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IEU-Modernisierungskompass 2011

Klimaschutz muss auch bezahlbar sein

Inhalt

Das Energiekonzept der Bundesregierung beschreibt für den Gebäudebestand das zentrale Ziel, den Wärmebedarf langfristig soweit zu senken, dass er bis 2050 „nahezu klimaneutral“ ist. Klimaneutral bedeutet laut Energiekonzept, dass die Gebäude nur noch einen sehr geringen Energiebedarf aufweisen und der verbleibende Energiebedarf überwiegend durch erneuerbare Energien gedeckt wird. Eine Formulierung, die dicht an der Beschreibung des Niedrigstenergiegebäudes in der EU-Gebäuderichtlinie liegt. Die EU-Gebäuderichtlinie definiert allerdings einen Standard für Neubauten, den die Mitgliedstaaten ab 2015 mit einem ersten Schritt und bis 2021 vollständig – unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots – umsetzen müssen.

Neuer strategischer Ansatz nötig

Einen Weg bis 2050 enthält das Energiekonzept noch nicht, resümiert aber, dass „der Anwendung des Ordnungsrechts insbesondere im Bestand mit Hinblick auf die wirtschaftlichen Belastungen der Eigentümer Grenzen gesetzt sind. Mit einem „Weiter so“ im bisherigen Instrumentenmix kommen wir nicht voran. Um die technisch-wirtschaftlichen Möglichkeiten der energetischen Sanierung des Gebäudebestands zu nutzen, ist ein neuer strategischer Ansatz notwendig. In Zukunft kommt es darauf an, dass im Interesse der Eigentümer der geforderte Sanierungsbedarf langfristig definiert wird, damit er diesen bei seinen Plänen für Investitionen berücksichtigen kann.“

Konkretisieren soll dies die EnEV 2012. Der „Sanierungsfahrplan für Gebäude im Bestand“ soll dann zwischen 2020 und 2050 stufenweise den Primärenergiebedarf um 80 % senken. Die erste Benchmark laut Energiekonzept ist allerdings, bis 2020 den Wärmebedarf (im Gebäudebestand) um 20 % zu reduzieren. Nimmt man statt des Wärmebedarfs ersatzweise eine Minderung des Brennstoffverbrauchs als Ziel an, ergibt sich eine fast schon paradoxe Situation: Nahezu jedes Gebäude würde eine höhere Verbrauchsminderung erreichen, wenn ausschließlich die Heizungsanlage auf den Stand der Technik gebracht wird. Bei etwa 75 % aller Heizungsanlagen wird aufgrund des Alters und der eingesetzten Technik sogar ein höheres Energieeinsparpotenzial vermutet. Wirksam gefördert wird dies von der Bundesregierung allerdings nicht.

Ohne Zweifel kann der Energieverbrauch weiter reduziert werden, wenn die Gebäudehülle auf den neuesten Stand gebracht wird oder wenn Gebäudehülle und Anlagentechnik mit einem integralen Gesamtkonzept energetisch modernisiert werden. Um dies in die Breite zu tragen, muss man allerdings fragen: Können sich die Eigentümer das auch leisten und welche Sanierungsmaßnahmen (Bild 1) rechnen sich in einem vertretbaren Zeitraum?

Klimaschutz darf Bewohner nicht überfordern

Wissenschaftlich untersucht wurde dies jetzt im Auftrag der Initiative Erdgas pro Umwelt. Die Ergebnisse wurden im IEU-Modernisierungskompass 2011 veröffentlicht. Bernhard Funk, Sprecher der Initiative: „Mit dem Modernisierungskompass wollen wir aufzeigen, wie Hausbesitzer in Deutschland in energetische Sanierung investieren können, ohne dabei überfordert zu werden. Dämmmaßnahmen treiben die Wohnkosten der Familien in die Höhe. Mit einer Modernisierung der Heizungsanlage lassen sich die Wohnkosten häufig sogar senken.“

Für sieben charakteristische Haushaltstypen hat das Institut für Wohnungswesen, Immobilienwirtschaft, Stadt- und Regionalentwicklung (InWIS) in Bochum eine Kosten-Nutzen-Rechnung aufgestellt. Untersucht wurden 13 Sanierungsmaßnahmen. Vor allem komplexe Maßnahmen, wie die Kombination aus Dämmung und einem Austausch der Heizungsanlage verursachen sehr hohe Investitionen, die sich nur langfristig durch die eingesparten Energie- und Instandhaltungskosten refinanzieren. Das bedeutet, dass vorwiegend ältere und einkommensschwache Haushalte eine Vielzahl der energetischen Optimierungsmöglichkeiten bereits aus rein wirtschaftlichen Gründen nicht in Betracht ziehen werden.

Haushaltstyp bestimmt was machbar ist

Für verschiedene Haushaltstypen sind somit unterschiedliche Maßnahmen sinnvoll. Eine junge Familie kann beispielsweise allein durch den Austausch der Heizungsanlage ihre Wohnkosten deutlich und dauerhaft senken (Bild 2). Die Einsparung kann Spielraum für eine spätere Dämmung schaffen, die sich aufgrund der langen Wohndauer im eigenen Heim für diesen Haushaltstyp langfristig rechnet. Für einen einkommensschwachen Rentnerhaushalt ist der Tausch der Heizungsanlage jedoch die einzige Option, um seine Energiekosten ohne deutliche Mehrbelastung auf einem annehmbaren Niveau zu halten (Bild 3).

Laut der Studie ist Erdgas-Brennwerttechnik für alle sieben betrachteten Haushaltstypen mit dem geringsten Investitionsvolumen und der kürzesten Amortisationsdauer verbunden (Bild 4). Auch von Haushalten mit knappen Mitteln ist sie realisierbar und eine sehr preisgünstige Maßnahme zur Senkung der CO2-Emissionen. Der Austausch der Heizungsanlage gegen eine Erdgas-Brennwertheizung mit solarer Trinkwassererwärmung und Heizungsunterstützung belegt im Vergleich der betrachteten Alternativen den zweiten Platz. Die Durchführung umfangreicher Dämmmaßnahmen an der thermischen Hülle des Gebäudes ist für alle sieben Haushaltstypen im Betrachtungshorizont von 30 Jahren nur wirtschaftlich, wenn gleichzeitig die Heizanlage erneuert wird (Bild 5).

Das Fünf-Punkte-Programm

Der IEU-Modernisierungskompass 2011 bildet eine fundierte wissenschaftliche Basis zu den Auswirkungen der Klimaziele im Energiekonzept für die deutschen Haushalte. Aus den Ergebnissen hat die IEU ein Fünf-Punkte-Programm als Handlungsempfehlung für die Politik abgeleitet:

1. „Klimaschutz muss bezahlbar sein. Denn nur so besteht die Möglichkeit, dass die notwendigen Maßnahmen ohne Zwang und mit breiter Akzeptanz durchgeführt und die Haushalte nicht finanziell überfordert werden.

2. Das Potenzial von Erdgas und etablierten Heiztechnologien muss genutzt werden – beispielsweise mit Erdgas-Brennwerttechnik.

3. Die Förderung sollte sich in erster Linie an der CO2-Einsparung orientieren, die eine Sanierungsmaßnahme erzielt. Beim Tausch einer alten gegen eine moderne Heizung lässt sich die Einsparung konkret beziffern.

4. Die Fördermittel müssen einfach zu beantragen und verlässlich verfügbar sein. Wir benötigen eine grüne Welle für einfache und konstante Förderbedingungen.

5. Das Förderengagement muss verdoppelt werden, um auch das Modernisierungstempo in Deutschland zu verdoppeln. Die Wirksamkeit stärkerer Anreize ist aus vorangegangenen Förderprogrammen erwiesen.““

Zu konkreten Fördervorschlägen wollte sich die IEU bei der Präsentation des Modernisierungskompasses nicht äußern, fordert aber, die vorhandenen Mittel technologie­offen(er) einzusetzen. Die Untersuchungen zur Bezahlbarkeit von Modernisierungsmaßnahmen zeigen, dass die steuerliche Abschreibung – seit Jahren von der Heizungsindustrie gefordert – nach klassischem Modell nicht sehr gut geeignet ist: Bei einkommensstarken Haushalten ist der Förderbedarf aufgrund der Lebensumstände geringer als bei einkommensschwachen Haushalten. JV

INFO

IEU-Modernisierungskompass 2011

Um die Ziele des Energiekonzepts umzusetzen, muss der Primärenergieverbrauch im Gebäudebestand deutlich reduziert werden. Der IEU-Modernisierungskompass 2011 berücksichtigt die Bezahlbarkeit von Modernisierungsmaßnahmen. Er zeigt auf, dass für einkommensschwache Haushalte eine umfassende Dämmung aus den Einsparungen nicht finanzierbar ist.

Der Austausch ineffizienter, veralteter Heiztechnik benötigt die geringsten Investitionen, amortisiert sich vergleichsweise schnell und senkt bei vielen typischen Haushalten die Wohnkosten bzw. führt nur zu einer minimalen Erhöhung.

Den Ergebnisbericht des Instituts für Wohnungswesen, Immobi­lienwirtschaft, Stadt- und Regionalentwicklung (InWIS) zur Bezahlbarkeit energetischer Modernisierungen mit detaillierten Angaben zu Modellhaushalten, Einsparungen und Kosten der Maßnahmen, den Betriebskosten sowie ein aktualisierter Ergebnisbericht des ITG Institut für Technische Gebäudeausrüstung Dresden mit den zugrunde liegenden Gebäuden gibt es zum Download. https://www.ieu.de/