Mit dem starken Marktwachstum der letzten Jahre sind viele neue Hersteller und Handwerker in das Solarstromgeschäft eingestiegen. Sie haben einen wichtigen Anteil an den Markterfolgen und der Weiterentwicklung der Systeme. Naturgemäß können sie jedoch noch nicht die Erfahrungen mitbringen, die die langjährigen Anbieter auszeichnet.
Probleme bei der Anlagenübergabe erkennbar
Mit der steigenden Zahl von Anlagen steigt damit auch die Gefahr, dass der bisherige Qualitätsstandard absinkt. Erste Anzeichen hierfür sind Schäden, die einige Anlagen im Zusammenhang mit dem Sturm Kyrill im Januar 2007 erlitten haben. Die Schäden betreffen nur einen kleinen Anteil der 430000 bislang installierten Anlagen. Dennoch haben der Bundesband Solarwirtschaft (BSW-Solar) und der Zentralverband der Deutschen Elektro- und Informationstechnischen Handwerke (ZVEH) diesen Vorfall zum Anlass genommen, mit dem Photovoltaik-Anlagenpass ein neues Instrument zur Qualitätssicherung zu etablieren.
Ausgangsbasis für die Entwicklung des Anlagenpasses war die Erkenntnis, dass die meisten Probleme zum Zeitpunkt der Übergabe der Anlage bereits erkennbar sind und bei systematischer Überprüfung vermieden werden können. Die Erfahrung zeigt weiter, dass Probleme vor allem in der Anlagenplanung und bei der Installation auftreten, weil sich diese Leistungen wesentlich schwieriger standardisieren und überprüfen lassen. Allerdings werden diese Fehler nicht mangels entsprechender Vorschriften verursacht, sondern meist durch (unwissentliche oder wissentliche) Missachtung der vorhandenen Richtlinien und Normen. Und genau hier setzt der Anlagenpass an. Er definiert einen Mindeststandard dafür, was im Bereich Planung und Installation einer Photovoltaikanlage explizit zu berücksichtigen ist.
Zudem zeigt der Pass auf, welchen Richtlinien und Kriterien die Komponenten und die Arbeiten des Handwerkers genügen sollten. Handwerker, die hierbei Wissenslücken haben, bekommen durch den Pass wichtige Anregungen, wo sie sich verbessern müssen. Selbst wenn der Anlagenpass vielleicht anfangs zu etwas Mehrarbeit führt: Mittel- bis langfristig stellt er eine Vereinfachung und Absicherung der Arbeit der Handwerker dar. Denn im Reklamationsfall verschafft der Anlagenpass dem Handwerker die Sicherheit, dass er nicht für Probleme haften muss, die er nicht verschuldet hat.
So sieht die Struktur des Anlagenpasses aus
Der Photovoltaik-Anlagenpass besteht aus einem einseitigen Pass und vier Anlagen. Der Pass enthält eine Anlagenbeschreibung, die die wichtigsten Daten der Photovoltaikanlage zusammenfasst: Leistung, Ausrichtung, Gewährleistungszeiten, Daten zum Standort, zum Anlagenkäufer und zum Anlagenverkäufer etc. Vervollständigt wird der Pass durch die folgenden vier Anlagen:
- Anlage 1 „Eingesetzte Komponenten“: Es werden die wichtigsten Kenndaten wie Hersteller, Bezeichnung und Leistung bzw. Spezifikation beschrieben. Wichtig ist vor allem die Infos, welche Zertifikate die Komponente von welcher Zertifizierungsstelle aufweist und welche zusätzlichen Garantien für die Komponente gewährt werden. Ansonsten erfolgt ein Hinweis auf das Datenblatt und die Garantieerklärungen, die in Kopie beigelegt werden. Es ist vorgesehen, dass die Hersteller den Handwerkern künftig diese Komponentenblätter schon im richtigen Format zur Verfügung stellen.
- Anlage 2 „Informationen zu Planung und Installation“: Hierzu gehören Infos zur Statik des Montagesystems und der Realisierung nach Herstellerangaben. Das Anlagenschema wird beschrieben und durch einen beizulegenden Schaltplan dokumentiert.
- Anlage 3 „Prüfbescheinigung/Prüfberichte“: Dieses entspricht auf der DC-Seite der Anlage den Vorgaben der Vornorm E DIN IEC 62446. Auf der AC-Seite der Anlage entspricht das Prüfprotokoll dem Formular 1/2007 ZVEH/Bundesfachverband Elektrotechnik, das das Elektrohandwerk standardmäßig einsetzt.
- Anlage 4 „Übersicht beigelegte Dokumente“: Diese besteht aus einer Auflistung von Dokumenten, die unbedingt beigefügt werden sollten (z. B. Datenblätter, Benutzerinformationen, Zertifikate und Garantieerklärungen). Zudem besteht die Möglichkeit, weitere Dokumente als Anlagen aufzulisten.
Auf den einzelnen Blättern ist im Wesentlichen nur abzuhaken, ob bestimmte Arbeiten erledigt oder konkret benannte Richtlinien eingehalten wurden. Falls dies nicht der Fall ist, wird um eine Begründung gebeten. Der Handwerker dokumentiert so seine fundierte Arbeit und schafft Transparenz gegenüber dem Kunden. Durch seine Unterschrift bestätigt der Anlagenverkäufer bzw. Handwerker, dass die übergebene Solarstromanlage den Angaben im Anlagenpass (und in den Anlagen 1 bis 4) entspricht.
Pass soll für Handwerker und Kunden verständlich sein
Das Ziel der Initiatoren ist es, dass der Anlagenpass mittelfristig bei allen Photovoltaikanlagen zum Einsatz kommt. Er wurde deshalb einfach und verständlich für den Handwerker und den Kunden aufgebaut. Außerdem sollte der Aufwand für den Handwerker so gering wie möglich gehalten und trotzdem ein qualitativer Mindeststandard für Photovoltaikanlagen definiert werden, der dem Handwerker und dem Kunden mehr Sicherheit gibt. Dieser Kompromiss wurde von einem Expertenkreis aus Herstellern, Handwerkern, Prüfinstituten, Gutachtern, Versicherern und Bankenvertretern erarbeitet, der von BSW-Solar und ZVEH einberufen wurde. In mehreren Monaten wurden sowohl die technischen Anforderungen als auch die organisatorischen Rahmenbedingungen erarbeitet und im Februar 2008 verabschiedet. Anschließend wurde dieser Entwurf veröffentlicht und in der Fachöffentlichkeit zur Diskussion gestellt. Im Mai wurden alle Kommentare und Verbesserungsvorschläge ausgewertet und – soweit sinnvoll – auch in den Pass integriert.
Derzeit findet die organisatorische Umsetzung statt. Ab August bzw. September 2008 soll der Anlagenpass einsatzbereit und eine Registrierung der Handwerksbetriebe möglich sein.
Durch diese Registrierung erhält der Handwerksbetrieb das Recht, die Materialien zu nutzen und den Anlagenpass auszustellen. Er bekommt dazu eine Registrierungsnummer und wird im Internet gelistet. Außerdem erhält der Betrieb Klebe-Siegel mit seiner Registriernummer, die er auf den ausgefüllten Anlagenpass kleben kann. So wird für den Kunden ersichtlich, dass der Handwerksbetrieb bei der Qualitätsgemeinschaft Photovoltaik registriert ist. Für die Registrierung wird eine Gebühr erhoben, die die Kosten für den Betrieb des Qualitätssystems decken. Sie wird bewusst niedrig angesetzt, um eine möglichst große Verbreitung zu ermöglichen.
Der Photovoltaik-Anlagenpass ist ein neues Instrument von BSW-Solar und ZVEH, in dem der Handwerker dokumentiert, welche Leistungen er erbracht hat. Er schafft damit einen einheitlichen Standard, wie dem Kunden gegenüber die erbrachten Handwerksleistungen transparent gemacht werden können. Der zusätzliche Aufwand der Dokumentation ist für fundiert arbeitende Handwerksunternehmen überschaubar und die zusätzlichen Kosten werden relativ gering sein, sodass BSW-Solar und ZVEH von einer breiten Akzeptanz ausgehen. Im zweiten Halbjahr 2008 wird der Anlagenpass eingeführt werden, sodass er 2009 in der Breite einsetzbar ist.
Vorteile und Nutzen für das Fachhandwerk
Der Photovoltaik-Anlagenpass setzt einen Mindeststandard dafür, was im Bereich Planung und Installation explizit zu berücksichtigen ist. Er besteht aus einem einseitigen Pass und vier Anlagen. Aus Sicht der Initiatoren (BSW-Solar und ZVEH) gibt es mehrere Gründe, warum ein Handwerksbetrieb diesen Pass einsetzen sollte, obwohl er einen gewissen Zusatzaufwand und Kosten verursacht:
1. Der Anlagenpass ist ein Instrument, das von einer neutralen Seite stammt. Mit dem Pass kann der Handwerksbetrieb seinen Kunden dokumentieren, dass er auf Qualität bei der Realisierung der Anlagen achtet. Viele Handwerksbetriebe tun dies zwar schon, hatten aber bislang keine Möglichkeit, dies ihren Kunden wirklich transparent zu machen.
2. Der Anlagenpass (mit seiner Dokumentation) dient auch zur Absicherung für das Handwerk. Denn im Schadensfalle, wo in erster Linie der Handwerker in die Pflicht genommen wird, belegt der Pass die seriöse und qualitativ hochwertige Handwerksleistung.
3. Aufgrund der verstärkten Reduzierung der Einspeisevergütung ab 2009 ist ein zunehmender Preisdruck bei den PV-Systemen zu erwarten. Wer mit qualitativ hochwertigen Anlagen dann noch wettbewerbsfähig sein will, sollte diese Qualität mit dem Anlagenpass gegenüber dem Kunden deutlich sichtbar machen.
4. Handwerksbetriebe, die den Anlagenpass einsetzen, sind bei der Qualitätsgemeinschaft Photovoltaik registriert und werden im Internet als Anlagenpass-Anbieter gelistet. Vor allem in der Anfangsphase kann sich dieser Aspekt als Marketingvorteil erweisen.
5. Einige Solarversicherer haben angekündigt, künftig Sondertarife für PV-Anlagen mit einem Anlagenpass zu gewähren. Auch die Finanzierer sind daran interessiert, dass ein Mindeststandard eingehalten wird. Es ist demnach davon auszugehen, dass es in Verbindung mit dem PV-Anlagenpass finanzielle Vorteile beim Versichern und Finanzieren von PV-Anlagen geben wird.
Weitere Informationen
Die im Text angesprochenen Dokumente sowie weitere Infos zum Anlagenpass sind unter https://www.photovoltaik-anlagenpass.de/ (zum Download) verfügbar. Zudem können sich Handwerker und Unterstützer auf dieser Webseite bereits jetzt schon vorregistrieren lassen.
Weitere Informationen
Unser Autor Diplomphysiker Gerhard Stryi-Hipp ist einer der beiden Geschäftsführer des Bundesverbandes Solarwirtschaft (BSW). Der BSW repräsentiert rund 650 Solarunternehmen (10117 Berlin, Telefon (0 30) 2 97 77 88-0, http://www.bsw-solar.de)