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Energiewende setzt zu stark auf Strom

Der Wärmemarkt ist der größte Brocken

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SBZ: Im Wahlkampf wollte sich eine Partei hervortun, indem sie den Einbau neuer Ölheizungen ab 2015 verbieten wollte. Solche und ähnliche Bestrebungen gibt es immer wieder. Wie sehen Sie das?

Thiel: Wir sind generell – und ich auch persönlich – gegen jede Art von Beschränkungen und Verboten, womit wir auch voll auf der Linie des BDH sind. Wir sind dafür, dass sinnvolle Dinge gefördert werden. Es sollte dabei vor allem um Energieeffizienz und die Verbesserung der Bestandssituation gehen. Und da hat auch Öl seine Berechtigung. Klar nimmt dieser Markt stetig ab, dennoch ist er so groß, dass Fehler verheerende Auswirkungen haben können. Öl wird immer seine Berechtigung haben, denn es gibt Märkte, wo es gar nicht anders geht. Zudem ist es kombinierbar mit anderen Energieformen. Also: ganz klar gegen Verbote und für Unterstützung in Richtung Energieeffizienz.

Auch die aktuellen Probleme mit der Geothermie wie die Schäden an Häusern in Staufen (Südbaden) ändern ja nichts an der Sinnhaftigkeit dieser Energieform. Es gibt für jede ausgereifte Technologie einen Platz. Wir haben viele etablierte Märkte und deshalb sage ich lieber: Die neuen Technologien, die noch nicht so weit sind, sollte man fördern. Und bei der Sanierung sollten wir uns stets überlegen, welche Kombinationen von Energie­erzeugern optimal ist.

In der Praxis gibt es natürlich Technolo­gien, die doch verboten werden, wie in England Gas-Heizwertkessel. Darunter haben wir als Komplettanbieter nicht gelitten, aber generell werden Sie nie irgendwo lesen, dass Buderus für Zölle oder andere Zwangsmaßnahmen wäre. Wir sind für freien Wettbewerb und wir kämpfen im Markt mit fairen Mitteln. Wir stehen dabei für den Systemgedanken und wollen den Kunden energieeffiziente und bezahlbare Systeme anbieten. Der Kunde kann immer noch selbst am besten entscheiden, was für ihn sinnvoll ist.

SBZ: Wenn wir noch ein bisschen bei Politik bleiben: Erhalten bleibt uns sicher die Diskussion um die Energiewende. Wie beurteilen Sie die Entwicklungen?

Thiel: Wenn über Energiewende gesprochen wird, wird fast nur über Strom diskutiert. Weltweit sollen etwa 47 % des Primärenergiebedarfs in die Wärmeerzeugung gehen. In Deutschland sind es etwa 40 % (Heizung und Prozesswärme). Wir streiten hier über Windräder, Photovoltaik und Stromtrassen, die quer durch die Republik gehen sollen oder nicht. Wenn wir auch auf die Wärme schauen, haben wir einen viel größeren Hebel. Wir müssen an den ganzen Kuchen ran und da ist Wärme der größte Brocken. Intelligente Lösungen dafür sind kommerziell verfügbar.

SBZ: In der letzten Zeit war immer wieder zu hören, dass es bei Ihnen im Vertrieb nicht so recht rund gelaufen sei. Ich denke mal, dass die Neuorganisation der Vertriebsregionen von vier auf sechs eine Maßnahme ist, die damit zusammenhängt.

Thiel: Ich bin erst seit etwa einem halben Jahr bei Buderus. Was Gerüchte zum Exodus von Vertriebsleuten angeht, kann ich aber entgegnen, dass wir keine Fluktuationen hatten, die das übliche Maß überschritten hätten. Schließlich haben wir in Deutschland derzeit 1151 Leute, die im Vertrieb oder vertriebsnah arbeiten.

Wichtig für Ihre Leser ist aber die Neuorganisation des Vertriebs. Wir wollen zentrale Funk­tionen regionalisieren und mehr Verantwortung in die Regionen transferieren, um die Bedürfnisse der Kunden schneller zu befriedigen. Wir wollen näher am Kunden sein und darauf hören, was vom Markt verlangt wird, damit wir zusammen mit dem Heizungsbauer ein überzeugendes Leistungsversprechen bei den Endkunden abliefern können. Das ist die Idee.

SBZ: So oder so ähnlich sagt das im Prinzip jeder Vertriebler. Wenn ich Ihren Ansatz weiterdenke, dann müssten Sie Ihre Vertriebszentrale ausdünnen.

Thiel: Das machen wir. Es sind Mitarbeiter von der Zentrale in die Regionen gewechselt. Wir haben sechs Regionen und sechs Logistikzentren, die ausschließlich ihre Region versorgen. Damit funktioniert auch die Feinverteilung optimal. Für mich als Vertriebsleiter ist es vor allem wichtig, dass ich berechenbar bin. Ich gebe meine Werte vor und ein paar prinzipielle Dinge, also ein paar Leitplanken. Zwischen denen dürfen sich die Leute in der Region frei bewegen. Wenn wir es geschafft haben, das in die Firmenkultur zu implementieren, dann werden wir extrem schnell.

Wir haben bereits jetzt ein hervorragendes Niederlassungsnetz und viele enge Kundenbeziehungen. Wenn wir unsere Ideale nach außen sichtbar leben, werden sich sicher noch viele Handwerker überlegen, ob sie da nicht mitmachen wollen – auch weil der Endkunde einen gewissen Sog erzeugt.

SBZ: Und womit wollen Sie diesen Sog aufbauen? Endkundenbearbeitung ist ein hartes Brot und richtig teuer.

Thiel: Wir haben technische Berater im Außendienst, die System- und Energielösungen für Investoren und Planer entwickeln. Die Berater sind natürlich auf unsere Produkte geschult, grundsätzlich aber sind ihre Vorschläge herstellerneutral. So entsteht ein gewisser Sog auf den Heizungsbauer, der dann hoffentlich mit den bereits vorausgelegten Produkten die Lösung realisiert. Unsere technischen Berater sind eigentlich Energieberater und die erreichen in der Praxis sicher viel mehr für die Energiewende als irgendwelche staatlichen Regulierungen.

Auch für kleinere Leistungsbereiche haben wir mit unserem Angebot effizienzhaus-online.de eine Möglichkeit, wo sich der Endkunde seine Energielösung erarbeiten kann. Dieser Ansatz ist ebenfalls herstellerunab­hängig. Der Denkansatz in beiden Fällen ­lautet: Wir sind von uns und unseren Produkten überzeugt, sodass wir uns eine unabhängige Energieberatung leisten können, bei der der Kunde immer noch die Entscheidung hat.

Vielleicht haben wir nicht absolut jedes Produkt aus eigener Herstellung im Portfolio, das im speziellen Fall für ein optimal ausgelegtes System erforderlich sein mag. Als Vollsortimenter bieten wir für solche Fälle aber unsere Handelswaren an.

SBZ: Auf der ISH zielten nicht nur bei Ihnen sehr viele Innovationen auf Hausautoma­tion und Fernwirktechnik ab – Stichwort Kessel mit LAN-Anschluss. Wie weit sind solche Techniken bereits bis zum Endkunden vorgedrungen und wie schätzen Sie die Potenziale ein?

Thiel: Zur Veranschaulichung der Marktdynamik schauen wir uns mal das Gateway an, das die Kommunikation zwischen Router und unseren Geräten organisiert. Im Jahr 2012 hat Buderus 1014 Gateways verkauft. Für 2013 liegen mir im Moment Verkaufszahlen bis Ende Oktober vor, da waren es schon 7372 Stück. Dieses Jahr ist also fast ­eine Verzehnfachung zu erwarten. Wir sehen hier ein riesiges Potenzial.

SBZ: Welche Rolle werden dabei Datenschutz und Sicherheit vor unerwünschten Fremdeingriffen, also Hackerangriffen, Ihrer Meinung nach für die Marktentwicklung spielen?

Thiel: Diesem Thema räumen wir einen extrem hohen Stellenwert ein, weil die Gateways mit den mobilen Endgeräten kommunizieren. Der Datenaustausch ist durch Passwörter und Kennungen geschützt, sodass der Kunde von seinem mobilen Endgerät auf das Gerät sicher zugreifen kann. Als einziges Risiko bleibt, dass das Passwort für das mobile Endgerät irgendwo ersichtlich ist. Aber schließlich ist es überall so, dass die Sicherheit weg ist, wenn ich meine PIN rumliegen lasse. Wenn das Passwort verloren geht, kann der Kunde das Gerät manuell zurückstellen. Die Gateways werden mit einem hinterlegten Passwort geliefert, das der Kunde selbst ändern kann. Wenn ich über das Internet zugreife, dann läuft das über einen Bosch-Server mit doppeltem Passwortschutz.

SBZ: Welchen regenerativen Energien trauen Sie für die nächsten Jahre das größte Marktpotenzial zu?

Thiel: Als Komplettanbieter stelle ich nicht die eine Technologie über die andere. Alle Technologien haben ihre Berechtigung und deshalb haben wir auch alle im Programm. Wir wollen eine technologieunabhängige Beratung anbieten, die die beste Lösung für die jeweilige Anwendung findet. Persönlich bin ich aber Brennstoffzellen-Fan. Buderus kooperiert mit dem japanischen Unternehmen Aisin Seiki, das schon seit Jahren mit Brennstoffzellentechnik erfolgreich im Markt ist. Derzeit läuft ein gemeinsames Entwicklungsprojekt. Die Markteinführung ist für 2016 angesetzt.

SBZ: Uwe Glock, Vorsitzender des Bereichsvorstands Bosch Thermotechnik, sprach kürzlich von einer neuen Gas-Ära bis zum Ende der Dekade, weil sich Strom im Verhältnis zu Gas schneller verteuern wird. Gibt es da einen Handlungsbedarf für unsere Branche?

Thiel: Die Trends gehen dahin, allerdings ist das eine mehr weltweite Sichtweise. Hier sehen wir einen schrumpfenden Markt für Öl, allerdings auf sehr hohem Niveau. Für Gas sehen wir ein steigendes Niveau, vor allem im Gebäudebestand. Im Neubau sehen wir eher die stromnahen Lösungen. Uwe Glock sprach deshalb von einer Dekade des Gases. Dafür haben wir die Technologie im Angebot und das Handwerk ist ebenfalls sehr gut positioniert. Wichtig ist, solche Trends zu sehen, damit wir frühzeitig erkennen, auf was der Kunde Wert legen wird.

SBZ: Sie waren bis Ende Mai in der PV-Sparte des Bosch-Konzerns. Dort wurde in der letzten Zeit kräftig abgebaut. Können Sie uns erzählen, wohin sich der PV-Bereich von Bosch und insbesondere von Buderus entwickeln wird?

Thiel: PV-Strom ist heute aufgrund des Drucks vom Ausland und der Verbesserung der Produktionstechnologien so günstig geworden, dass es dafür auf jeden Fall einen Markt geben wird. Aber die Zeit für die bisherigen Geschäftsmodelle, bei denen PV-Anlagen reine Investitionsobjekte waren, sind vorbei. Jetzt geht es um Lösungen, wie man selbst erzeugten Strom in ein energetisches Konzept für das Haus einbindet. Weiterhin hat der PV-Strom auch seine Berechtigung für die Warmwasserbereitung oder die Kühlung. Leider wird sich dieser Markt – zumindest was die Module selbst anbelangt – ohne große deutsche Herstellerbeteiligung weiterentwickeln. Wir als Bosch haben aber nach wie vor unsere Wechselrichter, die wir auch als Herzstück der PV-Anlage sehen. Dort steckt die Intelligenz. Als Buderus im Besonderen haben wir unser Programm Logavolt, wo wir aber keine einzelnen Komponenten, sondern Systeme anbieten.

SBZ: Ein mit viel Öffentlichkeitsarbeit begleitetes Projekt von Buderus sind die Energie-Plus-Häuser. Wie ist da der Stand und welche Konzepte haben sich bislang am besten bewährt?

Thiel: Wir haben jetzt über ein Jahr Erfahrungen in der Praxis gesammelt. Die Häuser sind bewohnt und produzieren Energie. Die Konzepte könnten vervielfältigt werden, aber die Kunden sind noch nicht bereit dafür. Ein Beispiel: Wir haben ein Haus im Bergischen Land mit Standardkomponenten ausgerüstet. Dieses hat in einem Jahr 2000kWh erwirtschaftet. Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen machen wir individuell für jedes Haus, denn in Südbayern ist der solare Ertrag höher als im Norden. Die Pay-Back-Zeiten sind gut, aber der Bauherr muss zunächst einiges Geld in die Hand nehmen. Für detaillierte Veröffentlichungen ist es noch zu früh, weil wir alle Häuser mindestens ein Jahr im Monitoring haben wollen.

SBZ: Auf der ISH hatten Sie den Sa­nierungssimulator effizienzhaus-online.de vorgestellt, der vorhin schon angeklungen ist. Mit diesem Tool sollen Endkunden und Handwerker verschiedene Varianten der energetischen Sanierung durchrechnen können. Wie kommt das an?

Thiel: Der Simulator ist online und wird von den Zielgruppen genutzt. Es werden auch schon Heizungsbauer von Endkunden aufgrund dieses Portals angerufen. Die Kunden sagen dann, sie hätten sich da etwas zusammengebastelt, und fragen, ob sie das von ihrem Handwerker haben können. Bislang sind wir überwiegend noch in der Pilotphase. Wenn unsere Außendienstler das Thema in ihren Regionen auch im privaten Bereich oder in ihren Vereinen forcieren, können wir in der Tat einen solchen Sog vom Markt deutlich erkennen.

SBZ: Obwohl die Heizungsindustrie viel unternimmt, um den Endkunden die energetische Sanierung schmackhafter zu machen, geben die Leute ihr Geld lieber für Bäder aus. Machen die Heizer etwas falsch?

Thiel: Vielleicht spiegeln solche Beobachtungen auch einfach nur die Tatsache wider, dass sich für Badprodukte grundsätzlich mehr Geld ausgeben lässt. Wenn ich mit unseren Handwerkern rede, bestätigt sich immer wieder ein Verhältnis der Umsätze zwischen Bad und Heizung zu rund 70/30 und das ändert sich über die Zeit auch kaum. Ein Grund für diese Unterschiede dürften auch Emotionen sein, die mit einem neuen Bad einfach leichter zu entfachen sind. Vielleicht können wir jetzt etwas mit unseren Apps befördern: Wenn ich in der Kneipe sitze und kann meinen Kumpels sagen, was mein Buderus-System gerade veranstaltet, dann erzielt das schon Aufmerksamkeit. Auch sehen die Heizungen heute anders aus als früher. Sie genügen durchaus erhöhten optischen Ansprüchen. Ich denke, um die Frage abschließend zu beantworten, dass unsere Branche grundsätzlich nichts falsch macht.

SBZ: Spüren Sie aktuelle Auswirkungen durch die Schuldenkrise und wie wird sich der Markt Ihrer Meinung nach längerfristig entwickeln?

Thiel: Die Schuldenkrise und das Zinsniveau haben schon Auswirkungen auf die Investi­tionswilligkeit in Deutschland. Die ist besser als sonst und das merken wir auch. Auf lange Sicht bleibe ich aber ebenfalls optimistisch. Wir befriedigen ein Grundbedürfnis und wir haben einen Markt, wo wir als Hersteller und als Handwerker mit gleichen Waffen kämpfen. Ich komme aus einem Markt, wo mit ungleichen Waffen gekämpft wird – ich spreche hier zum Beispiel die PV-Subventionen in China an. Der Heizungsmarkt ist von Fairness geprägt und da macht der Wettbewerb auch noch Spaß.

SBZ: An dieser Stelle dürfte der richtige Zeitpunkt für eine eher persönliche Schlussfrage sein. Wie haben Sie sich nach dem Weggang aus dem PV-Bereich in die Heiztechnik so eingelebt?

Thiel: Vor einem Jahr konnte ich mir noch nicht vorstellen, dass ich mal über Heizung mit Begeisterung reden kann. Ich bin branchenfremd hereingekommen und habe gesehen, was es hier alles gibt. Wir haben Trucks als Infomobile draußen, wo man die Produkte im Betrieb erleben kann, wir haben Schulungszentren in ganz Deutschland und vieles mehr. Das sind traumhafte Bedingungen. Es ist wohl ein etablierter Markt, der seit Jahrhunderten gewachsen ist, aber ich bin mir sicher, dass unsere Themen nie langweilig werden. Energie ist ein überaus wichtiges Themenfeld, das sowohl technisch als auch politisch spannend bleiben wird.

SBZ: Da bin ich mir auch sicher und hoffe, dass von Ihrer Begeisterung für die Heizungsbranche jetzt auch etwas bei unseren Lesern bleibt. Vielen Dank für das interessante Gespräch.