Der Ausbau von Wärmenetzen ist nur in bestimmten Fällen sinnvoll. Bezogen auf den deutschen Gebäudebestand mit 18 Millionen Häusern ist der Ausbau weder aus Sicht des Klimaschutzes noch aus finanziellen Erwägungen eine massentaugliche Lösung. Das geht aus der Studie „Dezentrale vs. zentrale Wärmeversorgung im deutschen Wärmemarkt“ hervor.
„Eine Sanierung mit dezentralen Heizungssystemen bietet in allen untersuchten Gebäudevarianten und Versorgungsgebieten wirtschaftliche Vorteile gegenüber einer Sanierung mit zentralen, wärmenetzgebundenen Versorgungssystemen“, heißt es in der Untersuchung. Sie wurde erstellt von wissenschaftlichen Teams um Prof. Dr. Bert Oschatz (Institut für Technische Gebäudeausrüstung in Dresden ITG) und um Prof. Dr. Andreas Pfnür (Leiter des Fachgebiets Immobilienwirtschaft und Baubetriebswirtschaftslehre an der TU Darmstadt). Gesamtwirtschaftlich betrachtet wäre die netzgebundene Wärmeversorgung aller Bestandsgebäude über einen Zeitraum von 20 Jahren um 250 Milliarden Euro teurer als bei einer Erneuerung mittels dezentraler Systeme. Im Neubau seien dezentrale Heizungen laut Studie in der Regel ebenfalls als geeigneter zu betrachten.
Einzelheizung für Hausbesitzer deutlich günstiger
Die Autoren rechnen vor, dass zum Beispiel eine durchschnittliche Einzelheizung im Falle eines unsanierten Einfamilienhauses über einen 20-Jahres-Zeitraum um 14 757 Euro günstiger wäre als die Fernwärme-Variante. Das sind mehr als 61 Euro pro Monat. Die Berechnungen der Studie stützen frühere Untersuchungen des Kartellamts und der Verbraucherschutzzentralen. Sie haben bereits aufgezeigt, dass monopolistische Marktstrukturen in der Fernwärme die Wärmeversorgung für Verbraucher nicht nur intransparent gestalten, sondern auch spürbar verteuern.
Weniger CO2-Ausstoß durch Einzelheizungen
In Anbetracht eines begrenzten Investitionsvolumens könnten durch die Modernisierung von Einzelheizungen in der Regel auch mehr CO2-Emissionen vermieden werden als mit dem Einsatz von Wärmenetzen, heißt es in der Studie weiter. Die klimapolitischen Ziele seien durch Optimierung von Einzelheizungen daher günstiger zu erreichen. Aufgrund dieser Ergebnisse sollten nach Einschätzung der Autoren die Rahmengesetzgebung sowie die bestehende Förderpolitik überdacht werden. Von übermäßigen Regulierungen und technologischen Einschränkungen für Gebäudeheizungen raten sie ab.
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Beteiligte und Download
Die Studie wurde im Auftrag verschiedener Institutionen und Verbände erstellt. Das waren der Bundesverband der Deutschen Heizungsindustrie (BDH), das Institut für Wärme und Oeltechnik (IWO), der Zentralverband Sanitär Heizung Klima (ZVSHK), der Deutsche Energieholz- und Pellet-Verband (DEPV), der Industrieverband Haus-, Heiz- und Küchentechnik (HKI) sowie die Initiative Pro Schornstein (IPS). Die vollständige Studie und eine Zusammenfassung stehen auf den Internetseiten der genannten Verbände zum Download zur Verfügung.
Unter www.zvshk.de ist sie mittels Qicklink QL89116896 im Suchfeld zu finden.
Nachgefragt
CO2-Reduktion ist das oberste Gebot
Andreas Müller hat an der Studie „Dezentrale vs. zentrale Wärmeversorgung im deutschen Wärmemarkt“ mitgearbeitet. Seit Jahren setzt er sich mit den Brennpunkt-Themen Wärmenetze und Anschlusszwänge, Förderpolitik und Energieeffizienz auseinander. In der intensiven Recherche, die sich weit über ein halbes Jahr erstreckt hat, gewann er wertvolle Detailkenntnis über Fehlentwicklungen bei der Förderung für die Energiewende. Er bezieht deshalb – aus Sicht des SHK-Fachhandwerks – klar Stellung für nötige Korrekturen in der jetzt praktizierten Energiepolitik.
SBZ: Vor fünf Jahren wurde das Marktanreizprogramm von SHK-Fachunternehmen rege genutzt, um z. B. Brennwert plus Solarthermie, Wärmepumpen oder Pelletheizungen zu installieren. Aus diesem Fördertopf wurden den Kommunen jedoch gleichzeitig ein Betrag in Millionenhöhe zum Ausbau oder zur Sanierung ihrer Fernwärmenetze bewilligt. Das wurde schon 2011 als Fehlentwicklung angesehen und kommt seitdem aus den negativen Schlagzeilen nicht heraus. Wärmenetze sind mit Anschlusszwängen verbunden und torpedieren den freien Wettbewerb im Heizungsmarkt – immer noch ein Skandal?
Andreas Müller: Nicht nur das. Es kommt erschwerend hinzu, dass für eine effiziente Energie- und Förderpolitik natürlich das Wirtschaftlichkeitsgebot gilt. Es ist nicht nachvollziehbar, dass über ein Marktanreizprogramm, das in erster Linie der Förderung innovativer und regenerativer Wärmeerzeugungssysteme dient, Infrastrukturmaßnahmen von ineffizienten Wärmenetzen gefördert werden.
SBZ: Hätte die neue Studie nicht Jahre eher kommen müssen? Das hätte manche Entscheider für ein Wärmenetz kritischer hinschauen lassen.
Müller: Natürlich wäre dies für die Weiterentwicklung eines freien Wärmemarkts günstiger gewesen. Aber die grundsätzlichen Themen der Fernwärme sind ja nicht neu. Insgesamt zeigt die Studie, dass in zahlreichen Feldern des Fernwärmesektors Probleme bestehen, die sich vor allem in Form überhöhter Wärmepreise nachteilig für Verbraucher auswirken. Dies zeigt sich besonders in regelmäßig langen Vertragslaufzeiten, der Entwicklung hin zu immer höheren Grundpreisanteilen oder in Form eines fehlenden Anspruches auf Herabsetzung von Anschlusswerten.
SBZ: Sie halten den Verbraucherschutz in diesem Bereich für unzureichend?
Müller: Absolut. Dem Fernwärmesektor mangelt es an Regularien. Doch es gibt darüber hinaus Defizite, die es unbedingt auszugleichen gilt. Ein wichtiger Punkt: Man trifft im Fernwärmebereich sehr oft auf die Konstellation, dass der Vertragspartner des Fernwärmeanbieters der Vermieter ist und nicht der Mieter, der den Wärmepreis zahlen muss.
SBZ: Finanziert haben die Studie sechs Verbände, die allesamt davon profitieren, wenn eine individuelle Nachfrage nach verschiedenen Heizsystemen steigt. Provoziert das nicht Argwohn, ob es sich da nicht um eine Gefälligkeitsstudie handelt?
Müller: Es ist nicht zu erwarten, dass von allen Seiten Beifall kommt. Was für uns als SHK-Handwerk jedoch besondere Bedeutung hat, sind die profunden und wissenschaftlich abgesicherten Beispiele, die darstellen, wann sich ein Wärmenetz energetisch, ökologisch und wirtschaftlich rechnet bzw. wann einem individuellen Heizsystem Vorteile zugestanden werden müssen. Auf Basis dieser umfangreichen Daten und Fakten können nunmehr private und öffentliche Investoren die richtige Entscheidung treffen, wenn z. B. Pläne für die Erschließung von Bauland plus Wärmenetz erarbeitet werden sollen.
SBZ: Was lässt sich mit der Studie erreichen?
Müller: Die Ergebnisse der Studie zeigen auf, dass die Förderung von Wärmenetzen zu hinterfragen ist. Die nationalen und europäischen Zielvorgaben in Sachen Energieeffizienz und Klimaschutz sind nur über einen energie- und technologieoffenen Wärmemarkt zu erreichen. Wer potenziellen Investoren mit Anschluss- und Benutzungszwängen keine freie Wahl lässt, löst keine Effizienzsteigerung aus, allenfalls eine abwartende Haltung oder gar eine Verweigerung.
SBZ: Was planen Sie konkret?
Müller: Im Hinblick auf die Bundestagswahl wird unser Aktionsbündnis Freie Wärme mit einem Wahlprüfstein Fragen an die Politik stellen. Ein Punkt wird dabei die Forderung sein, die AVB Fernwärme – also die Allgemeinen Vertragsbedingungen für die Nutzer von Wärmenetzen – mit einer Öffnungsklausel auszustatten …
SBZ: . . . damit Nutzer, die zu einem günstigeren Anbieter oder zu einem besonders effizienten Heizsystem wechseln wollen, dies auch können?
Müller: Richtig, da müssen wir hin. Es kann doch nicht sein, dass Kunden auf unbestimmte Zeit an einen Wärmeliefervertrag gebunden sind, in dem auf monopolistische Weise ein Wärmepreis festgelegt wird.
SBZ: Wie kann der einzelne Heizungsbauer von der Studie profitieren?
Müller: Die Rechenbeispiele der Studie, die auf Grundlage der Energieeinsparverordnung sowie den ökonomischen Gegebenheiten der Wohnungswirtschaft ermittelt wurden, gehen in die Tausende. Dieses Potenzial wollen wir nutzen, um damit letztlich die Beratungskompetenz unserer SHK-Mitgliedsbetriebe zu stärken. Zukünftig wird der Heizungsbauer mittels Konfigurator objektiv bewerten können, welches Heizungssystem am besten die vom Auftraggeber geforderten Anforderungen hinsichtlich Effizienz, CO2-Reduktion und Wirtschaftlichkeit erfüllt. Das Ziel ist ein fairer Wettbewerb zwischen einem möglichen Wärmenetz und dem dezentral hergestellten Heizungssystem – diesem Vergleich sehen wir gelassen entgegen.
SBZ: Wann wird der Konfigurator starten?
Müller: Schauen wir mal, im März ist wieder die Fachmesse ISH. Dort werden jede Menge Innovationen gezeigt – warum nicht auch ein SHK-Heizungskonfigurator? Den SHK-Effizienzcheck hatte der ZVSHK ja bereits zur ISH 2011 vorgestellt.
SBZ: Herr Müller, vielen Dank für das Gespräch.