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Starkregenzeit ist Rückstauzeit

Inhalt

Heftige Unwetter, Starkregen, Überflutungen – in ganz Deutschland zeigt sich der Sommer 2016 von seiner extremen Seite. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV) gab bekannt, dass die schweren Unwetter Anfang Mai und Ende Juni rund 1,2 Milliarden Euro Schäden verursacht haben. Selbst in Gebieten, die sonst nicht von Hochwassern betroffen sind, sind vielerorts die Keller vollgelaufen. Die neue Studie „Urbane Sturzfluten – Hintergründe, Risiken, Vorsorgemaßnahmen“ der „Initiative Verantwortung Wasser und Umwelt“ geht davon aus, dass Überschwemmungen im urbanen Raum zukünftig häufiger auftreten werden (Bild 1). Insgesamt sind mittlerweile rund 50 % der Überflutungsschäden auf Starkregenfälle zurückzuführen. Eine wichtige Maßnahme, die die Studie fordert, ist daher der Schutz von Gebäuden vor Rückstau. Denn nur der passende Rückstauschutz kann verhindern, dass Abwasser während eines Starkregenfalls aus der überlasteten Kanalisation durch Ablaufstellen im Keller zurück in das Gebäude drückt.

Ablaufstellen unterhalb der Rückstauebene schützen

Da der Keller meist unterhalb der Rückstauebene (Bild 2) liegt, spielt eine sichere Entwässerungsanlage gerade hier eine besondere Rolle. Denn bei starkem Regen kommt das öffentliche Kanalnetz schnell an seine Grenzen. Das Abwasser staut sich im Kanal und drückt zurück in die Gebäude. Vollgelaufene Keller mit Schäden an Mobiliar, Wänden und Bodenbelag sind häufig die Folge. Davor schützen kann nur ein Rückstauverschluss, eine Hebeanlage oder eine Hybrid-Hebeanlage.

Hauseigentümer haftet bei fehlendem Rückstauschutz

Nach der Gerichtsentscheidung des Landesgerichts Coburg AZ.: 12 0 207/02 müssen Hauseigentümer bei Kanalrückstau für die Folgen einer Kellerüberflutung selbst aufkommen. Sie können dafür nicht die Gemeinden beziehungsweise Kommunen haftbar machen, selbst wenn deren Abwasserkanäle zu klein bemessen sind. Darüber hinaus haften Hausbesitzer gegenüber ihren Mietern. Entspricht die Grundstücksentwässerung und damit der Rückstauschutz nicht den einschlägigen Vorschriften und Regeln der Technik, können die Versicherungen Entschädigungen einschränken oder sogar ablehnen.

Normen und Vorschriften zum Rückstauschutz

DIN 1986-100 besagt, dass Entwässerungsgegenstände oberhalb der Rückstauebene mittels Schwerkraft zu entwässern sind. Nur in Fällen, in denen das Gefälle zum Kanal nicht ausreicht, darf es über Abwasserhebeanlagen abgeleitet werden. DIN EN 12056-4 regelt, dass Ablaufstellen unterhalb der Rückstauebene durch automatisch arbeitende Abwasserhebeanlagen mit Rückstauschleife gegen Rückstau zu sichern sind. Unter bestimmten Voraussetzungen können nach DIN EN 13564-1 auch Rückstauverschlüsse verwendet werden. Zum Schutz vor Rückstau stehen grundsätzlich drei Produktarten zur Verfügung:

  • automatisch arbeitende Abwasserhebeanlagen mit Rückstauschleife nach DIN EN 12056
  • Rückstauverschlüsse nach DIN EN 13564-1
  • Rückstausicherungsanlagen in allgemeiner bauaufsichtlicher Zulassung: Hybrid-Hebeanlagen

Bezüglich der Einsatzbereiche beschreibt die DIN 1986-100 nur die beiden genormten Produktarten Hebeanlagen und Rückstauverschlüsse. Doch wie auch der Kommentar der DIN 1986-100 feststellt, ist es aus Gründen der technischen Entwicklung, der Wirtschaftlichkeit, aber auch des Umweltschutzes und des sparsamen Umgangs mit Primärenergien notwendig, dass neue Bau- und Werkstoffe, Bauteile, Bauarten und Einrichtungsgegenstände Anwendung und Verwendung finden. Insofern können auch innovative Lösungen geplant und verwendet werden. Deren Einsatzbereich ist in der jeweiligen Zulassung geregelt oder auch im Einzelfall mit der jeweiligen Behörde abzustimmen.

Alle in einer Entwässerungsanlage verbauten Produkte gelten als Bauprodukte und müssen gemäß der Bauproduktenrichtlinie, Landesbauordnung und DIN 1986-100 baurechtlich geregelt sein. Hierzu sind folgende Nachweisverfahren erlaubt:

  • harmonisierte Normen wie DIN EN 12050 für Hebeanlagen oder DIN EN 13564 für Rückstauverschlüsse
  • allgemeine bauaufsichtliche Zulassung (abZ)
  • bauaufsichtliche Zustimmung im Einzelfall (ZiE) durch eine Eignungsfeststellung und Abklärung mit einer zuständigen Behörde

Vor Einbau Umstände klären

Auf welchen Rückstauschutz die Entscheidung fällt, hängt vor allem von den Gegebenheiten vor Ort ab. Dazu gilt es vorab folgende Fragen zu klären:

  • Sind Ablaufstellen unterhalb der Rückstauebene vorhanden oder geplant?
  • Kann das Abwasser mit dem Gefälle in den Kanal fließen oder muss es gehoben werden?
  • Wie viele Ablaufstellen befinden sich unterhalb der Rückstauebene?
  • Fällt lediglich Grau-(fäkalienfrei) oder auch Schwarzwasser (fäkalienhaltig) an?
  • Wie groß ist der Benutzerkreis?
  • Wo soll der Rückstauschutz installiert werden? Innerhalb oder außerhalb des Gebäudes?
  • Sollen lediglich einzelne Ablaufstellen abgesichert werden oder ist ein zentraler Rückstauschutz notwendig?

Rückstauschutz ohne Gefälle

Besteht kein ausreichendes Gefälle zum Kanal, muss das Abwasser, das unterhalb der Rückstauebene anfällt, mittels einer Hebeanlage in den Kanal gehoben werden (Bild 3). Dazu wird das Abwasser im Behälter der Anlage gesammelt und ab einem bestimmten Wasserstand über die Rückstauebene mittels einer Druckleitung mit Rückstauschleife in den Kanal gehoben. Die Rückstauschleife sorgt für den ausreichenden Schutz im Rückstaufall, denn durch sie kann das Wasser nicht wieder zurück ins Gebäude fließen. Bei der Auswahl der richtigen Hebeanlage gilt es, neben der Abwasserart auch die Einbauvoraussetzungen und die Nutzung der Kellerräume zu beachten. Eingebaut in die Bodenplatte (Bild 4) und mit einer befliesten Abdeckung ist die Hebeanlage fast unsichtbar für die Bewohner.

Kann die Anlage nicht in der Bodenplatte versenkt werden, gibt es Hebeanlagen zur freien Aufstellung. Eine besonders für die Sanierung geeignete Einbauvariante ist die Installation in einen Systemschacht. Dieser kann in der Regel in den vorhandenen Hausanschlussschacht integriert werden. Das ist meist wesentlich zeit- und kostensparender als die nachträgliche Installation in die Bodenplatte, die geöffnet und nach der Montage der Hebeanlage wieder dicht verschlossen werden muss, um die Hebeanlage einzubauen. Ein weiterer Vorteil des Einbaus im Schacht: Entstehende Pumpgeräusche bleiben draußen. Sind im Keller Wohn- oder Schlafräume untergebracht, spielt das eine besonders wichtige Rolle.

Rückstauschutz bei Gefälle zum Kanal

Besteht ein ausreichendes Gefälle zum Kanal, kann unter bestimmten Bedingungen auch ein Rückstauverschluss installiert werden. DIN EN 12056-4 schreibt vor, dass neben dem Gefälle, ein weiteres WC oberhalb der Rückstauebene zur Verfügung stehen muss. Außerdem dürfen die betroffenen Räume im Keller nur untergeordnet genutzt werden. Das bedeutet bei Rückstau dürfen keine wesentlichen Sachwerte beschädigt und die Gesundheit der Bewohner nicht beeinträchtigt werden. Zudem muss der Benutzerkreis klein sein und auf die Ablaufstellen während eines Rückstaus verzichtet werden können.

Klassische Lösung: Bei Rückstau verschließt ein Rückstauverschluss (Bild 5) selbsttätig. Sobald der Rückstau vorbei ist, fließt das Abwasser ungehindert mit dem Gefälle in den Kanal. Welcher Rückstauverschluss eingebaut werden muss, hängt in erster Linie von der Abwasserart ab. Es gibt spezielle Verschlüsse für Grau- und für Schwarzwasser. In fäkalienführende Leitungen dürfen keine Rückstauverschlüsse mit manuellem Verschluss (Pendelklappe) eingesetzt werden. Denn bei diesen besteht die Gefahr, dass Feststoffe den Rückstauverschluss blockieren und die Klappen nicht schließen können. Die Klappen von Rückstauverschlüssen, die für fäkalienführende Leitungen geeignet sind, sind im Normalbetrieb immer geöffnet. Im Rückstaufall wird die Klappe motorisch verschlossen.

Moderne Lösung: Laut aktuellen Erhebungen besteht bei rund 50 % der Einbausituationen ein natürliches Gefälle zum Kanal. Aber auch hier werden häufig Hebeanlagen verbaut (Bild 6). Dabei bieten moderne Lösungen wie Hybrid-Hebeanlagen eine strom- und kostensparende Alternative. Hybrid-Hebeanlagen nutzen im Normalbetrieb das natürliche Gefälle zum Kanal (Bild 7). Nur bei Rückstau schließt das Verschlusssystem der Anlage und das anfallende Abwasser wird über eine Druckleitung in den Kanal gepumpt (Bild 8). So ist eine Nutzung der Ablaufstellen unterhalb der Rückstauebene auch während eines Rückstaus möglich, denn das Abwasser wird wie bei einer klassischen Hebeanlage gegen den Rückstau in den Kanal gepumpt. Dass trotz dieser Alternative häufig klassische Hebeanlagen verbaut werden, ist unter anderem durch den momentanen Stand der Norm begründet, die alternative Lösungen zum Rückstauschutz nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässt. Seit 2015 hat die Hybrid-Hebeanlage Ecolift des Herstellers Kessel jedoch die Bauaufsichtliche Zulassung Z-53.2-487 und die XL-Variante die Zulassung Z-53.2-493.

Fazit

Die zahlreichen Unwetter und deren verheerenden Auswirkungen in den vergangenen Wochen machen deutlich, wie wichtig es ist, Gebäude ausreichend zu schützen. Der Rückstauschutz spielt dabei eine elementare Rolle. Denn selbst Gebäude, die nicht direkt von Flüssen oder Bächen bedroht sind, die über die Ufer treten, kann bei Starkregenereignissen der Keller durch Rückstau volllaufen. Doch noch immer gibt es zahlreiche Bauten, die nicht entsprechend gesichert sind. Dabei bietet die breite Palette an Produkten von der klassischen Hebeanlage über den Rückstauverschluss bis hin zur modernen Hybrid-Hebeanlage in den verschiedenen Ausführungen die passende Lösung – vom Einfamilienhaus bis zu gewerblich genutzten Gebäuden. Bei der Wahl der richtigen Rückstausicherung bieten Alternativen wie die Hybrid-Hebeanlagen eine sichere und dennoch stromsparende Variante des Rückstauschutzes, die zunehmend Beachtung findet und für die Betreiber eine kostensparende Lösung darstellt.

Info

Wer hat Schuld bei Rückstauschäden?

Die ausführenden Unternehmen haben nach dem Einbau eines Rückstauschutzes je nach Vertrag eine Gewährleistungspflicht von zwei bis fünf Jahren bei Vereinbarung des Werkvertragsrechts nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch. Doch auch nach Ablauf der Gewährleistungspflicht kann eine Haftung der Bauausführenden und der Planer wegen unerlaubter Handlung nach § 823 BGB bestehen, wenn beispielsweise der Rückstauschutz nicht ordnungsgemäß installiert worden ist. Beteiligt sich der Bauherr an der Installation, sollten Haftungsfragen deshalb von vornherein geklärt werden. Die Gemeinden haften nicht, wenn der Schaden darauf beruht, dass der Grundstückseigentümer entgegen der Entwässerungssatzung keine Rückstausicherung eingebaut hat und eine solche den Schadenseintritt verhindert hätte (OLG Hamm, Urteil vom 27.06.2002 – 21 U 140/01).

Tipp

Einbau, Funktion und Wartung von Rückstauverschlüssen

Rückstau kann massive Schäden an Gebäuden anrichten und die Renovierungsarbeiten sind teuer. Weil Versicherungen die Schäden in der Regel nicht übernehmen, ist es wichtig, dass ausführende Unternehmen um den fachgerechten Einbau Bescheid wissen. Deshalb hat die Kessel AG ein Seminar entwickelt, das sowohl die Theorie als auch die Praxis rund um das Thema Rückstau behandelt. Weitere Informationen und Tipps hierzu, sowie die Möglichkeit zur Anmeldung gibt es auf der Kessel Website im Bereich Kundenforum.

Autor

Florian Schwaiger ist Produktmanager Rückstau bei der Kessel AG in 85101 Lenting, Telefon (0 84 56) 27-0, Telefax (0 84 56) 27-1 02, www.kessel.de