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Faszinieren statt rabattieren

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Jede Kaufentscheidung eines Menschen ist, selbst wenn sie unter noch so rationalen Gesichtspunkten getroffen sein mag, in Wirklichkeit von Emotionen geleitet. Fakten sorgen zwar für Erkenntnisse, und Argumente können überzeugen, doch erst ein gutes Gefühl bringt uns zum Handeln. Ohne Emotionen könnten wir – wie Untersuchungen an hirngeschädigten Patienten zeigen – Entscheidungen nicht einmal treffen. Emotionen sind also der eigentliche Schlüssel zum Verkaufserfolg. Sie sind nicht nur an allen Entscheidungen beteiligt, sie sind sogar deren treibende Kraft.

Die Art von Emotionen, die uns schließlich zu einer Aktion bewegen, mögen je nach Menschentyp, Geschlecht und Alter verschieden sein, doch ohne Gefühle kommt keine Entscheidung zustande. Unternehmer brauchen demnach nicht nur fachliche Fertigkeiten, sondern auch Emotionskompetenz: Gespür für die Wünsche, die oft unausgesprochenen Bedürfnisse, Sorgen, Ängste, Hoffnungen und Träume der Kunden. Sobald also verstanden wird, wie das Kundenhirn funktioniert, lässt sich mithilfe einer passenden Kommunikation allerlei Umsatzförderndes tun.

Geldausgeben tut weh!

Auch alle Geldentscheidungen sind in Wirklichkeit emotionale Entscheidungen – denn Geldausgeben ist ein hochemotionaler Prozess. Ganz egal, was man kauft, immer findet im Hirn ein Zweikämpfchen statt. „Kauf das doch endlich!“, fordert die emotionale Seite, die sich verwöhnen lassen will. „Das ist viel zu teuer!“, jammert die Vernunft. So zaudert unser Oberstübchen zwischen dem Verlangen nach einem Produkt und dem Verlust von Geld, der verschmerzt werden muss. Tatsächlich wird hierbei ein Hirnareal aktiviert, das auch für die Schmerzverarbeitung zuständig ist!

Sich von Besitz und damit auch von Geldscheinen trennen zu müssen, tut quasi weh. Daher werden raffinierte Anbieter alles daransetzen, den Bezahlvorgang schmerzfreier zu machen. Bei Kreditkarten- und Cybergeld ist das Schmerzempfinden schon weit weniger hoch als bei Barzahlung – auch, weil die Kosten sich in die Zukunft verlagern. Im Handel wird es bald keine Kassenschlangen mehr geben. Die in den Produkten eingebauten Chips melden sich direkt beim Smartphone, das dann für die Bezahlung sorgt. Amazon-Shops machen längst vor, wie das funktioniert.

Was den Preis unwichtig macht

Je stärker das emotionale Nutzenversprechen, desto nebensächlicher wird der Preis. Wenn ein Unternehmen hingegen nichts Außergewöhnliches zu bieten hat, wenn seine Produkte austauschbar sind und wenn es am Service krankt, entscheidet der Preis. Dann soll es wenigstens billig sein. So trösten wir uns mit Sonderangeboten oder Rabatten über Mängel und Enttäuschungen hinweg. (Das Wort „Trostpreis“ spricht Bände!) Was aber einzigartig ist, was unser Leben bereichert und unseren Status betont, darf ruhig etwas teurer sein.

Das glauben Sie nicht? Dann schauen Sie doch bitte einmal auf Ihre Armbanduhr. Die eigentliche Leistung, nämlich die Zeit korrekt anzuzeigen, können Sie für zehn Euro kaufen. Solche Uhren funktionieren, würden also rein rational dem gewünschten Zweck genügen. Den ganzen Rest haben Sie – wahrscheinlich sogar sehr gern – für nichts als gute Gefühle bezahlt. Je teurer die Uhr, desto mehr Persönlichkeit, desto mehr Abgrenzung, desto mehr Bedeutsamkeit soll sie in Wirklichkeit symbolisieren.

Es gibt verschiedene Strategien, mit denen Sie den Kunden positiv überraschen und dadurch auch Hochpreisiges verkaufen können.

Bild: Antonio Guillem/Getty Images

Es gibt verschiedene Strategien, mit denen Sie den Kunden positiv überraschen und dadurch auch Hochpreisiges verkaufen können.

Preisaktionismus führt in die ­Todeszone

„Bioprodukte gehen bei uns gar nicht“, sagte mir kürzlich ein Bäcker. Ich konnte es kaum glauben und ging im Laden auf Beobachtungsposten. Schon bald kam die erste Kundin und fragte: „Also, Sie haben hier Bio-Semmeln und da ganz normale Semmeln. Was ist denn der Unterschied?“ Daraufhin der Bäcker: „Die Bio-Semmeln sind teurer.“ Jeder versteht hier sofort: Die Argumentation müsste in eine ganz andere Richtung gehen. Doch wer genauer hinsieht, stellt fest: Viele Verkäufer sind reine Preisverkäufer. Ihre Verkaufsgespräche drehen sich rein um den Preis.

Wer allerdings immer nur über seine Preise spricht, der braucht sich nicht zu wundern, wenn die Kunden nur noch nach den Preisen fragen. Diese einseitige Fokussierung geht mit grundlegendem Misstrauen und ­einer negativen Einstellung einher: „Hätte ich das nicht bei einem anderen, nächste Woche, wenn ich massiver verhandelt hätte, noch billiger bekommen können?“ So führt Preisak­tionismus langfristig in die Todeszone.

Was „zu teuer“ manchmal ­wirklich bedeutet

Die Angst vor dem Preisvergleich ist die Achillesferse eines Anbieters. Der Kunde weiß, dass er hier am besten zu packen ist. „Zu teuer“ ist oft nichts anderes als ein Testballon, den der Interessent abfeuert, um zu beobachten, wie die andere Seite reagiert. „Zu teuer“ ist ein sehr praktischer Vorwand, um seine wahren Motive zu verschleiern. „Zu teuer“ sagt vielleicht der Kunde, der im Verkaufsgespräch nicht genug Achtung, Aufmerksamkeit und Anerkennung bekam. „Zu teuer“ wird es heißen, wenn man an Kundenbedürfnissen vorbeiargumentiert hat, weil das Intuitionsradar nicht ausgefahren war. Was für den Kunden nicht relevant ist, was er nicht wirklich haben will und brauchen kann, ist immer zu teuer.

Nur bei Vergleichbarkeit ­entscheidet der Preis

„Kunden sind Rosinenpicker, sie sind immer dort, wo die besten Konditionen sind“, höre ich viele Handwerker sagen. Wer das glaubt, der wird versuchen, alles über Billigangebote zu steuern. Und dann bekommt er am Ende genau die Kunden, vor denen er sich am meisten fürchtet: die Rosinenpicker.

Denn Preisaktionen wirken zwar, aber sie machen nicht treu. Wer nichts weiter zu bieten hat als Tiefstpreise und Sonderposten, der erzeugt höchstens eins: die Loyalität zum Schnäppchen. Doch Schnäppchenjäger sind Kaufnomaden. Sie kommen nur der günstigen Preise wegen. Gibt es diese mal nicht, ziehen sie schleunigst von dannen. So erklärt sich auch die geringe Kundenloyalität in Märkten, die sich im ständigen Preiskampf befinden.

Nicht immer entscheidet der Preis über den Kauf. Oft stehen für den Kunden andere Kriterien im Vordergrund.

Bild: Getty Images/www.facebook.com/PlargueDoctor/

Nicht immer entscheidet der Preis über den Kauf. Oft stehen für den Kunden andere Kriterien im Vordergrund.

Nicht jeder will immer nur billig

Anbieter müssen also vor allem aus der Vergleichbarkeit raus, denn bei Vergleichbarkeit entscheidet immer der Preis. Stattdessen gilt es, einzigartige Preis-Leistungs-Kreationen zu schaffen und mit innovativen, schwer kopierbaren Wahlmöglichkeiten Kunden zu überzeugen.

So gesehen ist „zu teuer“ also gar nicht so selten die Strafe des Kunden für einen Mangel an Professionalität. Denn bei Weitem nicht jeder will immer nur billig kaufen. „Billig, billig“ klingt nach einem Verfall von Qualität und erntet oft genug Spott und Verachtung.

Vielleicht will der Kunde mit „zu teuer“ auch ganz einfach sagen: Beweisen Sie mir, dass sich die Investition für mich wirklich lohnt! Verkäufer, die glauben, dass Kunden nur wegen günstiger Preise kaufen, blockieren sich für alle anderen kreativen Lösungsmöglichkeiten. So sind leichtfertig vergebene Rabatte oft nur ein Ausdruck von Ideenlosigkeit und mangelhafter Beschäftigung mit dem, was den Kunden wirklich bewegt – rational und emotional.

Vier Maßnahmen, die den ­Preisschmerz überlisten

Gibt es also Mittel und Wege, dem Preisschmerz ein kommunikatives Schnippchen zu schlagen? Ja, nämlich diese vier: Zugaben, Packaging, Ankerpreise und Priming.

1. Zugaben

Extras in Form von Gratisleistungen, Gutscheinen, Prämien und Sammelpunkten lassen unser Hirn sehr empfänglich für ein Angebot werden. Solche Geschenke unterliegen dem Effekt von Geben und Nehmen. Dieser Rückzahlungsmechanismus sorgt dafür, dass wir Geschenke mit Geschenken belohnen. Denn wir fühlen uns dem Geber verpflichtet. Außerdem kommt man mit Draufgaben raus aus dem aggressiven Preisgezerre. Und der Verkäufer wandelt sich vom Gegner zum Freund.

Das erreichen Sie zum Beispiel ganz leicht, indem Sie in einem Angebot zwei oder drei Leistungen explizit listen, die sowieso kostenlos sind. „Für Sie kostenfrei“, so schreiben Sie das. Sehr wahrscheinlich wissen die Kunden gar nicht, welche Leistungen in Ihrer Branche gratis dazugehören. Und „kostenfrei“ gibt immer ein gutes Gefühl.

2. Packaging

Der Begriff „Packaging“ bezeichnet die Bündelung mehrerer Einzelleistungen zu einem Gesamtpaket. Das kennen wir von All-inclusive-Preisen in der Hotellerie ebenso wie von den Sparpaket-, Normalpaket- und Luxuspaket-Varianten beim Autokauf. Solche Angebote sind aus zwei Gründen sehr beliebt. Erstens: Den jeweiligen Einzelpreis können wir nicht erkennen und somit auch keine „Einzelschmerzen“ erleiden. Und zweitens, was fast noch wichtiger ist: Paketangebote erlösen den Kunden aus dem meist unangenehmen Auswahl- und Entscheidungsstress und erspart ihm die mühsame Beschäftigung mit Details.

3. Ankerpreise

Diese Strategie lebt von dem Phänomen, dass unser Hirn einen Vergleichsrahmen braucht. Ohne Bezugspunkt kann es nämlich kein Urteil fällen. Die richtige Inszenierung spielt dabei eine große Rolle. Werden zum Beispiel im Zuge eines Beratungsgesprächs drei verschiedene Preisvarianten neutral präsentiert, entscheiden sich Kunden meist für die mittlere. Denn in der Mitte liegt man am wenigsten falsch. Werden hingegen nur zwei Preise genannt, entscheidet sich ein Großteil der Kunden für die billigere Variante. Die teurere Version wird nur dann vorgezogen, wenn der höhere Preis einen erheblichen Prestige- oder Qualitätszuwachs verspricht.

Wie wenig rational dies alles ablaufen kann, zeigt der Verhaltensökonom Dan ­Ariely in einem seiner Experimente. Zunächst ­sollten seine Wirtschaftsstudenten die zwei Endziffern ihrer Sozialversicherungsnummer nennen. Danach legte er ihnen verschiedene Produkte vor. Sie sollten sich entscheiden, wie viel sie für das jeweilige Produkt ausgeben wollten. Die Studenten mit den hohen Endziffern waren bereit, die teuersten Preise zu zahlen. Die hohe Zahl diente als
Anker.

4. Priming

Dieser Trick beruht auf einem geschickt gewählten ersten Preis. Wie das geht? Sie nennen, sozusagen als Schocker, zunächst einen sehr hohen Preis („Im teuersten Fall …“), sodass das zweite, deutlich günstigere Angebot plötzlich in den Bereich des Machbaren rückt. Legendär ist die Geschichte des kleinen Pfadfindermädchens Markita Andrews. Sie stellte einen Keksverkaufsrekord auf, der nie mehr gebrochen wurde. Wie sie das machte? Wenn sie an einer Tür klingelte, bat sie zunächst um eine Spende an die Pfadfinderinnen in Höhe von 30 000 US-Dollar. Natürlich ging niemand auf diese Bitte ein. Fragte die Kleine dann aber danach, ob die Betreffenden nicht wenigstens eine Dose Pfandfinderkekse kaufen wollten, sagte fast niemand nein.

Fazit: Gute Gefühle adeln den Preis

Den höchsten Anreiz zum Handeln bekommen Menschen jedoch durch gute Gefühle. „Wo Emotionalität ist, kann man auch Marge machen“, bestätigt Torsten Toeller, ­Geschäftsführer von Fressnapf, einem der ­erfolgreichsten Franchise-Unternehmen ­europaweit. Wie neurowissenschaftliche Tests festgestellt haben, erzeugen angenehme Gefühle ein verstärktes Verlangen nach einem begehrenswerten Produkt – verbunden mit einem geringeren Verlustschmerz für Geld. Im Rausch des Habenwollens geht die Vernunft unter und der Preis tritt in den Hintergrund. Und für durch und durch gute Gefühle sind Menschen sogar bereit, tief in die Tasche zu greifen!

Je mehr Nutzen sich der Kunde von einem Produkt verspricht, desto unwichtiger wird der Preis.

Bild: MaxRiesgo / Getty Images

Je mehr Nutzen sich der Kunde von einem Produkt verspricht, desto unwichtiger wird der Preis.

Tipp

Mehr zum Thema

Weitere Tipps zum Beraten und Verkaufen finden Sie unter anderem in folgenden Artikeln:

SBZ-Ausgabe 3/2020 „Bei Anruf Auftrag“

SBZ-Ausgabe 24/2019 „Damit der Kunde nicht online kauft“

SBZ-Ausgabe 19/2018 „Hochpreisig im Laden verkaufen“

Autorin

Anne M. Schüller 
(München) ist Bestsellerautorin und Businesscoach. Die Diplom-Betriebs­wirtin ist Expertin für Touchpoint-Management und eine kunden­fokussierte Unternehmensführung.
(0 89) 6 42 32 08

Bild: Schüller