Für das Heizen mit Eis sind drei Hauptkomponenten nötig. Zum Pflichtprogramm gehören ein großer Wasserbehälter, also der Eisspeicher, eine Wärmepumpe und ein Solar-Luftabsorber. Der Eisspeicher ist mit üblichem Leitungswasser gefüllt. Er bevorratet Wärme aus der Außenluft, der solaren Einstrahlung und aus dem Erdreich. Eine Wärmepumpe entzieht via Wärmetauscher diese Wärme, beheizt mit ihr das Gebäude und erwärmt das Trinkwasser.
Dadurch sinkt die Temperatur des Wassers im Speicher bis auf den Gefrierpunkt. Die dabei frei werdende Kristallisationsenergie wird ebenfalls genutzt. Dabei werden je Kilogramm Wasser über 90 Wh freigesetzt. Bei einem kleinen Eisspeicher mit 10 m³ Volumen entsteht so etwa die gleiche Energiemenge, die in 100 l Heizöl enthalten ist. Das Heizöl jedoch wird vollständig verbrannt. Das Wasser des Eisspeichers hingegen steht nach der Regeneration mit Energie aus der Umwelt, aus Luft, Sonne und Erdreich als Wärmequelle erneut zur Verfügung.
Die Sole/Wasser-Wärmepumpe nutzt nicht nur die beim Eismachen entstehende Kristallisationswärme, sondern – und das ist ja ihre eigentliche Aufgabe – die Kondensationswärme beim Komprimieren des Trägermediums. Gleichzeitig kann sie aufgrund der geringen Temperaturunterschiede im Eisspeicher effizient arbeiten. Und: Sie sorgt für eine Kühlung im Sommer. Denn das ist der zweite große Vorteil des Heizens mit Eis: die Kühlung gibt es fast gratis dazu, sieht man von den Stromkosten für die Umwälzpumpe ab. Denn das Eis, über den Winter im Eisspeicher entstanden, nimmt nach und nach die ihm aus den Räumen zugeführte Wärme auf. Technisch handelt es sich um eine Wärmesenke, es wird Wärme aufgenommen, aber keine Kälte abgegeben.
Die dritte Komponente ist ein Solar-Luftabsorber. Im Gegensatz zur Solarthermie fängt der Absorber nicht nur die Sonnenenergie direkt ein, sondern auch die Umgebungstemperatur. Er besteht aus mehreren Lagen von schwarzen Schläuchen, in denen ein Wasser-Glykol-Gemisch, meist im Verhältnis von 80 zu 20, zirkuliert. Dieses Medium wird in den Wärmetauscher des Eisspeichers geführt, erwärmt diesen zusätzlich zur Wärme aus dem Erdreich und sorgt für eine schnelle Regeneration.
Doch für welche Art von Objekten kommt das System, das technisch deutlich weniger aufwendig ist als eine klassische Heizung und Kompressionskühlung und mit weniger Wartung auskommt, infrage?
Die Einfamilienhaus-Lösung
Eisspeicher wurden zuerst in relativ großen Anwendungen entwickelt und verbaut, da man davon ausging, dass nur große Speicher, deren Medium ausnahmslos Wasser ist, effizient arbeiten können. Entwickelt wurde dieses System von isocal, die für die Entwicklung zum Serienprodukt im Ein- und Zweifamilienhaus-Bereich einen kompetenten Partner suchten. Viessmann übernahm das Unternehmen im Jahre 2012, optimierte das System insbesondere in der Wärmeübertragung, damit es effizient mit den eigenen Sole/Wasser-Wärmepumpen zusammenarbeitet. Außerdem wurden neue Algorithmen für die Wärmepumpenregelung und neue Solar-Luftabsorber entwickelt. Und das Heizen mit Eis wurde für Ein- und Zweifamilienhäuser fit gemacht.
Der Heizungsspezialist bietet diese Lösung nun als Komplettpaket für Ein- und Zweifamilienhäuser unter dem Namen Vitofriocal an. Enthalten ist ein Eisspeicher mit eingebauten Wärmeüberträgern, die Solar-Luftabsorber mit hydraulischen Anschluss-Sets und Montagesystem sowie das Wärmeträgermedium für den Primärkreis. Die Nennwärmeleistung reichen von 6 bis 17 kW. Installiert wurden davon bisher über 1000 Anlagen. Deren Zuverlässigkeit und Effizienz ist so hoch, dass sie vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie im Marktanreizprogramm (MAP) aufgenommen wurden, da sie als besonders energieeffizient gelten. Die Kosten lassen sich mit denen von Pelletheizungen vergleichen.
Eisspeichersysteme eignen sich sowohl für Neu- als auch für Bestandsgebäude, bei letzteren aber nur nach einer umfassenden energetischen Sanierung und der dadurch geringeren Heizlast. Die für Ein- und Zweifamilienhäuser üblichen Eisspeicher bedürfen lediglich einer Grube von etwa 3 x 3 m Seitenlänge. Das geht sogar im Vorgarten, in der Garagenauffahrt oder unter dem Garagenboden.
Verwendungen für Eisspeicher mit 1 Million Liter Inhalt
Viessmann verbaut das Heizen mit Eis nach wie vor auch in großen Anwendungen. 2015 wurde in Pforzheim ein 1970 erbautes Hochhaus mit 16 Wohnungen mit einer hoch effizienten Dämmung zum Nullenergiehaus umgerüstet. Dort reichen nun zwei Wärmepumpen mit je 12,6 kW und ein eigens angefertigter Eisspeicher mit 81 000 l Volumen für Heizung und Kühlung.
Generell gilt, dass für größere Objekte mit höherem Wärmebedarf eine projektbezogene Auslegung des Eisspeichers und der Solar-Luftabsorber erforderlich ist. Für Gewerbe- und Bürobauten gibt es deshalb immer individuelle Lösungen ab 21 kW bis hin zu 2000 kW. Bis heute wurden rund 120 Eisspeicheranlagen dieser Größenordnung installiert. Mehrere Dutzend weiterer Anlagen sind im Bau oder stehen kurz vor der Inbetriebnahme. Für Eisspeicher in solch großen Objekten liegen auch erste Nutzungsdaten vor. Beachtet werden muss jedoch, dass hier keine Paketlösungen infrage kommen.
Eine große „Heizen mit Eis-Anlage“ arbeitet seit 2013 in Hamburg. Der eine Million Liter fassende Eisspeicher ist Hauptbestandteil eines integrierten Energiekonzeptes für den Laborneubau der Galab Laboratories. Im Vorfeld wurden Heiz- und Kühllast sowie ihr jahreszeitlicher Verlauf mittels dynamischer Systemsimulation bestimmt. Die Spitzenlast für die Kühlung liegt bei 100 kW, die Heizlast bei rund 180 kW.
Im Winter entzieht eine Sole/Wasser-Wärmepumpe dem Wasser die Energie zum Heizen der Laborluft. Die dabei entstehende Entzugsenergie kühlt gleichzeitig die Laborflächen oder wandert wieder in den Eisspeicher. Im Sommer kühlt der dann gefrorene Speicherinhalt die Labore über ein Rohrsystem im Fußboden. Der Eisspeicher taut langsam wieder auf. Der Wärme- und Kältebedarf des Gebäudes reduziert sich so um 59 % gegenüber einer konventionellen Heizungs- und Klimatechnik. Die Kosten für die Kühlung verringerten sich sogar um 99 %.
„Ausschlaggebend waren Forderungen nach besonders hoher Effizienz, hoher Betriebssicherheit sowie Betriebskostensicherheit“, so Wolfgang Rogatty von Viessmann zu den Gründen für das Heizen mit Eis. Zudem spiele der zeitlich versetzte Bedarf an Heizwärme und Gebäudekühlung eine wichtige Rolle, da er mit dem Eisspeichersystem besonders gut gedeckt werden könne.
Die finanzielle Seite
Wie sieht die energetische und damit finanzielle Bilanz für das Heizen mit Eis aus? Da die Technologie noch sehr jung ist, liegen noch keine langjährigen Bilanzen vor. Als erster Anhaltspunkt kann jedoch die Amortisationsrechnung für das Bürogebäude der Firma Leitec in Heilbad Heiligenstadt dienen. Der dortige Eisspeicher fasst 400 000 l. Die Solar-Luftabsorber sind direkt unterhalb einer Photovoltaikanlage installiert. Diese liefert den Strom für den Wärmepumpenbetrieb. Die Absorber entziehen der Umgebung Wärme für die beiden Wärmepumpen mit 40 und 24 kW. Diese Wärme wird in den Eisspeicher geleitet und fördert so den Prozess des Auftauens. Die Photovoltaikmodule werden gleich mit gekühlt. Der Heizenergiebedarf des Gebäudes liegt bei 105 000 kWh jährlich. Im Sommer dient der vereiste Speicherinhalt zur Kühlung der Büroräume.
Die jährlichen Fixkosten inklusive aller Investitionen liegen bei 18 485 Euro. Gegenüber einem herkömmlichen Gas-Heizkessel und einer strombasierten kompressionsbasierten Gebäudekühlung und dem Bezug von Strom aus dem öffentlichen Netz spart das Unternehmen jährlich 16 873 Euro ein.
Angesichts der Vorteile der Eisspeicher-Technologie sowie der rund 12 000 jedes Jahr allein in Deutschland neu installierten Sole/Wasser-Wärmepumpen ist das Marktpotenzial beträchtlich. Sehr viele dieser Wärmepumpen könnten mit einem Eisspeicher kombiniert werden.
Aus der Praxis
Regeneration über Solarabsorber
Für das Software-Unternehmen Dr. Thomas & Partner entwickelte die auf Gewerbe- und Industriebau spezialisierte Vollack-Gruppe das neue Bürogebäude in Stutensee bei Karlsruhe im Passivhaus-Standard. Auf 3600 m² arbeiten dort seit Ende September 2016 rund 120 Mitarbeiter, insgesamt bietet das Gebäude Platz für bis zu 150 Arbeitsplätze.
Der Bauherr strebte nach Energieautarkie. Deswegen haben die Planer den Energiebedarf soweit wie möglich reduziert. Die vorhandenen Dachflächen dienen der Energieerzeugung. Letztlich entstand so eine Kombination aus Passivhaus plus Photovoltaik. Damit der Anteil regenerativer Energien für den hohen Kühlbedarf des Gebäudes so hoch wie möglich ausfiel, wurde seitens der Planer auf den Eisspeicher gesetzt.
Eisspeicher ist Herzstück
Der Eis-Latentwärmespeicher mit 7 m Tiefe und 4 m Durchmesser ist das Herzstück des hocheffizienten Gebäudes. Dahinter verbirgt sich ein zylindrischer Stahlbeton-Behälter von etwa 4 m Höhe und gut 7 m Durchmesser. Der Eis-Latentwärmespeicher heizt das Gebäude im Winter und kühlt es im Sommer – und das energieautark.
Das kalte Wasser aus dem Speicher wird im Sommer direkt durch das Gebäude gepumpt. Der Energieeintrag aus dem Erdreich und von den Dachabsorbern des Bürogebäudes bringen das Eis dabei zum Schmelzen. Im Winter dagegen entzieht die Wärmepumpe Energie und kühlt das Wasser im Speicher ab. Eis bildet sich neu.
Der Eisspeicher ist also ein Primärquellenpuffer, der im Sommer der Kühlung dient und im Winter Energie zum Heizen liefert. Je nach Wettersituation entscheidet die Steuerung der Anlage mithilfe eines speziellen Algorithmus, ob als Quelle die Dachabsorber oder der Eisspeicher genutzt werden sollen.
Der Eisspeicher in Stutensee wird seinem Namen nicht ganz gerecht. In ihm befinden sich vor allem unterkühltes Wasser und – im Kern des Speichers – zeitweise circa 30 % Eis. Das Leitungssystem für Kühlung und Heizung ist so an den Betonzylinder angebunden, dass an seiner Außenwand die Energie eingetragen und in seinem Innern wieder entzogen wird.
Boden heizt und kühlt
Die Kühlung und Beheizung der Räume erfolgt über den Boden. Unter dem normalen Belag liegen die Rohre der herkömmlichen Fußbodenheizung. Die unterste Schicht nimmt wie üblich die Elektroinstallation auf. Und zwischen Fußbodenheizung und Installationsebene liegt eine Lüftungszwischenschicht mit zellartigem Aufbau, ähnlich der Struktur von Eierkartons.
Die Luft wird von der ersten Ebene erwärmt oder gekühlt. Dadurch reagiert der Raum wesentlich rascher und damit energieeffizienter als eine klassisch betriebene Fußbodenheizung, die starke Verzögerungseffekte hat.
Das neue Bürogebäude unterschreitet mit einem Wärmebedarf von 11 kWh/m²a deutlich die Kriterien für Passivhäuser (15 kWh/m²a). Gleichzeitig trägt die Abwärme der Menschen, die im Bürogebäude arbeiten, laut Berechnung eine Wärmeenergie von bis zu 17 kWh/m²a bei.
PV-Anlage plus Solarabsorber
Auf dem Dach befindet sich neben den Solarabsorbern noch eine 40-kWp-Photovoltaik-Anlage. Der von ihr erzeugte Solarstrom reicht für den Betrieb von Heizung und Kühlung aus.
Weitere Maßnahmen zum Stromsparen beinhalten LED-Beleuchtung, Arbeitsplätze mit Präsenzsteuerung sowie eine von CO2-Sensoren gesteuerte Lüftung für Besprechungsräume und Jalousien.
Berechnungen zufolge haben sich die Mehrkosten für den energieeffizienten Neubau im Vergleich zu einem Gebäude, das nur die gesetzlichen Mindeststandards der Energieeinsparverordnung EnEV erfüllt, innerhalb von sieben Jahren amortisiert. Und das ohne Berücksichtigung von Fördermitteln. Grundlage dieser Berechnung war die frühere EnEV 2009. Mit der strengeren EnEV 2016 gelingt die Amortisation noch schneller.
Autor
Frank Urbansky ist freier Journalist und Mitglied der Energieblogger, 04158 Leipzig, Telefon (01 71) 5 25 32 79, urbansky@enwipo.de