Bei allen Diskussionen um Schall- und Brandschutz ist die Hauptaufgabe eines Entwässerungssystems in der Gebäudetechnik etwas ins Hintertreffen geraten. Tatsächlich ist für den Nutzer oder Betreiber – egal in welchem Gebäudetyp, vom Einfamilienhaus bis zur Multifunktionsarena – eine Funktion besonders wichtig: Das anfallende Schmutzwasser muss störungsfrei in die öffentliche Kanalisation abgeleitet werden.
Störungsfrei bedeutet, dass es nicht zu Verstopfungen kommt und keine Geruchsverschlüsse an den Einrichtungsgegenständen abgesaugt werden – also eine hydraulische Aufgabenstellung. Besonders Entwässerungsleitungen im Bestand haben bei der Sanierung einen großen Einfluss auf die Planungs- und Ausführungsleistungen. Bestehende Grundleitungen werden oftmals bei der Sanierung vernachlässigt.
Dabei sind diese bei der Planung unbedingt zu berücksichtigen. Wird der Füllungsgrad von mindestens der Hälfte des Rohrdurchmessers nicht mehr eingehalten, kann es in den bestehenden Grundleitungen zu Verstopfungen kommen.
Gute und exakte Planung ist Grundvoraussetzung
Das Gefälle wird’s schon richten – wer sich bei Planung und Installation einer Entwässerungsanlage von dieser Daumenregel leiten lässt, kann mit negativen Überraschungen konfrontiert werden. Unangenehme Gerüche aus leer gesaugten Siphons sind dabei noch das geringste Übel.
Laute Fließgeräusche oder ein Rückstau samt Austritt von Fäkalien aus einem falsch geplanten oder falsch installierten Entwässerungssystem sorgen für einen höchst unzufriedenen bzw. geschädigten Nutzer. Damit es nicht zu Störungen oder sogar Schäden kommt, ist eine sorgfältige Planung des Entwässerungssystems erforderlich.
Mit welchen Wassermengen ist beim häuslichen Abwasser und bei Niederschlag am Gebäude oder auf dem Grundstück zu rechnen? Welche Abflusskennzahl für die gleichzeitige Belastung des Systems kommt in Betracht? Das sind nur zwei von vielen Faktoren, die zu berücksichtigen sind.
Zunächst Rahmenbedingungen prüfen
Wer sich auf die Suche nach passenden Antworten macht, muss die komplette Bauaufgabe im Blick haben. Welche Spülmengen sind erforderlich? Geht es um die auf Wassersparen ausgelegten häuslichen Abwässer einer neuen Wohnanlage? Oder um die Teilsanierung einer betagten Immobilie mit etlichen Unbekannten hinter der Wand bzw. im Untergrund? Im Bestand kann es möglich sein, dass das Ausschwemmverhalten eines alten Systems nur dann funktioniert, wenn eine erhöhte Spülmenge schwallweise den überdimensionierten Leitungsquerschnitt spült. Zur Erinnerung: 1960 war eine WC-Spülmenge von 14 l noch üblich. Heute können bereits 4 l ausreichen, der Standard liegt bei 6 l (Bild 1).
Für den TGA-Fachplaner und den SHK-Betrieb ist es deshalb wichtig, die Rahmenbedingungen zu kennen, wenn eine Entwässerungsanlage nicht in gesamter Länge neu geplant und gebaut werden soll.
Enorme Weiterentwicklungen in der Gebäudetechnik
Fachplaner und Fachhandwerk stehen in der Verantwortung, ihren Kunden ein funktionsfähiges Entwässerungssystem zu installieren, das dem aktuellen Stand der Technik entspricht. Es genügt nicht, wenn man das Abwasser lediglich zum Ablaufen bringt. Vor mehreren Jahrzehnten war das noch anders, da stand oft nur diese eine Funktion im Mittelpunkt. Also Hauptsache, es läuft?
Eben nicht. Mit der Sanierung eines jahrzehntealten Bades vollzieht sich heute ein Quantensprung in der Haus- und Gebäudetechnik. Allein mit moderner, zeitgemäßer Vorwandinstallation ziehen höchst komplexe Systeme ins neue Bad ein. Sie stellen in der Versorgungstechnik beispielsweise sicher, dass am WC wassersparende Spültechnik oder am Waschtisch stagnationsfreies Kalt- und Warmwasser zur Verfügung steht – und störungsfrei ablaufen kann. Ein wenig Gefälle allein reicht nicht aus. Die Herausforderungen an das SHK-Fachhandwerk enden auch nicht beim ablaufenden Wasser.
Wie es gut laufen kann, ist bekannt
Welcher Hydraulik bedarf es, um Schmutzwasser möglichst geräuscharm aus der Etage über die Fallleitung und weiter bis in den öffentlichen Kanal zu führen? Um hier zu optimalen Ergebnissen zu kommen, hat der Hersteller Geberit über Jahre hinweg zahlreiche Laborversuche für Hydraulik und Akustik durchgeführt. Längst ist bekannt und in üblicher Entwässerungs-Software (z. B. Geberit ProPlanner) hinterlegt, mit welchen normativen Vorgaben zu rechnen ist. Dazu zählen Faktoren wie Spülmenge, Rohrdurchmesser, Gefälle, der zu erwartende Anteil an Feststoffen und nicht zuletzt der Leitungswerkstoff. Bei Letztgenanntem können beispielsweise die hochschallgedämmten Entwässerungssysteme Silent-db20 oder Silent-Pro von Geberit bedenkenlos eingesetzt werden.
Doch das ist bei Weitem nicht alles: Entwässerungsspezialisten wie Geberit entwickeln neue Formteile durch aufwendige Strömungsberechnungen bzw. -simulationen in eigenen Sanitärlabors. Dabei hat sich erwiesen (Bild 2), dass die Strömungsverhältnisse in die Fallleitung ungünstig sind, wenn es sich um einen 88,5°-Abzweig ohne Bogenradius handelt. Die Auswirkungen: Der Querschnitt der Fallleitung wird größtenteils verschlossen und behindert so das Nachströmverhalten der Luft im Fallstrang. Die Ablaufleistung bleibt hinter den Möglichkeiten zurück.
Erhebliche Steigerung der Ablaufleistung
Günstiger sieht es beim 45°-Abzweig in die Fallleitung aus, jedoch ist dieser nur bei gleicher Dimension zulässig. Es kommt hinzu, dass die Belüftung in die Anschlussleitung nicht besonders gut ist. Daher liegt das Optimum klar bei einem Bogenabzweig von 88,5°. Hier bewirkt der Innenradius eine erhebliche Steigerung der Ablaufleistung um ca. 30 %. Ein weiterer Vorteil: Im Fallstrang sowie in der Einzel- und Sammelanschlussleitung ergibt sich ein möglichst günstiges Wasser-Luft-Gemisch. Diese erwünschten Effekte stellen sich natürlich nur ein, wenn Fachplaner und Fachinstallateure die Vorgaben des Herstellers einhalten.
Doppelabzweig für effiziente Montage
Ein Doppelabzweig macht es sogar möglich, dass genau gegenüberliegende Seiten auf gleicher Anschlusshöhe in den Fallstrang sicher entwässert werden können, ohne sich nachteilig zu beeinflussen. Auch hier spielt der Bogenradius (mindestens die Größe des halben Durchmessers) die entscheidende Rolle, denn nur so lassen sich die Anwendungsgrenzen erweitern.
Durch transparente Formteile konnte der Hersteller Geberit nachweisen, dass selbst dann kein Überspülen stattfindet, wenn nur auf einer Seite fäkalienhaltiges Abwasser einströmt. Eine mögliche Störung im System für den gegenüberliegenden Anschluss ist dadurch nicht zu befürchten.
Normative Grundlage
Die Grundlage für die Bemessung von Schmutzwasserleitungen innerhalb von Gebäuden stellen folgende Normen dar:
- DIN EN 12056-1 bis 5 [2001-01] in Verbindung mit der nationalen Ergänzungsnorm DIN 1986-100 [2016-12].
- Die DIN EN 12056-2, Abschnitt 4.2 beschreibt vier unterschiedliche Typen von Entwässerungssystemen, die in Europa angewandt werden. In Deutschland gilt System I – die Einzelfallleitungsanlage mit teilbefüllten Anschlussleitungen mit einem Füllungsgrad von 0,5.
- In der aktuellen DIN 1986-100 [2016-12] sind viele Anschlussbedingungen korrigiert worden.
Mit dieser Abwassernorm erhalten Planer und Installateure die entsprechenden Vorgaben schwarz auf weiß. Für die effiziente Montage von Entwässerungssystemen in mehrgeschossigen Wohngebäuden bedeutet dies eine erhebliche Vereinfachung in der Leitungsführung, die sich zudem günstiger kalkulieren lässt.
Abwasserleitungen in Gebäuden häufig überdimensioniert
Noch immer werden viele WC-Anschlussleitungen in Gebäuden mit Rohren in DN 100 verlegt, wie es früher üblich war. Dabei reicht heute in aller Regel die Nennweite DN 90 aus, um auch mehrgeschossige Gebäude sicher und störungsfrei zu entwässern – vom Einzelanschluss am WC über die Fallleitung bis hin zur Grundleitung.
Die Vorzüge der kleineren Dimension sind überzeugend: Abflusswasserleitungen DN 90 sind kostengünstiger und einfacher zu montieren (Bild 3). Dazu bieten sie bessere hydraulische Eigenschaften und verringern Schacht- und Vorwandtiefen. Tatsache ist: Sind Abwasserleitungen zu groß dimensioniert, können die Feststoffe in den horizontalen Leitungen nicht abtransportiert werden – Verstopfungen sind vorprogrammiert.
In waagrechten Entwässerungsleitungen muss eine bestimmte Schwemmtiefe gegeben sein, um Fäkalien und andere Stoffe abtransportieren zu können. Die Schwemmtiefe wird durch den Füllungsgrad definiert. Dieser bezeichnet bei liegenden Abwasserleitungen das Verhältnis der Wassertiefe (h) in der Wasserströmung zum Rohrinnendurchmesser (di). Um Fäkalien schwimmend abtransportieren zu können, wird ein Füllungsgrad h/di von 0,5 benötigt. Das Rohr sollte also während des Entwässerungsvorgangs zur Hälfte mit Wasser gefüllt sein (Bild 4).
Einzelanschlussleitung
Bestimmend für die Dimensionierung der Anschlussleitung am WC ist der Anschlusswert DU (Design Unit). Dieser Wert definiert die Wassermenge, die vom Sanitärobjekt pro Sekunde abfließt. Für die heute üblichen Spülkästen mit einer Spülwassermenge von 6 l beträgt der Anschlusswert DU = 2 l/s. In Anlehnung an DIN 1986-100, Tab. 6 (Bild 5) ist bei diesem Wert die Anschlussleitung mit DN 90 richtig dimensioniert.
Viele Verbraucher entscheiden sich jedoch aus Wasserspargründen für WC-Keramiken, die mit 4 l oder 4,5 l Wasser gespült werden. Der Anschlusswert beträgt bei diesen WCs dann nur noch 1,8 l/s. Eine Anschlussleitung mit Nennweite DN 90 ist in diesem Fall zwingend, denn mit einer herkömmlichen Leitung DN 100 wird der notwendige Füllungsgrad h/di von 0,5 nicht mehr erreicht.
Sammelanschlussleitung
In Wohnhäusern können gemäß DIN 1986-100, Tab. 7 (Bild 6) die Sammelanschlussleitungen ebenfalls mit DN 90 dimensioniert werden. Bedingung ist, dass die Ablaufleistung aller Sanitärobjekte 13 l/s (DU) nicht überschreitet und dass nicht mehr als zwei WCs angeschlossen sind.
Auch in Gebäuden mit einer höheren Gleichzeitigkeit der Benutzung (Abflusskennzahl K = 0,7 oder 1,0), wie beispielsweise Schulen, Krankenhäuser oder auch öffentliche Anlagen, können Sammelanschlussleitungen in der Nennweite DN 90 ausgeführt werden, sofern die Begrenzungsparameter der Tab. 7, DIN 1986-100, nicht überschritten werden.
Achtung: Werden die Anwendungsgrenzen für unbelüftete Einzel- oder Sammelanschlussleitungen – wie Leitungslänge, Höhendifferenz oder Anzahl der Bögen – überschritten, muss die Leitung belüftet werden, um eine störungsfreie Ableitung des Abwassers zu gewährleisten. Der Wechsel zu einer größeren Dimension, also zum Beispiel von DN 90 auf DN 100, ist nicht zielführend.
Fallleitung
Um die Nennweite einer Fallleitung mit Hauptlüftung zu bestimmen, muss der Schmutzwasserabfluss QWW berechnet werden. Dazu müssen, wie bei den Sammelanschlussleitungen, die Anzahl und die Anschlusswerte der Sanitärobjekte sowie der Gebäudetyp bekannt sein. Aus dem Gebäudetyp ergibt sich die Abflusskennzahl K. Es gilt:
Die Bemessung der Fallleitungen erfolgt nach DIN 1986-100, Tab. 8 (Bild 7). Darin werden zwei unterschiedliche Belastungsgrade von Fallleitungen unterschieden: die Verwendung von Abzweigen mit Bogenradius und ohne Bogenradius. Die Steigerung der Ablaufleistung eines Abzweigs mit Bogenradius beläuft sich auf ca. 30 % gegenüber einem Abzweig ohne Bogenradius.
Deshalb kann beim Einsatz von Abzweigen mit Bogenradius eine Fallleitung mit Hauptlüftung mit QWW = 3,5 l/s belastet werden, während ein scharfkantiger Abzweig die max. zulässige Grenze bei QWW = 2,7 l/s setzt. Abzweige mit Bogenradius ermöglichen günstigere Einströmverhältnisse in die Fallleitung und bewirken eine optimale Luftströmung in der Fall- und Anschlussleitung, was wiederum den erforderlichen Druckausgleich sicherstellt.
Optimierung durch Reduzierung
Die Vorzüge von DN 90 liegen auf der Hand: Die Kosten für Rohre, Formstücke, Befestigungen und Brandschutzmaßnahmen sinken. Auch das Endprodukt – das Entwässerungssystem – wird letztlich optimiert, denn die hydraulischen Eigenschaften einer Abwasserinstallation mit angepasster Rohrnennweite sind deutlich besser als die Eigenschaften einer überdimensionierten Abwasserleitung.
Der höhere Füllungsgrad der Nennweite DN 90 bedingt eine höhere Schwemmtiefe und garantiert damit den schwimmenden Abtransport der Fäkalien. Auch die Fließgeschwindigkeit wird beim Einsatz der kleineren Dimension erhöht und damit eine bessere Selbstreinigungsfähigkeit des Entwässerungssystems erreicht. Die Gefahr von Rohrverstopfungen sinkt.
Fazit
Hydraulik ist keine Gleichung mit mehreren Unbekannten. Ein häusliches Entwässerungssystem muss die erforderliche Luftströmung für den Druckausgleich bereitstellen und Wasser mit Inhaltsstoffen störungsfrei abtransportieren können – und zwar ohne Druck, nur mit Gefälle. Das Motto „Hauptsache, es läuft“ passt heute keineswegs mehr.
Eine einwandfreie Funktion des Entwässerungssystems kann nur realisiert werden, wenn die Dimensionierung der Leitung mit den entsprechenden Spülmengen harmoniert. Moderne Bauteile innerhalb eines Systems sind so abgestimmt, dass sich ein möglichst günstiger Füllungsgrad sowie ein rückstandsloses Ausspülverhalten ergeben. Abschließend darf festgehalten werden:
Mit dem Einsatz von Abwasserleitungen in DN 90 statt DN 100 verbessern sich nicht nur die hydraulischen Eigenschaften. Gleichzeitig ist diese Dimension kostengünstiger und einfacher zu montieren. Zusätzlich verringern sich Schacht- und Vorwandtiefen.
Info
Rechenbeispiel Wohnhaus
Ein Rechenbeispiel zeigt, welchen Spielraum Planer und Installateure heute beim Einsatz von Abwasserleitungen DN 90 haben: Ein typisches Badezimmer in einem Mehrfamilienwohnhaus (Abflusskennzahl K = 0,5) ist mit einem WC, einem Waschtisch und einer Dusche oder Badewanne ausgestattet. Die Entwässerungsgegenstände sind an eine Sammelanschlussleitung angeschlossen. Das Abwasser der übereinanderliegenden Bäder wird über eine gemeinsame Fallleitung abgeleitet. Es werden Abzweige mit Innenradius eingesetzt.
Autor
Philipp Claus ist Produktmanager Rohrleitungssystemebei der Geberit Vertriebs GmbH. www.geberit.de