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Jahresarbeitszahlen in der Praxis

So schneidet die Wärmepumpe im Realitäts-Check ab

Bild: Wagnitz

Eine wichtige Aussage vorweg: Ohne ordentliche Planung kommt man bei einer Wärmepumpe nicht weiter. Nur wenn man Heizlast, hydraulischen Abgleich und benötigte Temperaturen richtig berechnet hat und mit diesen Werten dann die Wärmepumpe auslegt, wird man zu einem guten Ergebnis kommen.

Dabei muss man dann auch mit realistischen Raumtemperaturen rechnen, damit der Kunde die Heizkurve später nicht nach oben verschieben muss. Die bei der Planung ermittelten Werte müssen auch bei der Ausführung berücksichtigt werden. Im Rahmen der Wartung muss man natürlich auch die Effizienz des Betriebes im Blick haben. Seitens der Verbandsorganisation gibt es entsprechende Hilfsmittel und Schulungen. Die korrekte Planung, Ausführung und Wartung bzw. den sachgerechten Betrieb setzt dieser Artikel voraus.

„Bemerkbar macht sich sofort die nicht-Berücksichtigung der Sperrzeiten.“

Am besten nähert man sich dem Thema an einem konkreten Objekt mit echten Messdaten. In unserem Beispiel ein Einfamilienhaus:

  • ca. 10,5 kW Heizlast
  • Luft/Wasser-Wärmepumpe
  • Auslegungs-Vorlauftemperatur 57 °C
  • Berechnete Jahresarbeitszahl 4,02 bei Warmwassertemperatur 50 °C einschl. Heizstabeinsatz. Der Heizstab deckt am Auslegungstag ca. 1,5 kW ab. Die Sperrzeiten sind hierbei nicht berücksichtigt.
  • Die gemessene Jahresarbeitszahl JAZ beträgt laut Regelung der Wärmepumpe für Heizung 3,8 und für Warmwasser 3,3 bei 55 °C. Die Gesamt-JAZ ist in der Regelung nicht unmittelbar abzulesen, ergibt sich aber mittels Taschenrechner zu: 3,68.
  • Wichtige Info: Mit der Wärmepumpe wird nicht gekühlt (das soll später nachgerüstet werden).
  • Zur Erinnerung: Die Jahresarbeitszahl oder auch JAZ (bzw. SCOP) beschreibt das Verhältnis von erhaltener Wärme und eingesetztem Strom über ein ganzes Jahr. Es ist eine Rechengröße, die bestimmte Randbedingungen einbezieht, etwa die für den jeweiligen Aufstellort typische Heizperiode. Die gemessene Jahresarbeitszahl beinhaltet dagegen alle tatsächlich im Betrieb auftretenden Zustände. Gibt es zum Beispiel einen überdurchschnittlich kalten Winter, ist das gemessene Ergebnis voraussichtlich schlechter als das berechnete, weil über längere Zeiträume höhere und damit ineffizientere Vorlauftemperaturen benötigt werden. Entsprechende Einflüsse in alle Richtungen gibt es zum Beispiel bei warmen Wintern, einem höheren oder niedrigen Anteil des Warmwasserbedarfes, höheren/niedrigeren Warmwassertemperaturen und so weiter. Gemessene Werte sind praktisch nie gleich den berechneten Werten. Letztere sind gewissermaßen keine genaue Prognose, sondern eine sinnvolle Abschätzung.

    Ebenso schwierig ist die Bewertung einer konkreten Messung. Allein die Einschätzung „aus dem Bauch heraus“, ob es sich um einen durchschnittlichen oder besonders warmen/kalten Winter gehandelt hat, dürfte in vielen Fällen schwierig sein.

    Auf den ersten Blick sind die gemessenen Jahresarbeitszahlen aus unserem Beispiel gut, wie der Text im weiteren Verlauf zeigen wird. Es gibt aber eine Differenz zur Berechnung, die immerhin einen Mehrverbrauch in einer Größenordnung von 10 % nahelegen würde. Aber der Reihe nach: Gehen wir einfach die gängigen Einflussgrößen durch und sehen uns den Einfluss auf die JAZ an. Wer die Berechnungen mit seiner „Lieblingswärmepumpe“ nachvollziehen möchte: Ein passender Internetrechner des Bundesverbands Wärmepumpe (BWP) findet sich unter www.waermepumpe.de/jazrechner.

    Einflussgröße 1: Raumtemperatur/ Vorlauftemperatur

    Ausgangslage: Die Innenraumtemperatur wurde bei der Heizlastberechnung mit 20 °C angesetzt und daraus eine Vorlauftemperatur von 57 °C ermittelt. Der Führungsraum hat ca. 20, 5°C (gemessen laut Regelung, die auch eine Temperaturaufschaltung hat). In diesem Beispiel sind die Vorschläge aus der DIN EN 12831 also realistisch und zutreffend. Die resultierende Vorlauftemperatur kommt mit 57 °C am Auslegungspunkt recht gut hin. Hier ist in unserem Fall somit kein ernsthafter Einfluss auf die JAZ zu erwarten, Berechnung und Realität liegen in diesem Punkt dicht beieinander.

    Allerdings fällt an der Stelle auf, dass der Jahresarbeitszahlrechner des BWP bei 55 °C Vorlauftemperatur aufhört. Heißt für die Praxis: Die gemessene Jahresarbeitszahl wird im Vergleich zur berechneten leicht nach unten abweichen, weil die berechnete Vorlauftemperatur im Rechentool nicht abgebildet werden kann (eine persönliche Anmerkung dazu: Vor dem Hintergrund, dass manche Hersteller am liebsten Wärmepumpen überall sehen würden, „Kessel raus – Wärmepumpe rein“, sollte der BWP-Rechner dringend bis auf 70 °C erweitert werden). Erkenntnis: Für unsere Betrachtung am konkreten Beispiel übergehen wir die kleine Abweichung von 57 °C zu 55 °C Vorlauftemperatur.

    Einflussgröße 2: Berücksichtigung der Sperrzeiten

    Die zuerst rechnerisch ermittelte Jahresarbeitszahl berücksichtigte nicht die Sperrzeiten. Dass kann man auch als Planungsfehler werten, weil bei dem betrachteten Objekt tatsächlich ein Wärmepumpentarif in Anspruch genommen wurde. In diesem Fall sind 2 x 1,5 Stunden zu berücksichtigen. Die zu liefernde Wärmemenge über den Tag wird also nicht in 24 Stunden erzeugt, sondern muss in 21 Stunden erzeugt werden. Entsprechend steigt die Leistung am Auslegungspunkt. Das bedeutet: Der Bivalenzpunkt verschiebt sich nach rechts, der Heizstab geht früher in Betrieb, die Effizienz sinkt. Erkenntnis: Hier muss bezüglich der Berechnung der Jahresarbeitszahl nachgebessert werden.

    Einflussgröße 3: Warmwassertemperatur und Hygiene

    Ausgangslage: Der Speicher wird nicht, wie häufig üblich, mit 50 °C betrieben. Vor dem Hintergrund der Hygiene wurden hingegen 55 °C gewählt. Erkenntnis: Das verschlechtert die Effizienz und sollte bei der Berechnung der Jahresarbeitszahl nachgebessert werden.

    Einflussgröße 4: Anteil der Warmwasserbereitung

    Ausgangslage: Der Wärmepumpenrechner des BWP hat als Voreinstellung 18 % Anteil für die Warmwasserbereitung am Jahresverbrauch vorgesehen. Dieser Wert ist im Rechner einstellbar. Aber in der Regel wird man ihn nicht kennen. In unserem konkreten Fall liegt er tatsächlich bei 23 %, wie sich mit etwas Mühe aus der Anzeige der Heizungsregelung errechnen lässt. Erkenntnis: Der Warmwasseranteil ist in der Praxis höher als angenommen, die Effizienz der Anlage ist damit schlechter als ursprünglich erwartet. Auch hier muss die Berechnung der Jahresarbeitszahl nach unten korrigiert werden.

    Die errechnete JAZ von 4.02 wird bei genauerer Betrachtung durhc einige Einflussfaktoren ein Stück weit geschmälert auf 3,72. In dem den Werten zu Grunde liegenden Beispiel kommt sie nah ran an die tatsächlich gemessene Jaz von 3,68.

    Bild: Wagnitz

    Die errechnete JAZ von 4.02 wird bei genauerer
    Betrachtung durhc einige Einflussfaktoren ein Stück weit geschmälert auf 3,72. In dem den Werten zu Grunde
    liegenden Beispiel kommt sie nah ran an die tatsächlich gemessene Jaz von 3,68.

    Zusammenfassung der Einflüsse

    Die ursprünglich rechnerisch ermittelte Jahresarbeitszahl lag bei 4,02. Bemerkbar macht sich beim Annähern an die Realität sofort die Nichtberücksichtigung der Sperrzeiten. Da diese für die Auslegung ohnehin benötigt werden, ist eine realitätsnähere Auslegung ohne weiteren Mehraufwand möglich. Die „erhöhte“ Warmwassertemperatur, die aus Hygienegründen eigentlich als eher niedrig zu bewerten wäre, kann und sollte im Kundengespräch dokumentiert werden.

    „Ist der Warmwasseranteil in der Praxis höher als
    angenommen, ist die Effizienz der Anlage damit schlechter als ursprünglich erwartet.“

    Der Anteil der WW-Bereitung ist praktisch nicht vorherzusehen. Das hat zwei Gründe: Man kann zwar eventuell den alten Warmwasserverbrauch ermitteln, wenn denn ein entsprechender Wasserzähler vorhanden sein sollte. Ob der Verbrauch im nächsten Jahr noch genau so ist, ist zweifelhaft. Es gibt zwar diverse Simulationstools, die minutengenau den Verbrauch aufzählen. Da wird im Zweifelsfall auch der Wasserverbrauch für das Bodenwischen simuliert (das ist kein Witz). Wenn man ehrlich ist, ist das aber nichts anderes als Raten mit drei Stellen hinter dem Komma.

    Darüber hinaus kennt man die Wärmemenge für die Beheizung vorab auch nicht. Auch hier üben Faktoren Einflüsse aus, etwa das Wetter oder der Nutzer an sich. Um es verständlich zu formulieren: Der gleiche Warmwasserverbrauch würde im Passivhaus einen prozentual deutlich größeren Anteil an der Beheizung ausmachen als im unsanierten Altbau. Der gleiche Mechanismus mit natürlich reduziertem Einfluss greift bei ein und demselben Gebäude und wärmeren bzw. kälteren Gebäuden. Aber ehrlich: Diese Summe an Einflüssen überblickt am Ende keiner mehr. Deshalb gilt: Der WW-Anteil kann letztlich vorab nur näherungsweise geschätzt werden.

    Zur Erinnerung: Wir besprechen hier Werte, wie sie an einem konkreten Objekt berechnet bzw. gemessen wurden. Die Übereinstimmung zwischen der tatsächlich gemessenen JAZ und der um weitere Einflussgrößen nachberechneten Jahresarbeitszahl ist überraschend. Es ergibt sich in diesem Fall eine Abweichung in der Größenordnung von lediglich 1 %. Man erkennt, dass die theoretische und die gemessene Jahresarbeitszahl durchaus in Deckung gebracht werden können. Das sollte aber nicht der Maßstab für alle Gebäude sein. Denn was jetzt nicht eindeutig erfasst ist, ist der Einfluss des jeweiligen Wetters über das Jahr. Die Wärmepumpe in diesem Vergleich läuft erst seit etwas mehr als 1,5 Jahren und eine Heizperiode.

    Dazu üben noch weitere Faktoren bzw. bauliche Gegebenheiten Einfluss auf die tatsächlich JAZ im Betrieb der Wärmepumpe aus. Wenn man die Betrachtung noch etwas komplizierter gestalten möchte: Im Keller des Gebäudes befinden sich zwei Räume mit einem relativ hohen Anteil an der Heizlast, die aber nur zeitweise und dann bei geringerer Raumtemperatur als für die Berechnung angenommen laufen. Damit ist die typische Gebäudeheizlast mit Nutzung deutlich niedriger. Das verschiebt den Bivalenzpunkt dann wieder in Richtung der Auslegungstemperaturen nach links.

    Aufgrund der untypischen Nutzung lässt sich das aber überhaupt nicht vorhersehen. Hinter der Eingangstür des betrachteten Gebäudes befindet sich außerdem ein relativ großes Treppenhaus, das auf Raumtemperatur geheizt wird. Das Bedürfnis – zumindest der jugendlichen Bewohner –, diese Tür im Frühherbst und Frühling nicht offen stehen zu lassen, wäre eher als zurückhaltend einzustufen. Dieses Verhalten erhöht die benötigte Wärmemenge entsprechend. Außerdem gibt es eine relativ lange Zirkulationsleitung. Die hier geschilderte extrem genaue Übereinstimmung von nachberechneter JAZ 3,72 und gemessener JAZ 3,68 sollte daher schon als Sonderfall betrachtet werden.

    Fazit

    Es lohnt sich, in die Ermittlung der Jahresarbeitszahl etwas Zeit zu investieren. Denn eine relative Annäherung an die zu erwartende Jahresarbeitszahl ist möglich. Aufgrund der diversen Einflüsse, zum Beispiel aus der tatsächlichen Nutzung der Räume und des Gebäudes, sollte man an die Übereinstimmung keine überzogenen Ansprüche stellen. Aufgrund der Ergebnisse der geschilderten Betrachtungen halte ich es für ratsam, erst bei Unterschieden von über 10 % nachzuforschen, ob die Abweichungen durch nicht vorhersehbares Nutzerverhalten oder durch einen Fehler in Planung oder Ausführung verursacht wurden.

    Manche Fehler lassen sich zumindest teilweise beheben, etwa der hydraulische Abgleich, Temperaturen falsch eingestellt, falsche Regelungseinstellungen. Insofern sollte man aus Angst nicht einfach wegsehen. Außerdem sollten bei der Wartung standardmäßig die Arbeitszahlen aufgenommen und bei Abweichungen im Laufe der Zeit Ursachenforschung betrieben werden. Hier steht sicherlich an erster Stelle die Einstellung der Temperaturen.

    Info

    Wärmepumpe in der Praxis: Realitäts-Check Jahresarbeitszahl

    Um die Wärmepumpe und ihren Verbrauch ranken sich Mythen. Das sorgt für Unruhe bei Handwerk und Kundschaft. Kern des Problems ist häufig die Unkenntnis, wie man mit Kennzahlen wie der Jahresarbeitszahl umgehen muss. Eine dreiteilige Artikelserie der SBZ schaut an diesem Punkt einmal genau hin.

    In Teil 1 dieser Artikelserie werden Abweichungen zwischen gemessenen und vorab berechneten
    Jahresarbeitszahlen untersucht.
    SBZ 11-2022

    In Teil 2 werden die Verbrauchszahlen des ersetzten Gaskessels mit den Verbräuchen der Wärmepumpe verglichen.
    SBZ 13-2022

    Teil 3 bietet Praxis-Tipps: Was muss bei einer Wärmepumpe anders als bei einem Kessel gemacht werden? SBZ 15-2022

    TIPP

    Hilfsmittel des ZVSHK und der SHK-Fachverbände

  • Wärmepumpenschulung – der ZVSHK bietet über sein Berufsförderungswerk
    Schulungen zum Thema Wärmepumpe an. Näher Informationen unter:
    www.berufsfoerderungswerk.org.
  • ZVPLAN – fachgerechte Planung und Optimierung von Heizungsanlagen, Schulungen werden von den Fachverbänden angeboten.
  • Formularmuster des ZVSHK: Hier finden sich u. a. Checklisten und Vordrucke für die Planung und Ausführung, zum Beispiel für die Absprache der Raumtemperaturen.
  • Regelwerk Heizung, Hydraulikschaltbilder Heizung: Wie wird eine Heizungsanlage geplant?
  • Alle Artikel sind im Onlineshop des ZVSHK zu finden (www.zvshk.de/onlineshop). Die Schulungen für die Optimierung/ZVPLAN werden über die Fachverbände angeboten.
  • Wasserbeschaffenheit in der Heizung/VDI 2035: Infobereich unter zvshk.de\vdi2035, u. a. mit Schulungsvideos und Fachinformation, Schulungen werden von den Fachverbänden angeboten.
  • Energiemanagement: Schulungen werden über die Fachverbände u. a. zum Thema KNX angeboten.
  • Autor

    Dr.-Ing. Matthias Wagnitz ist Referent für Energie und Wärmetechnik beim ZVSHK in Berlin.
    m.wagnitz@zvshk.de

    ZVSHK / Lehmann

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