Diese Fragen stellen sich häufiger, wenn es an die Pläne für 2017 geht: Investiere ich mehr Zeit in meinen Betrieb, weil ich wachsen will und mehr Umsatz machen möchte, oder ist mir meine Familie wichtiger? Spare ich 200 Euro pro Monat fürs Alter oder fliege ich auf die Malediven? Möchte ich mit meinem Partner Kinder kriegen oder ist mir meine Unabhängigkeit wichtiger? Vor solchen Fragen, bei denen wir uns beruflich wie privat entscheiden müssen, stehen wir in unserem Leben oft. Denn es ist eine Illusion anzunehmen, alles wäre zugleich möglich.
Sich zu entscheiden, fällt vielen Menschen schwer. Denn: Wenn wir uns für etwas entscheiden, müssen wir andere Möglichkeiten verwerfen. Das können wir nur, wenn wir wissen, was uns wichtig ist. Sonst fassen wir zwar viele Vorsätze, doch ein, zwei Tage später sind sie vergessen. Denn unsere Vorsätze sind nicht in einer Lebensvision verankert.
Was ist wichtig und was ist dringend?
Hinzu kommt: Was in unserem Leben wirklich wichtig ist, ist nie dringend. Es ist zum Beispiel nie dringend, joggen zu gehen. Es wäre aber gut für unsere Gesundheit. Und es ist nie dringend, sich Zeit für ein Gespräch mit dem Partner zu nehmen. Es wäre aber wichtig für die Beziehung.
Weil die wirklich wichtigen Dinge (fast) nie dringend sind, schieben wir sie oft vor uns her. Oder wir hegen die Illusion: Wenn ich alles schneller erledige, habe ich auch dafür Zeit. Die einzige Konsequenz: Wir führen ein Leben im High-Speed-Tempo. Und irgendwann stellen wir resigniert fest: Nun führe ich zwar ein (noch) ge-füllteres Leben, aber kein er-fülltes Leben.
Herausforderung: Die Balance im Leben wahren
Eine solche Schieflage ist kein Einzelschicksal. Immer mehr Menschen plagt in der modernen, von rascher Veränderung geprägten Welt das Gefühl: Mein Leben ist nicht im Lot. Eine Ursache hierfür ist: Bezogen auf ihre berufliche Laufbahn haben die meisten Menschen eine klare Perspektive – zum Beispiel: „Ich will Chef werden.“ Anders sieht es in den Lebensbereichen „Sinn/Kultur“, „Körper/Gesundheit“ und „Familie/Beziehung“ aus. Hier fehlen uns häufig klare Ziele.
In der Alltagshektik übersehen wir zudem oft, dass die vier Lebensbereiche in einer Wechselbeziehung stehen. Deshalb verliert, wer zum Beispiel den Bereich „Arbeit/Beruf“ längerfristig überbetont, auf Dauer neben seiner Lebensfreude, auch seine Leistungskraft. Denn:
- Wer krank ist, kann weder sein Leben in vollen Zügen genießen, noch ist er voller Leistungskraft.
- Wer einsam ist, ist weder „quietsch-vergnügt“, noch strotzt er im Job vor Energie.
- Wer in einer Sinnkrise steckt, ist weder „lebensfroh“, noch sehr leistungsfähig. Denn hinter allem Tun steht die Frage: Was soll das Ganze?
Wenn wir ein erfülltes Leben führen möchten, müssen wir also für die rechte Balance zwischen den vier Lebensbereichen sorgen. Das gelingt uns nur, wenn wir eine Vision von unserem künftigen Leben haben. Diese benötigen wir auch, weil heute viele Anforderungen an uns gestellt werden, die sich nur bedingt miteinander vereinbaren lassen. Das werden fast alle berufstätigen Mütter sofort bestätigen.
In den meisten höher qualifizierten Jobs sind unregelmäßige Arbeitszeiten normal. Für berufstätige Mütter bedeutet dies: Sie können nicht mehr täglich beispielsweise Punkt 16 Uhr das Büro verlassen. Was sollen sie also tun, wenn der Kindergarten um 16 Uhr schließt? Noch ein Beispiel: Vielen Verkäufern von Unternehmen fällt es zunehmend schwer, regelmäßige private Termine wahrzunehmen. Denn immer mal wieder dauert ein Kundentermin länger als geplant. Also sind (Interessen-)Konflikte programmiert.
Ziel: Das eigene Leben managen
Für solche Konflikte bietet uns das klassische Zeit- und Selbstmanagement keine Lösung – denn es berücksichtigt nicht, dass unsere größten Konflikte meist daraus resultieren, dass wir in ein soziales Beziehungsnetz eingebunden sind. Hierfür zwei Beispiele: Ein Chef kann sich zwar vornehmen „Heute Abend, Punkt 18 Uhr, verlasse ich das Büro.“ Wenn aber ein Kunde kurz vor 18 Uhr sagt „Dieses Angebot hätte ich gerne heute noch“, dann hat er ein Problem. Ebenso verhält es sich, wenn er sich vornimmt „Ich gehe abends regelmäßig joggen“, sein Lebenspartner aber sagt: „Wenn du schon so spät von der Arbeit kommst, dann könntest du wenigstens dann bei mir und den Kindern bleiben“. Auch dann hat er ein Problem.
Das klassische Zeitmanagement tut so, als würden wir als „lonely heroes“ durchs Leben gehen. Das können wir zwar, doch ein erfülltes Leben führen wir so nicht, denn: Menschliches Leben ist Leben in Gemeinschaft. Hinzu kommt: Viele Anforderungen, die das Leben an uns stellt, können wir nur mithilfe anderer Menschen meistern. Zum Beispiel, indem wir mit Bekannten vereinbaren: „Montags holst du meine Kinder ab, damit ich länger arbeiten kann. Dafür nehme ich deine Kinder am Dienstag mit.“ Hieraus resultiert eine weitere Herausforderung: Wir müssen sozusagen „Manager“ unseres eigenen Lebens werden – also Personen, die durch ihr heutiges Handeln dafür sorgen, dass sie auch künftig ein glückliches und erfülltes Leben führen.
Eine Voraussetzung hierfür ist: Wir müssen heute dafür sorgen, dass wir auch künftig nicht unsere Lebensbalance verlieren. Zum Beispiel, weil
- wir unseren Arbeitsplatz verlieren (Bereich „Arbeit/Beruf“),
- uns unser Lebenspartner verlässt (Bereich „Familie/Beziehung“),
- wir einen Herzinfarkt erleiden (Bereich „Körper/Gesundheit“) oder
- uns das Burn-out-Syndrom und damit die Sinnkrise packt (Bereich „Sinn/Kultur“).
Der erste Schritt hierzu besteht darin, dass wir eine Vision von unserem künftigen Leben entwickeln. Setzen Sie sich deshalb zum Beispiel in der Zeit zwischen den Jahren hin und fragen Sie sich bezogen auf die vier Lebensbereiche:
- Was ist mir wirklich wichtig?
- Worin zeigt sich für mich ein erfülltes Leben? Und:
- Was muss ich heute tun, damit ich auch morgen ein glückliches Leben führe?
Pro-aktiv handeln statt re-agieren
Fragen Sie sich zudem (regelmäßig): Gibt es in meinem Lebensumfeld Anzeichen dafür, dass künftig die Balance in meinem Leben bedroht sein könnte? Solche Warnsignale können sein:
- Zwischen Ihnen und Ihrem Lebenspartner herrscht zunehmend Schweigen. Auch wichtige Freunde melden sich nicht mehr (Bereich „Familie/Beziehung“).
- In Ihrem Betrieb lautet die oberste Maxime plötzlich „Sparen“ (Bereich „Arbeit/Beruf“).
- Sie fragen sich immer häufiger: Was soll das Ganze? (Bereich „Sinn/Kultur“).
- Sie spüren ab und zu ein Stechen in Ihrer Herzgegend (Bereich „Körper/Gesundheit“).
Haben Sie diese Fragen für sich beantwortet, dann können Sie konkrete Vorsätze fassen und einen Maßnahmenplan für sich entwerfen, wie Sie diese realisieren. Und zwar ohne dass die Gefahr besteht, dass Sie Ihre Vorsätze schon wieder vergessen haben, kaum sind die Silvesterraketen verglüht. Denn Ihre Vorsätze sind nun in einer Vision von Ihrem künftigen Leben verankert.
Autor
Michael Schwartz leitet das Institut für integrale Lebens- und Arbeitspraxis (ilea) in Esslingen. Er unterstützt Unternehmen und ihre Mitarbeiter dabei, Spitzenleistungen zu erbringen. www.ilea-institut.de