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“Klimaschutz ist auf diese Art schwer zu erreichen“

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SBZ: Fangen wir vorne an. Wann und wie teilen Sie interessierten Heizungsmodernisierern mit, dass es das EWärmeG in Baden-Württemberg gibt?

Frank Jäger: Wir nutzen das Gesetz nicht in der Werbung. Wir sprechen es erst beim Kunden vor Ort an. Viele haben in der Regel schon mal ansatzweise davon gehört. Meiner Erfahrung nach erleben wir heute keinen Kunden mehr, der darüber nicht irgendwie schon irgendwas weiß. Die meisten haben es zumindest im Kopf, dass sie „da irgendetwas machen müssen“. Vor ein paar Jahren gingen die Gedanken der Interessierten noch Richtung Solaranlage. Heute heißt es schon eher: „Wir müssen doch da dieses Gesetz erfüllen, wie geht das?“

SBZ: Wie gehen Sie bei der Beratung konkret vor?

Jäger: Wir haben die Auflage, dass bei einer Heizungsmodernisierung künftig 15 % des Energieverbrauchs aus erneuerbaren Quellen gedeckt werden sollen. In der Beratung sprechen wir den Kunden direkt an und erläutern die Bedingungen. Es gibt ganz verschiedene Möglichkeiten, das zu erfüllen. Die zeigen wir dem Kunden. Dabei sprechen wir auch das Budget an. Es ist für uns schon am Anfang der Beratung wichtig, herauszufinden, was möchten Kunden denn eigentlich investieren, um Energie zu sparen. Bevor wir Konzepte vorschlagen, die er gar nicht bezahlen kann oder will.

SBZ: In welcher Höhe liegt das Budget in der Regel?

Jäger: Die meisten Kunden nennen als Summe irgendetwas zwischen 10 000 und 15 000 Euro. Aber ohne genau zu wissen, was sie dafür überhaupt bekommen.

SBZ: Bei diesen Beträgen ist es aber gar nicht so leicht, erneuerbare Energien vernünftig einzubinden, oder?

Jäger: Definitiv. Da sind wir eigentlich noch im Standartsegment unterwegs. Das ist leider auch die Konsequenz des Ganzen, es bleibt beim Standard. Wenn wir erneuerbare Energien einsetzen wollen, dann landen wir eher in den Regionen 20 000 Euro und aufwärts. Unserer Erfahrung nach ist diese Summe eine Schallmauer für Kunden. Bis an die 20 000 Euro gehen viele noch mit, aber darüber hinaus werden sie nervös.

SBZ: Über welche Anlagenlösungen sprechen wir hier?

Jäger: Also, unter 20 000 Euro ist eine einfache Lösung denkbar, Solar-Warmwasser kombiniert mit Gas-Brennwert oder Öl-Brennwert zum Beispiel. Aber sobald wir Richtung Heizungsunterstützung gehen, überschreiten wir den Betrag. Wenn der Kunde das aber mitgeht, dann eröffnen sich im Bereich der Brennstoffzelle viele neue Möglichkeiten. Wenn wir die umfassenden Förderungsmöglichkeiten einrechnen, ist sie auch nicht wirklich teurer am Ende.

SBZ: Das müssen Sie bitte kurz vertiefen.

Jäger: Okay, gerne. Die Investition in eine Brennstoffzelle wird mit gut 11 000 Euro gefördert. Bei uns im Stadtgebiet Karlsruhe gibt es zudem nochmal 2000 Euro extra vom Gasversorger. Wenn wir das gegenrechnen, dann sind wir in Summe mit der Brennstoffzelle im Investitionsbereich von Brennwert mit solarer Heizungsunterstützung.

SBZ: Und dennoch wird überwiegend die kleine Lösung vom Kunden bevorzugt?

Jäger: Ja. In etwa vier von fünf Kunden entscheiden sich für Gas-Brennwertsysteme, in Kombination mit Bioerdgas und einem Sanierungsfahrplan fürs Gebäude. Das erfüllt die geforderte Quote von 15 % im EWärmeG. Das Bioerdgas steuert 10 % dazu bei, der Sanierungsfahrplan 5 %. Ob letzterer jemals vollumfänglich im Gebäude umgesetzt wird, das steht auf einem anderen Blatt. Zur Erfüllung der Quote wird er gerne aufgestellt.

SBZ: Also doch, Geld regiert die Welt?

Jäger: Schlussendlich geht es immer irgendwie ums Geld. Kunden, die bereit sind, mehr als 20 000 Euro zu investieren, die zeigen auch eine höhere Bereitschaft für erneuerbare Energien. Aber in den meisten Fällen treffen wir eher auf die Situation, dass das Gesetz mit möglichst geringem investivem Aufwand erfüllt werden soll.

SBZ: Mal angenommen, es gäbe dieses Gesetz in Baden-Württemberg nicht, wäre die Verteilung dann anders, eher zugunsten Solarthermie, Wärmepumpe und Co.?

Jäger: Ich denke, da würde sich nichts ändern. Kunden würden statt Bioerdgas eben normales Erdgas kaufen und sie würden keine 1000 Euro für einen Sanierungsfahrplan beim Schornsteinfeger oder Energieberater zahlen.

SBZ: Was muss denn passieren, um allein mit Blick auf den Klimawandel mehr energieeffiziente Heizungstechnik in den Markt zu bringen?

Jäger: Zum einen müssen wir als Fachhandwerker unsere Verkaufsleistung steigern, indem wir einfach die Argumentation hin zu energieeffizienten Systemen und Systemkombinationen verbessern. Zum anderen spielt auch der Bereich Förderung eine Rolle. Solange wir eine Förderung für fossile Brennstoffe haben, ist dies beim Verkauf von Heizungssystemen mit dem Schwerpunkt auf erneuerbaren Energien ebenfalls hinderlich, sage ich. Während man für ein Gas-Brennwertgerät mit hydraulischem Abgleich durch Förderung statt 14 000 Euro beispielsweise nur 12 000 Euro zahlt, muss ich mit Anlagen jenseits der 20 000-Euro-Grenze argumentieren. Da ist der Sprung einfach zu gewaltig.

SBZ: Weshalb entscheiden sich manche Kunden dennoch für teurere Anlagen? Liegt es an der Förderung oder haben die eher ein Bedürfnis, ökologischer zu heizen?

Jäger: Ich denke, es ist eine Kombination. Wenn wir zum Kunden kommen, dann hat er ja schon eine gewisse Vorstellung. Manche haben grüne Beweggründe, andere wollen sich einfach etwas besonders Innovatives leisten. Das ist ganz unterschiedlich. Der Kunde, der von vornherein bereit ist, mehr zu investieren, der will auf irgendeine Art und Weise energieeffizientere Heizungstechnik. Weil wir uns zusätzlich für ihn um die Förderleistung kümmern, ist er tendenziell eher bereit, sich für eine Brennstoffzelle oder Hybridanlage zu entscheiden.

SBZ: Was würde passieren, wenn die 15 %-Quote bei der Modernisierung einer Heizungsanlage deutschlandweit eingeführt würde? Wäre das ein Hemmschuh oder ein Umsatzbringer für alle Heizungsfachbetriebe?

Jäger: Ich denke, weder noch. Es wäre eben einfach da. Denn wie ich vorher bereits angeschnitten habe, die Vorgabe an sich hat keinen entscheidenden Einfluss auf die Wahl der Verbraucher, welches Heizungssystem eingebaut werden sollte.

SBZ: Und dennoch, Kunden wünschen sich dann aufgrund drohender höherer Mehrkosten nicht eher, die alte Heizungsanlage noch mal geflickt zu bekommen, statt groß zu investieren?

Jäger: Also, ich könnte mir schon vorstellen, dass es hier und da Einzelfälle gibt. Mir selbst ist jetzt keine Situation bekannt, in der ein Kunde gesagt hätte, aufgrund des Gesetzes reparieren wir noch mal, statt zu erneuern. Allerdings könnte die 50-kW-Regelung ein Hindernis sein. Es darf ja bei Anlagen über 50 kW kein Bioerdgas mehr eingesetzt werden. Da muss dann insbesondere bei Mehrfamilienhäusern mehr gemacht werden, als einen Sanierungsfahrplan mit der Lieferung von Bioerdgas zu kombinieren, um die 15 %-Quote zu erfüllen. Reine Investitionsobjekte, also komplett vermietete Häuser, werden dann sicherlich schon häufiger repariert. Die Vermieter zahlen ja die Energiekosten nicht, die zahlen seine Mieter. Ich kann mir vorstellen, dass man da weniger Bereitschaft zeigt, in neue Anlagen zu investieren.

SBZ: Das EWärmeG bewirkt ja nicht gerade, dass die Leute vor Freude springen, wenn sie sich für eine neue Anlage interessieren.

Jäger: Das stimmt. Ich glaube, Klimaschutz ist auf diese Art schwer zu erreichen. Das ist eher Einstellungssache, der Kunde muss es wollen. Wenn er nicht will, macht er es auch nicht. Über ein Gesetz allein ist es nicht möglich, die Erneuerbaren nach vorne zu bringen. Und spätestens wenn es an den eigenen Geldbeutel geht, wird es noch schwieriger. Das sollte sich ändern.

SBZ: Ich höre daraus, eine echte Lenkungswirkung bleibt aus. Wäre es im Sinne des Fachhandwerks, wenn diese Quote von 15 auf 25 oder gar 30 % angehoben wird? Würde das zu mehr Wärmepumpen, Brennstoffzellen und Co. führen oder Kunden abschrecken?

Jäger: Davor hätte ich Angst. Um es mal einfach auszudrücken: Als das Gesetz damals eingeführt wurde, mit nur 10 %, da hatten wir für einige Zeit Umsatzeinbrüche auf der Heizungsseite. Einfach, weil die Kunden verunsichert waren und deshalb lieber bei ihren bewährten Systemen geblieben sind. Wenn wir die Quote jetzt noch weiter anheben würden, dann würden ja auch technisch gesehen viele Lösungen rausfallen. Ich vermute, das würde noch mal viele Kunden abschrecken, in eine neue Heizungsanlage zu investieren.

SBZ: Und der Modernisierungsstau im Heizungskeller hält an, EWärmeG hin oder her. Ist das Fachhandwerk eigentlich daran schuld, dass es nicht schneller vorangeht?

Jäger: Wir haben mit Sicherheit einen Modernisierungsstau, das sehe ich ja bei unseren eigenen Kunden. Die Anlagen, die da teilweise im Keller stehen, die laufen und laufen und laufen – trotz eines teilweise hohen Alters. Das erschwert es natürlich, die Modernisierung voranzutreiben. Die Kunden fragen sich ja schon, warum sollen sie investieren. Da steht dann z. B. ein atmosphärischer Brenner im Keller, der reibungslos läuft.

SBZ: Solange es warm wird im Haus, spielt Klimaschutz keine Rolle?

Jäger: Bei wenigen, möchte ich behaupten. Aber mit dem erwachenden Bewusstsein für den Klimawandel und die Folgen in unserer Gesellschaft könnte sich das jetzt ein Stück weit drehen – Stichworte wären da „Fridays for future“ und die geplante CO2-Abgabe auf fossile Energieträger. Ich würde es mir wünschen. Nicht nur als Heizungsfachbetrieb, sondern auch als Bewohner dieses Planeten.

SBZ: Herr Jäger, besten Dank für den Einblick in die baden-württembergische Heizungsbauer-Seele.

Info

Das Erneuerbare-Wärme-Gesetz (EWärmeG)

Das Erneuerbare-Wärme-Gesetz (EWärmeG) des Landes Baden-Württemberg soll dazu beitragen, dass sich der Anteil erneuerbarer Energien an der Wärmeversorgung im Altbestand deutlich erhöht und damit der Kohlendioxidausstoß sinkt. Seit 1. Juli 2015 ist das novellierte EWärmeG in Kraft. Es sieht in dieser Anpassung nunmehr vor, dass Altbauten 15 % ihres Wärmeenergiebedarfs durch regenerative Energien decken müssen, sobald wesentliche Komponenten einer zentralen Heizungsanlage ausgetauscht werden. Als wesentliche Komponente gilt der Kessel. Alternativ kann auch die Gesamt-Energieeffizienz des Gebäudes gesteigert werden. Eigentümer von Wohn- und Nichtwohngebäuden haben verschiedene Optionen, bei der Heizungsmodernisierung eine vorgegebene Quote zu erfüllen. Heizung und Warmwasserbereitung verursachen knapp ein Viertel der Treibhausgasemissionen in Baden-Württemberg. Davon entfallen fast 90 % auf fossile Energieträger. Diese werden knapper, teurer und ihre Nutzung ist eine wesentliche Ursache des Klimawandels.

Das Erneuerbare-Wärme-Gesetz ist auf Bundesebene in dieser Form nicht anzutreffen. Es ist eine baden-württembergische Ergänzung zum Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG). Dabei handelt es sich um ein deutsches Bundesgesetz, das neben dem die Stromerzeugung betreffenden Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) und dem die Verwendung von erneuerbaren Energien im Bereich der Kraftstoffe regelnden Biokraftstoffquotengesetz den Ausbau erneuerbarer Energien im Wärme- und Kältesektor bei der energetischen Gebäudeversorgung vorantreiben soll. Es trat am 1. Januar 2009 in Kraft. Das Gesetz ist Teil des von der Bundesregierung am 5. Dezember 2007 beschlossenen Integrierten Energie- und Klimaprogramms (IEKP) und führte erstmals bundesweit eine Pflicht zur Verwendung von erneuerbaren Energien beim Neubau von Gebäuden ein.

www.ewaermeg-bw.de