Unter Hygienikern ist die Gesundheitsgefährdung durch kontaminiertes Trinkwasser mit Legionella pneumophila, aber auch mit Pseudomonas aeruginosa im Warm- und Kaltwasser von Gebäudeinstallationen ein unstrittiges und ernst zu nehmendes Risiko. Die Auswertungen von 30 000 Wasserproben deutscher Gesundheitsbehörden, entnommen von 2003 bis 2009 in 4400 öffentlichen Gebäuden, ergaben beispielsweise: In rund 13 % der Proben wurde der technische Maßnahmenwert für Legionellen von 100 koloniebildenden Einheiten (KBE) pro 100 ml überschritten. Vornehmlich war zwar Trinkwasser warm (PWH) betroffen. Doch auch 5 % der Proben Trinkwasser kalt (PWC) zeigten Überschreitungen des technischen Maßnahmenwertes. Pseudomonas aeruginosa wurde in einer Konzentration, die über dem festgesetzten Maßnahmenwert lag, in 3 % der Wasserproben nachgewiesen – in PWH und PWC gleichermaßen.
Befinden sich Legionellen im Trinkwasser, können bei einer Vernebelung – wie beim Duschen – Erreger eingeatmet werden und zu einer schweren Lungenentzündung führen (Legionärskrankheit, Mortalität 10 bis 15 %) oder, weniger schwerwiegend, grippeähnliche Symptome auslösen (Pontiac-Fieber).
Pseudomonaden gelangen in erster Linie über Wunden oder Schleimhäute in den menschlichen Körper und sind verantwortlich für Entzündungen. Eine Kontamination mit Pseudomonas aeruginosa stellt vor allem in Kaltwassernetzen die problematischste mikrobielle Kontamination dar und ist ein Indikatorparameter für den Gesamtzustand der Trinkwasserinstallation.
Analyse bestätigt Gefährdungspotenzial
Durch die Ausweitung der Untersuchungspflicht auf Legionellen in gewerblich genutzten Trinkwasseranlagen im Zuge der Überarbeitung der Trinkwasserverordnung (TrinkwV) bis 2011 liegen nun auch Daten aus diesem Gebäudesektor vor, also aus der Wohnungswirtschaft. Eine Statusanalyse von Probenahmen an Zapfstellen von Trinkwasserinstallationen der Jahre 2012 bis 2015 bestätigte auch hier das Gefährdungspotenzial zu hoher Legionellenkonzentration. Über eine Million Datensätze von Probenahmen aller Gebäudearten, bereitgestellt von fünf deutschen Trinkwasser-Kontrolldienstleistern, wurden vom Institut für Hygiene und Öffentliche Gesundheit der Universität Bonn ausgewertet. Die Untersuchung ergab, dass in dem Betrachtungszeitraum etwa jedes dritte Gebäude mindestens einmal einen positiven Legionellenbefund zeigte und in circa jedem fünften Gebäude eine Überschreitung des technischen Maßnahmenwertes detektiert wurde. Der Auftraggeber der Studie, der Arbeitskreis Trinkwasseranalytik der Firmen im Gas- und Wasserfach (figawa), kündigte bereits eine Folgeuntersuchung mit größerer Datentiefe an.
Phänomene bei Probenahmen
Die Vielzahl der Daten als Resultat der ausgeweiteten Beprobungspraxis führt außerdem zu neuen Fragestellungen: So wurde beispielsweise das Phänomen beobachtet, dass im Rahmen der systemischen Untersuchung einer Trinkwasseranlage nach DVGW-Arbeitsblatt W 551 die Probenahmen vor der Pumpe im Rücklauf der Warmwasserzirkulation keine Auffälligkeiten zeigten, an unterschiedlichen peripheren Probenahmestellen aber der technische Maßnahmenwert von Legionellen zum Teil deutlich überschritten wurde. Bei der weitergehenden Untersuchung fielen die Befunde an den gleichen Probenahmestellen jedoch teilweise wiederum negativ aus.
Warum in Beprobungsergebnissen mitunter kein nachvollziehbares Muster zu erkennen ist, um eine eindeutige hygienische Beurteilung der Trinkwasseranlage abgeben zu können, wurde in dem Verbundprojekt „Biofilm-Management“ untersucht. In einem 2014 abgeschlossenen Teilprojekt vom Biofilm Centre und IWW Zentrum Wasser wurden dazu neun Gebäude mit bekanntem systemischem Vorkommen von Legionella pneumophila räumlich und zeitlich engmaschig beprobt. Auch wenn die Probenahmestellen nahe beieinander lagen, ergaben sich große Schwankungen in der Legionellenkonzentration. In exemplarischen Tagesverlaufsproben konnte sogar nachgewiesen werden, dass das Vorkommen von Legionellen innerhalb eines Tages an ein und derselben Entnahmestelle um 4 log-Stufen variieren kann (zum Beispiel Messung 10:00 Uhr: 11 900 KBE/100 ml; Messung 20:00 Uhr: 18 KBE/100 ml). In keinem der untersuchten Gebäude konnte jedoch eine Periodik oder sonstige Systematik des Kontaminationsgeschehens festgestellt werden.
In größeren Gebäuden mit komplexen Einflüssen auf die mikrobielle Kontamination ist die richtlinienkonforme Beprobungsstrategie (Annahme von repräsentativen Steigsträngen) zur Detektion einer Kontamination hingegen unzuverlässig. In der Gesamtschau aller untersuchten Gebäude wurden über den Zeitraum eines halben Jahres mit richtlinienkonformer Beprobung nur 28,9 % aller insgesamt bekannten Kontaminationen aufgedeckt. Die Sensitivität der Aufdeckung einer systemischen Kontamination beträgt nur 37,8 %.
Ursächlich ist nach Erkenntnissen der Forscher unter anderem die Fähigkeit von Bakterien, den Biofilm in Trinkwasserinstallationen als Nährboden sowie als Refugium zu nutzen. Biofilme bilden sich unweigerlich durch die Mikroorganismen auf trinkwasserbenetzten Oberflächen.
Außerdem ist bekannt, dass Bakterien wie Legionellen und Pseudomonaden nicht nur in einem kultivierbaren Zustand (über)lebensfähig sind (J. D. Oliver, 2005). Befinden sich Bakterien in einem vorübergehend unkultivierbaren Zustand (viable but nonculturable – VBNC), sind sie allerdings nicht mit den klassischen Methoden nachweisbar. Im VBNC-Zustand betreiben die Zellen nur noch einen Erhaltungsstoffwechsel und vermehren sich nicht. Damit bleiben sie bei den üblichen Untersuchungsmethoden auf Grundlage der Zählung von koloniebildenden Einheiten unentdeckt. Unter bestimmten Bedingungen können die Bakterien wieder in den kultivierbaren Zustand übergehen und so das Trinkwasser kontaminieren.
Phänomene nach Desinfektionen
Mit dem VBNC-Zustand von Bakterienzellen lässt sich auch ein weiteres Phänomen auflösen, das vielfach nach thermischen oder auch chemischen Desinfektionen von kontaminierten Trinkwasseranlagen auftritt: Die unmittelbar anschließende Beprobung weist keine Kontamination mehr auf. Nach wenigen Monaten ist jedoch der technische Maßnahmenwert erneut erheblich überschritten. Die Erklärung dafür, so die Erkenntnisse aus mehreren Forschungsarbeiten (z. B. Flemming et al., 2010; J. D. Oliver, 2005; Flemming et al., 2013), ist die Fähigkeit sowohl von Legionellen als auch Pseudomonaden, Zellbestandteile (Membran etc.) oder DNA-Schäden, die durch unzureichende Desinfektionsmaßnahmen (chemisch und thermisch) oder die Einwirkung toxischer Stoffe entstanden sind, zu erneuern respektive zu reparieren. Anschließend können sich die Bakterien wieder vermehren und auch wieder infektiös werden (Dwidjosiswojo et al., 2011).
Erkenntnisse für die Installationspraxis
Aus dem Projekt „Biofilm-Management“ lassen sich dementsprechend Erkenntnisse ableiten, die unmittelbaren Einfluss auf die Installations- und Betriebspraxis nehmen. So stellten die Forscher eine Korrelation zwischen der PWH-Konstanztemperatur an den Entnahmestellen und der Wahrscheinlichkeit eines überhöhten Legionellenbefalls fest (n = 541 Proben): In den untersuchten Gebäuden mit bekannter systemischer Legionellenkontamination, bei denen aber die Temperaturkonstanz über 60 °C lag, wurde nur in drei Proben die Überschreitung des technischen Maßnahmenwertes festgestellt.
Eine weitere statistische Auswertung ergab, dass Stagnationsstrecken in der Trinkwasserinstallation durch zu geringe Wasserentnahme das Risiko einer gesundheitsschädigenden Legionellenkontamination um den Faktor drei erhöht. Dies ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass sich Legionella pneumophila und Pseudomonas aeruginosa in vorhandene Trinkwasser-Biofilme einnisten und bei Stagnation wieder in das Trinkwasser übergehen können. Aus diesen Erkenntnissen folgt für die Installationspraxis und den Betrieb von Trinkwasseranlagen:
- Eine Abweichung von der 5-K-Regel als maximal zulässige Temperaturdifferenz vom Austritt eines Trinkwassererwärmers zum Eintritt (60 °C/55 °C) erhöht das Kontaminationsrisiko mit Legionellen.
- Möglichst kurze Installationsstrecken mit geringem Leitungsvolumen und regelmäßig genutzten Verbrauchern wirken der Stagnation und somit einer Kontamination entgegen.
- Schlank dimensionierte Trinkwasserleitungen erhöhen die Durchströmungsgeschwindigkeit (turbulente Strömung); infolgedessen weisen sie wahrscheinlich eine geringere Dicke des Biofilms im Leitungssystem auf. Das wirkt dem Austragen von Bakterien aus dem Biofilm ins Trinkwasser direkt entgegen.
Erkenntnisse für die Beprobungspraxis
Die statistischen Auswertungen von Probenahmen und Erforschungen der Mikrobiologie im Trinkwasser zeigen darüber hinaus, dass eine qualifizierte Feststellung der systemischen Hygienequalität einer Trinkwasseranlage mit den derzeit angewandten Beprobungsstrategien nicht in jedem Fall möglich ist. Ein wesentlicher Grund dafür ist: Selbst wenn die zentralen Beprobungen am Trinkwassererwärmer einen negativen Befund zeigen, schließt das nicht die Kontamination entfernter Leitungsstrecken und Entnahmestellen aus. Eine Auswertung von 7550 anonymisierten Datensätzen von insgesamt 1093 orientierenden Untersuchungen gemäß dem DVGW-Arbeitsblatt W 551 ergab beispielsweise: Die höchste Fallzahl entfiel auf die Kombination eines negativen Legionellenbefundes an den zentralen Probenahmestellen bei gleichzeitig positiven Befunden über dem technischen Maßnahmenwert an peripheren Entnahmestellen (37,9 %).
Außerdem ist zu berücksichtigen, dass die aktuelle Beprobungspraxis auf der Zählung koloniebildender Einheiten basiert. Wie Flemming et al. jedoch nachweisen, können Bakterien wie geschildert in einem nicht kultivierbaren Zustand (VBNC) im Biofilm überdauern und wieder in den Zustand zurückkehren, der eine Vermehrung und damit Verkeimung des Trinkwassers zur Folge hat. Da zwischen den Probenahmen je nach Indikation Zeitabstände von Wochen, Monaten oder Jahren liegen, ist die hygienisch-mikrobiologische Untersuchung koloniebildender Einheiten zumindest bei einer weitergehenden Untersuchung und nach Desinfektionsmaßnahmen nicht ausreichend. Für die Beprobungspraxis können also folgende Ableitungen hergestellt werden:
- Das Vorkommen von Legionellen und Pseudomonas aeruginosa ist insbesondere in hydraulisch komplexen Trinkwasserinstallationen nicht eindeutig mit zentralen Probenahmen zu erfassen. Je verzweigter eine Trinkwasserinstallation konzipiert ist, desto umfangreicher muss die Beprobungsstrategie ausfallen, damit belastbare Ergebnisse gewonnen werden.
- Die zielführende Beprobung und intelligente Auswahl der Steigstränge ist erforderlich, um die hygienische Situation für komplexe und weitverzweigte Trinkwassersysteme umfänglich und nachhaltig zu erfassen.
- Totstrecken und teildurchströmte Leitungsabschnitte sind schon bei der Planung zu vermeiden, damit Stagnationsbereiche vermieden werden und Probenahmen repräsentativ die Hygiene des Trinkwassersystems abbilden können.
- Wird bei einer systemischen bzw. orientierenden Untersuchung eine Überschreitung des technischen Maßnahmenwertes für Legionellen und/oder des Grenzwertes für Pseudomonaden festgestellt, ist die hygienisch-mikrobiologische Untersuchung bei schwieriger Ursachenermittlung nicht nur auf die Standardkulturverfahren zu beschränken, da hierbei die Anteile von Mikroorganismen-Populationen im VBNC-Zustand nicht erfasst werden können.
Um betriebs- und bautechnische Mängel der Trinkwasserinstallation im Rahmen der orientierenden oder weitergehenden Untersuchung auf Legionellen zu erkennen, können Messungen und Dokumentationen der Wassertemperaturen auch im Trinkwasser kalt wichtige Hinweise geben. Aus diesem Grund empfiehlt die im März 2017 erschienene DVGW-Information „Wasser Nr. 90“, an peripheren Entnahmestellen auch die Kaltwassertemperatur zu bestimmen. Werden dabei Temperaturen > 25 °C gemessen, so ist bei einer erforderlichen weitergehenden Untersuchung auch das Trinkwasser (kalt) auf Legionellen zu untersuchen.
Fazit
Die Tendenz zu hydraulisch immer komplexeren Rohrleitungssystemen kann das Kontaminationsrisiko von Trinkwasseranlagen mit pathogenen Erregern wie Legionella pneumophila und Pseudomonas aeruginosa erhöhen. Die ausgeweitete Beprobungspraxis gemäß Trinkwasserverordnung (TrinkwV 2001, 2. Änderungsverordnung 2012) liefert hierfür zusätzliche Belege. Die Forschungen zur Hygiene und zum Biofilm im Trinkwasser sowie das aktuelle DVGW-Arbeitsblatt W 556 stellen derzeit verbreitete Gegenmaßnahmen wie die präventive thermische Desinfektion infrage, geben aber entscheidende Impulse für zielführende und nachhaltige Beprobungsstrategien. Es wird einmal mehr deutlich: Temperaturhaltung, turbulente Durchströmung und der regelmäßige sowie vollständige Wasseraustausch in allen Teilstrecken sind die Eckpfeiler einer konstant genusstauglichen Trinkwasserqualität.
Autor
Dr. Christian Schauer ist Leiter des Kompetenzbereichs Trinkwasser, Corporate Technology bei Viega in 57439 Attendorn, www.viega.de