Zur wirtschaftlichen Entwicklung spricht auf der Intersolar Europe Conference im Rahmen der Münchener Messe Intersolar Dr. Wolfgang Seeliger, Analyst der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW): „Im Jahr 2009 wurden in Deutschland Photovoltaikanlagen mit einer Leistung von 3800 MW installiert. Damit sind weitaus mehr Anlagen an das Netz gegangen als im Vorfeld von den Experten erwartet.“ Vor allem in der zweiten Hälfte des Jahres sei die Nachfrage nach Photovoltaikprodukten in Deutschland explodiert. Ein Trend der sich 2010 ungebrochen fortsetzte, wie der Analyst erklärte.
Zwei Gründe für die positive Marktentwicklung
Für diese Entwicklung gibt es nach Ansicht von Gerhard Stryi-Hipp, Berater für das Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg, zwei Gründe. „Zum einem sind in der zweiten Hälfte 2009 die Preise für Module stark gefallen. Zum anderen ist die technische Entwicklung schnell vorangeschritten. Damit sind Module zeitgleich billiger und effizienter geworden, was natürlich einen enormen Kaufanreiz darstellt“, sagt der Photovoltaikexperte. Seiner Ansicht nach ist diese Entwicklung noch lange nicht abgeschlossen. „Auch wenn sich die Preise für Module derzeit wieder stabilisiert haben, wird sich die Preisreduzierung fortsetzen, was deutsche Hersteller von Modulen vor große Probleme stellt.“ Bei den Endkunden werde diese Entwicklung die Nachfrage nach Photovoltaikprodukten weiter fördern. Für die deutschen Installateure bedeutet dies wiederum, dass sie dieses Jahr noch mehr Photovoltaikanlagen an das Stromnetz anschließen können als 2009. Dies wiederum kann dazu führen, dass noch mehr Installateure Aufträge zur Montage von Aufdachanlagen ablehnen müssen, weil sie schlicht und einfach die Menge an Arbeit nicht leisten können. Bereits im Sommer 2009 überschritt die Nachfrage nach Solarstromanlagen die Kapazität so mancher deutschen Solarinstallateure.
Mögliche Szenarien
Die anhaltende Nachfrage sorgte dafür, dass sich immer mehr Installateure dem Thema Solarstrom zuwenden. „Im Jahr 2008 gab es in Deutschland insgesamt 18595 Installateure, die im Gebiet Photovoltaik bewandert waren“, weiß Markus Hoehner, Geschäftsführer des Bonner Marktforschers EuPD Research. „Bis Ende 2009 stieg deren Anzahl auf 26043 an.“ Tendenz steigend. Dennoch bleibt es zu bezweifeln, ob die Installateure dieses Jahr alle Aufträge annehmen können, da die Nachfrage noch einmal stark ansteigt.
„Wir müssen unsere Prognose hinsichtlich des deutschen Marktes stark nach oben korrigieren“, sagt Seeliger von der LBBW. Zu Beginn des Jahres seien er und seine Kollegen von einer Entwicklung ausgegangen, die sich mit den Zielen der Bundesregierung deckten. „Noch im Februar haben wir erwartet, dass 2010 in Deutschland Anlagen mit einer Leistung von 3400 MW installiert werden. Wie gesagt, das war damals. Heute rechnen wir mit weitaus mehr“, so der Analyst, und verweist auf zwei mögliche Szenarien. Bereits in der ersten Hälfte dieses Jahres seien so viele Anlagen installiert worden wie im gesamten letzen Jahr. „Daher gehen wir davon aus, dass 2010 die neu installierte Leistung bei über 5 GW liegen wird.“ Dabei seien die außerplanmäßigen Kürzungen des Fördertarifs bereits mit einberechnet. Vorausgesetzt, die Rahmenbedingungen ändern sich in den kommenden Jahren nicht, ist nach Seeligers Ansicht zu erwarten, dass im Jahr 2011 Anlagen mit einer Leistung von 6630 MW und 2012 sogar Anlagen mit einer Leistung von 8619 MW installiert werden. „Dabei handelt es sich um das ‚ungehinderte Wachstumsszenario’ der LBBW“, so Seeliger. „Wir gehen aber davon aus, dass die Regierung eine solche rasante Entwicklung nicht zulässt.“
Demnach werde die Regierung versuchen, das Wachstum zu drosseln. Dabei verfolge sie das Ziel, die Entwicklung ihren Zielvorgaben anzupassen. „Das Umweltministerium hält jährliche Neuinstallationen mit einer Kapazität von 3500 MW für optimal“, weiß der Analyst der LBBW. So werde im Fall eines Eingriffs seitens der Regierung nach seinen Berechnungen dieses Jahr 5250 MW, im nächsten Jahr 4200 MW und 2012 rund 3528 MW in Deutschland installiert. Da nicht bekannt ist, wie die Regierung in den nächsten Jahren auf ein starkes Wachstum reagiert, herrsche eine hohe Unsicherheit.
Hohe Potenziale bei der gebäudeintegrierten Photovoltaik
„Wie die Regierung die Sache sieht, ist auch für uns ungewiss“, so Thomas Chrometzka, Leiter des Bereichs Internationales des Bundesverbandes Solarwirtschaft BSW-Solar auf der Intersolar Europe Conference. Er habe aus dem Umweltministerium gehört, dass 2012 Neuinstallationen mit einer Leistung von 8000 MW durchaus möglich seien. „Die in 2009 in Deutschland neu installierten Kapazitäten machen 53 % der weltweit neu installierten Leistung aus“, so der Experte. Dies mache deutlich, dass Deutschland der wichtigste Markt der Welt für Photovoltaik ist. Er geht davon aus, dass sich daran auch in den nächsten Jahren nichts ändert und erwartet ein anhaltendes Wachstum des Marktes.
Bemerkenswert sei die Tatsache, dass 2009 private Hauhalte Solarprodukte in einem Wert von 6,22 Milliarden Euro nachgefragt haben. „Damit liegt deren Nachfrage knapp 2 Milliarden Euro über der Nachfrage, die von den vier großen Stromversorgern des Landes ausging“, so Chrometzka. Die hätten nämlich nur 4,28 Milliarden Euro in Solar investiert. Dies ist eine gute Nachricht für die Installateure Deutschlands, denn bei privaten Haushalten handle es sich um deren Kunden. Er geht davon aus, dass die Haushalte weiterhin investieren werden, da auch in Zukunft die Preise weiter fallen und die Leistung der Anlagen steigen würden. So sei seit dem zweiten Quartal 2006 der Preis pro kW für eine Anlage mit einer Leistung unter 100 kW um 42,7 % gefallen. „Derzeit kostet ein kW in diesem Bereich 2864 Euro“, berichtet Chrometzka.
Beim Betrachten der Marktsegmente sei zu beobachten, dass 80 % der Anlagen im letzen Jahr auf Dächern installiert wurden: 12% auf privaten Haushalten mit einer Leistung bis zu 10 kW, 54 % mit einer Leistung bis zu 100 kW auf Mehrfamilienhäusern, öffentlichen Einrichtungen oder landwirtschaftlichen Gebäuden. „Und nur 14 % der installierten Aufdachanlagen befinden sich in einem Leistungsspektrum über 100 MW.“ Damit zeigt sich, dass es sich bei den am meisten installierten Anlagetypen um solche handelt, die von durchschnittlichen Installateurbetrieben auf Deutschlands Dächern montiert werden. 19% der 2009 installierten Leistung entfallen auf Großflächenanlagen. „Und die gebäudeintegrierte (building integrated) Photovoltaik – also BIPV – macht gerade Mal 1% der installierten Leistung aus“, so Chrometzka. „Dieser Bereich hängt also noch stark hinter seinem Potential hinterher.“
Kritische Worte trotz Booms
Trotz der derzeit erfreulichen Situation im Bereich Photovoltaik, äußert sich der BSW-Solar kritisch. Die Bundesregierung wolle die Solarstromförderung in den nächsten zwei Jahren um bis zu 42 Prozentpunkte senken. „Die deutsche Solarwirtschaft benötigt verlässliche politische Rahmenbedingungen, die den finanziellen Spielraum für zukünftige Investitionen und Innovationen offen halten“, sagte BSW-Solar Geschäftsführer Carsten Körnig auf der Intersolar in München. Die Rückführung der Solarförderung müsse sich am technologischen Fortschritt orientieren, nicht an kurzfristigen Preisschwankungen. Körnig: „Ein zu schnelles oder zu starkes Absenken der Förderung schadet besonders deutschen Herstellern.“ Chinesische Wettbewerber profitierten von Niedriglöhnen, staatlicher Einflussnahme auf Wechselkurse sowie günstiger Kreditvergabe und drängten so auf die europäischen Märkte.
Fazit
Mit einem erfolgreichen Photovoltaikjahr 2010 ist mit hoher Sicherheit zu rechnen. Dafür spricht die Tatsache, dass die Kapazitäten der in diesem Jahr installierten Photovoltaikanlagen bereits der gesamten installierten Leistung des letzten Jahres entsprechen. Dennoch besteht eine hohe Unsicherheit bezüglich der weiteren Entwicklung des deutschen Marktes. Aber auch wenn die deutsche Regierung das Marktwachstum drastisch drosselt, um ihre gewünschte Entwicklung des Markts zu realisieren, sind es weiterhin noch Anlagen mit einer Leistung von 3,5 GW, die jährlich in Deutschland installiert werden. Im internationalen Vergleich eine immer noch große Zahl.
Trotz weiterer zu erwartender Kürzungen der Fördertarife scheinen die großen Player dem deutschen Markt zu vertrauen. Anders ist die Tatsache nicht zu erklären, dass der weltgrößte Modulhersteller First Solar vor kurzem bekannt gab, seine Produktion in Deutschland zu verdoppeln.
Ganz anders ist die Situation in der Solarthermiebranche. Für 2010 rechnet EuPD Research mit einem Tiefstand der Umsatzentwicklung der Solarthermiehersteller in Deutschland. Der Umsatz soll dieses Jahr unter 1 Milliarde Euro liegen. 2008 lag er noch bei 1,95 Milliarden Euro. Aber auf Basis der Reaktivierung des Marktanreizprogramms geht EuPD Research davon aus, dass die Umsatzentwicklung bis 2012 wieder das Niveau von 2008 erreicht.
Solarthermie
Mehrmonatiger Förderstopp
Im Gegensatz zum Bereich der Photovoltaik sieht die Lage für die Branche der Solarthermie weniger gut aus. Im Mai dieses Jahres verhängte der Haushaltsausschuss des Bundestages eine Haushaltssperre in Höhe von 115 Millionen Euro für das Marktanreizprogramm (MAP). Diese wurde erst am 7. Juli wieder aufgehoben. Nach Angaben von BSW-Solar brach allein im ersten Monat die Nachfrage durch das Einfrieren der Fördermittel um 33 % ein. Der Solarverband und der Bundesindustrieverband Haus-, Energie- und Umwelttechnik (BDH) kritisierte das Vorgehen scharf. „Durch die Blockade der Fördermittel trieb der Bundesfinanzminister hunderte Solarwärme-Unternehmen an den existenziellen Abgrund“, so Körnig. „Auch Wärmepumpen und Holzzentralheizungskessel gerieten in den Strudel des Fördergaus des Finanzministers. Wir erlebten hier einen stark negativen Trend“, ergänzt der Hauptgeschäftsführer des BDH, Andreas Lücke. Mit jedem Monat, den die Regierung die Haushaltssperre aufrecht hielt, verlor die Erneuerbare-Energien-Wärmebranche nach Einschätzung von BDH und BSW-Solar mindestens 100 Millionen Euro. Die Sperre sei schwer nachzuvollziehen gewesen. „Es verbleiben 90 % der Wertschöpfung von Investitionen in die regenerativen Energien im Wärmemarkt im Inland. Folge sind die Schaffung von Arbeitsplätzen in Handwerk und Industrie, ein deutlich erhöhtes Mehrwertsteueraufkommen sowie starke, positive Effekte für die Umwelt und den Ressourcenschutz“, so Lücke. Und auch Vertreter aus der Industrie zeigten Unverständnis. So kritisierte Andreas Siegemund, Geschäftsführer Marketing und Vertrieb des Solarwärmeanlagen-Hersteller Consolar in Frankfurt am Main, die kürzlich verhängte Haushaltssperre für das Marktanreizprogramm scharf. „Die Haushaltssperre hatte fatale Auswirkungen und war ein großer Rückschritt, wenn die Klimaschutz-Ziele der Bundesregierung noch ernst genommen werden.“
Autor
Markus Grunwald ist Redakteur beim EuPD Europressedienst, 53111 Bonn, Telefon (02 28) 3 69 44-75, m.grunwald@europresse dienst.com, http://www.europressedienst.com