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Risiken erkennen und minimieren

Inhalt

Bereits mit der ersten Änderungsverordnung zur Trinkwasserverordnung im Jahr 2011 wurden in Deutschland verschiedene Neuerungen eingeführt, um neue wissenschaftliche Erkenntnisse zu berücksichtigen sowie um insgesamt den hohen Qualitätsstandard des Trinkwassers zu wahren und nach Möglichkeit weiter zu steigern. So wurde der aus gesundheitspolitischer Sicht wichtige Parameter Legionellen erstmals über die Einführung eines technischen Maßnahmenwertes klar geregelt, damit heute ein Maßstab zur Bewertung von Befunden zugrunde gelegt werden kann. Für den zu untersuchenden Parameter „Legionella spec.“ kann kein wissenschaftlich begründbarer Grenzwert festgelegt werden, unterhalb dessen eine gesundheitliche Gefährdung mit Sicherheit auszuschließen ist. Grundsätzlich beinhaltet jede Kontamination mit Legionellen eine gesundheitliche Gefährdung. Der technische Maßnahmenwert ist tatsächlich ein empirisch abgeleiteter Wert, der bei Beachtung der allgemein anerkannten Regeln der Technik (a.a.R.d.T.) und der erforderlichen Sorgfalt durch den Betreiber in der Regel nicht überschritten wird. Die Nichteinhaltung des technischen Maßnahmenwertes für Legionellen ist also generell ein Hinweis auf technische oder organisatorische Mängel in der Trinkwasser-Installation.

Betreiber sind in der Pflicht

Der bei den Indikatorparametern neu eingeführte technische Maßnahmenwert von 100 KBE (Kolonie bildende Einheiten) pro 100 ml trägt sowohl dem Aspekt Rechnung, dass nicht jede Besiedlung mit Legionellen zwangsläufig auch zu Erkrankungen führt, dennoch aber die relevanten Systeme der Trinkwasser-Installation systemisch untersucht werden müssen, um mögliche Gefahren für die Nutzer durch eine Analyse der möglichen Gefährdungen und – darauf basierend – zielgerichtete Abhilfemaßnahmen zu minimieren. Bei Überschreitung dieses technischen Maßnahmenwertes ist daher immer eine Überprüfung der Trinkwasser-Installation im Sinne einer Gefährdungsanalyse erforderlich, um eine vermeidbare Gesundheitsgefährdung auszuschließen.

Der Betreiber der Trinkwasser-Installation hat heute nach aktueller Trinkwasserverordnung (3. Änderungsverordnung, gültig seit 26. November 2015) bei einer Überschreitung des technischen Maßnahmenwertes unverzüglich auch ohne Anordnung des Gesundheitsamtes tätig zu werden. Damit ist gemäß § 16 Absatz 7 Nummer 2 TrinkwV 2001 die Erstellung einer Gefährdungsanalyse obligatorisch (Bild 1). Zur Aufklärung der Ursachen für eine Nichteinhaltung des technischen Maßnahmenwertes muss immer eine Ortsbesichtigung durchgeführt und von sach- und fachkundigen Sachverständigen überprüft werden, ob und gegebenenfalls welche Gefährdungen für die Nutzer des Trinkwassers aus dieser Installation bestehen. Die Gefährdungsanalyse ist damit also ein Instrument zur Abwehr von Gesundheitsgefährdungen und keine bloße Auflistung technischer Mängel.

Unabhängig von rechtlichen Verpflichtungen besteht die Möglichkeit, durch eine freiwillig veranlasste („systemorientierte“) Gefährdungsanalyse, bestehende Schwachstellen einer Trinkwasser-Installation frühzeitig zu erkennen. Diese Chance wird nach bisherigen Erfahrungen, gerade in Großobjekten, in der Praxis bisher kaum genutzt. Dabei hilft eine Gefährdungsanalyse nicht nur, Gesundheitsgefährdungen und unnötige Haftungsrisiken zu vermeiden, sondern trägt zu kalkulierbaren Budgets für den Betrieb und die Instandhaltung einer Anlage bei.

Deutliche Mängel bei Gefährdungsanalysen

Das Umweltbundesamt beschreibt in seiner verbindlichen „Empfehlung für die Durchführung einer Gefährdungsanalyse gemäß Trinkwasserverordnung“ vom 14. Dezember 2012 das grundlegende Vorgehen bei der Umsetzung der Vorgaben der Trinkwasserverordnung zu Legionellen sowie generelle Anforderungen an Personen, die als geeignet angesehen werden, Gefährdungsanalysen durchzuführen. Dennoch wurden in den letzten Jahren vielfach Gefährdungsanalysen vorgelegt, die tatsächlich ein grundlegendes Wissen der einschlägigen technischen Regelwerke vermissen lassen oder die mitunter Sanierungsmaßnahmen verursachen, die aufgrund lückenhaften Wissens zu Totalschäden an Trinkwasserinstallationen führen oder keinerlei Sanierungserfolg versprechen (Bild 2).

Fehlentscheidungen bei der Beurteilung von Schadensfällen oder Kontaminationen in der Trinkwasserinstallation, bei Gefährdungsanalysen nach § 16 Trinkwasserverordnung oder in der Wahl geeigneter Abwehrmaßnahmen zum Schutz der Gesundheit der Nutzer können dabei jedoch zu schwerwiegenden gesundheitlichen Schäden führen oder zu betriebswirtschaftlich nicht vertretbaren finanziellen Aufwendungen und Schäden an der Installation. Obwohl sich viele versierte Fachleute intensiv mit der Thematik Trinkwasserhygiene befassen und qualifizierte Arbeit abliefern, agieren leider auch viele Unternehmen am Markt, deren mitunter lückenhaftes Wissen um die technischen Regelwerke oder ein gesteigertes Vertriebsinteresse zu unnötigen Sanierungsversuchen oder juristischen Streitfällen führen bis hin zu Gesundheitsgefährdungen der Nutzer.

Schätzungen von Überwachungsbehörden und Experten unterstellen, dass ca. 70 % aller bislang bei Betreibern und Gesundheitsämtern vorgelegten Gefährdungsanalysen aus unterschiedlichen Gründen nicht den Anforderungen der durch die Trinkwasserverordnung verfolgten Ziele genügen und damit schlicht mangelhaft sind. Aus diesem Grund trafen sich bereits im Dezember 2014 Vertreter der wesentlichen regelwerkserlassenden Organisationen und Verbände (VDI, DVGW, BTGA, ZVSHK) in Düsseldorf mit Vertretern von Überwachungsbehörden, Hochschulen, dem Umweltbundesamt und Vertretern der Trinkwasserkommission, um mögliche Lösungsansätze zu diskutieren. Als eines der wesentlichen Probleme wurde definiert, dass die Praxis der Gefährdungsanalyse bislang nicht hinreichend beschrieben oder definiert ist und dass eine weitergehende Qualifikation benötigt wird für Sachverständige, die Gefährdungsanalysen ausführen.

Zum Beispiel ist nicht davon auszugehen, dass jeder Teilnehmer einer Schulung mit einem Zertifikat nach VDI/DVGW 6023 Kategorie A hinterher in der Lage ist, eine sach- und fachgerechte Gefährdungsanalyse zu erstellen. Vielmehr erfordert eine solche Befähigung als Sachverständiger eine besondere Sach- und Fachkunde im Bereich der Trinkwasserhygiene, wie Sie nur durch ständige Fort- und Weiterbildungen erworben werden kann.

Neue Richtlinie als Gründruck vorgestellt

Als Maßnahme wurde im Rahmen dieses Verbändegesprächs folglich beschlossen, eine Richtlinie zu erarbeiten, die erstmals detaillierte Vorgaben macht zu Grundlagen, Struktur, Ablauf und Inhalten einer Gefährdungsanalyse. Dazu wurde vereinbart, eine neue Qualifikation zu schaffen, die Fachleute mit entsprechenden Kenntnissen und Fähigkeiten als Sachverständige für Gefährdungsanalysen auszeichnet. Diese Richtlinie sollte von allen beteiligten Fachkreisen gemeinsam erarbeitet und mitgetragen werden, um die erarbeiteten Festlegungen im Markt etablieren und verankern zu können.

Zum 1. September 2016 wurde die neue Richtlinie VDI/BTGA/ZVSHK 6023 Blatt 2 als Gründruck der Fachöffentlichkeit vorgestellt. Erstmalig ist damit ein Regelwerk verfügbar, das von den drei im Titel genannten Organisationen gemeinsam als einheitliches Regelwerk herausgegeben wird. Der DVGW war ebenfalls im Gremium vertreten und an der inhaltlichen Erarbeitung beteiligt (Bild 3).

Neben den Mitarbeitern der vier wesentlichen Verbände waren Vertreter mehrerer kommunaler und Landesgesundheitsämter, verschiedener Landesfachverbände SHK, des Umweltbundesamts, Mitglieder der Trinkwasserkommission, mehrerer Hochschulen, Vertreter von Facility-Management-Unternehmen und Betreibergesellschaften, der Versicherungswirtschaft, mehrere Sachverständige und Fachexperten, Biologen und Hygieniker sowie ein Jurist an der Erarbeitung der Inhalte beteiligt, sodass tatsächlich alle beteiligten Fachkreise ihre jeweiligen Erfahrungen und Blickwinkel einbringen konnten.

Oberste gesetzliche Anforderung ist der Schutz von Leben und Gesundheit. Der verantwortliche Betreiber ist verpflichtet, den bestimmungsgemäßen Betrieb der Trinkwasser-Installation inklusive der erforderlichen Instandhaltung der Trinkwasser-Installation zu gewährleisten. Die neue Richtlinie schafft hier eine praxisnahe Grundlage zur Erstellung von vereinheitlichten und zielführenden Gefährdungsanalysen, auf deren Grundlage zukünftig technisch und wirtschaftlich sinnvolle Sanierungspläne erarbeitet werden können.

Grundlagen der Gefährdungsanalyse

Die Aufgabenstellung einer system- oder ereignisorientierten Gefährdungsanalyse besteht in der Feststellung aller technischen sowie organisatorischen/betriebstechnischen Mängel innerhalb einer Trinkwasser-Installation, sowie der Bewertung dieser Mängel im Hinblick auf die Hygiene. Eine Gefährdungsanalyse beschränkt sich dabei nicht nur auf die Mängel, die zu einer Kontamination mit Legionellen geführt haben könnten. Legionellen sind nur einer der Indikatoren für technische Missstände in einer Trinkwasser-Installation, die eine vermeidbare Gesundheitsgefährdung anzeigen. Entsprechend sind im Rahmen einer Ortsbesichtigung zur Prüfung auf Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik nicht nur die technischen und betriebstechnischen Mängel zu erfassen, die zu einer Kontamination mit Legionellen innerhalb der Installation geführt haben können, sondern darüber hinaus müssen in der Gefährdungsanalyse auch alle weiteren möglichen, erkennbaren Gefahrenquellen, ausgehend von der Trinkwasser-Installation, ermittelt werden (Bild 4).

Die Feststellung erfolgt durch Ortsbegehung und Prüfung der Trinkwasserinstallationen auf Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik. Vorschläge für geeignete Sanierungsmaßnahmen zur Beseitigung der festgestellten Gefährdungen und zur dauerhaften Einhaltung mindestens der allgemein anerkannten Regeln der Technik sind ebenfalls notwendiger Bestandteil einer Gefährdungsanalyse. Die geschuldete Leistung liegt in der konkreten Feststellung aller planerischen, bautechnischen und betriebstechnischen Mängel einer Trinkwasser-Installation.

Inhalte der neuen Richtlinie

Die VDI/BTGA/ZVSHK 6023 Blatt 2 beschreibt ausführlich die wesentlichen Vorgaben zu Ablauf, Aufbau, Inhalten und Struktur einer Gefährdungsanalyse, verzichtet jedoch gleichzeitig bewusst auf die Wiederholung technischer Vorgaben zu Trinkwasser-Installationen. Diese sind bereits ausführlich in den bestehenden allgemein anerkannten Regeln der Technik beschrieben, vornehmlich in der VDI / DVGW 6023, dem DVGW Arbeitsblatt W 551 und in den Normenreihen DIN EN 806 und DIN 1988. Mit dem Ziel einer deutlichen Qualitätsverbesserung bei Gefährdungsanalysen macht die neue Richtlinie vielmehr konkrete Vorgaben beispielsweise zu

  • den Grundlagen einer Gefährdungsanalyse
  • der Struktur einer Gefährdungsanalyse
  • den wesentlichen Inhalten, die aus dem Vorgespräch mit dem Betreiber gewonnen werden können
  • zur notwendigen Dokumentenprüfung
  • zur Ortsbesichtigung und Überprüfung auf Einhaltung der a.a.R.d.T.
  • der zusammenfassenden Gesamtbewertung sowie
  • zur Ableitung zielgerichteter und sinnvoller Handlungsempfehlungen.

Die Beseitigung von mikrobiologischen Verunreinigungen wird im DVGW Arbeitsblatt W 556 beschrieben, Hinweise zu Reinigung und Desinfektion von Trinkwasser-Installationen sind DVGW Arbeitsblatt W 557 zu entnehmen.

Die Ergebnisse der Gefährdungsanalyse müssen in Gutachtenform dokumentiert werden, um eine Basis für Beratungen zwischen dem Betreiber der Trinkwasser-Installation, dem Gesundheitsamt sowie weiteren an Planung, Bau oder Betrieb der Trinkwasser-Installation Beteiligten zu bieten, welche technischen oder organisatorischen Verbesserungen notwendig sind (Sanierung), damit die Anlage zukünftig keinen weiteren Grund zur Besorgnis gibt. Sie muss nachvollziehbar, logisch strukturiert und für einen Laien verständlich sein sowie für Fachleute ein nachvollziehbares Ergebnis mit notwendigen Erläuterungen bieten.

Durch diese konkreten Festlegungen von Aufbau und Mindestinhalten von Gefährdungsanalysen haben Gesundheitsämter und Betreiber zukünftig gleichermaßen den Vorteil, dass vorgelegte Gefährdungsanalysen beurteilt und bewertet werden können. Mit der Schaffung einer allgemein anerkannten Regel der Technik zu Gefährdungsanalysen haben beispielsweise Gesundheitsämter zukünftig die Möglichkeit, unzureichende Gefährdungsanalysen als nicht den Anforderungen der Trinkwasserverordnung entsprechend abzulehnen und Betreiber wissen bereits im Vorfeld, welche Aspekte im Rahmen der Gefährdungsanalyse mindestens untersucht und bewertet werden müssen und wie diese Daten aufbereitet sein sollen. Dabei ist es unerheblich, ob es sich um eine ereignisorientierte (Maßnahmen- oder Grenzwertüberschreitung nach TrinkwV 2001) oder um eine systemorientierte (prophylaktische) Gefährdungsanalyse handelt. Die Vorgehensweise ist bei beiden Varianten identisch.

Gefährdungsanalysen nach VDI/BTGA/ZVSHK 6023 Blatt 2 bieten zudem jeweils konkrete Handlungsempfehlungen, wie die vorgefundenen Mängel beseitigt werden können, was die Erstellung eines technisch und wirtschaftlich sinnvollen Sanierungskonzepts wesentlich erleichtern kann. Fachleute, die sich mit der Thematik beschäftigen und Gefährdungsanalysen anbieten wollen, haben durch diese Richtlinie zukünftig eine detaillierte Handlungsanweisung. So beschreibt die Richtlinie neben dem grundsätzlichen Aufbau einer Gefährdungsanalyse als Gutachten unter anderem unter Kapitel 5.6 was beispielsweise im Bereich der Hausanschlussleitung zu kontrollieren ist, welche Details der Trinkwassererwärmungsanlage und des Rohrleitungssystems zu betrachten sind, wo, wie und warum Temperaturmessungen erforderlich und welche Anforderungen bei Werkstoff- und Produkteigenschaften, bei Wasseraufbereitungsanlagen oder Sicherungseinrichtungen zum Schutz der Trinkwasserqualität zu prüfen sind und auch der Instandhaltungszustand der Installation ist zu bewerten (Bild 5).

Die formale Darstellung der jeweils begutachteten Punkte gliedert sich nach der neuen Richtlinie in die folgenden Bereiche:

  • <b>Feststellungen:</b> Darstellung der vorgefundenen Ausführungen in Schrift und Bild.
  • <b>Erläuterungen:</b> Vorgaben der technischen Regelwerke.
  • <b>Bewertung:</b> Begründung, warum die vorgefundene Ausführung zu einem gesundheitlichen Risiko führen kann.
  • <b>Risikoeinschätzung:</b> Bewertung der Wahrscheinlichkeit, dass der Mangel zu einer nachteiligen Veränderung des Trinkwassers nach TrinkwV führt oder ein gesundheitliches Risiko darstellen kann.
  • <b>Ma&szlig;nahmen:</b> Aufzeigen geeigneter Möglichkeiten, wie ein Mangel oder ein Missstand beseitigt werden kann, sodass keine weiteren Risiken von dem Anlagenteil ausgehen können und die Anlage wieder bestimmungsgemä&szlig; betrieben werden kann.

Qualifikation nach VDI/BTGA/ZVSHK 6023 Blatt 2

Oft beklagen Betreiber, dass die Erstellung einer Gefährdungsanalyse viel zu teuer sei und tatsächlich stellt sich bei einigen vorgelegten Gefährdungsanalysen zu Recht die Frage, ob die Kosten für diese Gefährdungsanalysen in einer angemessenen Relation zum Inhalt stehen. Grundvoraussetzung für die Tätigkeit als Sachverständiger ist immer die besondere fachliche Kompetenz des jeweiligen Bearbeiters des Gutachtens und nicht die Firma oder die Institution. Der Sachverständige muss in seinem Fachgebiet überdurchschnittliche Kenntnisse und Erfahrungen vorweisen. Weitere Anforderungen sind, dass der Sachverständige

  • die persönliche Eignung für seine Tätigkeit vorweist,
  • durch Fortbildung mit dem aktuellen Stand der Technik vertraut ist und
  • die Begutachtungen objektiv und unparteiisch durchführt.

Die Ortsbegehung und Erstellung einer Gefährdungsanalyse muss zudem unabhängig von anderen Interessen erfolgen, was bedeutet, der Sachverständige darf in keiner Weise ein wirtschaftliches Interesse an einem begleitenden oder Folgegeschäft haben, da ihm sonst Befangenheit unterstellt werden kann. Eine Befangenheit ist auch immer dann zu vermuten, wenn Personen an der Planung, dem Bau oder Betrieb der Trinkwasser- Installation selbst beteiligt waren oder sind oder sich aufgrund der Gefährdungsanalyse weitere Aufträge erhoffen.

Obwohl viele versierte Fachkollegen sich im Handwerk intensiv mit der Thematik Trinkwasserhygiene befassen und qualifizierte Arbeit abliefern, agieren leider auch viele Personen und Unternehmen am Markt, deren mitunter lückenhaftes Wissen um die technischen Regelwerke oder ein gesteigertes Vertriebsinteresse zu unnötigen Sanierungsversuchen oder juristischen Streitfällen führt bis hin zu Gesundheitsgefährdungen der Nutzer.

Heute sind über 20 000 Personen in Deutschland und der Schweiz nach VDI/DVGW 6023 geschult. Aber nicht jede Person mit einem „A-Schein“ ist ausreichend qualifiziert. Zumindest nicht, wenn dieser „Schein“ beispielsweise keine VDI-Urkunde mit VDI-Logo ist. Am Markt tummeln sich noch immer Anbieter von Schulungen zur Trinkwasserhygiene oder zur Gefährdungsanalyse, die sich weder an notwendige Schulungsinhalte halten, wie sie beispielsweise in der VDI/DVGW 6023 festgelegt sind, noch ausreichend qualifizierte Referenten einsetzen und dazu notwendige Mindestqualifikationen der Teilnehmer missachten. Das führt mitunter dazu, dass am Markt Personen mit sehr phantasievollen aber leider völlig unsinnigen Bezeichnungen und Titeln agieren und um Kunden werben wie „zertifizierter Sachverständiger nach § 16 (7) TrinkwV“… (Bild 6).

Im Rahmen der Richtlinie VDI/BTGA/ZVSHK 6023 Blatt 2 wurde nun versierten Fachleuten die Möglichkeit geschaffen, Ihre Qualifikation gegenüber Auftraggebern im Rahmen einer Prüfung nach den offiziellen Vorgaben der Richtlinie darzustellen. Mit Erscheinen der endgültigen Fassung der Richtlinie sollen Zertifizierungsprogramme vorliegen, nach denen sich geeignete, qualifizierte Fachleute als „VDI/BTGA/ZVSHK-geprüfter Sachverständiger für Trinkwasserhygiene“ von einem von den Trägern der Richtlinie unabhängigen Zertifizierungsdienstleister zertifizieren lassen können.

Voraussetzung für die Teilnahme an der Qualifizierung als „VDI/BTGA/ZVSHK-geprüfter Sachverständiger für Trinkwasserhygiene“ ist

  • eine Ingenieurausbildung in einer einschlägigen technischen Fachrichtung (z. B. Versorgungstechnik oder Umwelt- u. Hygienetechnik), ein Meistertitel des Installateur- und Heizungsbauerhandwerks oder eine Anerkennung als staatlich geprüfter Techniker SHK und
  • eine bestandene Prüfung nach VDI/DVGW 6023, Kategorie A, mit VDI-Urkunde oder Fachkunde Trinkwasserhygiene des ZVSHK sowie
  • eine mindestens fünfjährige Berufserfahrung im Bereich der Planung, Errichtung, dem Betrieb und der Beurteilung von Trinkwasser-Installationen.

Alternativ ist eine Ausbildung einer anderen Fachrichtung und eine bestandene Prüfung nach VDI/DVGW 6023, Kategorie A, bei mindestens zehnjähriger einschlägiger Berufserfahrung, wie oben beschrieben, zulässig.

Die Lernfelder der entsprechenden Fortbildungen werden im Anhang A der Richtlinie in Inhalt und Umfang detailliert festgelegt, ebenso wird die Qualität der Schulungsanbieter und die Qualifikation der Referenten geregelt. Obgleich die Lerninhalte der Fortbildung ausschließlich die Inhalte der Richtlinie und juristische Aspekte, Aufbau von Gutachten und die Durchführung von Gefährdungsanalysen behandeln, werden im Rahmen der Prüfung zum Sachverständigen für Trinkwasserhygiene auch die wesentlichen technischen Grundlagen der verschiedenen Regelwerke abgeprüft. Die Prüfung umfasst dabei einen theoretischen und einen praktischen Teil (Einzelprüfung) und wird neutral sowie unabhängig vom jeweiligen Schulungsanbieter über die Zertifizierungsstelle der DIN CERTCO abgenommen. Zur Unterstützung ihrer Arbeit sollen die zertifizierten Personen Zugriff auf eine Online-Bibliothek relevanter technischer Regelwerke erhalten.

Der Unternehmer oder sonstige Inhaber bleibt in der Verantwortung: Im Falle von Schadenersatzforderungen vor Gericht kann es wichtig sein, die Unabhängigkeit und ausreichende Qualifikation des hinzugezogenen Sachverstandes belegen zu können. Eine einheitliche und anerkannte Qualifikation kann damit als Garant für die notwendige Sachkunde eines Gutachters oder Sachverständigen dienen. Auftraggeber und Gesundheitsämter haben zukünftig anhand der Qualifikation als „geprüfter Sachverständiger für Trinkwasserhygiene nach VDI/BTGA/ZVSHK 6023 Blatt 2“ den Beleg, dass der Betreiber seiner Verpflichtung zur sorgfältigen Auswahl bei der Auftragsvergabe nachgekommen ist.

Gültigkeit der Richtlinie

Am 18. Januar 2017 veranstaltet der VDI in Düsseldorf ein Expertenforum zur neuen Richtlinie, bei dem Experten aus dem Gremium die Inhalte der Richtlinie vorstellen und Gelegenheit zur Diskussion bieten. Die Einspruchsfrist bietet jedermann die Möglichkeit, aktiv an der Gestaltung der künftigen Richtlinie mitzuwirken. Stellungnahmen zum Entwurf können bis 31. Januar 2017 an den VDI abgegeben werden, siehe dazu www.vdi.de/einspruchsportal. Einsprecher lädt der VDI zur Einspruchssitzung ein. Der VDI-Richtlinienausschuss fasst sodann Beschluss über Änderungen am Manuskript.

Literatur

  • Dritte Verordnung zur Änderung der Trinkwasserverordnung von November 2015
  • Entwurf VDI/BTGA/ZVSHK 6023 Blatt 2 Hygiene in Trinkwasser-Installationen; Gefährdungsanalyse, September 2016
  • Empfehlung des Umweltbundesamtes nach Anhörung der Trinkwasserkommission für die Durchführung einer Gefährdungsanalyse gemä&szlig; Trinkwasserverordnung, Dezember 2012
  • Arnd Bürschgens: Legionellen in Trinkwasser-Installationen, Gefährdungsanalyse und Sanierung, Beuth Verlag, Januar 2016

Autor

Arnd Bürschgens ist Sachverständiger für Trinkwasserhygiene und beteiligt sich aktiv an der Regelwerksarbeit des DIN, VDI und DVGW. Zudem ist er Vorsitzender im Richtlinien-Ausschuss VDI 3810 Blatt 2 und war als Fachexperte und Vertreter des VDI im Ausschuss VDI/BTGA/ZVSHK 6023 Blatt 2 an der Erarbeitung des neuen Regelwerks zur Gefährdungsanalyse beteiligt. E-Mail: arnd.buerschgens@sv-buerschgens.de