Die Energiesystemwelt wird immer komplexer. Durch steigende Produktvielfalt, umfassende Planung von Systemen statt Einzelprodukten, Gesetzgebung, Förderprogramme etc. ist der Arbeitsaufwand für Fachhandwerker in den letzten Jahren immer weiter gestiegen. Dazu sind die Kunden selbstbewusster und besser informiert. Sie wissen um die generellen Möglichkeiten und formulieren Wünsche deutlich vielschichtiger. Auch das verlangt dem Fachhandwerker als beratendem Experten gegenüber dem Endkunden ein immer breiteres Spezialwissen ab.
Fragen von Endkunden, die nachvollziehbar wünschen, dass die Wärmepumpe den Strom aus der hauseigenen Photovoltaik(PV)-Anlage auch in jedem Fall nutzt, anstatt den Strom für geringes Entgelt in das öffentliche Stromnetz einzuspeisen, gehören dabei zum Alltag. Doch mit Fragen zur Einbindung eines künftigen Elektroautos in das Energiemanagement werden oft auch die Systemgrenzen der reinen Haustechnik für den Fachhandwerker überschritten.
Gerade im Gebäudebestand sind die Antworten auf diese Fragen zudem meist von der individuellen Ausstattung der Immobilie abhängig. So ist beispielsweise entscheidend, über welche PV-Anlage der Kunde verfügt und ob der Elektriker bei der Installation die passenden Kabel gelegt hat, um z. B. den Wechselrichter an die Wärmepumpe anzuschließen. Kommt in ein paar Jahren eine Ladesäule hinzu, muss geprüft werden, ob sich der selbst erzeugte Strom sinnvoll an beide Verbraucher weitergeben lässt. Wahrscheinlich muss dann bei Überschussstrom entschieden werden: Wärmepumpe oder Ladesäule aktivieren.
Gleichzeitig bereiten die Netzbetreiber den Rollout von intelligenten Messsystemen vor. Diese sind besser bekannt als Smart Meter und Smart Meter Gateway. Ändert das etwas bei der Einbindung einer Wärmepumpe? Müssen die Systeme noch separat verbunden werden, damit der Netzbetreiber die Werte von PV-Anlage, Wärmepumpe oder Ladesäule empfangen kann?
Herstellerübergreifende Kommunikation
Das Ziel des EEBUS-Standards ist es, all diese Fragen überflüssig zu machen, indem sich die Geräte herstellerübergreifend untereinander automatisch über wichtige Daten austauschen. So kann etwa jedes elektrische Gerät den Stromverbrauch an alle angeschlossenen Systeme melden. Smarte Gerätetechnologie sorgt zudem dafür, dass Informationen über die Art und Aufgabe der angeschlossenen Produkte weitervermittelt werden.
Ein Gerät im Haus- und Energietechniksystem meldet beispielsweise eine Leistungsaufnahme von 3,4 kW. Gleichzeitig wird aber über das EEBUS-Protokoll auch weitervermittelt, ob es sich z. B. um eine Wärmepumpe oder eine Ladesäule handelt. Ohne jede manuelle Konfiguration steht dadurch dem gesamten System die Information zur Verfügung: Die Leistungsaufnahme erfolgt durch eine Wärmepumpe. Dies trägt wiederum dazu bei, den zur Verfügung stehenden PV-Strom bestmöglich einzusetzen und so die Effizienz des Gesamtsystems zu maximieren.
Das USB-Protokoll der Energiewelt
Diese Art des automatisierten Datenaustausches ist bereits aus dem Alltag bekannt: Wer eine USB-Maus an einen PC anschließt, muss keinen Treiber mehr installieren. Erst recht ist es nicht erforderlich, die Maus zu konfigurieren, also beispielsweise dem PC zu melden, ob diese Maus drei oder fünf Tasten hat. Auch eine USB-Webcam kann direkt verwendet werden. Alle gängigen Betriebssysteme wie Windows, Linux und Mac OS funktionieren hier identisch.
Auch Bluetooth bietet diesen Komfort. Die Freisprechanlage im Auto lässt sich so leicht mit dem Mobiltelefon koppeln, weil beide sich auf die wesentlichen Daten beschränken und sich strikt an einen vorgegebenen, herstellerübergreifenden Standard in puncto „Befehle, Sprache und Vokabular“ halten.
Auch bei Wärmepumpen- und Heizungssystemen muss der Fachhandwerker nur einmalig die Kopplung durchführen. Dies geht mithilfe entsprechender Apps einfach von der Hand: EEBUS in den Einstellungen aktivieren, zu koppelndes Gerät auswählen, bestätigen – fertig.
Im gezeigten Beispiel (Bild 2) sind direkt nach der Kopplung PV-Ertragsdaten, Netzeinspeisung und die Autarkie (Verhältnis von Stromerzeugung und Stromverbrauch) in der Sensoapp von Vaillant sichtbar.
Theoretisch lassen sich die EEBUS-Daten über verschiedene Wege übertragen. Faktisch hat sich aber das Ethernet, also das lokale Datennetzwerk, durchgesetzt. Dadurch kann das WLAN oder LAN des Endkunden hierfür genutzt werden. Die übertragenen Datenmengen sind niedrig und alle Daten werden durch moderne kryptografische Verfahren verschlüsselt. Das heißt: Das kundeneigene Netz wird nicht durch hohe Datenmengen beeinträchtigt und für die Sicherheit ist ebenfalls gesorgt.
Optimierung des Eigenverbrauchs
Dabei erfolgt immer ein intelligenter Mix zwischen der Maximierung inhaltlicher Vorgaben, wie z. B. der Optimierung des Stromeigenverbrauchs, und der Priorisierung vorgegebener Ziele, wie z. B. einer bestimmten Warmwassertemperatur zu einer definierten Uhrzeit.
Ein Beispiel dazu: Die Wärmepumpensysteme von Vaillant können zwei verschiedene Speicher zur Eigenverbrauchsoptimierung nutzen – den Warmwasserspeicher oder den Heizungspufferspeicher. Für beide Speichertypen kann gezielt nach Kundenwunsch eingestellt werden, ob eine Überladung zu Zeiten hohen PV-Ertrages vorgenommen werden soll.
So wird beispielsweise verfügbarer PV-Strom vorrangig dazu genutzt, um den Warmwasserspeicher außerhalb der typischen Verbrauchszeitfenster zu erwärmen. Wenn der Warmwasserspeicher bis zum Sollwert geladen ist und weiterhin selbst erzeugter PV-Strom zur Verfügung steht, wird der Warmwasserspeicher innerhalb des Zeitfensters über den Sollwert hinaus mit Solarenergie erwärmt und die elektrische Energie quasi in Form von Wärme gespeichert. Alle Einstellungen zu Zeitfenstern und Temperaturen werden also auch im gekoppelten System grundsätzlich vollständig umgesetzt. Die gewählten Komforteinstellungen haben immer die höchste Priorität.
Der Endkunde hat auch hier über die zugehörige App jederzeit eine Eingriffsmöglichkeit, wenn er diese Funktion einzeln deaktivieren möchte. In einer zweiten Ebene stehen ausschließlich für den Fachhandwerker zahlreiche Detaileinstellungen zur Verfügung. Dadurch kann beispielsweise im Fehlerfall die Ursache schnell und systematisch eingegrenzt werden.
Auch sonst ist die Konfiguration so gestaltet, dass elektrische Komponenten wie die Ladesäule für ein Elektroauto auf der Seite des Energiemanagers konfiguriert werden können. Für Bestandsgebäude mit bestehender PV-Installation und Ladesäule ist es dann besonders einfach, eine Wärmepumpe in dieses System einzubinden.
Systeme Schritt für Schritt aufbauen
Durch das flexible EEBUS-Protokoll lassen sich zukünftig auch über diese Grenzen hinaus immer mehr Daten automatisch austauschen, egal welcher Aspekt heutiger Energiesysteme betroffen ist: Kunden, die mit PV und Wärmepumpe starten, können also auch später noch einen Batteriespeicher in das Gesamtsystem einbinden. Wird künftig durch den Netzbetreiber ein intelligentes Messsystem installiert, dann kann dieses in vielen Fällen ebenfalls über das EEBUS-Protokoll mit Wärmepumpe oder Energiemanager kommunizieren. Gleiches gilt für die Ladesäule und viele weitere Systeme.
Sollte die Datenkommunikation einmal vorübergehend gestört sein, arbeitet die Wärmepumpe weiter und auch die PV-Anlage kann weiter Energie produzieren und einspeisen. Das System ist so aufgebaut, dass alle rechtlichen Bestimmungen immer eingehalten werden: Ein eingestelltes Programm zum Legionellenschutz hat zum Beispiel ganz klar Priorität vor der Einsparung von Energie. Das EEBUS-Protokoll bietet also einen Mehrwert, ohne Abhängigkeiten aufzubauen oder die Komplexität zu erhöhen.
Fazit
Immer mehr Firmen werden Mitglied der EEBus Initiative e. V. Dieser Verein begleitet und moderiert die Spezifikation und Standardisierung professionell. Alle wichtigen Branchen der Energiewelt sind vertreten: Hersteller aus den Bereichen Automobil und Ladesäulen, Energiemanagement und Messtechnik, Wechselrichter, Heizungs- und Klimatechnik, Energieversorgung, Heimautomatisierung, weiße Ware, Beleuchtung sowie Software und Technologie.
Sie sorgen dafür, dass der Standard weiterentwickelt und der Mehrwert für Endkunden wie Fachhandwerker stetig verbessert wird. Das EEBUS-Protokoll hat sich in Deutschland als wichtiger Standard durchgesetzt und wird ständig um Funktionen erweitert. Der Einstieg ist für Fachhandwerker besonders einfach und erlaubt den Fokus auf das Kerngeschäft.
Beispiel
Herstellerübergreifendes System mit EEBUS
Das unten dargestellte System zeigt, wie mehrere Komponenten im Heimnetzwerk über EEBUS verbunden sind. Das Wärmepumpensystem von Vaillant kann unter anderem die aktuelle Leistungsaufnahme melden und Energiemanagementfunktionen für mehr
Eigenverbrauch anbieten. Der SMA-Energiemanager leitet die aktuellen Erzeugungsdaten des Wechselrichters weiter. Er misst zusätzlich die Energieflüsse am Netzanschlusspunkt und kann daher auch Netzbezug oder Einspeisung über EEBUS übermitteln.
All diese Daten werden dann live in der Sensoapp von Vaillant angezeigt und können über jedes internetfähige Endgerät weltweit abgerufen werden. Darüber hinaus erfolgt neben der reinen Datenübermittlung u. a. auch die Steigerung der Effizienz – z. B. durch die Nutzung überschüssigen PV-Stroms zur Produktion und Speicherung von Wärmeenergie, die bei Bedarf flexibel abgerufen werden kann.
Bei Vaillant sind alle modernen Wärmepumpen direkt mit dem EEBUS-Protokoll kompatibel. Lizenzen müssen nicht erworben werden. Weitere Informationen unter
→ www.vaillant.de/heizung/produkte/vernetzte-systeme/eebus/
Info
Artikelserie: Smart Living im Heizungsmarkt
Diese Artikelserie dient dem SHK-Unternehmer zur Orientierung und führt schrittweise in das Thema Smart Living ein. Angefangen bei der Nutzung einfacher Hersteller-Apps über die Einbindung des Wärmeerzeugers in ein Energiemanagement bis hin zur Erweiterung auf das ganze Gebäude in Richtung des integrierten Gebäudeenergiemanagements werden die aktuellen technischen Möglichkeiten vorgestellt. Die Serie gibt einen Überblick, für welchen Kunden sich welche Technik eignet und welche Schulungsangebote der SHK-Fachhandwerker jeweils nutzen kann.
→ SBZ 01-21