Das Problem ist nur, dass dieses Diagramm aber gerade dazu hergenommen wird, um die Gleichzeitigkeit zu beurteilen. Wenn man in dieser Weise die Installationen unterscheiden möchte (die Zweckmäßigkeit wird hier nicht diskutiert), dann muss ein anderes Kriterium angegeben werden, um eine Beurteilung vornehmen zu können, zum Beispiel:

Normal-Installation:

QD < 2 l/s bei 200 LU [Gl. 1]

Spezial-Installation:

QD ≥ 2 l/s bei 200 LU [Gl. 2]

LU = Load Unit (Belastungswerte)

Dann kann für ein konkretes Gebäude mit einem Summendurchfluss von 200 LU mithilfe des Diagramms (Bild 1) der Spitzendurchfluss QD = 1,5 l/s bestimmt werden. Da dieser kleiner als 2 l/s ist, liegt nach [Gl. 1] eine Normal-Installation vor und es können die Rohrdurchmesser nach DIN EN 806-3 bestimmt werden.

2. Renaissance der Belastungswerte überflüssig: Die (Wieder-)Einführung von Belastungswerten (LU) ist überflüssig. Schon 1988 hat man nach ausführlicher Diskussion mit DIN 1988 in diesem Punkt das sanitäre Mittelalter verlassen und sich auf den Parameter Volumenstrom (bzw. Durchfluss) geeinigt. Warum dieser Rückschritt? Schließlich werden in verwandten Gebieten der Gebäudetechnik richtigerweise auch keine Heat-Units (1 HU = 100 W) oder Air-Units (1 AU = 10 m3/h) eingeführt, um etwas vereinfachen zu wollen (was dadurch jedoch nicht einfacher wird).

3. Durchflüsse der Entnahmearmaturen zweifelhaft: In Tabelle 2 der DIN EN 806-3 (hier Tabelle 1) werden Berechnungsdurchflüsse QA für Entnahmearmaturen angegeben, die nicht nachvollziehbar sind und dem widersprechen, was an einem geeigneten Prüfstand jederzeit nachgemessen werden kann.

Differenzierte Messungen von Knoblauch in den 1980er-Jahren haben die tatsächlichen Verhältnisse aufgezeigt und daran hat sich im Wesentlichen (bis auf die Durchflüsse für Wasch- und Geschirrspülmaschinen) bis heute nichts geändert. Am Beispiel der Badewannen-Mischbatterie DN 15 soll das aufgezeigt werden.

Eine Normalwanne (120 l) soll in 10 min gefüllt werden, das ergibt einen Mindest-Mischwasserdurchfluss von 0,2 l/s, wovon näherungsweise jeweils 50 % über die Kalt- und Warmwasserleitung erbracht werden. Die Mindestdurchflüsse sind dann jeweils 0,1 l/s bei einem Mindestfließdruck von etwa 100 kPa (armaturenabhängig). Wird ein oberer Fließdruck von 300 kPa angenommen, ergibt sich ein Berechnungsdurchfluss (definiert in DIN 1988-3) von 0,17 l/s; in DIN 1988-3 ist er mit 0,15 l/s festgelegt worden. Der entsprechende Wert in DIN EN 806-3 beträgt 0,4 l/s und ist damit um ca. 170 % (bezogen auf den DIN-Wert) größer. Da kommen nicht unerhebliche Zweifel auf, zumal in keiner dem Verfasser bekannten Publikation diese Erhöhung begründet wird.

4. Kurven für den Spitzendurchfluss unzureichend: Der Anwendungsbereich von DIN EN 806-3 umfasst die Trinkwasser-Installationen in Gebäuden und auf Grundstücken, inhaltlich werden damit aber im Wesentlichen nur Trinkwasseranlagen in Wohngebäuden zu bemessen sein. Für alle anderen Gebäude- bzw. Nutzungsarten können gemäß dem informativen Anhang C nationale Ergänzungsfestlegungen erarbeitet werden und das geschieht in Deutschland auch mit dem Ziel, für alle Trinkwasser-Installationen geeignete Rechenregeln aufzustellen.

Allerdings sind auch die Kurven für die Wohngebäude (Bild 1) nicht überzeugend, wenn man sich anschaut, wie diese Graphen entstanden sind. Sie basieren im Wesentlichen auf einem wahrscheinlichkeitstheoretischen Modell nach Kummer, dass Schellenberg vermutlich in den 1950er-Jahren für die Praxis im SVGW umgesetzt hat. Ähnliche Kurven finden sich bei Pitsch, der auf einem internationalen Symposium zum Thema Wasserbedarf Messwerte mit den Berechnungswerten nach Kummer und Schellenberg verglichen hat. Er kommt zu dem Schluss, dass sich die Methode der Bemessung der Leitungen nach dem Wasserzähler bis zu den Zapfstellen nach den Leitsätzen W3 des SVGW gut bewährt habe. Und genau aus diesen Leitsätzen sind die Kurven unverändert in die DIN EN 806-3 übernommen worden.

Es sind zwei Gründe anzuführen, warum diese Ansätze für die Spitzenvolumenströme zu korrigieren sind: Einmal basieren sie auf Messwerten der Wasserverbräuche in der Schweiz, die vor 1980 aufgenommen wurden, und weiterhin zeigen die Messungen des DVGW etwa zur gleichen Zeit, dass sich der hohe Anstieg der Spitzendurchflüsse ab einem Summendurchfluss von etwa 60 l/s in der Praxis nicht einstellt.

In Tabelle 2 sind die von Pitsch angegebenen Wasserverbräuche in der Schweiz (1977) aufgelistet und dabei zeigt sich, dass der durchschnittliche Wasserverbrauch in den Wohngebäuden bei etwa 150 bis 230 l/(E d) lag (E: Einwohner); heute sind wir in Deutschland bei ungefähr 120 l/(E d) mit noch abnehmender Tendenz. Diese Einsparungen, die in erster Linie auf die wassersparenden WC-Spülungen zurückzuführen sind, haben sicher auch einen Einfluss auf den zu erwartenden Spitzenbedarf. In Deutschland sind die Möglichkeiten der Wassereinsparung in Gebäuden schon seit 2003 in der VDI-Richtlinie 6024 aufgezeigt.

Weiterhin muss überlegt werden, ob bei sehr großen Gebäuden die aufgrund einer angenommenen Poisson-Verteilung des Bedarfs (siehe Kummer) gewonnenen Spitzenvolumenströme vertretbar sind. Weiteres dazu s.u.: Diskussionsstand im DIN NA 119-04-07-02 AK.

5. Ohne Druck läuft (strömt) es nicht!: In DIN EN 806-3 werden die Rohrdurchmesser der Kalt- und Warmwasserleitungen direkt aus dem Summendurchfluss bestimmt und damit wird unterstellt, dass die Netztopographie keinen nennenswerten Einfluss hat. Das muss für viele Gebäude in hohem Maße bezweifelt werden und lässt sich mit sehr einfachen Überlegungen auch belegen.

In Bild 2 ist das mittlere verfügbare Druckgefälle Rv für die Rohrreibung über der Länge L bis zur ungünstigsten Entnahmestelle aufgetragen. Als weiterer Parameter wird deren geodätische Höhe über der Versorgungsleitung variiert, beginnend bei 4 m für einen Bungalow und weiter bis zu 16 m für einen fünfgeschossigen Wohnungsneubau. Die Druckbedarfe für die Apparate (Zähler, Filter), die Entnahmestellen und den Mindest-Versorgungsdruck werden in allen Fällen als konstant angenommen.

Das verfügbare Druckgefälle ist maßgebend für die Wahl der Rohrdurchmesser und je größer es ist, umso kleiner kann bei einem bestimmten Durchfluss die Nennweite gewählt werden. Es ist an den nahe beieinanderliegenden R-Werten erkennbar, dass es nur bei sehr ausgedehnten und relativ hohen Gebäuden möglich ist, die Durchmesser allein aus dem Summendurchfluss zu bestimmen. Bei der überwiegenden Zahl der Gebäude (z.B. Wohngebäude mit 20 bis 50 Wohnungen) weichen die Druckgefälle stark voneinander ab und damit auch die Nennweiten bei gleichem Durchfluss in einem Rohrleitungsabschnitt.

In den Bildern 3 und 4 (einseitig: nach dem Wasserzähler erfolgt die Verteilung in ­eine Richtung, zweiseitig: in zwei Richtungen) sind für ein Wohngebäude mit 6 bis 40 Wohnungen die Bandbreiten für das verfügbare Druckgefälle aufgetragen und auch hier sind die großen Abweichungen zu erkennen.

Mit anderen Worten: Die geodätischen Druckdifferenzen in der Installation dürfen nicht vernachlässigt werden, zudem müssen die Druckverluste in den Apparaten differenziert ermittelt werden, weil im Einzelfall die Abweichungen zu pauschalen Annahmen in der Größenordnung der gesamten verfügbaren Druckdifferenz für die Reibung liegen können. Außerdem bestimmt die Höhe des Mindest-Versorgungsdruckes in der Straßenleitung am Anschluss zum Gebäude maßgeblich die Nennweiten der Rohrleitungen im Gebäude und auf dem Grundstück.

Schließlich können die der Versorgungsleitung näher liegenden Stränge mit gleichen Anforderungen an die Wasserentnahme (gleichen Summendurchflüssen) mit zum Teil erheblich niedrigeren Nennweiten ausgeführt werden, wenn für diese Leitungswege nach der Bemessung des ungünstigsten Stranges jeweils „neue“ verfügbare Druckgefälle für die Rohrreibung Rv ermittelt werden. Im Übrigen fördert das auch die Trinkwasserhygiene im System.

6. Hinweise zur Berechnung der Durchmesser der Zirkulationsleitungen fehlen: Eine Norm mit dem Anspruch, Verfahren zur Berechnung der Rohrdurchmesser in Trinkwasser-Installationen zu beschreiben, muss für sämtliche Leitungsabschnitte im System gelten. Deshalb sind auch die Algorithmen zur Bestimmung der Innendurchmesser von Zirkulationsleitungen anzugeben und da diese in hohem Maße vom zu wählenden Förderdruck der Zirkulationspumpe abhängen, muss die gesamte (Zirkulations-)Systemauslegung festgelegt werden. In DIN EN 806-3 hat man darauf verzichtet, weil die (Zitat) „Warmwasser-Zirkulationsleitungen anderen hydraulischen Gesetzmäßigkeiten unterliegen und damit nicht mit dieser Methode (Anmerkung des Verfassers: gemeint ist das Berechnungsverfahren für die Kalt- und Warmwasserleitungen in DIN EN 806-3) bemessen werden können“. Die Einschätzung hinsichtlich der Hydraulik ist richtig, nur sollte das kein Grund sein, kein Berechnungsverfahren anzugeben. Die Ergänzungsnorm DIN 1988-300 wird – an die Tradition der DIN 1988-3 anknüpfend – wieder alle notwendigen Methoden zur Berechnung sämtlicher Rohrdurchmesser der Trinkwasser-Installa­tionen aufnehmen.

Hauptmotive für die Ergänzungsnorm

Vor dem aufgezeigten Hintergrund lassen sich die Hauptmotive für eine Überarbeitung in Form einer Ergänzungsnorm nach den Kategorien Durchflüsse und Druck zusammenstellen:

Durchflüsse

1. Unzulänglichkeiten in der DIN EN 806-3: Berechnungs- und Spitzendurchflüsse nicht nachvollziehbar.

2. Wasch- und Geschirrspülmaschinen haben heute geringere Berechnungsdurchflüsse als in DIN 1988-3 angegeben.

3. Die einwohnerbezogenen Tagesmittelwerte für den Trinkwasserverbrauch sind in den letzten 20 Jahren um ca. 30 % gesunken.

4. Forderungen der Hygiene, z.B. in VDI 6023 „Überdimensionierung ist zu vermeiden“, machen es notwendig, die Auslegungsbedarfe gründlich zu überprüfen.

Druck

1. Versorgungsdruck und relevante Druckdifferenzen im System für die Apparate, die Höhenunterschiede und die Entnahmearmaturen müssen erfasst werden.

2. Installationstechniken im Stockwerksbereich (z.B. Ringleitungen), der Wunsch nach Optimierung der Nennweiten aufgrund hygienischer Anforderungen und die Möglichkeiten, mit geeigneter Software die Systeme zu berechnen, führen zu der Auffassung, vereinfachte Berechnungsverfahren als überflüssig anzusehen.

3. Die Vielfalt der Verbindungstechniken führt dazu, dass die Widerstandszahlen ζ pro­duktabhängig zu ermitteln und bei der Berechnung differenziert zu berücksichtigen sind.

Diese Aufzählungen sind nicht vollständig; weitere Aspekte werden in den nächsten Abschnitten erläutert.

Einzelwiderstände

Jede Berechnung eines Trinkwassersystems sollte – soweit möglich – auf der Grundlage gesicherter Eingangsdaten erfolgen. Hier hat sich hinsichtlich der Einzelwiderstände die Datenlage in den letzten 20 Jahren geändert. Als DIN 1988-3 erschien, waren die durch die Konstruktion z.B. der Formstücke bedingten Abweichungen der Widerstandszahlen ζ relativ gering, sodass man bei der sogenannten diffe­renzierten Berechnung der Rohrleitungen mit einem Richtwert für ein bestimmtes Formstück auskam.

Inzwischen wird die Situation anders eingeschätzt, da die Vielfalt der Verbindungstechniken zu voneinander abweichenden Strömungsverhältnissen in bestimmten Formstückkonfigurationen geführt hat. In Bild 5 werden beispielhaft für zwei willkürlich konfigurierte 90°-Umlenkungen die Geschwindigkeitsverteilungen angegeben, wie sie sich aus einer Strömungssimulation ergeben. Wie zu erwarten, sind in dem rechts dargestellten Formstück deutlich gestörtere Strömungsfelder auszumachen mit der Folge, dass die Widerstandszahl größer sein wird. Die Größe der Differenz zum Wert des linken Formstücks lässt es nach Einschätzung der Fachkollegen aus der Schweiz (SVGW) nicht mehr zu, mit einem ζ-Wert für einen Winkel/Bogen zu rechnen. Deshalb werden dort die Widerstandszahlen nach einem einheitlichen Messverfahren ermittelt und diese können dann für die differenzierte Berechnung der Rohrweiten herangezogen werden.

In Deutschland wird der gleiche Weg beschritten: Im AK 1988-300 sind die Grund­lagen für ein Messverfahren erarbeitet worden, dass vom DVGW weiter bearbeitet wird mit dem Ziel, ein DVGW-Arbeitsblatt zur Messung der Widerstandszahlen zu entwickeln. ­Etwas Ähnliches gibt es bereits für Einzeldruckverluste in Gasinstallationen: Das DVGWArbeitsblatt G 616, welches ein einheitliches Messverfahren für die Ermittlung von Widerstandszahlen für Einzeldruckverluste von Bauteilen der Gasinstallation festlegt.

Um Missverständnissen in der Fachöffentlichkeit entgegenzutreten, ist Folgendes deutlich zu sagen: Bauteile mit hohen Widerstandszahlen in der Trinkwasser-Installation führen nicht zu Durchflussmängeln, wenn die mit dem Messverfahren nach dem DVGW-Arbeitsblatt ermittelten ζ-Werte bei der Rohrnetzberechnung berücksichtigt werden. Da beabsichtigt ist, genau diese Werte in den Berechnungsprogrammen der Software- oder Rohrhersteller zu hinterlegen, ist gewähr­leistet, dass Druckverluste korrekt berücksichtigt und damit die rechnerisch angenommenen Spitzendurchflüsse im System sichergestellt werden.

Diskussionsstand im AK DIN 1988-300*

Berechnungsdurchfluss und Mindestfließdruck

Einer der Ausgangspunkte jeder Rohrnetzberechnung ist die Festlegung der Berechnungsdurchflüsse der Entnahmearmaturen. In DIN 1988-3 gibt es eine Tabelle mit Richtwerten, die in der Praxis – vorsichtig ausgedrückt – im Regelfall uneingeschränkt angewendet wird. Der zarte Hinweis in dieser Norm, für in der Tabelle nicht erfasste Armaturen die Herstellerangaben zu verwenden (DIN 1988-3, Abschnitt 4, 3. Absatz), wird in der Neuausgabe der Norm strenger gefasst: Es wird eine klare Anleitung geben, die Herstellerwerte zu berücksichtigen. Diese haben den Mindestfließdruck und die Berechnungsdurchflüsse auf der Kalt- und auf der Warmwasserseite (bei Mischarmaturen) anzugeben.

Trotzdem wird es eine Tabelle für die Berechnungsdurchflüsse und auch Mindestfließdrücke geben, aber mit einer klaren Handlungsanweisung, wann diese Werte genommen werden dürfen. Sie sind überarbeitet worden, insbesondere wurden die Berechnungsdurchflüsse der Wasch- und Geschirrspülmaschinen gesenkt, weil heute die Wasser und Energie einsparenden Geräte geringere Volumenströme am Anschluss benötigen.

Spitzendurchfluss

Die Bestimmung des Spitzendurchflusses in allen Abschnitten des Rohrsystems ist mit Abstand das schwierigste Unternehmen bei der Neufassung der DIN 1988-3. Dafür gibt es im Wesentlichen vier Gründe:

1. Es liegen keine statistisch abgesicherten Messungen der Spitzendurchflüsse in neuen Gebäuden (jünger als 20 Jahre) vor.

2. Ältere Messungen sind nur eingeschränkt verwendbar, weil sich die Wasserverbräuche geändert haben. Zudem enthalten die Messwerte Verbräuche von Einrichtungen, die nicht einbezogen werden dürfen. Beispiel: Behandlungstrakt in einem Krankenhaus (Wäscherei, Großküche, Bäderabteilung), der bei Angaben zum Spitzendurchfluss im Bettenhaus herausgerechnet werden müsste. Nur wie?

3. Die aus wahrscheinlichkeitstheoretischen Modellen (z.B. mit der Poisson-Verteilung) gewon­nenen Kurven stimmen bei größeren Gebäuden auch nicht annähernd mit den Regressionskurven für die Messwerte ­überein.

4. Die Wasserversorger haben eigene Regeln aufgestellt, um die Hausanschlussleitungen und die Wasserzähler zu bemessen und zudem Wasserbedarfszahlen festgelegt, die als Grundlage für die Bemessung der Wasserverteilungsanlagen (Versorgungsnetz) dienen. Diese Werte können für die Gebäudetechnik nicht übernommen werden, weil die Basis der Planungswerte ein größeres (als für Trinkwasseranlagen zu betrachtendes) Zeitfenster für die Spitze ist. Tessendorff hat bereits 1972 sehr differenziert dargestellt, worauf bei der Wahl des Zeitintervalls für die Spitze zu achten ist.

Möglichkeiten zur Problemlösung

Man könnte ein neues Forschungsprogramm auflegen, um anhand einer repräsentativen Anzahl von Gebäuden (mindestens 15 bis 20 für jede Nutzungsart) zu belastbaren Aussagen zum Spitzenvolumenstrom zu kommen. Dieser Weg wird aus Zeitgründen (viele Teile der nationalen Ergänzungen zur Reihe EN 806 sind bereits weit gediehen) nicht beschritten.

Deshalb werden die bereits publizierten und zum Teil in Normen verwendeten Kurven für den Spitzendurchfluss einer kritischen Prüfung unterzogen mit dem Ziel, zu prüfen, ob und wie die Spitzenströme für die Auslegung gegenüber den bisherigen Ansätzen abgesenkt werden können. Beispielhaft soll am Beispiel der Wohngebäude das Vorgehen kurz erläutert werden.

In Bild 6 sind die im Arbeitskreis 1988-300 derzeit diskutierten Kurven zusammengestellt und außerdem die Messwerte aus dem DVGW-Forschungsprogramm (1983) und den Messungen von Kawan und Himmler eingetragen ­worden:

Nr. 1 DIN B/A: Kurven aus der DIN 1988-3 für Ausstattung mit Spülkasten

Nr. 2 EN 806-2 LU: Kurve aus der EN 806-3, wenn der Durchfluss der größten Entnahmearmatur in der Installation ≤ 0,2 l/s

Nr. 3 Kurve des DVGW für die mittlere Regression um die doppelte Standardabweichung (+2s) nach oben verschoben, um damit nach den Gesetzen der Statistik etwa 97,5 % der Messwerte (siehe 5) zu erfassen

Nr. 4 Kurve des DVGW für die mittlere Regression um die einfache Standardabweichung (+1s) nach oben verschoben, um damit etwa 84 % der Messwerte zu erfassen

Nr. 5 Messwerte des DVGW für Wohngebäude, Stand 1983

Nr. 6 Messwerte von Kawan und Himmler (Kurve DIN B/A ist die Hüllkurve dieser Messwerte), Stand 1965

Nr. 7 AK-Vorschlag (DIN-Arbeitskreis NA 119-04-07-02 AK)

Die Kurven A (Summendurchfluss>20 l/s) und B (Summendurchfluss ≤20 l/s) aus der DIN 1988-3 sind Hüllkurven der Messwerte von Kawan und Himmler, die aus den 1960er-Jahren stammen. Sie liegen deutlich über denen des DVGW-Forschungsberichtes, dessen Grundlage Messwerte aus den 1980er-Jahren sind. Diese sind statistisch hinreichend ausgewertet und in der Fachwelt in nachfolgenden Publikationen diskutiert worden. Allerdings haben sie aus heutiger Sicht den offensichtlichen Nachteil, dass die zugrunde liegenden Messwerte auch schon 25 Jahre alt sind und durch die inzwischen weit gegriffenen Wassereinsparungen niedrigere Spitzenbelastungen zu erwarten sind. Einzelmessungen scheinen das zu bestätigen, nur sind sie leider nicht repräsentativ.

Im DIN-Arbeitskreis NA 119-04-07-02 AK hat man sich auf eine Kurve geeinigt, die oberhalb eines Summendurchflusses von ­etwa 30 l/s zwischen den beiden DVGW-Kurven (+2s und +1s) liegt. Das scheint angesichts des etwa 30%igen Rückgangs des Wasserverbrauchs (Basis: 1983) gerechtfertigt und erste Rechnungen an ausgewählten Gebäuden zeigen, dass es nur geringfügige Änderungen in den Rohrquerschnitten, insbesondere im Bereich der Verteilungsleitungen, geben wird. Dies führt sicherlich nicht zu Druckproblemen an den Entnahmestellen.

Unterhalb eines Summendurchflusses von 30 l/s liegen die vom DIN-Arbeitskreis vorgeschlagenen Spitzenströme sogar über den Angaben der DIN EN 806-3, deren Grundlagen ja in der Schweiz erarbeitet worden sind. Dort gibt es keine Klagen in Wohngebäuden mit Summendurchflüssen ≤30 l/s, wenn die Trinkwassersysteme nach der DIN EN 806-3 ausgelegt werden. Schaut man sich die Mess­werte genauer an (Bild 7), erkennt man, dass nur wenige Gebäude mit Summendurchflüssen

Analog werden die Spitzenvolumenströme weiterer Gebäude (Hotels, Krankenhäuser, Schulen, Büro- und Verwaltungsgebäude, Kaufhäuser) überprüft und Vorschläge für die Kurvenanpassungen gemacht.

Vereinfachter Rechengang

In DIN 1988-3 gibt es einen sogenannten vereinfachten Rechengang, der es ermög­licht, relativ schnell und auch zuverlässig „von Hand“ die ­Rohrdurchmesser auch größerer Systeme zu ­bestimmen. Die Installationstechniken haben sich aber in der Zwischenzeit in einer Weise geändert, dass ohne Korrektur der Grundlagen für die Ver­einfachungen dieser Rechenweg nicht mehr mit der gebotenen Genauigkeit anwendbar wäre. Da inzwischen qualifizierte Programme für die Rohrnetzberechnung genutzt werden, ist es nicht mehr notwendig, ein modifiziertes Hand­rechenverfahren zu entwickeln. Deshalb ist beabsichtigt, normativ keinen vereinfachten Rechengang mehr aufzunehmen und falls doch jemand für Plausibilitätsrechnungen schnell einen Überschlag machen möchte, kann er sich der Fachliteratur bedienen.

Einzelwiderstände

Wie erwähnt, ist ein DVGW-Arbeitskreis dabei, ein Blatt für die reproduzierbare Messung von Einzelwiderständen zu entwickeln. Die damit gewonnenen Widerstandszahlen ζ sind dann für die differenzierte Ermittlung der Rohrdurchmesser nach DIN 1988-300 zu verwenden. Die derzeit noch gebräuchlichen Richtwerte aus der DIN 1988-3 oder dem Fachschrifttum dürfen dann nicht mehr benutzt werden.

Ausblick

Die Berechnung von Zirkulationssystemen, die Auslegung von Ringleitungssystemen und die Dokumentation der Berechnungen sind im Arbeitskreis zu DIN 1988-300 und auch im Normenausschuss zur Restnormung DIN 1988 noch nicht diskutiert worden.

Berechnung von Zirkulationssystemen

Die Auslegung von Zirkulationssystemen war bereits in DIN 1988-3 geregelt, musste aber überarbeitet und auch wegen der Bedingungen, die sich aus der Hygiene ergeben (max. 5 K im Umlauf), neu gefasst werden. Das Ergebnis war das DVGW-Arbeitsblatt W 553 und jetzt sollen die dort angegebenen Bemessungsalgorithmen wieder in die Restnorm aufgenommen werden. Dabei muss die Diskussion darüber geführt werden, welchen Einfluss der Einsatz von thermostatischen Zirkulations-Regulierventilen auf die Auslegung des Systems hat. Das ist erforderlich, weil die bisherigen Rechenansätze nach W 553 von konstanten Strangkopftemperaturen ausgegangen sind. Die sind aber mit Thermostatventilen nicht erreichbar, wie Bild 8 am Beispiel eines Wohngebäudes mit zwölf Strängen ausweist. In Bild 9 sind die erreichbaren Volumenströme zusammengestellt und die Abweichungen zu den Auslegungswerten erkennbar. Zudem ist zu überlegen, welchen Einfluss der mögliche Desinfektionsbetrieb auf die Systembemessung hat.

Auslegung von Ringleitungssystemen

Zur Förderung der Hygiene im Betrieb von Trinkwasser-Installationen ist es geeignet, die Entnahmearmaturen über Ringleitungssysteme zu versorgen. Damit wird der Wasserwechsel im System erhöht und die Stagnationszeiten werden verringert. Allerdings muss ein anderer Rechenweg zur Bemessung der Nennweiten der Ringleitungen beschritten werden. Dieser Weg ist im Arbeitskreis noch zu diskutieren.

Dokumentation der Berechnungen

Um die Ermittlung der Rohrdurchmesser nachvollziehen zu können, müssen die Berechnungsvoraussetzungen und die Ergebnisse in geeigneter Weise dokumentiert werden. Dazu sind unter anderem die Teilstreckenkennzeichnung und die Zuordnung der Widerstandszahlen ζ zu den einzelnen Teilstrecken eindeutig festzulegen. Darüber hin­aus muss die Form der Ergebnisdarstellung besprochen werden, damit die Überprüfung Berechnungsergebnisse einschließlich der Vor­­aus­set­zun­gen relativ einfach erfolgen kann.

Fazit

Es ist zu erwarten, dass in Zukunft die Rohrdurchmesser aufgrund der geringer kalkulierten Spitzendurchflüsse insbesondere in den Verteilungsleitungen kleiner werden. Das wird zu keiner Komforteinbuße beim Zapfen führen, im Gegenteil: Durch den besseren Wasseraustauch wird die Stagnation im System weiter reduziert und damit die Hygiene gefördert. Zudem vermindern sich die „Aufheizzeiten“ für das Kaltwasser und damit steigt die „Frische“ an den Entnahmestellen.

Wenn sich die neuen Ansätze zur Bemessung ohne wesentliche Einsprüche im Weißdruck zur Norm wiederfinden, muss sich das Handwerk darauf einstellen, dass Handrechnungen nach dem differenzierten Rechengang zwar möglich, aber wenig sinnvoll (da zeitraubend) sein werden. Ohne PC und für die Rohrnetzberechnung geeignete Programme wird auch der Handwerksbetrieb die Trinkwasserinstallation nicht mehr wirtschaftlich planen und ausführen können.

Abschließend noch eine Prognose zum Erscheinungstermin des Entwurfs zur DIN 1988-300: 2. Jahreshälfte 2010.

* Stand Oktober 2009

Hintergrund

Literatur zum Thema

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Autor

Prof. Dipl.-Ing. Klaus Rudat, VDI, DVGW, GG, ist seit 1984 Professor im FB IV Architektur und Gebäudetechnik der Beuth Hochschule für Technik Berlin, Fachgebiete: Sanitäre Gebäudetechnik, Feuerlöschanlagen, Schwimmbad­technik und Mitglied in Ausschüssen des VDI, DIN und DVGW, Obmann des DIN-AK 1988-300 zur Bemessung von Trinkwasserinstallationen.

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