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Herausforderungen einer Betriebsnachfolge

Es ist noch keine/keiner vom Himmel gefallen

Inhalt

Die Übergabe eines Handwerksbetriebs an einen Nachfolger ist ein komplexer Prozess. Mitunter läuft es so, wie an diesem Beispiel skizziert: Die Übergabe seines Installations- und Heizungsbaubetriebes mit acht Mitarbeitern hatte sich Holger Fischer (Namen geändert) wesentlich einfacher vorgestellt. Er erinnert sich, wie ihn vor fast 40 Jahren sein Vater schon frühzeitig in die Überlegungen zur Regelung der Nachfolge einbezogen und die dafür geplante Vorgehensweise gemeinsam mit dem Steuerberater besprochen hatte. Und wie reibungslos er dann den Betrieb weiterführen konnte. Ähnlich unkompliziert stellte er sich den Wechsel in seinem Betrieb auch vor. Doch er wurde eines Besseren belehrt.

Die erste Überraschung erlebte Holger Fischer vor vier Jahren. Er war niedergeschlagen, als sein Sohn Sven ihm erklärte, dass er seine berufliche Zukunft bei seinem derzeitigen Arbeitgeber sehe, einem mittelständischen Unternehmen der Branche mit ca. 300 Mitarbeitern. Sven hatte die Ausbildung zum Anlagenmechaniker SHK bei einem Kollegen absolviert und dann Versorgungstechnik studiert. In der Folge beruhten Holger Fischers Hoffnungen auf Paul Herrmann, seinem Meister, den er schon vor etwa fünf Jahren in die Führung des Betriebes einbezogen hatte. Herrmann hatte ihm schon mehrfach bekräftigt, er sei bereit, den Betrieb weiterzuführen.

Umso größer war die Enttäuschung von Holger Fischer, als auch Paul Herrmann ihm vor Kurzem eine Absage erteilte, nachdem er ein erstes Gespräch mit seiner Hausbank geführt hatte. Herrmann, zwischenzeitlich zweifacher Familienvater, wurde bei dem Gespräch bewusst, dass die Bank generell bereit war, die Betriebsübernahme zu finanzieren, dass er aber trotz der staatlichen Fördermittel persönlich für die Verbindlichkeiten haften würde. Herrmanns Ehefrau war nicht gewillt, dieses finanzielle Risiko einzugehen – und so scheiterte die Betriebsübernahme bei Holger Fischer zumindest vorerst an der fehlenden Risikobereitschaft. Ebenso verlaufen zahlreiche andere Betriebsnachfolgen im Handwerk. Das ist schon eine der ersten Hürden.

Mangelhafte Vorbereitung

Zu den drei zentralen Herausforderungen für das Gelingen einer Betriebsübergabe zählen die Betriebsinhaber nach einer Sonderumfrage des Zentralverbands des Deutschen Handwerks die Suche nach einem geeigneten Nachfolger (57 %), die Ermittlung des Unternehmenswertes (40 %) und steuerliche Aspekte (31 %).

Eine Untersuchung der KfW (Förder- und Kreditbank) aus dem Jahr 2019 zur Unternehmensnachfolge im Mittelstand belegt, dass in den Unternehmen noch ein gewaltiger Handlungsbedarf besteht, damit der Generationswechsel erfolgreich verlaufen kann. Betriebsübergaben innerhalb der Familie nehmen demnach immer mehr ab. Zudem sinkt die Anzahl der potenziellen Nachfolger wegen des demografischen Wandels. Geringer wird auch das Interesse der nachfolgenden Generation an einer Betriebsübernahme. Somit verschlechtern sich die Chancen für Mittelständler, den Betrieb durch eine gelungene Übergabe langfristig zu sichern.

Dazu kommt noch: Über 20 % der Betriebs­inhaber, die in den nächsten zwei Jahren den Betrieb übergeben wollen, haben sich noch nicht mit dem Übergabeprozess befasst oder bisher nur Informationen gesammelt. Noch drastischer sieht es in Betrieben mit bis zu 20 Mitarbeitern aus. Für viele dieser Betriebe stellt der anstehende Generationswechsel nicht nur wegen des eklatanten Mangels an möglichen Nachfolgern eine fast unüberwindbare Hürde dar. Viele scheitern bei diesem Vorhaben auch an eigenen Fehlern in der so wichtigen Vorbereitungsphase. Denn zu lange setzen sie darauf, dass sich schon noch ein passender Nachfolger und eine Lösung finden wird – eine Fehleinschätzung, die fatal sein kann, so die KfW. Diese Untersuchung macht aber auch deutlich: Ein Großteil der Handwerksunternehmerinnen und -unternehmer hat durch eigene Versäumnisse zu wenig zum Gelingen der Betriebsnachfolge beigetragen.

Aus durchaus verständlichen Gründen versäumen es die Unternehmer, frühzeitig die Weichen für den Generationswechsel zu stellen. Zu gut war die Auftragslage in den letzten Jahren, zu sehr waren die Unternehmer in das Tagesgeschäft eingespannt. Somit konnten sie sich nicht um die Nachfolge kümmern. Deshalb wurde dieses Thema häufig auf die lange Bank geschoben, obwohl sich die Unternehmer bewusst waren, dass die Nachfolgeregelung einer langfristigen Planung und einer guten Vorbereitung bedarf.

Corona hat die Rahmenbedingungen verändert

Und plötzlich kam die Coronapandemie, die die Ausgangssituation grundlegend veränderte. Die Auftragslage ist in den meisten Betrieben der SHK-Branche noch immer sehr gut. Die hohe Nachfrage erlaubt es auch, auskömmliche Preise zu verlangen. Aber: Ständige Personalausfälle wegen Corona­infektionen, zunehmende Probleme bei der Materialbeschaffung und permanente Terminverschiebungen erfordern einen wesentlich höheren Verwaltungsaufwand. Immer wieder müssen die Abläufe und die Auftragsabwicklung geändert werden und verursachen mehr Aufwand als früher. Dazu kommt noch der eklatante Fachkräftemangel in den meisten Handwerksbranchen, der sich in den nächsten Jahren voraussichtlich noch verstärken wird und den Druck auf die Handwerksunternehmer fast aller Gewerke verstärkt.

Entscheidend geändert hat sich in den letzten Jahren der Wunsch junger Meisterinnen und Meister, unternehmerisches Risiko einzugehen. Durch die Coronapandemie wurde vielen potenziellen Nachfolgern bewusst, welchen Risiken Betriebsinhaber ausgesetzt sind und welcher Einsatz von Be­triebs­inhabern gefordert wird. Gerade bei jungen Familien fehlt heute die Bereitschaft, das erforderliche Engagement in Verbindung mit den finanziellen Risiken zu leisten. Viele ziehen eine Stelle als angestellter Meister mit Führungsaufgaben, aber bei einer geregelten Arbeitszeit, Urlaub und einer gesicherten Entlohnung dem Unternehmertum mit guten, aber auch unsicheren Gewinnchancen vor. Schon vor der Coronapandemie war diese Bereitschaft gering. Corona hat sie aber noch weiter sinken lassen. Durch den aktuellen Krieg in der Ukraine wurde die Verunsicherung noch verstärkt. Und das veranlasst manchen potenziellen Nachfolger, das Vorhaben vorerst zumindest aufzuschieben.

Auch die geplante Übergabe an einen langjährigen Mitarbeiter garantiert noch nicht den Erfolg. Ängste vor einer Überforderung als Chef oder vor den finanziellen Risiken lassen manche Übernahme noch scheitern.

Bild: K.- P. Adler - stock.adobe.com

Auch die geplante Übergabe an einen langjährigen Mitarbeiter garantiert noch nicht den Erfolg. Ängste vor einer Überforderung als Chef oder vor den finanziellen Risiken lassen manche Übernahme noch scheitern.

Höhere Anforderungen bei der Finanzierung

Für übergabewillige Handwerksunternehmer bedeutet das: Der Kreis der ernsthaften Interessenten ist in den letzten Jahren kleiner geworden. Die Suche nach einem Nachfolger muss heute intensiver und aktiver betrieben werden als früher.

Gravierende Veränderungen haben sich auch bei den Kreditinstituten ergeben. Banken und Sparkassen, die in der Vergangenheit die typischen Finanzierer des Mittelstands waren, werden zunehmend vorsichtiger bei der Finanzierung von Betriebsübernahmen. Verschärfungen bei den regulatorischen Vorschriften zur Kreditvergabe, aber auch verstärkte interne Vorgaben der Institute führen dazu, dass Kreditanträge immer sorgfältiger geprüft werden. Konkret heißt das: Bewertungen von Betrieben, Businesspläne und Planrechnungen werden eingehender auf den Prüfstand gestellt als bisher, die Person des Nachfolgers wird kritischer beurteilt. Und das Eigenkapital sowie die Kreditsicherheiten des Übernehmers spielen heute eine noch größere Rolle als früher.

Die Konsequenzen aus dieser Entwicklung sind: Die Anforderungen an die Kreditgewährung sind insgesamt gestiegen. Vor allem bedeutet das auch einen viel höheren Zeitbedarf für die Beantragung des Kredits. Gewachsen ist auch die Unsicherheit, ob die Bank das Vorhaben auch finanzieren will. Möglicherweise müssen potenzielle Nachfolger deshalb auch bei mehreren Kreditinstituten anfragen.

Betriebsinhaber, die heute einen Handwerksbetrieb übergeben möchten, müssen sich diesen geänderten Rahmenbedingungen stellen und sie in ihre Pläne einbeziehen. Wer sich nur auf unverbindliche Zusagen potenzieller Nachfolger verlässt, wer sich bei der Suche nach einem Nachfolger passiv verhält, wer sich darauf verlässt, dass sich schon ein Interessent melden wird, wer nur auf einen Kandidaten als Nachfolger setzt und wer glaubt, dass die Nachfolge innerhalb kurzer Zeit abgewickelt werden kann, dem droht das gleiche Schicksal wie unserem Holger Fischer aus dem Eingangsbeispiel.

Die Betriebsübergabe innerhalb der Familie

Laut Untersuchung des Zentralverbands des Deutschen Handwerks ist in den zur Übergabe anstehenden Betrieben überwiegend bereits entschieden, wer die Nachfolge antreten soll. Dabei wird vor allem eine Weitergabe innerhalb der Familie oder an einen Mitarbeiter angestrebt. Bei Holger Fischer hat der Wechsel von seinem Vater auf ihn reibungslos geklappt. Das ist heute allerdings keine Selbstverständlichkeit mehr. Ein Seniorchef, der noch immer eine dominierende Rolle spielen will, unterschiedliche Ansichten über die Unternehmensführung, über den Umgang mit Kunden oder über die Führung von Mitarbeitern – das sind Konfliktpotenziale, die sich negativ auf den Betrieb auswirken können bis hin zu dem Punkt, dass die geplante Nachfolge doch noch scheitert. Sowohl vom Betriebsinhaber als auch von seinem Nachfolger sind Fingerspitzengefühl und gegenseitiger Respekt gefordert, damit der Wechsel an der Spitze funktionieren kann.

Auch die geplante Übergabe an einen langjährigen Mitarbeiter garantiert noch nicht den Erfolg. Ängste vor einer Überforderung als Chef oder vor den finanziellen Risiken lassen manche Übernahme noch scheitern. Denn häufig wird übersehen, dass der Kaufpreis nur ein Teil des gesamten Kapitalbedarfs ausmacht. Üblicherweise ist der Kapitalbedarf doppelt so hoch wie der Kaufpreis. Und damit wird die Finanzierung zu einer sehr großen Hürde.

Bewertungen von Betrieben, Business­pläne und Planrechnungen werden eingehender auf den Prüfstand gestellt als bisher, die Person des Nachfolgers wird kritischer beurteilt.

Bild: Kzenon - stock.adobe.com

Bewertungen von Betrieben, Business­pläne und Planrechnungen werden eingehender auf den Prüfstand gestellt als bisher, die Person des Nachfolgers wird kritischer beurteilt.

Die Alternative: Verkauf an einen Kollegen

Einfacher und schneller kann die Übergabe klappen, wenn der Betrieb an einen expandierenden Kollegen verkauft wird – zumindest was die Finanzierung anbelangt. In diesem Fall tun sich dann häufig andere Hürden auf. Denn Unternehmer gehen beim Aufkauf von Betrieben professioneller vor als Familienangehörige oder Mitarbeiter. Sie nehmen das Objekt genau unter die Lupe, analysieren die Stärken und Schwächen des Betriebes. Und auf der Grundlage der Analyse feilschen sie um den Kaufpreis und um die Details der Verträge. Meist geht es um einen Kaufvertrag, einen Mietvertrag und einen Arbeitsvertrag mit dem Verkäufer. Die üblichen Schwachstellen, wie unterlassene Investitionen und Weiterbildung der Mitarbeiter, Defizite der Marktbearbeitung, in der Organisation oder in der technischen Ausstattung verschlechtern die Position des Verkäufers und mindern den Preis.

Holger Fischer befindet sich derzeit in Gesprächen mit einem Kollegen, der weiter expandieren möchte. Sein Verhandlungspartner hat ihm schonungslos die Schwachstellen seines Betriebes aufgezeigt und deutlich gemacht, dass er nur übernehmen wird, wenn die Konditionen stimmen. Und die sind weit schlechter, als sich Holger Fischer erhofft hatte.

Das Beispiel zeigt: Wer heute einen Handwerksbetrieb übergeben möchte, muss auch den Betrieb für einen Nachfolger attraktiv machen, zielgerichtet agieren und aktiv auf Interessenten zugehen. Ob es dann zum ­Deal kommt, ist unsicher, bis die Verträge unterschrieben sind. Bis dahin muss sich der Verkäufer darauf einstellen, dass die Nachfolge noch scheitert. Das gilt auch für Übergaben innerhalb der Familie. Deshalb ist es wichtig, einen Plan B und Zeitreserven zu haben, um weitere Alternativen verfolgen zu können. 

Checkliste zur Vorbereitung auf die Betriebsnachfolge

Checkliste zur Vorbereitung auf die Betriebsnachfolge

Autor

Diplom-Volkswirt Franz Falk
ist Unternehmensberater für Handwerk und Mittelstand, Dozent an der Akademie des Handwerks und an der Dualen Hochschule ­Baden-Württemberg.

Bild: Franz Falk

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