Die Realität sieht anders aus: Stagnation in Trinkwassersystemen ist an der Tagesordnung. Steht zum Beispiel eine Wohnung für einen längeren Zeitraum leer oder werden in einem Krankenhaus oder Hotel Zimmer für eine gewisse Zeit nicht belegt, wird kein Wasser entnommen. Das Wasser steht und erwärmt sich. Bakterien finden in diesen Temperaturen optimale Bedingungen zur Vermehrung. Insbesondere Legionellen und Pseudomonaden können bei stagnierendem und sich erwärmendem Kaltwasser das System kontaminieren. Der nicht bestimmungsgemäße Betrieb und daraus resultierend Stagnation ist eine der Hauptursachen für den Wandel von Trinkwasser zu Nicht-Trinkwasser.
Vom Betreiber einzuhalten
Laut Trinkwasserverordnung (TrinkwV 2001) ist Trinkwasser generell „Wasser für den menschlichen Gebrauch“. Die Anforderungen an der Wasserentnahmestelle sind vom Betreiber des Trinkwassersystems einzuhalten und gelten für Trinkwasser kalt (TWK) und Trinkwasser warm (TWW). Bei der Expertenanhörung (1) am 31. März 2004 in Bonn wurde klar formuliert: „Die Pflicht zur Beachtung der allgemein anerkannten Regeln der Technik ergibt sich für den Betreiber der Hausinstallation aus der TrinkwV, § 4, Abs.1 in Verbindung mit § 3 Nr. 2 Buchstabe c.“ Sicher ist, dass eine präventive Strategie im Gegensatz zu einer reaktiven Strategie die einzig richtige ist.
[(1) Bundesgesundheitsblatt, Gesundheitsforsch-Gesundheitsschutz 2006, 49:681-686DOI 10.1007/s00103-006-1284-X, online-publiziert: 9.6.2006, Springer-Medizin Verlag 2006]
Prävention beginnt mit einer hygienisch einwandfreien Planung. Sie muss so erfolgen, dass durch sinnvolle Leitungsführung der Wasseraustausch gewährleistet ist. Überdimensionierungen und Totleitungen sind zu vermeiden. Die Querschnitte der Trinkwasserleitungen sind auf den tatsächlichen Wasserbedarf auszulegen. Für die gesamte Planung gilt der Grundsatz: „so groß und lang wie nötig, so klein und kurz wie möglich“. Ein Durchschleifen der Trinkwasserleitungen ist die sinnvollste Lösung, um die Länge der Apparateanschlüsse so kurz wie möglich zu halten.
Stagnation vermeiden
Sowohl im Wohnungsbau als auch in öffentlichen Gebäuden ist bauen auf Vorrat und daraus resultierend Stagnation an der Tagesordnung. Zur Einhaltung der Trinkwasserhygiene muss in Krankenhäusern, Arztpraxen oder Hotels eine periodische Spülung sichergestellt sein, unabhängig davon, ob Zimmer belegt sind oder nicht. In der Praxis werden deshalb regelmäßig umfangreiche Spülmaßnahmen von Mitarbeitern durch aufwändiges manuelles Öffnen und Schließen der Armaturen durchgeführt. So entstehen hohe Betriebs- und Personalkosten. Die Spülmengen sind oft unbekannt und überhöht. Die Spülungen sind uneffektiv, da unkontrolliert.
Hygiene im Warmwasser
Im Trinkwasser warm werden einwandfreie Hygienebedingungen durch den „hydraulischen Abgleich von Zirkulationssystemen“ nach DVGW W 551, W 553 erzielt. Mit statischen und thermisch gesteuerten Zirkulations-Regulierventilen wird die Einhaltung der Warmwassertemperaturen zwischen 55 °C und 60 °C im gesamten Leitungssystem erreicht. Darüber hinaus ermöglicht die neue Simulationssoftware von Kemper die realitätsnahe Analyse aller berechneten Zirkulationssysteme. Die Software simuliert das hydraulische und thermische Zusammenwirken von Pumpe, Rohrnetz und Zirkulations-Regulierarmaturen. Damit kann insbesondere für Großobjekte die Praxistauglichkeit der Rohrnetzkonstruktion und der gewählten Ventiltechnik überprüft und ggf. angepasst und wirtschaftlich optimiert werden.
Hygiene im Kaltwasser
Auch für den Kaltwasserbereich ist ein regelmäßiger Austausch des Wassers sicherzustellen. Das heißt: eine zuverlässige Spülung der Kaltwasserleitungen muss automatisch geschehen. Dafür bietet Kemper neue Lösungen mit dem Hygienesystem (kurz KHS) an. Ziel ist, die Stagnationsvermeidung ebenso kontrolliert wie wirtschaftlich durchzuführen, zu protokollieren und durch geeignete Armaturentechnik umzusetzen.
Ziele des Kemper-Hygienesystems für Kaltwasser
- Sicherstellung und Erhaltung der Trinkwasserqualität an der Entnahmestelle nach TrinkwV 2001.
- Präventionsmaßnahmen und Stagnationsvermeidung in Trinkwassersystemen durch Herstellung des bestimmungsgemäßen Betriebes zu jedem Zeitpunkt.
- Einhaltung der Trinkwasserhygiene durch wirtschaftlich durchgeführte Spülmaßnahmen, dadurch Reduzierung der Personal- und Betriebskosten.
- Dokumentation der stagnationsverhindernden Maßnahmen mittels Spül- und Entnahme-Protokoll.
- Sicherheit bei der Ausführung des Hygienesystems durch softwareunterstützte Planung und Ausführung des TW-Systems. Simulation der Spülvorgänge, -mengen, und -zeiten.
Trinkwasserhygiene sichern
Trinkwasserhygiene wird erreicht durch gezielte programmierbare Spülmaßnahmen in Verbindung mit Zwangsdurchströmung von Ringleitungssystemen. Im Trinkwasser kalt ist die Einhaltung „niedrige Temperaturen“ < 25 °C und niedriger das Ziel. Mittels Spülprogrammen und geeigneter Armaturentechnik lässt sich niedrig temperiertes und somit frisches Wasser an jeder Entnahmestelle anbieten. Der Betreiber kann den Zeitpunkt der Spülungen durch die gezielte Ansteuerung der Armaturen festlegen. Damit wird der individuelle, bestimmungsgemäße Betrieb für jedes Trinkwassersystem hergestellt.
Automatisches Spülen
Das Kernstück des Hygienesystems KHS ist der KHS-Venturi-Strömungsteiler. Das Prinzip des Strömungsteilers beruht auf dem Prinzip der Venturi-Düsentechnik. Der minimale Druckunterschied zwischen Zuleitung A und Rückleitung B bewirkt eine Zwangsdurchströmung der Nasszelle. Der Antrieb erfolgt durch Wasserentnahme nach dem KHS-Venturi-Strömungsteiler. Der gesamte Wasserinhalt der Ringleitung wird so ausgetauscht und die Trinkwassertemperatur niedrig gehalten.
Der Königsweg
In Großobjekten, wie Krankenhäusern und Hotels, erfolgt keine Einzelerfassung des Wasserverbrauchs, d.h. es gibt keine Wasserzähler auf den Etagen. Daher können im TWK Venturi-Strömungsteilergruppen zum Anschluss der Sanitärräume an der Steigleitung eingesetzt werden. Die Kombination von KHS-Hygienespülung am Ende der Versorgungsleitung und KHS-Venturi-Strömungsteiler in den Steigleitungen bewirkt, bei einem Spülvorgang der Hygienespülung, die Durchströmung der darunter befindlichen Etagen und somit den Erhalt des bestimmungsgemäßen Betriebes. Trinkwassertemperaturen werden niedrig gehalten. Das während des Leitungsspülvorgangs über die Hygienespüleinrichtung austretende Wasser kann aufgefangen und als Grauwasser – z.B. für die WC-Spülung – sinnvoll genutzt werden.
Erste Hilfe im Bestand
Stagnation in bestehenden Anlagen in den Griff zu bekommen ist um ein vielfaches schwieriger als bei Neuanlagen. Erste und zugleich wirkungsvollste Maßnahme bei bestehenden Anlagen ist die timergeführte Strangspülung. Schulen, Sportstätten und Hotels können so schnell und wirkungsvoll von stagnierendem Wasser in endständigen Leitungen befreit werden. Bei Feuerlöschleitungen im Bestand kann eine druckstoßfreie Spülung mit DVGW-zugelassenen Ventilen durchgeführt werden. Durch die verschiedenen Größen der Ventile ist hier ein 20–50%iger Volumenstrom des Berechnungsdurchflusses in zu spülenden Leitungen bis DN 100 sichergestellt. Zur Nutzung der anfallenden Spülwassermenge kann das Wasser in einem Speicherbehälter aufgefangen werden (z.B. Regenwassernutzungsanlage, Bewässerung von Außenanlagen etc.).
Nasszellen-Zwangsdurchströmung
Bei Großanlagen ist eine Spülung mit den Hygienespüleinheiten nicht mehr zielführend. Hier ist intelligente Ventiltechnik erforderlich. Der Betreiber kann zwischen drei Betriebsarten wählen
- Dem zeitgesteuerten Spülprozess des Trinkwassersystems mittels vorgegebener Auslaufzeiten (z.B. max. 5 Spülintervalle über einen Tag oder individuelle Spülintervalle an verschiedenen Wochentagen über eine Woche).
- Dem volumenstromgesteuerten Spülprozess des Trinkwassersystems mittels vorgegebener Auslaufmengen bei bekanntem erforderlichen Spülvolumen.
- Dem temperaturgesteuerten Spülprozess. Hierbei wird eine Referenztemperatur (z.B. am TWK-Hausanschluss) ständig mit mehreren Temperaturen im Rohrsystem verglichen. Die Systemsteuerung löst eine Spülung aus, wenn die Temperaturdifferenz die tatsächlich eingegebene Soll-Temperaturdifferenz überschreitet.
Berechnungssoftware
Die Kemper Simulationssoftware bietet neben dem Modul für Warmwasser auch ein Modul für den Kaltwasserbereich. Die Software für Kaltwasser ist in der Lage komplexe Großobjekte mit Ringleitungssystemen in zwangsdurchströmten Nasszellen zu berechnen, zu simulieren und die erforderlichen Spülmengen und -zeiten zu ermitteln. Dies garantiert den nachhaltigen Umgang mit den zur Spülung erforderlichen Spülwassermengen. Die lückenlose Dokumentation der stagnationsverhindernden Maßnahmen ist durch das automatisch erstellte Entnahmeprotokoll („Spülprotokoll“) sichergestellt. Nach der Berechnung und Simulation des Trinkwassersystems stehen die zur Spülung erforderlichen Spülmengen fest. Die Ergebnisse werden in die Parametriersoftware des Spülprogramms KHS-Logic eingelesen. Mit der Software werden die automatisierten Spülprozesse zeit-, temperatur- oder volumenstromgesteuert programmiert und die Armaturen des Kemper-Hygienesystems angesteuert.
Weitere Informationen
Unser Autor Dipl.-Ing. Ulrich Petzolt referierte zu diesem Thema beim 1. Deutschen Forum Innenraumhygiene Mitte Oktober 2007 in Bochum. Petzolt ist seit 1997 bei Kemper als Leiter Produktmanagement für Gebäudetechnik-Armaturen zum Absperren, Sichern und Regulieren tätig. 57462 Olpe, Telefon (0 27 61) 8 91-0, Telefax (0 27 61) 8 91-1 75, http://www.kemper-olpe.de