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Abschotten oder nicht?

Inhalt

Es gibt in der Praxis immer wieder Diskussionen, wie Brandschutzanforderungen an Bauteile zu interpretieren sind. Wird fälschlicherweise eine Abschottung zwingend gefordert, so führt dies zu brandschutztechnisch nicht notwendigen Abschottungen. Diese Situationen können in manchen Fällen nicht zulassungskonform gelöst werden, was die Ausführenden vor große Probleme stellt. Ein Beispiel ist ein gebäudeintegrierter Sprinklertank, für dessen Umfassungswände die Anforderung „feuerbeständig“ festgelegt wurde.

Hintergrund und Anforderungen

Diese Anforderung ergibt sich aus den §§ 27 ff. MBO, wobei bei den Anforderungen an die Feuerwiderstandsfähigkeit der Bauteile in § 26 Abs. 2 MBO in feuerhemmende, hochfeuerhemmende und feuerbeständige unterschieden wird. An dieser Stelle ist die Frage zu stellen, ob das jeweilige Bauteil im Brandfall den Feuerwiderstand hinsichtlich der Tragfähigkeit oder des Raumabschlusses aufweisen muss. Dies kann anhand des Schutzzieles, das mittels des Bauteils erfüllt werden soll, abgeleitet werden. Diese Präzisierung muss im Rahmen des ganzheitlichen Brandschutzkonzeptes und zugehöriger Brandschutzpläne erfolgen.

Im Anhang 4 zur Muster-Vorschrift Technische Baubestimmungen (M-VV TB) sind in der Tabelle 4.3.2 für nichttragende Innenwände und in der Tabelle 4.3.1 für tragende Bauteile die bauordnungsrechtlichen Anforderungen in die Bezeichnungen gem. DIN EN 13 501-2 überführt worden (Bild 1).

Bild 1: Anforderungen für nichttragende Innenwände und tragende Bauteile laut Bauordnungsrecht. * Sonderanforderung (z.B. Musterhochhausrichtlinie)

Bild: Doyma

Bild 1: Anforderungen für nichttragende Innenwände und tragende Bauteile laut Bauordnungsrecht.
* Sonderanforderung (z.B. Musterhochhausrichtlinie)

Die Feuerwiderstandsklasse des Bauteils wird hierbei mit einer Buchstabenkombination und einer dahinterstehenden Zahl angegeben. Die Zahl steht für die zu erreichende Widerstandsdauer in Minuten (sogenannte Leistungszeit), also die Zeit, während der das Bauteil unter Brandeinwirkung seine Funktion, hier Tragfähigkeit bzw. Raumabschluss, aufrechterhalten soll. Die verwendeten Buchstaben stehen dabei für spezifische Anforderungen (Bild 2).

Diese Bezeichnungen werden zukünftig die bisher in Deutschland verwendeten Bezeichnungen nach DIN 4102-2, wie z. B. F30, ersetzen. Zwar ist das neue System der Bezeichnungen komplizierter, kann aber die Anforderungen deutlich differenzierter abbilden. So ist es beispielsweise möglich, ein Bauteil zu beschreiben, das seine Tragfähigkeit für 120 Minuten (R120) erhält, aber den Raumabschluss inklusive Wärmedämmung nur für 90 Minuten (EI90) sicherstellt.

Bild 2: Kurzzeichen und deren Bedeutung gemäß DIN EN 13 501-2.

Bild: Doyma

Bild 2: Kurzzeichen und deren Bedeutung gemäß DIN EN 13 501-2.
Bild 3: Zur Abschottung von speziellen Leitungsanwendungen eignet sich die Curaflam-Kombination 2 x A BSHN.

Bild: Doyma

Bild 3: Zur Abschottung von speziellen Leitungsanwendungen eignet sich die Curaflam-Kombination 2 x A BSHN.

Die Anwendung

Bei der Interpretation der konkreten Anforderungen, die an ein Bauteil zu stellen sind, sind die Schutzziele des Brandschutzes zu betrachten (Bild 3). Im bauordnungsrechtlichen Sinne sind dies insbesondere das Ziel „Personenschutz“ mit den unterschiedlichen Facetten (vgl. § 14 MBO). Darüber hinaus kann es aber auch Anforderungen aus anderer Richtung zum Beispiel des Sachschutzes geben, die einzuhalten sind. Diese können beispielsweise aus der Rechtssphäre der Versicherungen oder des Umweltschutzes kommen.

Ist ein Bauteil als feuerbeständig deklariert, muss also hinterfragt werden, auf welche konkrete Eigenschaft sich der Feuerwiderstand von 90 Minuten bezieht. Tragende Wände innerhalb eines Brandabschnitts haben im Regelfall primär Anforderungen im Hinblick auf die Tragfähigkeit zu erfüllen. Trennwände im Sinne des § 29 MBO sind typischerweise

  • zwischen verschiedenen Nutzungseinheiten,
  • zwischen Nutzungseinheiten und anders genutzten Räumen,
  • zum Abschluss von Räumen mit Explosions- und erhöhter Brandgefahr
  • und zwischen Aufenthaltsräumen und sonstigen Räumen in Kellergeschossen notwendig.
  • Bei diesen Trennwänden ist, unerheblich ob sie zugleich eine tragende Funktion haben oder nicht, stets ein Raumabschluss mit zugehörigen Abschottungen notwendig, da primär die Begrenzung des Brandes auf den Entstehungsraum bzw. den betroffenen Brandabschnitt erreicht werden soll (Bild 4). Reine tragende Wände müssen zum Beispiel in Kellergeschossen gemäß § 27 Abs. 2 MBO je nach Gebäudeklasse mindestens feuerhemmend oder sogar feuerbeständig sein. Hier ist nicht zwingend ein Raumabschluss oder eine Abschottung von Leitungsanlagen notwendig, da die Anforderungen an diese Wände ausschließlich R30 oder R90 sind. Die Bauart brandschutztechnische Leitungsabschottung, die die Anforderung EI 30 oder EI 90 erfüllt, ist hier nicht gefordert.

    Bild 4: Bauart Rohrabschottung brennbares Rohr in Massivwand mit Brandschutzmanschette Curaflam XS Pro.

    Bild: Doyma

    Bild 4: Bauart Rohrabschottung brennbares Rohr in Massivwand mit Brandschutzmanschette Curaflam XS Pro.

    Beispiel: Sprinklertank

    Bei den Wänden des Sprinklertanks des obigen Beispiels im Kellergeschoss ist die primäre Anforderung an die ihn umgebenden Bauteile, dass diese die Tragfähigkeit im Brandfalle für eine definierte Mindestdauer behalten, um die Standsicherheit des Tanks bzw. des Gebäudes aufrechtzuerhalten. Darüber hinaus muss der Behälter auch die Dichtigkeit über diesen Zeitraum behalten. So können in diesem Zeitraum von beispielsweise 90 Minuten die im Gebäude befindlichen Personen flüchten und zugleich kann die Feuerwehr wirksame Löschmaßnahmen vornehmen.

    Auf der anderen Seite soll auch die Lösch­wasserbevorratung und damit die Funktionssicherheit der Löschanlage sichergestellt werden. Wenn die Wand im Bereich der Leitungsdurchdringung im Brandfall undicht werden sollte, könnte das Wasser austreten und damit die Anlagenfunktion bei zu großem Wasserverlust gefährdet werden.

    Hier ist eine Beurteilung sicherlich stark abhängig davon, mit welchem Abstand vom Boden die Leitungsdurchdringung montiert ist und welche anderen Gefährdungen vorliegen. Je tiefer, desto mehr Wasser kann austreten. Auf der anderen Seite wird im bauordnungsrechtlichen Brandschutz immer von einem singulären Brandereignis ausgegangen und wenn der Brandraum direkt an den Tank angrenzt und in diesen das Wasser läuft, würde der Brand hierdurch gegebenenfalls gelöscht werden.

    In jedem Fall ist eine differenzierte Betrachtung im Rahmen des Brandschutzkonzeptes und der Anlagenplanung notwendig. Bei der differenzierten Betrachtung sollten auch andere Phasen oder Zustände des Gebäudes betrachtet werden, die nicht der üblichen Nutzung entsprechen. In diesen ­Phasen, wie etwa bei der Entleerung des Tanks, könnten ebenfalls andere Risiken auftreten. Auch für diese Zustände wäre es sinnvoll, die oben dargestellte differenzierte brandschutztechnische Betrachtung anzuwenden.

    Sonderfall: inhomogene Bauteile

    Bild 5: Zur regelkonformen Abschottung von Leitungen aller Art können unter anderem Brandschutz­manschetten zum Einsatz kommen

    Bild: Doyma

    Bild 5: Zur regelkonformen Abschottung von Leitungen aller Art können unter anderem Brandschutz­manschetten zum Einsatz kommen

    Einen Sonderfall stellen sogenannte inhomogene Bauteile dar, die eine brandschutztechnische Anforderung hinsichtlich der Tragfähigkeit haben. Dies können zum Beispiel Bauteile sein, die aus einer Tragstruktur aus Holz bestehen und etwa mit anderen Baustoffen bekleidet wurden (Bild 5). Bei diesen Bauteilen ist zu beachten, dass der Nachweis der Verhinderung des Eindringens des Brandes im Bereich abgeschotteter Leitungsdurchdringungen in das Innere der Bauteile mit heutigen Bauartgenehmigungen nicht erbracht werden kann. In aktuellen Prüfungen wird der Raumabschluss zur und die Dämmwirkung auf der dem Brandraum abgewandten Bauteilseite nachgewiesen. Somit wird bei den Brandprüfungen der geschilderte Fall nicht geprüft.

    Erfüllt beispielsweise eine Tragstruktur aus Holz nur durch ihre Bekleidung den geforderten Feuerwiderstand hinsichtlich der Tragfähigkeit, so darf nicht ohne weitere Nachweise diese Bekleidung mit Leitungen durchdrungen werden. In solchen Fällen sollten neben den Herstellern der Abschottungssysteme immer die zuständigen Brandschutz- und Tragwerksplaner hinzugezogen werden. Ein denkbarer Ansatz ist möglicherweise eine Laibungsbekleidung im Inneren des Bauteils, die aber vorhabenbezogen konzipiert werden muss.

    Sonderfall: Dachdurchdringungen

    Eine ähnliche Situation ergibt sich häufig auch bei Flachdachkonstruktionen, die durch Lüftungsleitungen der Abwasserverrohrung durchdrungen werden. Sind diese Dachkonstruktionen unterseitig zum Beispiel mit einer Unterdecke aus Trockenbauplatten versehen, die einen Feuerwiderstand von beispielsweise 30 Minuten aufweist, kommt im Rahmen der Ausführung der sanitären Leitungsanlagen regelmäßig die Frage auf, wie hier eine Abschottung der Rohrleitung zu erfolgen hat.

    Die üblichen Abschottungssysteme für brennbare Rohrleitungen sind nur für Massivdecken oder in Sonderfällen für speziell ertüchtigte Holzbalkendecken (sogenannte Insellösung) vorgesehen. Ein Einbau in eine dachunterseitige, einschalige Unterdecke ist zulassungstechnisch nicht vorgesehen. Aus technischer Sicht ist eine solche Abschottung auf Ebene der Unterdecke auch nicht ohne komplizierte Hilfskonstruktionen möglich, da die Befestigung einer Brandschutzmanschette an einer einschaligen Konstruktion aufgrund eines vorhersehbaren Versagens der brandseitigen Plattenlagen nicht möglich ist.

    Hier ist daher ebenfalls zu hinterfragen, was mit den konkreten Brandschutzmaßnahmen bezweckt werden soll. Ist es ein Schutz der Tragkonstruktion, so wäre gegebenenfalls die Ausbildung eines Schachtes von der Unterdecke bis zur Dachhaut eine Option. Inwieweit dann noch eine Abschottung auf der Ebene der Dachhaut erforderlich ist, muss im Einzelfall geprüft werden. Ob die in DIN 18 234-4 (2018-05) dargestellten Ansätze zur Abschottung von sogenannten kleinen Dachdurchdringungen bis 0,3 x 0,3 m hierzu dienlich sind, ist kritisch zu hinterfragen. Auf jeden Fall ist bezüglich der DIN 18 234 (Stand Mai 2018) festzustellen, dass diese derzeit offenbar in keinem Bundesland bauordnungsrechtlich eingeführt ist. Neben der Muster-VV TB verweisen auch die umgesetzten Landesvorschriften auf die Fassung vom September 2009.

    Fazit

    Eine vorausschauende Planung, ob eine Abschottung an einem konkreten Bauteil notwendig ist, ist ein relevanter Beitrag zu einem vernünftigen Brandschutz. Dort, wo Abschottungen keinen Sinn machen, verursachen sie nur unnötige Kosten, ohne das Sicherheitsniveau sinnvoll zu steigern. Werden sie an überflüssigen Stellen eingespart, steht das Geld an anderer Stelle zur Verfügung, an denen der Brandschutz notwendig ist und sinnvoll realisiert
    werden muss.

    Wichtig ist es, dass die Differenzierung zwischen den Anforderungen an Raumabschluss und Tragfähigkeit sorgfältig vorgenommen wird. Sofern hierbei Fehler auftreten, kann es zu einer Brandausbreitung kommen, die Menschenleben und Sachwerte gefährdet. Daher ist es am sinnvollsten, die Entscheidungen in diesem Bereich unter unterschiedlichen Aspekten zu beleuchten und unter der Projektbeteiligten frühzeitig abzustimmen.

    Literatur

  • Mayr, Battran; Handbuch Brandschutzatlas, 4. Aufl. 2018, S. 57 und S. 257.
  • Bock, Klement; Brandschutz-Praxis, 4. Aufl. 2016, S. 37.
  • DIN 18 234, Teil 4, Mai 2018 – Baulicher Brandschutz großflächiger Dächer
  • mit ausführlichen Erläuterungen: Brein et al., vfdb 2019, S. 32 ff.
  • Muster-VV TB 2017/01 vom 11. Dezember 2017
  • Autoren

    Carsten Janiec
    M.Sc., ist Leiter Vertriebsmanagement Brandschutzsysteme bei Doyma in 28876 Oyten,

    Bild: Doyma

    Professor Dr.-Ing. Eugen Nachtigall
    Duale Hochschule Baden-Württemberg, Mosbach.

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