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Dem Wasser einen Schritt voraus

Schockierende Nachrichten gab es in der jüngeren Vergangenheit reichlich: 2014 traf es Münster. Große Teile der Innenstadt standen unter Wasser. Ein Millionenschaden nicht nur für die Hauseigentümer, sondern auch für die Versicherungswirtschaft. Wenige Jahre zuvor traf es Dortmund und Ereignisse wie diese werden sich wohl auch in den kommenden Jahren wiederholen. Um diesen Vorkommnissen entgegenzuwirken, entwickeln Kommunen heute rechnergestützte Überflutungsanalysen, um die Hydraulik bestehender Kanalnetze zu überprüfen und Gefährdungspotenziale für die Bürger und deren Eigenheime zu analysieren. Die technischen Regelwerke (DIN 1986-100) sagen aus, dass Entwässerungssysteme aus wirtschaftlichen Gründen nicht so ausgelegt werden können, dass ein absoluter Schutz vor Überflutungen und Vernässungen stets und überall gewährleistet werden kann.

Einschränkungen aus kommunaler Sicht

Über die kommunalen Satzungen verlagert sich die Verantwortung des Rückstauschutzes in der Regel auf den privaten Anschlussnehmer. Dieser trägt mit dem Anschluss(zwang) an den privaten Kanal die Verpflichtung, sich in geeignetem Maße vor der Überflutung seiner Kellerräume zu schützen. Hintergrund ist, dass die öffentlichen Kanäle sowohl aus wirtschaftlicher als auch aus technischer Sicht nicht für alle Eventualitäten dimensioniert werden können. Einerseits wären die erforderlichen Dimensionen für den Jahrhundertregen öffentlich nicht zu finanzieren, andererseits würden diese Querschnitte nicht die erforderliche Fließgeschwindigkeit in Trockenwetterperioden ermöglichen. Der Transport der Schmutzfracht würde damit zum Erliegen kommen – auf kurz oder lang wären Verstopfungen zu erwarten.

Potenziale im Handwerk – nur mit qualifizierter Beratung

Mit den aufkommenden Wetterkapriolen erhöht sich der Druck auf den Endverbraucher, auch in Bestandsimmobilien den Rückstauschutz zu hinterfragen und – falls erforderlich – Veränderungen an der Entwässerungsanlage vorzunehmen. Untersuchungen in deutschen Großstädten zeigten jüngst, dass 80 bis 90 % der Kellerräume nicht gegen Rückstau gesichert sind. Für den beratenden SHK-Unternehmer die Chance, den Endkunden über potenzielle Schäden bei Rückstauereignissen zu informieren. In der Regel wird die eigene Entwässerungsanlage beim Betreiber kaum beachtet und steht damit auch für Modernisierungen nicht im Fokus. Sie funktioniert nach dem Prinzip: „Aus den Augen aus dem Sinn“ und so endet der Gedanke an das Abwasser spätestens mit der Betätigung der Toilettenspülung!

Eine fatale Entwicklung, wie dies viele privat-produzierte Videoclips zeigen, die Wasserreinbrüche und Rückstauereignisse dramatisch visualisieren. Schmutzwasserkanäle, die fäkalienhaltige Medien zurück in das Gebäude drücken, stellen nicht nur eine bakterielle Belastung für die Bewohner dar, sondern richten auch massive Schäden an der Gebäudesubstanz an.

Physikalische Sicherheit contra mechanische Absicherung

Bezogen auf die technischen Möglichkeiten in Sachen Rückstauschutz bieten die Regelwerke zwei Lösungsvorschläge für den Neubau und den Bestand an. Als Synonym für die Rückstausicherung haben Klappensysteme gemäß DIN EN 13564-1 den ersten Platz in vielen Köpfen eingenommen. Sie sind ein probates Mittel, eine Überflutung der Kellerräume zu verhindern und werden in der Regel direkt in die Grundleitung des Gebäudes eingebaut. Hier gilt jedoch zu beachten: Nur Entwässerungsgegenstände unterhalb der Rückstauebene (also unter der Straßenoberkante) dürfen über diese Verschlüsse entwässert werden. Würden Entwässerungsgegenstände von oberhalb der Rückstauebene angeschlossen und über den Verschluss entwässert, würde sich im Rückstaufall bei verschlossener Klappe das Wasser von innen in der Leitung stauen und aus WC, Dusche oder Badewanne herausdrücken.

Oft ist nicht bekannt, dass Rückstauverschlüsse – gemäß Prüfnorm – nach unterschiedlichen Anwendungsfällen klassifiziert werden. Hierbei wird unterschieden, ob Grau- oder Schwarzwasser entsorgt wird. Ein vermeintlich kleiner technischer Unterschied mit einer erheblichen preislichen Differenz. Der größte Nachteil liegt aber in der Nutzbarkeit der Entwässerungsanlage für die Dauer des Rückstauereignisses: Sind die Klappen im Rückstaufall geschlossen – und dieser Fall lässt sich in Zeitpunkt und Dauer nicht voraus sagen, ist eine Entwässerung nicht mehr möglich.

Der entscheidende Unterschied zu Hebeanlagen liegt darin, dass diese die uneingeschränkte Nutzung der Entwässerungsgegenstände (WC, Dusche etc.) auch im Rückstaufall zulassen. Die Entwässerungsanlage ist also in vollem Umfang nutzbar. Der Rückstauschutz wird durch die korrekte Führung einer Rückstauschleife (Druckrohrleitung) über das Niveau der Rückstauebene (i.d.R. Straßenoberkante) erreicht. Hier kommt das physikalische Gesetz der kommunizierenden Röhren zum Tragen, wodurch der Rückstauschutz zu jeder Zeit gegeben ist – unabhängig von der Funktion der Anlage selbst.

Achtung Außenflächen

In den Regelwerken werden unter anderem auch die sogenannten „abflusswirksamen Flächen“ angesprochen. Gemeint sind damit alle Außenbereiche mit einer Abflusswirkung zum Gebäude. Solche Flächen stellen eine Gefährdung dar, da sie das Überflutungsrisiko für das Gebäude erhöhen. Das abgeführte (Regen-)Wasser sollte stets außerhalb des Gebäudes über eine dort installierte Abwasserhebeanlage getrennt vom häuslichen Abwasser abgeleitet werden. Ausnahmen bilden kleine Flächen 5 m². Hier sollte der eingebundene Fachhandwerker im Sinne der Haftung Vorsicht walten lassen. Wird das Wasser über eine im Gebäude installierte Hebeanlage entsorgt, ist in jedem Fall eine Doppelanlage vorzusehen!

Funktionsprüfung

Ein kleines Update ist an dieser Stelle in Hinblick auf die sogenannte Dichtheitsprüfung angebracht: Sowohl in der SHK-Fachwelt als auch unter Marketing-Experten gilt der Begriff „Dichtheitsprüfung“ inzwischen als „verbrannt“. Die Allgemeinheit assoziiert damit mittlerweile politische Willkür und Abzockerei von privaten Haushalten.

Folgerichtig wurde die Terminologie angepasst und neuerdings wird von der „Funktionsprüfung“ erdverlegter Abwasserleitungen gesprochen. Der Vorteil für den Bürger: Es wird nun nicht mehr generell die physikalische Dichtheit, also mittels Wasser- oder Luftprüfung verlangt, sondern eine TV-Inspektion zur Erfassung des Istzustandes der privaten Grundleitung vorgenommen. Sollten dabei lediglich Bagatellschäden festgestellt werden, müssen diese nicht zwingend behoben werden.

Zudem wurde die Pflicht zur Dichtheitsprüfung zumindest in Nordrhein-Westfalen bis Ende 2015 zunächst auf Wasserschutzgebiete begrenzt. Bestehende Abwasserleitungen, die zur Fortleitung häuslichen Abwassers dienen und die vor dem 1. Januar 1965 errichtet wurden, müssen auf ihren Zustand und Funktionsfähigkeit überprüft werden. Das Gleiche gilt für Abwasserleitungen, die zur Fortleitung industriellen oder gewerblichen Abwassers dienen und vor dem 1. Januar 1990 errichtet wurden. Die Überprüfung hat bis zum 31. Dezember 2015 stattzufinden. Alle anderen Abwasserleitungen in Wasserschutzgebieten müssen bis spätestens 31. Dezember 2020 überprüft werden.

Außerhalb der festgesetzten Wasserschutzgebiete orientieren sich die Prüfpflichten ebenfalls an dem Gefährdungspotenzial. Bestehende Abwasserleitungen, die zur Fortleitung industriellen oder gewerblichen Abwassers dienen, müssen erstmals bis spätestens 31. Dezember 2020 auf Zustand und Funktionsfähigkeit geprüft werden. Für die Prüfung anderer Abwasserleitungen außerhalb von Wasserschutzzonen wird keine landesweit geltende Frist zur Erstprüfung vorgegeben. Hier kann die Gemeinde von ihrer Satzungsermächtigung Gebrauch machen.

Zwei Fliegen mit einer Klappe

Der Markt ist an dieser Stelle also nicht tot, Funktionsprüfungen sind nach wie vor ein Geschäftsfeld, womit die „erste Fliege“ erschlagen ist. Die „zweite Fliege“ lässt sich erlegen, wenn bei der Sanierung einer defekten Grundleitung diese stillgelegt und eine neue abgehängte Sammelleitung unter der Kellerdecke installiert wird. Wird das Wasser dann über eine Hebeanlage mit Rückstauschleife entsorgt, ist der Rückstauschutz gleich inklusive.

Einbau und Inspektion von Hebeanlagen

Die Einbaubedingungen sind für den störungsfreien Betrieb der Hebeanlage entscheidend. Diese werden umfassend über die DIN EN 12056-4 erläutert. Vorgeschrieben sind u. a. die Absperrarmaturen in Zulauf und Druckabgang sowie eine Rückschlagklappe. Alle Verbindungen sind dabei elastisch auszuführen.

Besonderes Augenmerk ist auf die Lüftungsleitung zu richten. Diese muss in beide Richtungen funktionieren, also sowohl be- als auch entlüften. Belüftungsventile sind damit absolut unzulässig – hier wäre ein einwandfreier Volumen- bzw. Luftaustausch nicht gegeben.

Nach Einbau der Anlage sollte eine Abnahme und Einweisung des Kunden erfolgen. Dieser muss über die Funktion informiert werden. Der Hinweis auf die Verpflichtung zur regelmäßigen Inspektion sollte an dieser Stelle durch den Installationsbetrieb angebracht werden. Im Kommentar zu den Regelwerken wird formuliert, dass mindestens monatlich eine Kontrolle mit den „fünf wachen Sinnen“ erfolgen sollte. Das bedeutet die Überprüfung der Verbindungsstellen (sehen/tasten), Überprüfung hinsichtlich (unnormalen) Gerüchen und die Überprüfung der Betriebsgeräusche bei der Kontrolle von mindestens zwei Schaltspielen.

Wartung ist Kundenbindung

Alle Arbeiten die darüber hinausgehen, unterliegen der regelmäßigen Wartung. Diese sollte ausschließlich von autorisiertem Fachpersonal erledigt werden. Die (Mindest-)Zyklen zur Wartung werden dabei über DIN EN 12056-4 formuliert und hängen von der Nutzung der Anlage ab. Im Einfamilienhaus gilt ein Mindestzyklus von einem Jahr, dieser verkürzt sich auf einen Viertel-Jahres-Zyklus im Gewerbebetrieb. In der Realität ist die Abwasserzusammensetzung ausschlaggebend, wobei vor allem der Anteil an Fetten eine bedeutende Rolle spielt.

All diese Tatsachen bedeuten für den Fachhandwerks-Betrieb ein interessantes Geschäftspotenzial, denn Wartung ist die beste Form der Kundenbindung! Der regelmäßige Kontakt generiert mitunter Zusatzaufträge, getreu dem Motto: „Ach, wo Sie gerade da sind….!“ Zu den entsprechenden Anforderungen an das Wartungspersonal gehört in jedem Fall auch die Qualifikation als Elektrofachkraft für festgelegte Tätigkeiten, da auch der elektrische Teil der Anlage zu überprüfen ist.

Fortbildung schafft Potenziale

Im westfälischen Steinhagen bietet Pumpenhersteller Jung Pumpen ein umfassendes Seminarprogramm zur Erlangung der Qualifikationen rund um das Thema „Rückstausicherung“ und „Wartung“ an. Theoretische Inhalte rund um die DIN EN 12056 sowie die Vorstellung der erforderlichen Kenntnisse über unterschiedliche Anlagentypen nach DIN EN 12050 werden in einem Basis-Seminar vermittelt.

Das anschließende Aufbauseminar vermittelt den unmittelbaren Umgang mit den Produkten hinsichtlich Einbau, Wartung und Reparatur. Die Seminare werden für das Fachhandwerk kostenfrei angeboten. Die kleinen Seminargruppen mit ca. 10 bis 12 Teilnehmern ermöglichen die Behandlung individueller Fragen. Zudem bietet das Unternehmen unterschiedlichste Kooperationsmodelle in puncto Wartung mit seinem werkseigenen Kundendienst an. Weitere Infos sowie alle Seminartermine gibt es unter

https://www.jung-pumpen.de/

Autor

Marco Koch ist Leiter Verkaufsförderung der Jung Pumpen GmbH in 33803 Steinhagen, Telefon (0 52 04) 17-0, Telefax (0 52 04) 8 03 68, https://www.jung-pumpen.de/