Springe auf Hauptinhalt Springe auf Hauptmenü Springe auf SiteSearch
Möglichkeiten zum Schutz vor Rückstau

Heben, absperren oder Hybrid-Lösung?

Vor allem bei starkem Regen kommt das öffentliche Kanalnetz schnell an seine Grenzen. Das Abwasser staut sich in der Kanalisation und drückt zurück in die Gebäude. Ohne passenden Rückstauschutz sind vollgelaufene Keller mit Schäden an Mobiliar, Wänden und Bodenbelag die Folge. Davor schützen kann nur ein Rückstauverschluss, eine Hebe­anlage oder eine Rückstauhebeanlage. Bei der Auswahl des richtigen Produktes und beim Einbau ist das Einhalten der geltenden Normen und Vorschriften entscheidend. Denn kommt es in Folge einer falsch gesetzten Rückstauklappe zu Überschwemmungsschäden im Haus des Bauherren, können Installateure und Planer auch über den Ablauf der Gewährleistungsfrist hinaus für diese Schäden nach § 823 BGB (OLG Hamm, Urteil vom 24.11.1992, 24 U 169/91) haften.

Grundlagen der Entwässerungsplanung

Grundsätzlich sind Grundstücksentwässerungsanlagen so zu installieren, dass eine unplanmäßige Überflutung im Gebäude oder auf dem Grundstück vermieden wird. Denn nach DIN EN 12056-4 kann trotz der Bemessung nach den jeweils geltenden anerkannten Regeln der Technik und eines sorgfältigen Betriebes Rückstau jederzeit vorkommen. Die Gemeinden fordern deshalb jeden Bauherren und Hausbesitzer auf, sich durch den Einbau einer geeigneten Rückstausicherung selbst zu sichern, um so Schäden zu verhindern. DIN 1986-100 besagt, dass Entwässerungsgegenstände oberhalb der Rückstauebene mittels Schwerkraft zu entwässern sind. Abwasser, das von Entwässerungsgegenständen und Bodenabläufen oberhalb der Rückstauebene kommt, darf also nicht über Rückstauverschlüsse geführt werden. Nur in Fällen, in denen das Gefälle zum Kanal nicht ausreicht, darf es über Abwasserhebeanlagen abgeleitet werden. Ablaufstellen unterhalb der Rückstauebene sind nach DIN EN 12056-4 durch automatisch arbeitende Abwasserhebeanlagen mit Rückstauschleife gegen Rückstau zu sichern (Bild 1). Unter bestimmten Voraussetzungen können auch Rückstauverschlüsse nach DIN EN 13564-1 eingesetzt werden. ­Alle in einer Entwässerungsanlage verbauten Produkte gelten als Bauprodukte und müssen gemäß der Bauproduktenrichtlinie, Landesbauordnung und DIN 1986-100 baurechtlich geregelt sein. Dazu sind folgende Nachweisverfahren erlaubt: Harmonisierte Normen wie DIN EN 12050 für Hebeanlagen oder DIN EN 13564 für Rückstauverschlüsse, allgemeine bauaufsichtliche Zulassungen oder bauaufsichtliche Zustimmungen im Einzelfall durch eine Eignungsfeststellung und Abklärung mit einer zuständigen Behörde.

Bezüglich der Einsatzbereiche beschreibt die DIN 1986-100 nur die beiden genormten Produktarten Hebeanlagen und Rückstauverschlüsse. Doch wie auch der Kommentar der DIN 1986-100 feststellt, ist es aus Gründen der technischen Entwicklung, der Wirtschaftlichkeit, aber auch des Umweltschutzes und des sparsamen Umgangs mit Primärenergien notwendig, dass neue Bau- und Werkstoffe, Bauteile, Bauarten und Einrichtungsgegenstände Anwendung und Verwendung finden. Insofern können auch innovative Lösungen geplant und verwendet werden. Deren Einsatzbereich ist in der jeweiligen Zulassung geregelt oder auch im Einzelfall mit der jeweiligen Behörde abzustimmen (Bild 2). Zum Schutz vor Rückstau stehen also grundsätzlich automatisch arbeitende Abwasserhebeanlagen (nach DIN EN 12056), Rückstauverschlüsse (nach DIN EN 13564-1) oder Rückstausicherungsanlagen wie Rückstaupump- oder Rückstauhebeanlagen mit einer allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung zur Verfügung.

Hebeanlagen

Befinden sich Entwässerungsgegenstände wie Toiletten, Waschmaschinen oder Duschen unterhalb der Rückstauebene und es ist kein Gefälle zum Kanal vorhanden, kann das Wasser nicht ohne technische Hilfe abfließen. Hier müssen Abwasserhebeanlagen zur Entwässerung eingesetzt werden. Sie sammeln unterhalb der Rückstauebene anfallendes Abwasser in einem Behälter. Ab einem bestimmten Wasserstand wird das Abwasser durch eine Pumpe über die Rückstauebene befördert, sodass es mit natürlichem Gefälle dem Kanal zufließen kann. Für die Wahl der richtigen Anlage, ist immer auch die Abwasserart entscheidend. Hier wird zwischen Anlagen für Schwarzwasser (fäkalienhaltig) und Grauwasser (fäkalienfrei) unterschieden. Hebeanlagen können platzsparend in die Bodenplatte eingebaut (Bild 3), frei im Keller aufgestellt (Bild 4) oder außerhalb des Gebäudes in einen Schacht eingebaut werden (Bild 5). Ablaufstellen oberhalb der Rückstauebene dürfen nicht über die Hebe­anlage im Keller entwässert werden. Denn bei Störungen wie Stromausfall kann es im Keller zu unkontrolliertem Abwasseraustritt kommen. Hohe Betriebskosten und Überschwemmungen sind die Folge. Daher ist auch das Einleiten von Regenwasser unbedingt zu vermeiden.

Mit Druck durch die Schleife

Gemäß DIN EN 12056-4 muss das Abwasser über eine Druckleitung mit einer Rückstauschleife über die Rückstauebene geführt werden (Bild 6). Nur die Rückstauschleife nach einer Hebeanlage sorgt für einen sicheren Rückstauschutz. Fehlt sie, kann das Wasser ungehindert aus dem Kanal zurückdrücken und erhebliche Schäden anrichten. Der in die Druckleitung eingebaute Rückflussverhinderer stellt keinen Schutz vor Rückstau dar. Er sorgt nur dafür, dass beim Abschalten der Pumpe kein Wasser zurückfließt. Die Druckleitung muss so ausgelegt sein, dass sie mindestens dem 1,5-fachen des maximalen Pumpendrucks der Anlage standhält. Dar­über hinaus ist der Druckleitungsanschluss an der Grund- oder Sammelleitung vorzunehmen, nicht an der Abwasserfallleitung. Auch die Fließgeschwindigkeit in der Druckleitung sollte berücksichtigt werden. Sie darf 0,7 Meter/Sekunde nicht unterschreiten, sonst können sich Ablagerungen bilden und die Leitung sogar verstopfen.

Die richtige Wahl treffen

Die zuverlässige Funktion einer Hebeanlage hängt von der Auswahl des richtigen Produktes ab. Bei Abwasserpumpen werden Freistrom- oder Schneidradpumpen eingesetzt. Freistrompumpen sind besonders geeignet, wenn im Abwasser feste und langfaserige Dickstoffe wie Textilien oder Binden enthalten sind. Diese Pumpenart verursacht nur eine geringe Geräuschemission. Für einen zuverlässigen Förderguttransport sollten bei dieser Pumpe größere Druckleitungen (DN 100 und 80) auf kürzerer Strecke angebracht werden. Beinhaltet das Abwasser eher lange Fasern und zerkleinerbare Festkörper eignet sich eine Schneidradpumpe. Mit dieser Pumpe lässt sich ein zuverlässiger Förderguttransport durch kleine Druckleitungen auch auf weiten Strecken bewerkstelligen (Bild 7).

Die Pumpenleistung

Damit die Anlage auf alle örtlichen Gegebenheiten optimal ausgelegt ist, muss die Pumpenleistung nach Vorgaben der DIN EN 12056-4 bemessen werden. Es sind Gesamtzufluss und die Gesamtförderhöhe zu ermitteln. Zusätzlich muss sichergestellt werden, dass die Pumpe die ermittelte Fördermenge auf die gewünschte Höhe fördern kann. Um den Energieverbrauch im Rahmen zu halten, sollte die Anlage nicht größer als notwendig ausgelegt werden. Funktionalgebäude wie Hotels oder Bürogebäude brauchen immer eine intakte Anlage, da der laufende Betrieb sonst beeinträchtigt wird. In diesen Fällen muss die Hebeanlage mit einer zweiten, ebenso leistungsfähigen Fördereinrichtung (Doppelanlage) ausgestattet sein, die sich wenn nötig einschaltet.

Fäkalienhebeanlagen zur ­begrenzten Verwendung

Hebeanlagen nach DIN EN 12050 Teil 3 dürfen nur angebracht werden, wenn sich alle Entwässerungsgegenstände in einem Raum befinden, nur ein WC angeschlossen und zusätzlich maximal ein Zulauf von einem Waschbecken, einer Dusche oder einem Urinal vorgenommen wurde. Voraussetzung ist jedoch, dass ein weiteres WC oberhalb der Rückstauebene zur Verfügung steht.

Be- und Entlüftung

Durch Faulprozesse entstehen in den Behältern der Hebeanlage Gase. Um diese sicher abzuführen, benötigt jede Anlage eine ausreichende Entlüftung. Nach DIN EN 1986-100 sind Hebeanlagen über das Dach zu be- und entlüften. Dazu ist eine separate Lüftungsleitung erforderlich. Der Querschnitt ist mindestens in DN 50 auszuführen.

Rückstauverschlüsse

Sind bestimmte Voraussetzungen gegeben, kann statt einer Hebeanlage auch ein Rückstauverschluss (Bild 8) eingebaut werden. Nach DIN EN 12056-4 lauten diese Einbauvoraussetzungen:

  • Es muss ein Gefälle zum Kanal gegeben sein.
  • Es muss sich um Räume mit untergeordneter Nutzung handeln. Das bedeutet bei Rückstau dürfen keine wesentlichen Sachwerte beschädigt und die Gesundheit der Bewohner nicht beeinträchtigt werden.
  • Der Benutzerkreis muss klein sein.
  • Es muss ein weiteres WC oberhalb der Rückstauebene zur Verfügung stehen.
  • Bei Rückstau muss auf die Benutzung der Ablaufstellen verzichtet werden können.

Rückstauverschlüsse müssen beim Eintritt von Rückstau, das heißt spätestens dann, wenn die Rohrleitung gefüllt ist, selbsttätig schließen und nach Beendigung des Rückstaus den ungehinderten Wasserablauf ermöglichen. Welcher Rückstauverschluss eingebaut werden muss, hängt in erster Linie von der Abwasserart ab. Bei fäkalienführenden Leitungen dürfen keine Rückstauverschlüsse mit manuellem Verschluss (Pendelklappe) eingesetzt werden. Denn bei diesen besteht die Gefahr, dass Feststoffe den Rückstauverschluss blockieren und die Klappen sich nicht mehr öffnen können. Die Klappen von Rückstauverschlüssen, die für fäkalienführende Leitungen geeignet sind, sind im Normalbetrieb immer geöffnet. Im Rückstaufall wird die Klappe motorisch verschlossen.

In Deutschland dürfen für fäkalienfreies Abwasser Typ 1, 2, 5 und für fäkalienhaltiges Abwasser nur Typ 3 eingebaut werden (Bild 9). Bei der Installation ist darauf zu achten, dass die Rückstausicherung niemals direkt in die Hauptgrundleitung eingebaut wird. Denn bei dieser Variante würden auch Ablaufstellen über den Verschluss entwässert, die oberhalb der Rückstauebene liegen. Werden dann die oberhalb der Rückstauebne liegenden Ablaufstellen genutzt, füllt sich die Grundleitung und das Abwasser tritt dann über die Anschlüsse im Keller aus. Man überflutet sich also selbst. Deshalb dürfen nur Ablaufstellen über einen Rückstauverschluss entwässert werden, die tatsächlich rückstaugefährdet sind (Bild 10 und 11).

Rückstauhebeanlage – die Hybrid-Lösung

In vielen Fällen, in denen ein natürliches Gefälle zum Kanal besteht und ein Rückstauverschluss eingebaut werden könnte, wird dennoch eine Hebeanlage eingebaut. Das liegt vor allem daran, dass die Bewohner bei Rückstau sonst keine Toilette oder Waschmaschine unterhalb der Rückstauebene benutzen können, da das Abwasser bei geschlossener Rückstauklappe nicht abfließen kann. Die Rückstauhebeanlage Ecolift des Herstellers Kessel bietet hier eine Alternative. Im Normalbetrieb nutzt sie das Gefälle zum Kanal (Bild 12) und pumpt nur bei Rückstau, wenn die Rückstauklappe geschlossen ist und gleichzeitig Abwasser aus dem Haus entsorgt werden muss. Das minimiert den Energieverbrauch und damit die Kosten. Im Gegensatz zu einer klassischen Hebeanlage, die auch dann pumpt, wenn kein Rückstau vorliegt und das Abwasser eigentlich frei in den Kanal ablaufen könnte. Darüber hinaus sorgt die Rückstauhebeanlage dafür, dass auch während eines Stromausfalls die Abwasserentsorgung nicht unterbrochen wird, denn sie nutzt das Gefälle zum Kanal.

Fazit

Um das passende Produkt zum Schutz vor Rückstau auszuwählen, gilt es nicht nur die Einbausituation und die geltenden Normen zu kennen, auch die Ansprüche der Bewohner müssen in jedem Fall berücksichtigt werden. So spielt beispielsweise der Stromverbrauch einer Hebeanlage unter ökologischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten eine große Rolle. Auch die Geräuschentwicklung darf in Gebäuden mit Souterrainwohnungen nicht zu stark sein. Daher sollten neben den klassischen Rückstausicherungen, Hebeanlage und Rückstauverschluss, auch die neuen Hybrid-Lösungen wie Rückstaupump- und -hebeanlagen, die im Normalbetrieb das Gefälle nutzen und nur bei Rückstau pumpen, immer mehr in Betracht gezogen werden.

Info

Die wichtigsten Normen

DIN EN 12056 Schwerkraftentwässerungsanlagen innerhalb von Gebäuden

Teil 1: Allgemeine Ausführungsanforderungen Stand: Januar 2001

Teil 4: Abwasserhebeanlagen – Planung und Bemessung Stand: Januar 2001

DIN EN 752 Entwässerungssysteme außerhalb von Gebäuden Stand: April 2008

DIN 1986 Entwässerungsanlagen für Gebäude und Grundstücke

Teil 3: Regeln für Betrieb und Wartung Stand: November 2004

Teil 30: Instandhaltung Stand: Februar 2012

Teil 100: Bestimmungen in Verbindung mit DIN EN 752 und DIN EN 12056 Stand: Mai 2008

DIN EN 13564 Rückstauverschlüsse für Gebäude

Teil 1: Anforderung Stand: Oktober 2002

Teil 2: Prüfverfahren Stand: Februar 2003

Teil 3: Güteüberwachung Stand: Februar 2004

DIN EN 12050 Hebeanlagen für Gebäude

Teil 1: Fäkalienhebeanlagen Stand: Mai 2001

Teil 2: Schmutzwasserhebeanlagen Stand: Mai 2001

Teil 3: Fäkalienhebeanlagen zur begrenzten Verwendung Stand: Mai 2001

DIN EN 1253-5 Abläufe für Gebäude mit Leichtflüssigkeitssperre Stand: März 2004

Info

Sechs unterschiedliche Typen

Typ 0: Rückstauverschluss für die Verwendung in horizontalen Leitungen mit nur einem selbsttätigen Verschluss.

Typ 1: Rückstauverschluss für die Verwendung in horizontalen Leitungen mit einem selbsttätigen Verschluss sowie einem Notverschluss, wobei dieser Notverschluss mit dem selbsttätigen Verschluss kombiniert sein darf.

Typ 2: Rückstauverschluss für die Verwendung in horizontalen Leitungen mit zwei selbsttätigen Verschlüssen und einem Notverschluss, wobei dieser Notverschluss mit einem der beiden selbsttätigen Verschlüsse kombiniert sein darf.

Typ 3: Rückstauverschluss für die Verwendung in horizontalen Leitungen mit einem durch Fremdenergie (elektrisch, pneumatisch oder andere) betriebenen selbsttätigen Verschluss und einem Notverschluss, der unabhängig vom selbsttätigen Verschluss ist.

Typ 4 (In Deutschland nicht zulässig): Rückstauverschluss, der in Ablaufgarnituren oder Bodenabläufe eingebaut ist, mit einem selbsttätigen Verschluss und einem Notverschluss, wobei dieser Notverschluss mit dem selbsttätigen Verschluss kombiniert sein darf.

Typ 5: Rückstauverschluss, der in Ablaufgarnituren oder Bodenabläufe eingebaut ist mit zwei selbsttätigen Verschlüssen und einem Notverschluss, wobei dieser Notverschluss mit dem selbsttätigen Verschluss kombiniert sein darf.

Autor

Dipl.-Ing. Roland Priller, ist Leiter der Abteilung Individuelle Speziallösungen bei Kessel in 85101 Lenting, Telefon (0 84 56) 27-0, Telefax (0 84 56) 27-1 02, http://www.kessel.de

Tags