Die dominierende Variante der Wärmeübergabe im Neubau sind die Systeme der Flächenheizung/-kühlung. Auch bei der Modernisierung setzen sich diese Systeme als Alternative zum klassischen Heizkörper mehr und mehr durch. Sie bieten eine Vielfalt an Anwendungsmöglichkeiten, werden mit deutlich niedrigeren Systemtemperaturen betrieben als herkömmliche Heizkörper und verfügen über eine optionale Zusatzfunktion: Heizen und Kühlen als 2-in-1-Lösung.
Entwicklung der Wärmeübergabe an den Raum
Vor mehr als hundert Jahren wurde bereits die wassergeführte Zentralheizungsanlage entwickelt, welche sich im 20. Jahrhundert durchsetzte und die gleichmäßige Beheizung von Räumen ermöglicht. Anfänglich waren sehr hohe Vorlauftemperaturen notwendig. Mit dieser Entwicklung gingen die verschiedenen Bauarten von Heizkörpersystemen einher. Ab den 1970er-Jahren wurden die ersten Flächenheizungssysteme in Form von Fußbodenheizungen mit Kunststoffrohren entwickelt und angewandt.
Im Rahmen der Weiterentwicklung der Heizungsanlagenverordnung und durch die stetige Verbesserung der Wärmeschutzverordnung wurden immer niedrigere Vorlauftemperaturen (Systemtemperaturen) möglich. Dies hat sich in den 1990er-Jahren auch in der Definition von Niedrigenergiehäusern etabliert. In dieser Zeit gewannen die Flächenheizungssysteme auch in der Nutzerakzeptanz eine immer größere Bedeutung. Durch den erhöhten Wärmekomfort und vermehrte systemische Einbindung erneuerbarer Energien (z. B. Solarthermie oder Wärmepumpe) wurde die Fußbodenheizung immer häufiger installiert. Mit dem Beginn unseres Jahrhunderts begannen sich andere Varianten der Flächenheizung wie die Decken- oder Wandheizung durchzusetzen.
Mit Einführung der Energieeinsparverordnung im Jahre 2002, in der die Heizungsanlagenverordnung mit der Wärmeschutzverordnung verschmolz, wurden Niedrigtemperatursysteme zum festen Bestandteil des modernen energieeffizienten Bauens. Der energetische Aufwand zur Bereitstellung der Raumwärme wurde mit Flächenheizungssystemen für Boden, Wand und Decke drastisch gesenkt.
In den letzten Jahren sanken durch den verbesserten Wärmeschutz sowie durch solare Architektur die Heizlasten von Gebäuden so sehr, dass sich Niedrigtemperatursysteme zum Standard entwickelten. Allerdings stiegen in den Sommermonaten die Kühllasten der solaren und internen Wärmegewinne in vielen Gebäuden sehr stark an, sodass sich diese heute immer mehr zu Wärmelasten entwickeln und vielerorts eine Kühlung während der Sommermonate notwendig wird.
Diese zweifache Anforderung (Heizen und Kühlen) kann mit einer Flächenheizung/-kühlung umgesetzt werden. Daneben kann mit diesem System nicht nur die Energieeffizienz, sondern ebenso die thermische Behaglichkeit erhöht werden.
Thermische Behaglichkeit und Energieeffizienz
Die thermische Behaglichkeit in einem Raum ist unter anderem abhängig von den Raumtemperaturen. Daher sollte die Raumtemperierung entsprechend den physiologischen Anforderungen des Menschen sowie in Abhängigkeit seiner Umgebung (thermische Hülle) und den jahreszeitlichen, klimatischen Schwankungen erfolgen. Im Idealfall, wie es dem natürlichen Wärmeempfinden des Menschen entspricht, durch Wärmestrahlung, da der Mensch selbst ein Wärmekörper ist.
Im Winter benötigt eine Flächenheizung zum Heizen keine hohen Systemtemperaturen (geringe Übertemperaturen), um dem Nutzer den gewünschten Komfort zu bieten. Auch im Sommer kann das gleiche System mit geringen Untertemperaturen den Raum kühlen. Dadurch ermöglicht die Flächenheizung/-kühlung in der Wärmenutzung thermische Behaglichkeit mit niedrigen Temperaturspreizungen. Darüber hinaus ist die Flächenheizung/-kühlung als Niedrigtemperatursystem mit einer zusätzlichen Effizienzsteigerung durch die Doppelfunktion „Heizen/Kühlen“ definiert.
Die Flächenheizung/-kühlung lässt sich dabei mit sämtlichen Wärme- und Kälteerzeugern kombinieren, z. B. mit dem Pufferspeicher als zentrale Schnittstelle der Wärmebereitstellung innerhalb einer wassergeführten Zentralheizungsanlage. Bei Bedarf können diese Systeme auch mit einer Wärmesenke (z. B. solegeführte Erdwärmesonden, Energiekörbe und -pfähle im Untergrund) gekoppelt werden.
Nicht nur konventionelle Wärmeerzeuger, sondern auch sämtliche erneuerbare Energien (wie z. B. Solarthermie oder Wärmepumpe) lassen sich systemisch auch im Sinne einer multiplen Wärmebereitstellung (bedarfsgerechte Leistungsanpassung und Optimierung der gesamten Anlage) mit hoher Energieeffizienz, Ressourcenschonung und Minimierung des Primärenergiebedarfs in die Gesamtanlage integrieren.
Der Mensch als Wärmekörper im umbauten Raum
Der Wärmekörper Mensch befindet sich im Raum inmitten des Prinzips von Wärmequelle und Wärmesenke und wirkt selbst auch in beide Richtungen. Selbst im ruhenden Zustand gibt der Mensch etwa 80 W Wärme an seine Umgebung durch Strahlung, Konvektion und Leitung ab.
Den fraglos größten Anteil im Wärmeempfinden des Menschen hat die flächenbezogene Wärmestrahlung. Je nach Umgebungstemperatur wirkt über die Oberfläche des Menschen der physiologische Wärmeübergang als positiver oder negativer Wärmestrom auf den Körper des Menschen. Über die so genannte thermische Behaglichkeit hinaus ist es der grundlegende Sinn von Atmung und Nahrungsaufnahme des Menschen, die Körperwärme aufrechtzuerhalten.
Für die thermische Behaglichkeit ist die den Menschen umgebende Wärmequalität entscheidend. Die hohe Wärmequalität des modernen Bauens beschreibt ausgeglichene Temperaturen in der unmittelbaren Umgebung von Körpern und Flächen im umbauten Raum und ist auch von den verwendeten Baustoffen bzw. etwaigen Wärmebrücken abhängig. Dies bedeutet, dass auch Flächen, die nicht direkt erwärmt werden, durch die Strahlung der Flächenheizung/-kühlung in gegenüberliegenden Flächen ebenso temperiert werden. Das Wirkprinzip der Wärmestrahlung nutzt aber nicht nur die Wärmespeicherpotenziale passiver Körper, sondern unterstützt darüber hinaus auch die baukonstruktive Vermeidung von Wärmebrücken bzw. die thermische Optimierung von Bauteilen sowohl in Wohn- als auch in Nichtwohngebäuden.
In diesem Sinne wirken sich die Systemtemperaturen der Flächenheizung/-kühlung besonders durch eine hohe Wärmequalität aus, da nicht nur die flächig in den Raum einwirkende Wärmestrahlung den physiologischen Anforderungen des Menschen optimal entspricht, sondern auch das Wärmeverhalten sämtlicher Baukörper im Raum.
Wärme kann nur von einem höher temperierten zu einem niedriger temperierten Körper (durch Strahlung, Konvektion und Leitung) übergehen. Lediglich die Richtung des Wärmestroms bezeichnet den Prozess des Wärmens (Übertemperatur) oder des Kühlens (Untertemperatur). Es ist also der Temperaturunterschied zwischen dem Körper und den Umgebungsflächen des Raumes der entscheidet, ob der Körper als Wärmequelle oder als Wärmesenke wirkt. Je größer die wirksame Fläche und der Temperaturunterschied, desto größer ist der Wärmeübergang. Die Oberflächentemperaturen der Umschließungsflächen des umbauten Raumes (Boden, Wand, Decke) haben die größte Wirkung auf den Menschen. Letztendlich bilden der Mensch sowie die Umgebungsflächen ein thermisches Wechselverhältnis.
Ist das Wechselverhältnis zwischen Mensch und Raum durch eine Übertemperatur beschrieben, so spricht man vom Heizen. Bei der Kühlung verhält es sich umgekehrt. Es wirkt ein entgegengesetzter Wärmestrom und die Oberfläche der Umschließungsfläche weist eine Untertemperatur auf.
Die niedrigste Oberflächentemperatur der nackten Haut beträgt etwa 26 °C (je nach physischer Kondition auch weniger). Aus diesem Grund verlangt der thermische Komfortanspruch des Menschen insbesondere in Badezimmern und Duschbädern die höchste Raumtemperatur im umbauten Raum, da an diesen Orten seine gesamte Hautoberfläche der unmittelbaren Umgebung direkt ausgesetzt ist. Eine Raumtemperatur von bis zu 25 °C wirkt in diesem physiologischen Sinne thermisch ausgleichend.
Wäre die Umgebungstemperatur deutlich geringer, wäre der Wärmestrom (Wärmeabgabe) des menschlichen Körpers an seine Umgebung so groß, dass dem Körper mehr Wärme entzogen würde, als es für die thermische Behaglichkeit zuträglich wäre. Die Folge dieses überproportionalen Wärmeentzugs empfindet der Mensch als „Entwärmung“ und dementsprechend als thermische Unbehaglichkeit, umgangssprachlich als „Frieren“. Dieser Prozess findet auch in den Umschließungsflächen der thermischen Hülle eines Gebäudes statt. Wenn die Transmissions-Wärmeverluste größer sind als der passive Solareintrag und interne Gewinne, beginnt auch das Haus zu frieren.
Entsprechend der Physiologie des Menschen als auch den Gesetzen der Thermodynamik ist die Wärmestrahlung die natürlichste und angenehmste Form der Wärmeempfindung. Die unmittelbare Umgebungslufttemperatur spielt für das thermische Empfinden des Menschen eine eher untergeordnete Rolle, wie jeder Mensch im Winter erleben kann, wenn bei –10 °C die Sonne scheint und sich der Mensch durchaus thermisch ausgeglichen fühlt. Schiebt sich eine Wolke davor, wirkt nunmehr die kalte Umgebungsluft, die thermische Ausgeglichenheit wird aufgelöst und der Mensch beginnt schließlich zu frieren.
Oberflächentemperaturen im Raum
Durch die flächenbezogene Wirkung der Flächenheizung/-kühlung entsteht ein direktes Wechselverhältnis nicht nur zum Raum, sondern insbesondere zum Menschen und jedem anderen Körper (Möbel, Einrichtung) im Raum. Für die spezifische Wärme- als auch die Kälteleistung sind umso niedrigere Systemtemperaturen notwendig, je mehr wirksame Fläche zur Wärmeübertragung zur Verfügung steht.
Die Tabelle mit den thermischen Kennwerten der Flächenheizung/-kühlung zeigt die wesentlichen Unterschiede der drei verschiedenen Systemvarianten. Besonders auffällig sind in diesem Zusammenhang die Leistungsunterschiede für das Heizen und Kühlen im Bereich der Decke und des Bodens. Die Oberflächentemperaturen zeigen den Bezug zum Menschen und seinem Körper.
Wohltemperierter Innenraum im Jahreslauf
Entsprechend den Anforderungen im Jahreslauf der mitteleuropäischen Klimazone ermöglicht eine wassergeführte Flächentemperierung die Doppelfunktion Heizung und Kühlung. Mit ein und demselben System wird lediglich der Wärmestrom umgerichtet. Im Winter funktioniert der Raum als Wärmesenke (Transmissions-Wärmeverluste) und bedarf einer Wärmequelle (Wärmeerzeugung- und Wärmebereitstellung) mit der Schnittstelle Pufferspeicher. Im Sommer bei hohen Hitzelasten der Umgebung wirkt der Raum als Wärmequelle, der einer Wärmesenke (passiv oder aktiv) bedarf, um Wärme aus dem Raum abzuführen. Die passive Kühlung verlangt dafür lediglich eine natürliche Wärmesenke wie z. B. einen Wärmeübertrager im oberflächennahen Untergrund und ermöglicht eine Reduzierung der Innenraumtemperatur von etwa 3 – 4 K im Verhältnis zur Außentemperatur ohne zusätzlichen Energieaufwand. Benötigt man eine größere Kühlleistung, kann diese über eine Kältemaschine (z. B. eine Wärmepumpe) mit einem entsprechenden Energieaufwand zur Kälteerzeugung weiter reduziert werden. Natürlich stehen in diesem sommerlichen Kühlprozess auch Möglichkeiten der Wärmerückgewinnung (z. B. Trinkwassererwärmung, Prozesswärme usw.) zur Verfügung.
Um diese Vielfalt an Möglichkeiten zu nutzen, ist ein wassergeführtes Zentralheizungssystem notwendig. Elektrische Heizelemente sind nur für den winterlichen Heizbetrieb wirklich denkbar, aufgrund der Energieart aber nicht nur primärenergetisch, sondern auch im Kontext der Wohngesundheit problematisch.
Fazit
Für die thermische Behaglichkeit in Wohnräumen ist entsprechend den physiologischen Anforderungen des Menschen und des natürlichen Wärmehaushaltes des Menschen eine Flächentemperierung (Flächenheizung/-kühlung) mit dem Wirkprinzip der Wärmestrahlung nicht nur naheliegend, sondern ermöglicht dabei zusätzlich noch eine maximale Energieeffizienz. Eine Temperierung von umgebenden Raumflächen entspricht am optimalsten dem natürlichen Wärmeempfinden des Menschen.
Der nächste Teil dieser Artikelserie stellt die verschiedenen Systeme der Flächenheizung/-kühlung vor.
Autor
Frank Hartmann ist Gründer des Forum Wohnenergie für energieeffizientes Bauen und Modernisieren und Referent im Fachbereich Flächenheizung/-kühlung des Bundesverbandes der deutschen Heizungsindustrie (BDH). Telefon (0 93 81) 71 68 31 frank.hartmann@bdh-koeln.de