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Interview

Ganz schön wichtig

SBZ: Herr Reichert, denkt man an häusliche Abwassersysteme, spricht man automatisch über Schall- und Brandschutzmaßnahmen. Warum eigentlich, die Funktion ist doch das Ableiten von Schmutzwasser?

Peter Reichert: Das ist richtig, die Hauptaufgabe eines häuslichen Abwassersystems besteht darin, das anfallende Schmutzwasser störungsfrei in die öffentliche Kanalisation abzuleiten. Störungsfrei bedeutet, dass es zu keinen Verstopfungen kommt und keine Geruchsverschlüsse an den Einrichtungsgegenständen abgesaugt werden – also eine hydraulische Aufgabenstellung, die durch die Einhaltung der Bemessungs- und Verlegeregeln nach DIN 1986-100 erfüllt werden kann. Störungsfrei bedeutet auch, dass der Bewohner einer Immobilie durch die Geräuschentwicklung beim Ablaufvorgang nicht belästigt wird. Da die schallschutztechnischen Anforderungen in den letzten Jahren gestiegen sind, ist das akustische Verhalten von Abwassersystemen in den Vordergrund gerückt. Ähnliches gilt beim Brandschutz. Die jüngsten Vorgaben des DIBt zu Mischinstallationen und Abstandsregelungen zu benachbarten Leitungen im Schacht erfordern einen besonderen Fokus auf die zugelassenen Brandschutzlösungen von Abwassersystemen.

SBZ: Wie wichtig ist die Verbindungstechnik? Geberit hat auf der ISH 2017 ein neues System mit Steckverbindung vorgestellt.

Reichert: Die Verbindungstechnik ist für den Anwender ein wichtiges Kriterium bei der Wahl des Rohrleitungssystems. Die Verbindungstechnik bestimmt aber auch die Anwendungs- und Einsatzgrenzen. Stecksysteme sind für häusliches Schmutzwasser im Wohnungsbau im System der Freispiegelentwässerung bestens geeignet und für den Installateur auch die erste Wahl. Andere Einsatzgebiete, wie innen liegende Regenwasserleitungen (konventionell oder in Druckströmung), Industrieanwendungen mit belasteten Abwässern oder Druckleitungen von Abwasserhebeanlagen, erfordern jedoch andere Verbindungstechniken, wie etwa Schweißen.

SBZ: Worin besteht der Unterschied: geprüft nach DIN EN 14366 oder nach DIN 4109?

Reichert: Das Bauordnungsrecht fordert einen schallschutztechnischen Eignungsnachweis nach DIN 4109. Das bedeutet für die Bauaufgabe Sanitärinstallation, dass alle Geräusch verursachenden Einflussgrößen im Zusammenspiel betrachtet werden, also Geräuschentwicklungen aus Trink- und Abwasserinstallation gemeinsam. Ein Prüfergebnis nach DIN EN 14366 bewertet hingegen nur den Schalldruckpegel einer laminaren Strömung in einer Fallleitung und kann somit als Eignungsnachweis nicht verwendet werden.

SBZ: Gibt es eine Grenzlinie, in der folgerichtig Schallschutz nach der VDI-Richtlinie 4100 zu vereinbaren ist?

Reichert: Es ist schwierig, diese Grenzlinie zu definieren. Tatsache ist, dass die in der novellierten DIN 4109-1:2016-07 gestellten Anforderungen lediglich eine nicht zu unterschreitende schalltechnische Qualitätsgrenze darstellen. Es sind darin die Mindestanforderungen formuliert, um ein Mindestmaß an Gesundheitsschutz vor unzumutbaren Belästigungen zu erreichen. Zahlreiche Urteile aus der jüngsten Vergangenheit zeigen, dass dieser Mindeststandard oftmals als ungenügend beurteilt wird und ein erhöhter Schallschutz im Wohnungsbau anzusetzen ist. Nun gibt es mehrere Regelwerke, die Empfehlungen und Regelungen für einen erhöhten Schallschutz formulieren. Neben der VDI 4100 mit drei verschiedenen Schallschutzstufen besteht die Möglichkeit, das „alte“ Beiblatt 2 aus DIN 4109:1989-11 heranzuziehen. Die novellierte DIN 4109:2016-07 hat hierfür eine Hintertür offen gelassen. Eine weitere Möglichkeit formuliert die DIN SPEC 91314:2017-01. Sie ist eine Art „Vornorm“, die ebenfalls beim Deutschen Institut für Normung e. V. erarbeitet wurde. Im Gegensatz zum regulären Normungsprozess müssen bei der Erstellung einer DIN SPEC nicht zwingend alle interessierten Kreise beteiligt sein, eine Entwurfs- und Einspruchsphase ist ebenfalls nicht zwingend erforderlich. Eine DIN SPEC ist jedoch meistens richtungsweisend und bildet die Basis für eine spätere DIN-Norm. Es ist beabsichtigt, die DIN SPEC 91314:2017-01 in eine DIN 4109-5 „Erhöhter Schallschutz im Wohnungsbau“ zu überführen. Zudem muss erwähnt werden, dass in der VDI 4100 situationsbezogene Beurteilungsgrößen zugrunde liegen, während im DIN-Regelwerk mit bauteilspezifischen Größen gearbeitet wird. Die Regelungen in der VDI 4100 sind somit komplexer, da die Anforderungswerte von der Raumgeometrie des Empfangsraumes abhängig sind.

SBZ: Nennen Sie fünf Punkte, die bei der Auswahl eines schalldämmenden Hausabflusssystems für den SHK-Betrieb bzw. TGA-Fachplaner besonders relevant sind?

Reichert: Die Auswahlkriterien bestimmen sich nach der Aufgabenstellung und dem konkreten Projekt. Aus meiner Sicht müssen die nachstehenden Fragen beantwortet sein:

  • Liegen geeignete Schallschutznachweise vor, um damit den bauordnungsrechtlich geforderten Eignungsnachweis erbringen zu können?
  • Welche Anforderungen sind an den Brandschutz gestellt? Wie sieht die Schachtsituation aus, also welche Art und Anzahl von Versorgungs- und Entwässerungsleitungen müssen in welcher Schachtgröße geführt werden? Diese Fragen sind aus brandschutztechnischer Sicht maßgebend für die Wahl des Rohrleitungssystems. Für die konkrete Bausituation müssen geeignete Verwendbarkeitsnachweise in Form von allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassungen oder Prüfzeugnissen vorliegen.
  • Welche Rohrdimensionen, welches Formstücksortiment, welche Sonderformstücke stehen zur Verfügung? Kann mit diesem Sortiment eine Abwasserinstallation für die konkrete Bauaufgabe erstellt werden?
  • Ist das Rohrleitungssystem bei verschiedenen Großhändlern verfügbar?
  • Welche Dienstleistungen bietet der Rohrhersteller über das Produkt hinaus, wie Softwarelösungen, Projektierungsleistungen, technischen Support?

SBZ: Was sind die wichtigsten Kriterien für den vorbeugenden Brandschutz, speziell im Wand- und Deckendurchbruch?

Reichert: Das entscheidende Kriterium ist, dass Brandschutzmaßnahmen geplant werden, um die im Bauordnungsrecht geforderten Schutzziele sicher erreichen zu können. Diese brandschutztechnische Planung beginnt bereits bei der Gebäude- und Grundrissplanung mit der Festlegung von Brandabschnitten. Es muss klar sein, welche Anforderungen an die trennenden Bauteile wie Wand und Decke gestellt sind. Nur mit Kenntnis der Anforderungen kann die geeignete Brandschutzlösung geplant werden. Wir müssen uns bewusst sein, dass ein raumabschließendes Bauteil eine bestimmte Feuerwiderstandsdauer aufweisen kann. Mit Rohrleitungen durchdringen wir dieses Bauteil und zerstören damit erst mal den Brandschutz. Mit der richtigen Brandschutzmaßnahme für die Rohrdurchdringung muss das Bauteil wieder so ertüchtigt werden, als wäre keine Rohrdurchführung vorhanden. Das bedeutet, dass bereits im Vorfeld geprüft werden muss, ob für die konkrete Bausituation ein gültiger Verwendbarkeitsnachweis für die Rohrdurchdringung vorliegt. Zudem muss solch eine Brandschutzmaßnahme mit eigener Leistungsposition ausgeschrieben werden. Es muss zudem geklärt sein, welches Gewerk für den ordnungsgemäßen Verschluss von Wand- und Deckendurchführungen zuständig ist.

SBZ: Was ist der Unterschied zwischen Bauakustik und Raumakustik und wie weit hängen diese beiden Begriffe zusammen?

Reichert: Bauakustik und Raumakustik sind verschiedene Teilgebiete der Akustik. Sie scheinen auf den ersten Blick artverwandt, müssen jedoch bezüglich ihrer Aufgabenstellung voneinander abgegrenzt werden. In der Raumakustik beschäftigt man sich mit der Ausbreitung von Schall in Räumen und den Eigenschaften der dabei auftretenden Schallfelder. Die Kernfrage lautet dabei oft: Durch welche Maßnahmen werden optimale Hörbedingungen in einem Raum geschaffen? Die Bauakustik beschäftigt sich hingegen mit den bautechnischen und bauphysikalischen Aspekten der Schallausbreitung zwischen Räumen und Flächen eines Gebäudes. Im Vordergrund stehen die schalltechnischen Eigenschaften von Bauteilen, Bausystemen und Baustoffen. Die entscheidende bauakustische Eigenschaft eines Bauteils ist die Schalldämmung. Im Wesentlichen geht es um die Fähigkeit von Bauteilen, wie Wänden, Decken, Türen und Fenstern, den Schallübergang zwischen zwei Räumen möglichst gering zu halten. In der Bauakustik lautet die Kernfrage: Welcher Anteil des Schalls kommt auf der anderen Seite eines Bauteils an und wie kann die Schallübertragung minimiert werden?

SBZ: Erwarten Sie künftig noch Fortschritte in diesem Produktbereich?

Reichert: Dieser Produktbereich hat sicher noch viel Entwicklungspotenzial. Wir haben viele Ideen und neue Ansätze, die ich an dieser Stelle noch nicht verraten möchte. Es soll doch schließlich spannend bleiben.

SBZ: Herr Reichert, vielen Dank für dieausführlichen Erläuterungen.