Zwei Fallbeispiele: Ein Handwerker steht viele Stunden lang auf einer lokalen Messe für Endkunden. Er ist verunsichert, weil nur wenige Besucher stehen bleiben, um sich mit ihm zu unterhalten. Die Gespräche sind zudem sehr kurz. Der Handwerker hat nicht das Gefühl, als könnte er an diesem Tag mit seinem Wissen überzeugen und einen Auftrag bekommt er auch nicht.
Einem Bauherrn wurde von einem Bekannten ein Handwerker empfohlen, mit dem dieser gute Erfahrungen gemacht hat. Telefonisch wird ein Termin vereinbart. Der Handwerker spürt jedoch beim persönlichen Treffen sehr schnell, dass der Bauherr immer unruhiger und unkonzentrierter wird, obwohl er doch neben einer kleineren Reparatur bereits am Telefon Interesse an einer größeren Sanitär-Beratung geäußert hat. Es kommt nicht zum Auftrag. Was ist passiert?
Im Alltag achten wir mehr auf Worte und den äußeren Eindruck als auf die vielen nichtsprachlichen Signale, die wir aussenden. Dabei kommt es oft auf die Körpersprache an, die unser Gegenüber sympathisch und kompetent erscheinen lässt – oder eben nicht. Natürlich hilft auch die beste Körpersprache wenig, wenn der andere mit unverständlichem Dialekt nuschelt oder im stark verschmutzten Blaumann steckt. Körpersprache hilft auch dann nicht, wenn die andere Person überhaupt keine Beratung wünscht.
Stellen wir uns einen motivierten Handwerker vor, der lediglich ein Waschbecken einbauen soll, stattdessen den Bauherrn aber schon jetzt über mögliche Umbaupläne des Badezimmers hin zu einer Wohlfühl-Oase berät. Das Timing der Beratung und die Aufnahmebereitschaft des anderen spielen hier jedoch ebenfalls eine Rolle. Alles zusammengenommen verleihen uns der verbale Ausdruck, die Körpersprache, das Aussehen, das Timing und ein bisschen Gespür für die Befindlichkeit des anderen ein Höchstmaß an Überzeugungskraft und Sympathie.
Unbewusste Kommunikation lässt sich an den Folgen messen
Wenden wir uns nun der Körpersprache zu. Diese ist deshalb so wichtig, weil sie unbewusst gesendet und ebenso unbewusst empfangen wird. Oft spüren wir, dass wir in Anwesenheit eines anderen Menschen ruhiger, aufmerksamer oder eben auch unkonzentrierter oder gar aggressiv werden. Meistens wissen wir nicht, weshalb wir so reagieren, da die kleinen Gesten zu schnell ausgesendet werden, um in das Bewusstsein zu gelangen. Wir können aber selbst einige Dinge beachten, um bei unseren Mitmenschen eben nicht dieses Unwohlsein auszulösen, und dadurch auch beruflich den einen oder anderen Vorteil erzielen.
Wichtig hierbei ist es, sich bewusst zu machen, dass man immer kommuniziert. Auch wenn Sie nichts sagen und einfach nur herumstehen, senden Sie für Außenstehende eine Botschaft aus und sei es die, dass Sie nicht kommunizieren wollen oder dass Sie nichts zu tun haben. Das gilt auch für die Körpersprache. Dadurch, dass uns andere beobachten, wird unser Verhalten immer gedeutet. Man kann nicht nicht kommunizieren. Das ist eine der Regeln in der Kommunikationspsychologie.
Es gibt unzählige nonverbale Gesten. Wenn wir etwas nicht glauben können, ziehen wir die Augenbrauen hoch. Sind wir ratlos, reiben wir mit dem Finger an der Nase. Verschränken wir unsere Arme, signalisieren wir damit vielleicht unserem Gegenüber, dass wir uns schützen wollen. Ist uns etwas gleichgültig, zucken wir die Achseln, machen wir mit jemandem Spaß, zwinkern wir ihm zu und wenn wir ungeduldig sind, trommeln wir nervös mit den Fingern. Unsere Pupillen weiten sich, wenn wir lügen oder wenn wir interessiert bzw. überrascht sind. Einige dieser Gesten sind uns bewusst, viele werden unbewusst eingesetzt. Auch das Nicken, um „ja“ zu sagen, ist Körpersprache – und hat je nach Kultur sogar die entgegengesetzte Bedeutung. Beispielsweise nicken einige Bevölkerungsgruppen in Indien, wenn sie „nein“ meinen. Allerdings ist das Deuten der Gesten nicht so einfach, wie es scheint. Keine Körperhaltung oder -bewegung hat in allen Zusammenhängen dieselbe Bedeutung. Verschränkte Arme bedeuten nicht immer: „Ich will Sie nicht an mich heranlassen!“ Es kann auch bedeuten: „Ich bin unsicher!“ oder „Ich habe Angst!“ oder je nach Situation etwas völlig anderes. Vielleicht ist Ihrem Gesprächspartner einfach nur kalt. Bestimmt sind Sie auf einer Party schon einmal neben jemandem gesessen, der seine Beine so übereinandergeschlagen hatte, dass diese von Ihnen weg zeigten. Auch das kann ein Signal sein, seine Abneigung zu zeigen: „Sie sitzen zu nah neben mir – das ist mir unangenehm!“ Oder die Haltung ist für ihn einfach bequemer. Viele Menschen haben ein bevorzugtes Bein, das sie über das andere schlagen, sodass dies für sich allein genommen absolut keine Deutungskraft hat. Körpersprache, gesprochene Sprache und Situation müssen immer im Zusammenhang gesehen und gedeutet werden.
Gefühle und ihr Bezug zur Körpersprache
Durch Körpersprache können wir viel über die körperliche oder seelische Verfassung unseres Gegenübers erfahren. Nicht umsonst gibt es eine ganze Reihe von Ausdrücken, die Verhaltensformen und emotionale Zustände mit Begriffen aus dem Bereich des Körpers bezeichnen: leuchtende Augen haben, eine Last auf den Schultern tragen, auf dem Zahnfleisch gehen, auf Händen tragen oder mit den Augen Blitze abschießen. Jeder dieser Begriffe drückt einen physischen Vorgang aus, der auf ein Gefühl hinweist. Unser Körper drückt also aus, wie wir uns fühlen – und umgekehrt. Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass wir uns bald glücklicher fühlen, wenn wir unser Gesicht zu einem bewussten Lächeln verziehen. Umgekehrt graben sich einem ständig unglücklichen Menschen tiefe Falten in die Stirn. Dieses verkniffene Gesicht wiederum zieht ein unglückliches Grundgefühl nach sich.
Die wirksamste und deutlichste Möglichkeit der Körpersprache ist die Berührung. Wer während des Gesprächs den Arm eines anderen Menschen berührt, kann seine Botschaft unter Umständen lebendiger und direkter übermitteln, als er es mit vielen Worten tun könnte. Eine solche Berührung muss jedoch im richtigen Moment und im richtigen Zusammenhang erfolgen. Wir kennen wohl alle jemanden, der zwanghaft bei jedem Satz unsere Schulter berühren muss und uns dadurch zu nah kommt. Das ist unangenehm und kann ein Gespräch im Keim ersticken, weil man sich nur noch auf das Ausweichen und Zurückziehen konzentriert. Man fühlt sich bedrängt, und der andere wird einem unsympathisch. Umgekehrt kann eine Umarmung im richtigen Moment mehr Trost spenden als tausend Worte.
Revier und Raumbedürfnis
Körpersprache ist eng gekoppelt mit unserem individuellen Platzanspruch, unserem Raumbedürfnis oder Revier. In einer Familie hat meistens jeder seinen eigenen Stuhl. Gäste werden auf diesen Plätzen nur widerwillig geduldet, wenn sie nicht ausdrücklich aufgefordert wurden, sich auf eben diesen Stuhl zu setzen. Das Gleiche gilt auch für das geschäftliche Leben im Büro, auf Messen, Veranstaltungen und Vor-Ort-Terminen. Das individuelle Raumbedürfnis teilt sich in vier Zonen auf:
- <b>Intimdistanz:</b> Sie reicht von körperlich sehr nahe bis etwa 70cm. Nur wenige dürfen sich in unserer Intimdistanz aufhalten: der Partner, unsere Kinder oder Geschwister und gute Freunde. Stehen sich zwei Personen nicht nahe, macht sich in dieser Entfernung bald Unruhe, Unbehagen und Peinlichkeit breit. Im Aufzug oder einer überfüllten U-Bahn gilt die ungeschriebene Regel, andere nicht zu lange anzusehen und gerade zu stehen, um körperliche Berührung möglichst zu vermeiden.
- <b>Persönliche Distanz:</b> Sie beginnt ab etwa 70cm (z.B. bei Gesprächen auf Partys) und reicht bis ca. 1,5m. In dieser Distanz können private Kontakte ungezwungen ablaufen. Bei einem herzlichen Verhältnis zwischen einem Handwerker und einem Bauherrn kann diese Entfernung für das Gespräch gewählt werden.
- <b>Gesellschaftliche Distanz: </b>Sie reicht von 1,5 bis etwa 3m. In dieser Entfernung finden Unterhaltungen im Geschäftsleben mit einem Kunden statt. Diese Distanz hält man auch zum Postboten ein, der einem ein Paket übergibt. Einem Chef dient der große Schreibtisch als Abstandshalter, um seine Machtposition zu demonstrieren. Augenkontakt ist bei der Distanz unbedingt notwendig. Blickt man am Gesprächspartner vorbei, schließt man ihn von der Unterhaltung aus.
- <b>Öffentliche Distanz:</b> Sie fängt bei 3m an. In dieser Entfernung kann Körpersprache nicht mehr gut gelesen werden. Das erleichtert es Schauspielern auf der Bühne, dem Publikum etwas vorzumachen. Aber auch Lehrer, Dozenten oder Redner bewegen sich in diesem Radius.
Durch die Entfernung, die man zum Gesprächspartner wählt, sendet man folglich schon eine Botschaft aus. Der Blickkontakt bzw. die Dauer eines Blickes sollten unbedingt dem Kontext und der Vertrautheit angepasst sein.
Auch bei der Vorbereitung eines Raums für eine Veranstaltung sollte man sich diese Zonen vergegenwärtigen. Wer vier oder fünf sich unbekannte Personen um einen kleinen Cocktailtisch drängt, kann möglicherweise einen erwünschten offenen Austausch verhindern.
Sitzen sich zwei Personen an einem Tisch gegenüber, gilt hier die stillschweigende Übereinkunft, dass jedem von beiden der Tisch zur Hälfte gehört. Beginnt nun eine Person, ihren Block und die Stifte in die Hälfte der anderen zu schieben oder lehnt sie sich selbst extrem über den Tisch, bedroht sie damit die andere. Diese fühlt sich zunehmend unbehaglich und weiß oft nicht warum. Sie kann nicht mehr zuhören, weil sie dieses Verhalten unbewusst als Aggression einstuft.
Was bei den Fallbeispielen vielleicht falsch lief
Gehen wir also noch einmal zu unseren beiden Fallbeispielen zurück. Vielleicht stand der Handwerker mit herabhängenden Mundwinkeln, verschränkten Armen und tief gefurchter Stirn an seinem Messestand und hat so den vorbeiziehenden Menschen signalisiert: „Lassen Sie mich in Ruhe – ich bin schlecht gelaunt und möchte kein Gespräch führen!“ Vielleicht war er auch einen Großteil der Zeit mit seinem Begleiter in ein Gespräch vertieft und stand mit dem Rücken zu den Interessenten. Auch dann hätte er körpersprachlich mitgeteilt: „Ich bin beschäftigt. Bitte stören Sie mich nicht!“ Vielleicht sah er seinen Gesprächspartnern nicht in die Augen, sondern blickte während der Unterhaltung an ihnen vorbei. Dann hätte er nonverbal mitgeteilt: „Das Gespräch mit Ihnen langweilt mich. Ich mag mich nicht gerne mit Ihnen unterhalten.“
Den an einer Beratung interessierten Bauherrn begrüßte der Handwerker vielleicht mit einem laschen und energielosen Händedruck, was beim potenziellen Kunden unbewusst einen unsicheren Eindruck hinterließ. Vielleicht quetschte der Handwerker die Hand des Bauherrn aber auch so sehr, dass dieser ihn grenzüberschreitend erlebte. Möglicherweise ließ sich der Handwerker dann ungebeten auf den ersten Sessel fallen, nicht wissend, dass es sich bei diesem Sessel um den Sessel des Hausherrn handelte. Damit verletzte er dann auch noch unwissentlich das Revier des Kunden. Bei dem Gespräch, das beide führten, schob der Handwerker vielleicht ohne Absicht erst seinen Stift, dann den Block und schließlich noch sein Lineal in die andere Hälfte des Tisches. Macht man sich nur einige dieser körpersprachlichen Möglichkeiten bewusst, kann dasselbe Gespräch mit dem Bauherrn durchaus positiv verlaufen.
Testen Sie selbst
Fangen Sie doch einfach einmal bei sich selbst an: Achten Sie beim nächsten privaten Gespräch auf die Körpersprache Ihres Gesprächspartners: Wie sitzt er da? Was macht er mit den Händen? Wie hält er den Kopf? Wie lange lächelt er? Wie lange spricht er? Dann fragen Sie sich, wie sein Verhalten auf Sie wirkt. Dringen Sie auf einer Party testweise in das Revier eines anderen ein. Setzen Sie sich beispielsweise zu dicht neben jemanden auf ein Sofa. Wie reagiert der andere? Was für Signale sendet er?
In einem zweiten Schritt beobachten Sie sich selbst. Stellen Sie sich dafür ruhig vor den Spiegel. Ziehen Sie an, was Sie anziehen würden, wenn Sie den Bauherrn aufsuchen. Was denken Sie, wie wirken Sie auf einen Fremden? Reichen Sie Ihrem Spiegelbild die Hand, und lächeln Sie zur Begrüßung. Was empfinden Sie? Was für einen ersten Eindruck hätte ein Fremder von Ihnen?
Wenn Sie anfangen, die von anderen Menschen ausgesandten Signale bewusst zu empfangen und zu deuten, beginnen Sie, auch Ihre eigenen Signale bewusster zu steuern und zu kontrollieren. Dadurch wiederum können Sie wirkungsvoller auftreten. Probieren Sie es bei Ihrem nächsten Vor-Ort-Termin aus! Bestimmt erkennen Sie die eine oder andere körpersprachliche Mitteilung.
Checkliste
Der nächste Kundentermin
Achten Sie darauf, Ihrem Gesprächspartner direkt in die Augen zu schauen.
Der Händedruck sollte nicht zu energielos und nicht zu fest sein.
Verschränken Sie während des Gesprächs besser nicht die Arme.
Respektieren Sie das Raumbedürfnis Ihres Gesprächspartners und rücken Sie ihm nicht zu nahe.
Reagieren Sie auf körpersprachliche Mitteilungen Ihres Gegenübers wie schrittweises Zurückweichen, nervöses oder gezwungenes Lächeln, nervöses Herumspielen mit den Fingern, Vorbeugen (auf dem Sprung sein).
Ziehen Sie sich der Situation angemessen an.
Achten Sie auf Ihren Auftrag! Beraten Sie nichts, worum Sie nicht gebeten wurden. Machen Sie besser einen zweiten Termin aus.
Befassen Sie sich vor Ihrem Termin ein wenig mit der Kultur des Bauherrn, wenn er aus einem anderen Kulturkreis stammt.
Autor
Evelyne Rehfeld ist Diplom-Sozialpädagogin und als Ehe-, Lebens- und Paarberaterin tätig, 71229 Leonberg, evelyne.rehfeld@gmx.de