Mit Einführung der ersten Wärmeschutzverordnung hielt der Begriff Energieeinsparung Einzug im Baugewerbe und es wurde zunehmend in ganzheitlichen Ansätzen gedacht und gebaut. Diverse Stufen bis hin zur aktuellen Energieeinsparverordnung (EnEV) führten zu immer komplexeren Techniken und Bauweisen, um Energie einzusparen. Neben vielfältigen Möglichkeiten in der Haustechnik spielen auch die Gebäudedämmung sowie die Fenstertechnik eine wesentliche Rolle. Das Erreichen des Passivhausstandards, also eines Gebäudes mit weniger als 15 kWh Heizwärmebedarf pro m2 und Jahr, ist heute auch im Rahmen von Sanierungen keine Seltenheit mehr.
Fast alle Maßnahmen zur Energieeinsparung führen in Summe jedoch zu dichten Gebäuden und Wohnungen. Einher geht damit die Problematik der reduzierten Lüftung durch Infiltration (Leckagen im Gebäude), wie dies früher einmal der Fall war, und damit entstehender Feuchtigkeits- und Schimmelprobleme. Viele Vermieter können ein Lied zu dieser Thematik singen. Fairerweise sei jedoch erwähnt, dass nicht nur falsches Lüftungsverhalten, sondern auch die Lebensführung oder die Lage der Wohnung das Einhalten einer Lüftungsstrategie schwierig machen können.
Dichtes Bauen ohne Lüftung ist nicht mehr denkbar
Resultierend aus dieser Entwicklung und aus Erfahrungen in den letzten Jahren wurde 2009 die „DIN 1946 Teil 6 – Lüftung von Wohnungen“ in ihrer jetzigen Form veröffentlicht. Leider hat der Geist dieser Norm noch lange nicht alle Handwerker und Planer erreicht. Viele Mitwirkende am Bau haben sie bestenfalls zur Kenntnis genommen, deren Berücksichtigung aber mehr oder weniger ausgeblendet.
Worum geht es? Die EnEV fordert lediglich die Sicherstellung eines erforderlichen Mindestluftwechsels zum Zwecke der Gesundheit und Beheizung (§6, Abs. 2), lässt sich ansonsten aber kaum zum Thema Lüftung aus. Genau hier setzt die DIN 1946-6 an. Sie schreibt generell die Erstellung eines Lüftungskonzeptes bei der Sanierung von Ein- und Mehrfamilienhäusern bzw. deren Neubau vor. Im Falle einer Sanierung gilt dies für Einfamilienhäuser beim Austausch von mindestens einem Drittel der vorhandenen Fenster oder der Abdichtung von mehr als einem Drittel der Dachfläche. Auch bei der Sanierung von Mehrfamilienhäusern ist das Lüftungskonzept erforderlich, wenn mehr als ein Drittel der Fenster ausgetauscht werden.
Erster Schritt bei der Erstellung des Lüftungskonzepts ist der lüftungstechnische Nachweis. Er dient der Prüfung, ob der notwendige Luftwechsel zum Feuchteschutz aufgrund der Bauweise und der Lage des Gebäudes sichergestellt ist. In dieser Phase werden Kriterien wie die Dichte des Gebäudes (z.B. anhand eines vorhandenen Wertes aus einer Blower-Door-Messung) und die Windstärke des Gebietes, in dem das Gebäude steht, berücksichtigt. Die DIN unterteilt die gesamte Bundesrepublik hierzu in windstarke und windschwache Gebiete.
Einfluss von Nutzungsarten auf lüftungstechnische Maßnahmen
Lautet das Ergebnis des lüftungstechnischen Nachweises „Keine lüftungstechnische Maß-nahme (LtM) erforderlich“, kann das Lüftungskonzept an dieser Stelle beendet werden. Ausnahmen kann es aber dennoch geben, wenn möglicherweise Forderungen der zukünftigen Nutzer (Hobby, besondere Lebensgewohnheiten) oder Sicherheitsüberlegungen des Vermieters dafür sprechen, lüftungstechnische Maßnahmen zu realisieren. Die DIN 1946-6 räumt hier auch die Möglichkeit ein, erhöhte Anforderungen an die Raumlufthygiene, die Energieeffizienz und den Schallschutz zu berücksichtigen.
Wird der notwendige Luftwechsel zum Feuchteschutz nicht auf natürlichem Weg erreicht, müssen auf jeden Fall LtM ergriffen werden. Dabei sind vier Lüftungsstufen zu berücksichtigen: Lüftung zum Feuchteschutz, reduzierte Lüftung, Nenn- und Intensivlüftung. Die geforderten Luftmengen dieser Stufen können durch passive Lösungen ohne die Unterstützung von Ventilatoren oder mit Hilfe ventilatorgestützter Systeme erreicht werden. Die Systeme mit Ventilatoren werden in Zuluft-, Abluft- sowie Zu- und Abluftsysteme unterteilt. Egal ob mit oder ohne Ventilator, eines haben alle Varianten gemeinsam: Die unterste Stufe, die Lüftung zum Feuchteschutz, muss ohne Zutun des Nutzers sicher gestellt sein. Werden LtM mit Ventilatoren gewählt, müssen die ersten drei Stufen bis hin zur Nennlüftung (= Sicherstellung der hygienischen Anforderungen und des Gebäudeschutzes bei Anwesenheit der Bewohner) ohne deren Unterstützung gewährleistet werden. Lediglich für die Intensivlüftung (früher oft Partyschaltung genannt) kann der Bewohner durch aktive Fensterlüftung zur Unterstützung eingebunden werden.
Generell fordert die DIN die Kennzeichnung des eingesetzten Lüftungssystems, um auch in der Betriebsphase Technikern und Betreibern eine schnelle Zuordnung zu ermöglichen. Kapitel 10 der DIN 1946-6 gibt hierüber Auskunft. Hier ist auch die Übergabe der Anlagendokumentation (Anleitung, Zulassung, etc.) beschrieben, die eigentlich Standard sein sollte.
In der Praxis sind verschiedene Lösungsansätze möglich
Wie erwähnt bietet die DIN 1946-6 verschiedene Problemlösungsansätze zur Realisierung der Lüftungsstufen an. Die sogenannten freien Lüftungssysteme (Querlüftung zum Feuchteschutz, Quer- und Schachtlüftung) werden ohne mechanische Unterstützung von Ventilatoren realisiert. Hier kommen passive Außenluftdurchlässe (ALD) und Überströmdurchlässe (ÜLD) innerhalb der Wohneinheit zum Einsatz. Sollen die Volumenströme bzw. Lüftungsstufen mit einer Quer- oder Schachtlüftung realisiert werden, muss auch die zweite Stufe „reduzierte Lüftung“ ohne Nutzunterstützung sichergestellt werden.
Komfortabler sind die ventilatorgestützten Lüftungssysteme. Sie unterteilen sich in Abluftsysteme, Zuluftsysteme sowie Zu-/Abluftsysteme. Bei den beiden erstgenannten wird ebenfalls mit Außenluft- und Überströmdurchlässen geplant. Abluftsysteme können, z.B. in Kombination mit einer Wärmepumpe, zur Wärmerückgewinnung eingesetzt werden. Auch die Zu-/Abluftsysteme können als dezentrale Systme die Möglichkeit zur Wärmerückgewinnung nutzen.
Die Nachweise bringen Rechtssicherheit
Unterm Strich bringt die DIN 1946-6 allen Beteiligten Rechts- und Betriebssicherheit, wenn sie Anwendung findet. Vermieter und Verkäufer von Wohnimmobilien erhalten in Form des lüftungstechnischen Nachweises bzw. des Lüftungskonzeptes eine klare Information, wie es um Lüftung, Feuchteschutz und Luftwechsel steht. Bewohner – unerheblich, ob Mieter oder Eigentümer – werden über notwendige Maßnahmen zur Lüftung in ihren vier Wänden zur Not auch über Fenster informiert. Planer und ausführende Firmen erhalten einen frühen Überblick über erforderliche Maßnahmen bei Neubauten und Sanierungen, der als solide Grundlage im Rahmen von Gesprächen bei Architekten und Bauherren dient.
Aufbauend auf dem Lüftungskonzept kann eine hygienisch einwandfreie Lüftungsanlage sicher geplant und installiert werden. Durch die abschließenden Schritte Dokumentation und Kennzeichnung der LtM, Inbetriebnahme und Übergabe sowie Instandhaltung werden auch für die Nutzungsphase praktikable Grundlagen für den Umgang mit der Lüftungsanlage geschaffen.
Vor dem Hintergrund einer EnEV 2012, die nach neuesten Erkenntnissen wohl eine EnEV 2014 wird, ist der Umgang und besonders die Anwendung der DIN 1946-6 dringend zu empfehlen. Nicht zuletzt in Zeiten informierter Nutzer! Die Industrie bietet einfache Werkzeuge für die Erstellung des lüftungstechnischen Nachweises und unterstützt bei der Erstellung des Lüftungskonzeptes. Nutzen Sie diese Möglichkeiten und planen und installieren Sie zeitgemäße Projekte mit nachhaltiger Wirkung. Unterm Strich bringt die DIN 1946-6 allen Beteiligten Rechts- und Betriebssicherheit – wenn sie denn Anwendung findet.
Info
Lüftungskonzepte als Chance
Die Baurechtslage führt zu immer dichteren Wohngebäuden – auch in sanierten Altbauten.
Häuser und Wohnungen sind auf eine sichere Entfeuchtung zur Erhaltung der Bausubstanz angewiesen!
Mieter und Eigentümer haben ein Recht auf gute und hygienisch einwandfreie Luft!
Planer sind die ersten Ansprechpartner von Investoren.
Handwerker sind die ersten Ansprechpartner von Architekten und Bauherren.
Info
Argumentationshilfen
Klären Sie in Ihren Kundengesprächen offensiv auf!
Helfen Sie, Schimmel- und Feuchteproblemen vorzubeugen!
Trommeln Sie für die DIN 1946-6!
Beraten Sie umfassend und richtig!
Stellen Sie Ihre Kompetenz nicht unter den Scheffel!
Autor
Joachim Rauch ist Niederlassungsleiter der Maico Vertriebs- und Service GmbH, 45327 Essen, Telefon (02 01) 31 00 13, joachim.rauch@maico.de, https://www.maico-ventilatoren.com/