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Regenwasser bei Dachbegrünungen ableiten

Das Grüne nach oben

Dachbegrünungen haben in den letzten Jahrzehnten aufgrund der ökologischen, funktionalen und gestalterischen Vorzüge erheblich an Bedeutung gewonnen. Die exakte Planung und Ausführung der Regenentwässerungsanlagen von begrünten Dachflächen stellen höchste Anforderungen an die betei­ligten Fachleute. Eine genaue Koordination zwischen Sanitärplaner, Fachinstallateur, Dachbegrünungsfachmann sowie Architekt und Statiker ist die wichtigste Vorrausetzung für einwandfrei funktionierende und sichere Regenentwässerungsanlagen bei Dachbegrünungen.

Regelwerke und Geltungs­bereiche

Bei der Planung, Ausführung und Pflege von Dachbegrünungen müssen die Anforderungen der aktuellen „Dachbegrünungsrichtlinie“, Ausgabe 2008 umgesetzt werden. Die­se gilt für Intensivbegrünungen, einfache ­Intensivbegrünungen und Extensivbegrünungen auf Dächern und Decken, zum Beispiel Hallendächern, Dachterrassen, Tiefgaragen und anderen Bauwerksdecken mit einer Überdeckungshöhe bis zwei Meter. Die zugehörigen Regenentwässerungsanlagen müssen gemäß DIN EN 12056-3 „Schwerkraftentwässerungsanlagen innerhalb von Gebäuden – Dachentwässerung, Planung und Bemessung“, Ausgabe Januar 2001 und DIN 1986-100 „Entwässerungsanlagen für Gebäude und Grundstücke“, Ausgabe Mai 2008 geplant und ausgeführt werden.

Begrünungsarten und ­Vegetationsformen

Bei Dachbegrünungen unterscheidet man grundsätzlich nach:

  • Intensivbegrünungen
  • Einfachen Intensivbegrünungen
  • und Extensivbegrünungen.

Intensivbegrünungen sind nur durch eine intensive Pflege mit regelmäßiger Wasser- und Nährstoffversorgung dauerhaft zu erhalten. Die verwendeten Pflanzen stellen sehr hohe Ansprüche an den Schichtaufbau der Dachbegrünung. Intensivbegrünungen können zum Beispiel aus Stauden, Gräsern, Gehölzen, im Einzelfall auch Bäumen sowie Rasenflächen bestehen.

Einfache Intensivbegrünungen sind in der Regel mit Gräsern, Stauden und Gehölzen ausgebildet. Die verwendeten Pflanzen stellen geringere Ansprüche an den Schichtaufbau. Der Herstellungsaufwand und die Pflegemaßnahmen sind grundsätzlich geringer als bei der Intensivbegrünung.

Extensivbegrünungen sind naturnah angelegte Vegetationsformen, die sich weitgehend selbst erhalten und weiterentwickeln. Deshalb werden Pflanzen mit besonderer Anpassung an die mitunter extremen Standortbedingungen und hoher Regenerationsfähigkeit verwendet. Extensivbegrünungen sind mit relativ niedrigem Aufwand herstellbar. Im Normalfall ist der Pflegeaufwand sehr gering.

Planung der Regenentwässerungsanlage

Regenentwässerungsanlagen bei Dachbegrünungen müssen entsprechend DIN EN 12056-3, Ausgabe Januar 2001, und DIN 1986-100, Ausgabe Mai 2008, geplant und ausgeführt werden. Die Entwässerung von Dachbegrünungen muss durch den Schichtaufbau und über die Oberfläche sichergestellt sein. Gemäß der Dachbegrünungsrichtlinie unterscheidet man bei Dachbegrünungen grundsätzlich folgende Formen der Entwässerung:

  • Entwässerung innerhalb der Vegetationsfläche;
  • Entwässerung außerhalb der Vegetationsfläche;
  • getrennte Entwässerung von begrünten und vegetationsfreien Flächen.

Jedem einzelnen Entwässerungstiefpunkt auf dem Dach muss neben dem Ablauf eine eigenständige Notentwässerung zugeordnet werden. Ein statischer Nachweis für Dächer mit Dachbegrünungen muss unter Berücksichtigung der Sollwassertiefe für die Notentwässerung erfolgen (siehe DIN 1986-100, Abschnitt 5.8.3).

Die Regenentwässerung kann über Freispiegelsysteme oder planmäßig vollgefüllt betriebene Regenwasserleitungen mit Druckströmung erfolgen. Bei planmäßig vollgefüllt betriebenen Regenwasserleitungen mit Druckströmung ist folgendes zu beachten:

  • bei sehr kleinen Dachflächen mit Begrünung ist zu prüfen, ob der Regenwasserabfluss (Q) in Liter / Sekunde ausreichend ist, die notwendige Selbstreinigungsfähigkeit sicherzustellen;
  • in einem Druckentwässerungssystem ist die Kombination von Dachflächen mit unterschiedlicher Abflussverzögerung (Abflussbeiwerte) – zum Beispiel Intensivbegrünungen / Extensivbegrünungen oder bekieste / unbekieste Dächer – zu vermeiden (siehe DIN 1986-100, Abschnitt 6.4);
  • Dachbegrünungen mit flächigem Wasseranstau in der Drainschicht sind Sonderformen und separat mit Freispiegelsystemen zu entwässern (siehe DIN 1986-100, Abschnitt 5.8.3);
  • die regelmäßige Wartung der Regenentwässerungsanlage gemäß DIN 1986-30 muss sichergestellt werden.

Entwässerungseinrichtungen

Nach den Dachbegrünungsrichtlinien sind folgende Entwässerungseinrichtungen bei Dachbegrünungen relevant:

  • Dachabläufe;
  • innen liegende und eingebaute Dach­rinnen;
  • vorgehängte Dachrinnen;
  • Notüberläufe bzw. Notabläufe;
  • Wasserspeier;
  • Schlitzrinnen vor Türen.

Bei Dachbegrünungen müssen die Entwässerungseinrichtungen das Oberflächenwasser von der Vegetationsschicht sowie das Überschusswasser aus der Drainschicht sicher ableiten können. Alle Entwässerungseinrichtungen müssen jederzeit frei zugänglich sein. Dach- und Notabläufe sowie Notüberläufe sind von Überschüttungen, zum Beispiel mit Kies, freizuhalten. Entwässerungsrinnen dürfen nicht durch Überwachsungen in ihrer Funktion beeinträchtigt werden.

Dachabläufe in und außerhalb von Vegetationsflächen

Dachabläufe innerhalb von Vegetationsflächen sind zum Schutz vor Verunreinigungen bzw. dem Zuwachsen durch die Begrünung grundsätzlich durch einen Kontrollschacht zu schützen oder mit einem mindestens 50 cm breiten Kiesstreifen und einem Laubfangkorb zu sichern. Dachabläufe außerhalb von Vegetationsschichten werden in der Regel in Kiesstreifen angeordnet. Die Dachabläufe sind zum Schutz vor Verunreinigungen mit einem Laubfangkorb zu sichern. Bei begehbaren Flächen sind die Dachabläufe mit entsprechenden Aufsatzteilen zu versehen. Die Abdeckungen müssen bündig mit dem Flächenbelag abschließen.

Entwässerung bei geneigten ­Dächern

Bei der Entwässerung von geneigten Dächern ist grundsätzlich zwischen Kehldach­entwässerung und Traufentwässerung zu unterscheiden. Diese Unterscheidung ist von besonderer Bedeutung bei der Dimensionierung der Drainage. Die Entwässerung von geneigten begrünten Dächern erfolgt in der Regel über außen vorgehängte Dachrinnen bzw. innen liegende/eingebaute Rinnen oder über Kiesstreifen mit oder ohne eingebetteten Drainagerohren.

Notentwässerung

Für die Notentwässerung können Notüberläufe (zum Beispiel rechteckige Öffnungen in der Attika) oder Notabläufe mit Rohrsystemen eingesetzt werden. Rohrsysteme zur Notentwässerung sind als Freispiegelsysteme oder als planmäßig vollgefüllt betriebene Systeme mit Druckströmung zu bemessen. Die Notentwässerung darf nicht an die Entwässerungsanlage angeschlossen werden, sondern muss mit freiem Auslauf auf schadlos überflutbare Grundstücksflächen abgeleitet werden. Die Unterkante der Notentwässerung muss oberhalb der erforderlichen Druckhöhe für den gewählten Dachablauf liegen. Der Zufluss zu den Notüberläufen/Notabläufen darf durch den Schichtaufbau der Dachbegrünung, Randeinfassungen oder sonstige Hindernisse nicht beeinträchtigt werden. Der Nahbereich der Notüberläufe/Notabläufe ist so zu gestalten, dass das Wasser ungehindert abfließen kann und jederzeit eine Sichtkontrolle möglich ist. Dieser Bereich ist von Bewuchs frei zu halten.

Bemessungsgrundsätze

Regenentwässerungsanlagen werden gemäß DIN 1986-100 aus wirtschaftlichen Gründen und zur Sicherstellung der Selbstreinigungsfähigkeit für ein mittleres Regenereignis bemessen. Die Berechnungsregenspende muss auf Basis statistischer Erhebungen ermittelt werden. Für Dachflächen ist dies der Fünfjahres-Fünfminutenregen (r5,5) am Gebäudestandort. Zur Ermittlung der erforderlichen Regenspenden sind die Werte nach Kostra-DWD 2000 zu verwenden. In Tabelle A.1 der DIN 1986-100 befindet sich eine Übersicht der Regenspenden für die Großstädte Deutschlands. Die angegebenen Regenspenden dienen als Grundlage für die Bemessung von Regenentwässerungsanlagen, Notentwässerungen sowie zur Erstellung von Überlastungs- und Überflutungsnachweisen. Für die Bemessung von Regenentwässerungsanlagen gemäß DIN EN 12056-3 und DIN 1986-100 (Freispiegelentwässerung bzw. Dachentwässerung mit Druckströmung) sollten die Abflussbeiwerte C für begrünte Dachflächen gemäß der Dachbegrünungsrichtlinie Abschnitt 7.3.4 verwendet werden. Die Regenentwässerungsanlage und das Notentwässerungssystem müssen gemeinsam mindestens den am Gebäudestandort über fünf Minuten zu erwartenden Jahrhundertregen (r5,100) entwässern können. Ist ein außergewöhnliches Maß an Schutz für ein Gebäude erforderlich, sollte die Notentwässerungsanlage allein den Jahrhundertregen (r5,100) sicher ableiten können. In der DIN 1986-100 sind die erforderlichen Berechnungsformeln und Diagramme für die Bemessung von Notentwässerungen enthalten.

Fazit

Bei der Planung und Ausführung von Regenentwässerungsanlagen bei Dachbegrünungen ist ein reger Informationsaustausch zwischen allen beteiligten Fachleuten unbedingt erforderlich. So benötigt der Sanitärplaner genaue Angaben zur Positionierung und Ausführungsart der Entwässerungseinrichtungen sowie exakte Vorgaben zur Bestimmung des Abflussbeiwertes. Die Bemessung der Notentwässerung muss bezüglich der maximalen statischen Belastungen (statischer Nachweis gemäß DIN 1986-100, Abschnitt 5.8.3) in Zusammenarbeit mit dem Statiker erfolgen. Nur durch die vorherige Abstimmung aller Details sind die Voraussetzungen für einwandfrei funktionierende und sichere Regenentwässerungsanlagen bei Dachbegrünungen zu erfüllen.

Tipp

Wozu Begrünungsprofis dem SHK-Fachmann raten

Die Fachleute empfehlen, nicht mehr die Abflussbeiwerte C für begrünte Dachflächen gemäß DIN 1986-100, Tabelle 9, zu verwenden, sondern die nach Aufbaudicke und Dachneigung gegliederten Abflussbeiwerte C der Dachbegrünungsrichtlinie oder gegebenenfalls die Abflussbeiwerte der Hersteller von Dachbegrünungen.

Autor

Bernd Ishorst ist staatlich geprüfter Techniker und Geschäftsführer des Informationszentrums Entwässerungstechnik Guss (IZEG) sowie der Güte­gemeinschaft Entwässerungstechnik Guss. Zudem gehört er dem ­Arbeitsausschuss V2 „Entwässerungs­anlagen für Gebäude und Grundstücke“ im Normenausschuss Wasser­wesen an.