Die Solarthermie besitzt in der SHK-Branche wahrlich keinen guten Leumund. Obgleich sie über ein Mehrfaches an technischem Wirkungsgrad verfügt, wird bei Solarenergie gerade in letzter Zeit gemeinhin nur die Photovoltaik gemeint. Dass sich die Solarthermie nicht rechne, wird teilweise sogar schon den Lehrlingen beigebracht. Gleichfalls spielt diese Technologie in den Berufsschulen oftmals eine untergeordnete Rolle. In keinem anderen Kontext wurde dieses Mantra mehr verbreitet als auf die Solarthermie bezogen und sehr exklusiv mit dem Diktum der „Amortisationszeit“ belegt.
Die Wärmeübergabe an den Raum kann heute längst – der Energieeinsparverordnung (EnEV) sei Dank – mit wassergeführten Niedrigtemperatursystemen energieeffizient, ressourcenschonend und thermisch behaglich gestaltet werden, sodass man von Heizen eigentlich nicht mehr sprechen müsste. Geringe Heizlasten und Wärmeübergabesysteme mit maximalen Vorlauftemperaturen von 35 °C sind ideale Voraussetzungen für die konsequente Anwendung einer solaren Heizungsunterstützung. Die technischen Komponenten sind lange schon ausgereift und reichen von leistungsstarken Kollektoren über intelligente Pumpen und effiziente Regelungstechnik bis hin zu Speicher- und Bereitstellungstechnologien mit ausgeklügelten Be- und Entladestrategien. Dazu kommt ein Anwendungsspektrum, das weit über das Wohngebäude hinausgeht.
Was allerdings fehlt, ist die mentale wie anwendungstechnische Transformation von der Aufwendung (Erzeugung = Verbrauch) zur Anwendung (Nutzung = Gebrauch), welche die Hindernisse und Widerstände aufhebt, um eine konsequente solarthermische Anwendung flächendeckend umzusetzen. Um den Möglichkeiten der Solarthermie zu entsprechen, ist es nötig, diese nicht als Wärmeerzeuger zu verkennen, sondern als Wärmequelle zu erkennen und den Weg von der aktiven Aufwendung zu einer passiven Anwendung in der Bereitstellung von Wärme zu finden. Wärme muss nicht per se erzeugt werden, sondern kann durch mannigfach vorhandene natürliche wie sonstige Wärmequellen genutzt werden. Voraussetzung hierfür ist allerdings, die Wärmequelle zu verstehen, soll heißen: die Wärmequellenanlage nach der Wärmequelle auszurichten.
Nutzung von Umweltwärme
In der Kühlung von Gebäuden ist man schon weiter. Hier gibt es sowohl die passive (Nutzung) als auch die aktive Bereitstellung (Erzeugung) von Kälte. Allerdings resultiert diese Erkenntnis nicht aus der konventionellen Wärmeerzeugung/Verbrennung, sondern aus der Nutzung von Umweltwärme. Glücklicherweise hat sich die Nutzung von Umweltwärme, obgleich noch immer ein Nischenmarkt, mehr etabliert als die Nutzung von Solarwärme. Auch die Wärmepumpe ist kein Wärmeerzeuger im traditionellen Sinne, da sie nie 100 % erzeugt und dafür ein Äquivalent an Brennstoff (von ebenfalls 100 %) benötigt. Stattdessen vermag die Wärmepumpe, auf vielfältige Weise Wärme aus der Umwelt zu nutzen – also Wärme, die schon da ist und nicht erst erzeugt werden muss.
Mit einer Wärmepumpe ist der Anteil der genutzten Wärme aus der Umwelt ein Vielfaches größer als die vom Kompressor für den Wärmepumpenkreislauf benötige Antriebsenergie. Der Arbeitsaufwand ist hier erheblich geringer. Deshalb wird die Funktionsweise der Wärmepumpe mit dem Begriff Arbeitszahl (COP) ungleich trefflicher beschrieben als mit dem Begriff Leistungszahl. Eine Wärmepumpe mit einem COP > 3,0 ist als energieeffizient anerkannt. Eine Solarthermieanlage, die einen COP von > 30,0 aufweist, hingegen kaum.
Die sogenannte passive Kühlung nutzt eine vorhandene Wärmequellenanlage (z. B. eine erdgekoppelte Wärmepumpe) als Wärmesenke, um idealerweise mit einer wassergeführten Flächenheizung/-kühlung im Sommer passiv kühlen zu können. Demgegenüber findet die passive Solarnutzung lediglich isoliert von der Heizungstechnik Erwähnung. Damit ist dann der solare Wärmeeintrag durch transparente Flächen in der Fassade der thermischen Hülle gemeint.
Dieser Gedanke wäre es wert, auch in der solarthermischen Anwendung weiter verfolgt zu werden. Allein um daraus schon die Orientierung zur Sonne im Kontext einer wirksamen solaren Nutzung im Winter abzuleiten. Denn tatsächlich vermag die tiefstehende Sonne im Winter einen Raum durch ein Fenster dergestalt zu erwärmen, dass der Raumthermostat, zumindest bisweilen, den Stellmotor des Heizkreises schließt.
Fassaden- und gebäudeintegrierte Wärmequellenanlagen
Aber warum sind dann solarthermische Fassadenkollektoren oder besser noch: bauteilintegrierte Solarabsorber in Außenwand-Bauteilen nicht längst standardisiert? Selbst bei der Photovoltaik, die mit einem deutlich schlechteren Wirkungsgrad als die Solarthermie ausgestattet ist, werden gebäude- und fassadenintegrierte Systeme vermarktet. Dies wäre ein erster Ansatz, der Wärmequelle Solarthermie im Kontext eines integralen Planungsansatzes nachhaltig zu entsprechen.
Eine solarthermische Anlage ist eine Wärmequellenanlage, welche die Nutzung von vorhandener Solarwärme auf direktem Wege erlaubt. Solare Heizungsunterstützung funktioniert nicht nach verordneten Förderkriterien, denn es geht um mehr als Kollektorfläche und Speichervolumen. Viel wichtiger ist die tatsächliche Ausrichtung der Wärmequellenanlagen für den winterlichen Betrieb.
Ist es wirklich seriös, ein Kollektorfeld auf einem 30°-Dach als solare Heizungsunterstützung zu bezeichnen, nur weil die Bruttofläche mehr als 10 m² beträgt? Es ist davon auszugehen, dass sich die Solarthermie anders entwickelt hätte, wenn zielorientierte Marktanreizprogramme die tatsächliche Wirkung berücksichtigt und gefördert hätten. Beispielsweise durch Anrechnung messtechnisch ermittelter Solarerträge bei der jährlichen Steuererklärung, was durchaus diskutiert wurde.
Nicht nur die Beachtung des jahreszeitlichen Sonnenstandes in der Ausrichtung der Wärmequellenanlage (des solarthermischen Kollektorfelds) ist für eine optimale Nutzung der Solarwärme notwendig. Gleichermaßen muss die Möglichkeit geschaffen werden, solare Wärmepotenziale über die klassische Rücklauftemperaturhochhaltung oder ausgeklügelte Ladesysteme am Solar-Kombispeicher hinaus nutzen zu können.
Solarthermie neu zu denken verlangt auch, die Systemgrenzen der konventionellen Solarthermieanlage zu überwinden und auf das Gebäude zu erweitern. Denn es geht nicht nur (wenn auch primär) darum, einen Solar-Kombispeicher thermisch zu beladen, sondern vielmehr darum, den Wohn- bzw. Aufenthaltsraum des Menschen energieeffizient und nachhaltig zu temperieren.
Integration der Wärmeübergabe in den Solarkreis
Die Auswertung einer großen Zahl von Bestandsaufnahmen und Monitorings durch das Forum Wohnenergie zeigte die Grenzen der konventionellen Anwendung bereits frühzeitig auf. Dementsprechend wurde dort vor gut zehn Jahren begonnen, Wege aus dieser Sackgasse zu suchen. Es wurde festgestellt, dass der Solarspeicher, in seiner Kombifunktion aus Heizungs- und Trink-Warmwasserbereitstellung, zwei Anforderungsprofilen entsprechen muss, was einem umfassenderen Solarertrag nicht immer entgegenkommt.
Die Diskrepanz dieser heute sehr unterschiedlichen Anforderungsprofile war im Zeitalter der fossilen Verbrennung nicht existent. Längst aber hat sich ein Paradigmenwechsel dieser beiden Anforderungen ergeben. Während im vergangenen Jahrhundert der fossilen Verbrennung das Warmwasser quasi im Nebenbei von der Hochtemperaturheizung erwärmt wurde, stellt heute die Bereitstellung von Trink-Warmwasser die weitaus größeren Herausforderungen. In diesem Zusammenhang wäre auch die Wärmerückgewinnung aus Grauwasser ein weiterer großer Schritt, um vorhandene Wärme zu nutzen und energetische Aufwendungen und CO2-Emissionen zu reduzieren.
Das Two-in-one-Prinzip des Kombispeichers läuft dieser Entwicklung diametral entgegen. Die Nacherwärmung eines Solar-Kombispeichers, insbesondere die Vorrangschaltung zur Trinkwassererwärmung, steht dem potenziellen Solarertrag für die Wärmeübergabe an den Raum sehr oft im Wege. Hohe Bereitstellungstemperaturen, die keine ausreichende Wärmesenke zulassen, um die Solar-Umwälzpumpe in Betrieb zu setzen, sind wenig konstruktiv. Die solare Heizungsunterstützung war bislang nicht wirklich zu Ende gedacht.
Der Raum als Wärmesenke der solaren Wärmequelle
Der Ansatz des Forums Wohnenergie war die Suche nach einer weiteren Wärmesenke für Solarerträge, die bislang nicht in das Solarspeichersystem eingebracht werden konnten. Es galt, eine zielorientierte Erweiterung der solarthermischen Nutzung zu finden. Der entscheidende Schritt hierbei war, die Grenzen des Systems der konventionellen Zentralheizung zu verlassen und das Gesamtsystem Gebäude zu betreten.
Im umbauten Raum befinden sich zahlreiche geeignete Wärmesenken für die solarthermische Wärmequelle: massive Bauteile und Flächen. Selbst bei Raumtemperaturen von 20 °C bestehen im Innenkern einer massiven raumtrennenden Wand niedrigere Temperaturen, welche eine treffliche Wärmesenke für die Solarthermie darstellen.
Ein solarthermisch aktiviertes Bauteil kann eine Trennwand, ein Raumteiler, eine Theke, eine Skulptur oder Ähnliches sein. Hier sind der Raumgestaltung kaum Grenzen gesetzt. Die meisten Anwendungen wurden bislang als Raumteiler und Theken ausgeführt, wie sie im modernen Wohnhausbau den Koch- vom Essbereich trennen. Ebenso kommt dem verwendeten Material eine wesentliche Rolle hinsichtlich der Wärmespeicher- und Wärmeleitfähigkeit zu. Hier haben sich Vollziegelsteine und Lehmbaustoffe als sehr geeignet erwiesen.
Die solarthermische Bauteiltemperierung
In Aufbau und Regelungsstrategie funktioniert die solarthermische Bauteiltemperierung wie eine konventionelle Solarthermieanlage zur Trinkwassererwärmung und Heizungsunterstützung mit einem solaren Kombispeicher. Mit einem Umschaltventil im Rücklauf des Solarkreises wird die Anlage zu einer Zwei-Speicher-Anlage erweitert, um ein Bauteil im Raum als zweiten „Solarspeicher“ thermisch zu beladen. Die Speicher- und Bereitstellungsverluste kommen unmittelbar dem Raum zugute.
Der wesentliche Unterschied ist die Bauart und die daraus resultierende Funktion des zweiten Solarspeichers. Dieser erweitert die Nutzung solarer Wärme über die konventionellen Grenzen (indirekte Nutzung über Solar-Kombispeicher) hinaus zu einer direkten Nutzung als Wärmeübergabe an den Wohn- und Aufenthaltsraum. Im Sommer ist der Solarkreis zur Wärmeübergabe an den Raum nicht in Betrieb, sondern nur der Solarkreis zur Trinkwassererwärmung, die vollständig solarthermisch erfolgen werden kann.
Bereits in der Übergangszeit kann die solarthermische Bauteiltemperierung über den Solarkreis direkt an den Raum wirken, noch bevor das eigentliche Wärmeübergabesystem in Betrieb geht. Durch diese erweiterte solarthermische Anwendung wird nicht nur dem Auskühlen des Gebäudes entgegengewirkt, sondern auch die eigentliche Heizperiode verkürzt.
Die unmittelbare Einbeziehung der Wärmeübergabe in den Solarkreis überwindet in der erweiterten Definition des Solarspeichers die Grenzen der konventionellen solarthermischen Heizungsunterstützung. Durch einen eigenständigen Wärmeübergabekreis direkt an den Raum lässt sich solare Wärme nutzen, die vom Kombispeicher nicht mehr aufgenommen werden kann.
Die solarthermische Bauteiltemperierung kann auch in einer Solarthermieanlage zur Trinkwassererwärmung nachgerüstet bzw. integriert werden, um eine solare Heizungsunterstützung zu erreichen, wenn dies das installierte Wärmeübergabesystem (z. B. Mittel- und Hochtemperatursystem) nicht erlaubt.
Fazit
Auf die Solarthermie kann heute weniger denn je verzichtet werden. Doch sie muss, wie vieles andere auch, in unserer Baukultur neu gedacht werden: und zwar im Kontext des Gebäudes und der Anforderungen des Menschen, nicht des Verbrauchers. Wenn es gelingt, Energie überhaupt neu zu denken, könnte die Energiewende im Wärmemarkt vielleicht doch noch gelingen.
Im Sinne einer nachhaltigen Wohnwärmegestaltung zum Wohle des Menschen und der Umwelt werden nicht nur CO2-Emissionen reduziert, sondern erhöht diese Anwendungstechnik zur Nutzung solarer Wärme den Autarkiegrad des gesamten Heizungssystems erheblich und Aufwendungen der Nacherwärmung werden nachhaltig reduziert.