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Sollte man Kleinaufträge annehmen oder ablehnen?

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Ein „Kleinkunde“ möchte genauso behandelt werden wie der „Superstar“ mit einem hohen Auftragsvolumen. Er will ein schriftliches Angebot, auch für kleinere Anfragen. Muss bei allen Anfragen immer eine Vor-Ort-­Beratung vorgenommen und ein schriftliches Angebot gemacht werden? Lässt der Personalmangel im Handwerk das zu? Die Polizei kommt wegen Personalmangel bei kleineren Unfällen mit Blechschaden auch nicht immer.

Einige Handwerksbetriebe machen seit Kurzem bei einem Wert von unter 500 Euro nur noch eine Besprechung vor Ort, wenn sie in der Nähe zu tun haben. Kunden wissen inzwischen, dass sie bei kleineren Aufträgen auch keine Sofort-Termine erwarten können. Warum muss es bei kleinen Anfragen ein schriftliches Angebot geben? Telefonische Angebote mit einem ungefähren Preis sind oft die Lösung, die auch von Kunden akzeptiert wird.

Es geht nicht darum, kleinere Aufträge nicht ernst zu nehmen, es liegt an den Kosten für Angebot und Auftragsausführung. Der Kunde kann durch Fotos seine Anfrage präzisieren, er kann Maße liefern, das Problem und seine Erwartungen in Schlagworten beschreiben, sodass der Anbieter telefonisch einen ungefähren Preis und Termin nennen kann. Dadurch werden schon einmal die Kosten für den Kundenbesuch und die ausführliche Angebotserstellung reduziert.

Was jetzt: Absagen oder annehmen?

Bearbeitung und Abwicklung von kleinen Aufträgen verursachen die gleichen Kosten wie größere Aufträge. Mit einer Auftragsgrößen-Analyse kann jede Firma eine Grenze bestimmen, unter der Aufträge nicht mehr interessant sind. Zunächst stellt man fest, wie viel die Bearbeitung einer Kundenanfrage kostet. Hinzu kommen die Angebotskosten, außerdem noch das aufwendige Vor-Ort-Gespräch, dann die Erstellung des Angebots sowie das Annehmen, Erfassen und Bearbeiten des Auftrags. Und später noch die Überwachung und Verbuchung des Zahlungseingangs.

Nur die „produktiven Stunden“ können abgerechnet werden. Nicht dazu zählen die Verwaltungsarbeiten, das Aufräumen im Lager, Rüstzeiten des Firmenwagens usw. Mithilfe von Vollkosten und produktiven Stunden lässt sich die Preisuntergrenze ermitteln. Die Formel hierfür: Vollkosten durch produktive Stunden ergeben die Preisuntergrenze. Ist der Stundensatz bei einem Auftrag darunter, rechnet er sich nicht. Es soll sogar Kunden geben, die haben die Produkte schon im Baumarkt gekauft und brauchen nur noch jemanden, der montiert und anschließt. Bei einem freundlichen Kunden, der pünktlich zahlt, fällt die Absage schwer.

Das Ziel ist es, größere Aufträge mit höherem Deckungsbeitrag zu bevorzugen. Mindermengenzuschläge für Kleinaufträge sind im Handwerk nicht üblich, würden aber die Situation verbessern. Bisher befassen sich nur wenige Betriebe aktiv mit dem Thema „Kleinaufträge“ und nehmen im Rahmen der Kundenorientierung alle Aufträge an.

Einerseits und andererseits

Ein Auftrag darf einem Handwerker nie zu klein sein. Denn auch durch einen Kleinauftrag kann man Kunden gewinnen oder an den Betrieb binden. Im Restaurant wird der Gast auch dann bedient, wenn er nur wenig bestellt. Man kann in der Gastronomie nicht den Service vom Bestellwert des Gastes abhängig machen. Allerdings – ein einzelner Gast bekommt nicht den beliebtesten Tisch. Absagen des Handwerkers sind immer mit Emotionen des Kunden verbunden, sie verursachen Enttäuschung. Die Folgen einer Ablehnung wirken negativ und es wird sich auch schnell herumsprechen. Das schadet dem Image des Anbieters mit der Folge einer Negativbewertung im Netz.

Statt einer Absage kann man kleinere Aufträge an Voraussetzungen knüpfen. Vielleicht lassen sich mehrere kleinere Aufträge bündeln? Oder man weist auf einen anderen Betrieb hin? Kunden wissen, dass Kleinaufträge für den Anbieter nicht attraktiv sind.

Eine andere Möglichkeit ist es, dem Kunden einen zuverlässigen Kollegen zu vermitteln, der auch an einem Kleinauftrag Interesse hat. Man kann von der Kollegen-Firma auch keine Vermittlungsgebühr verlangen und riskiert, dass der Kunde bei Zufriedenheit bei dieser Firma bleibt. Ungewöhnlich wäre ein „Kleinmengenzuschlag“, dann sind kleinere Aufträge interessant.

Für eilige Kleinaufträge könnte man einen „Eil-Termin-Zuschlag“ berechnen. Genügend Erfahrungen aus der Praxis liegen nicht vor, es wäre einen Versuch wert. Dem Kunden müsste das bei einer eiligen Anfrage kommuniziert werden. Alternativ können kleinere Aufträge abgewickelt werden, wenn man gerade in der Nähe zu tun hat oder wenn es im Kalender eine Lücke gibt. Die Auftragsabwicklung wird also verschoben. Voraussetzung ist, dass der Kunde Geduld hat und man dies mit ihm offen bespricht. Als Argument kann auch der Personalnotstand herhalten oder die schwierige Materialbeschaffung.

In seinem eigenen Betrieb hatte der Malermeister und Gerüstbauer Klaus Steinseifer einen Schnelldienst eingerichtet. Einer der älteren Mitarbeiter hat sich ausschließlich auf die Abwicklung von kleineren Aufträgen konzentriert.

Die Art und Weise, einen Auftrag abzulehnen, ist ebenso wichtig wie die Gründe hierfür. Am besten bietet man Alternativen an. Die Tür für zukünftige Zusammenarbeit muss offen bleiben. Ein abgelehnter Auftrag spricht sich schnell herum und kann dem Image schaden.

Kundenbewertung berücksichtigen

Die typische Einteilung von gewerblichen Kunden erfolgt in drei Gruppen, von A bis C, und zwar anhand bestimmter Merkmale, z. B. Betriebsgröße, Umsatz, Dauer der Beziehungen, Image des Kunden. Der Anbieter kann jedem Kunden nach einem internen Schlüssel eine Punktezahl geben und danach die Einteilung vornehmen. Die Vergabe von Punkten nach dem Deckungsbeitrag oder anderen Aspekten ist ein aussagefähiger Indikator für die Kundenbetreuung. Auch der gewerbliche Kunde klassifiziert seine Lieferanten, bewertet sie jährlich neu und passt sie den Gegebenheiten an. Damit ein ­A-Kunde treu bleibt, werden ausnahmsweise auch Kleinaufträge durchgeführt, oft sogar mit einer Termin­bevorzugung.

Gute Kunden­kommunikation verlangt Fingerspitzengefühl.

Gute Kunden­kommunikation verlangt Fingerspitzengefühl.

Autor

Rolf Leicher
ist Dipl.-Betriebswirt, ­Fachautor und Referent.

Bild: Rolf Leicher

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