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Wärmepumpen in Nahwärmenetzen

Die Energiewende im Quartier

Inhalt

Nachdem in den Niederlanden bereits seit Jahren energieeffiziente kommunale Quartiere entstehen, ist diese Entwicklung aktuell verstärkt auch in Deutschland zu beobachten. Dabei müssen die Kommunen vielfältige Anforderungen erfüllen:

  • Sie müssen nicht zuletzt auf die künftigen Energiekosten achten, wobei der Verbrauch an Wärmeenergie eine Schlüsselrolle spielt.
  • Der Bedarf an Primärenergie für Gebäude im Jahr 2050 soll 80 % unter dem Wert von 2008 liegen. Dies sieht die Energieeffizienzstrategie Gebäude des Bundeswirtschaftsministeriums vor.
  • Gleichzeitig müssen im Neubau die Vorgaben des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) erfüllt werden, vor allem in Sachen Energieeffizienz und -verbrauch.
  • „Wenn heute eine neue Siedlung oder ein neues Quartier entsteht, kommen die Kommunen sehr schnell darauf, die künftigen Wohnungen mit Heizenergie auf der Basis von Wärmepumpen zu versorgen“, berichtet Vladimir Tsintsiper, der beim Hersteller Alpha Innotec unter anderem als Projektierer für energieeffiziente Quartierslösungen arbeitet. „Und für die netzdienliche Steuerung brauchen sie lokale Netze, die ihnen den Zugriff auf die Energieverbraucher erlauben.“

    Günstige Rahmenbedingungen

    Was den Einsatz von Wärmepumpen angeht, haben Quartierslösungen gegenüber Einzelprojekten, wie Ein- und Mehrfamilienhäusern, häufig deutliche Vorteile. Die Betreiber können mitunter Rahmenbedingungen nutzen, die einem einzelnen Verbraucher für sein Eigenheim nicht zur Verfügung stehen.

    So lassen sich etwa bei größeren Vorhaben Wärmequellen wie Abwasserkanäle, Rechenzentren oder Bergwerke anzapfen. Oder der kommunale Betreiber kann eine benachbarte Freifläche für das Verlegen von Erdwärmekollektoren nutzen. Hinzu kommt: Mit größer angelegten Systemen lassen sich in aller Regel Synergieeffekte erreichen, die das Effizienzniveau zusätzlich steigern.

    Die meisten Quartierskonzepte basieren auf einer Versorgungsinfrastruktur, die vergleichbar mit einem Fernwärmenetz ist, allerdings deutlich weniger Energieverluste aufweist. Das liegt zum einen an den kürzeren Entfernungen, die es zu überbrücken gilt, zum anderen daran, dass hier mit niedrigeren Temperaturen gefahren wird.

    So stellt ein kaltes Nahwärmenetz je nach Auslegung und Wärmequelle Medientemperaturen von 6 bis 12 ºC für die angeschlossenen, dezentralen Wärmepumpen bereit. Bei der Alternative, einem normalen Nahwärmenetz, liegt das Temperaturniveau meist zwischen 35 und 40 ºC. In beiden Netzvarianten ist üblicherweise ein thermischer Speicher integriert, um Spitzenlasten abzufedern.

    Intelligenz im Netz

    Moderne Wärmepumpen sind in der Regel Smart-Grid-fähig, also für die datentechnische Steuerung des Energieflusses vorbereitet. Das ist ein entscheidender Faktor für die Stabilität der Energieversorgungsnetze. Denn über ein intelligentes Netz lassen sich die Verbraucher bei hoher Netzlast gezielt ab- und bei niedriger Last einschalten. Auf diese Weise sollen die Versorgungsnetze der Zukunft trotz dezentraler Strukturen, wie sie durch die Einbindung erneuerbarer Energien typisch sind, stabil gehalten werden können.

    „Dazu haben die Betreiber der Nahwärmenetze, die sogenannten Kontraktoren, üblicherweise einen Zugriff auf die Smart-­Grid-­Schnittstelle der angeschlossenen Wärmepumpen“, erklärt Tsintsiper. „Und es ist ja schon heute in den Wärmepumpentarifen hinterlegt, dass der Netzanbieter eine Wärmepumpe bis zu dreimal täglich vom Netz nehmen darf.“

    Ist also ein Stromüberschuss im Netz, kann der Kontraktor die Wärmepumpen zuschalten. Wird dann weniger Wärme benötigt, als die Wärmepumpen in diesem Fall erzeugen, laden sie einfach den zugehörigen thermischen Pufferspeicher auf. Das sind in der Regel Wasserspeicher für Heizung oder Brauchwasser – oder Multifunktionsspeicher, die beide Kreisläufe bedienen. Auch Wände, Böden und Decken von Gebäuden können als Wärmepuffer dienen. In diesem Fall werden wasserführende Leitungen in den Betonkern eingebracht, die dann als Verteilsystem fungieren.

    Droht umgekehrt die Stromversorgung in die Knie zu gehen, kann der Kontraktor bei Bedarf alle Wärmeerzeuger im Quartier vom Netz nehmen. Ein solcher Steuerungseffekt im intelligenten Netz lässt sich auch witterungsabhängig nutzen.

    In Nahwärmenetzen können Wärmepumpen entweder als Teil einer großen Technikzentrale oder dezentral in einzelnen Häusern oder Wohnungen eingesetzt werden.

    Bild: Ait-Deutschland

    In Nahwärmenetzen können Wärmepumpen entweder als Teil einer großen Technikzentrale oder dezentral in einzelnen Häusern oder Wohnungen eingesetzt werden.

    Wärmepumpe als Basis

    Nahwärmenetze werden häufig mit bivalenten Systemen kombiniert, in denen verschiedene Wärmeerzeuger arbeiten – neben Wärmepumpen beispielsweise auch Blockheizkraftwerke. Hierbei ist den einzelnen Verbrauchern eine Technikzentrale vorgeschaltet. Sie versorgt die Flächenheizungen der angeschlossenen Wohnungen direkt mit Heiz­energie auf Vorlauftemperatur. Auch hier spielen Wärmepumpen fast immer die zentrale Rolle.

    Für kalte Nahwärmenetze sind monovalente Systeme die erste Wahl. Dort wird die Heizenergie ausschließlich mit dezentralen Wärmepumpen erzeugt. Ein kaltes Netz eignet sich für diese Kombination ideal, weil die relativ geringe Temperaturdifferenz zwischen Wärmequelle und der Vorlauftemperatur moderner Flächenheizsysteme die Effizienz der Wärmepumpen deutlich steigert.

    In Neubaugebieten sind Erdkollektoren heutzutage aufgrund einer zu geringen Grundstücksgröße kaum realisierbar. Ein kaltes Nahwärmenetz kann hier Abhilfe schaffen.

    Bild: Ait-Deutschland

    In Neubaugebieten sind Erdkollektoren heutzutage aufgrund einer zu geringen Grundstücksgröße kaum realisierbar. Ein kaltes Nahwärmenetz kann hier Abhilfe schaffen.

    Dezentrale Versorgung im Vorteil

    Für Betreiber von Quartierslösungen oder Wohnungsbauunternehmen haben dezentrale Wärmepumpen einen klaren Vorteil gegenüber zentralen Lösungen. Sie übernehmen etwa in Mehrfamilienhäusern die Wärmeversorgung jeder einzelnen Wohnung, beispielsweise analog zu einer Gas-Etagenheizung. Gleichzeitig wird auch das Brauchwarmwasser jeweils direkt vor Ort erwärmt.

    Dadurch entfallen viele Vorkehrungen, die sonst getroffen werden müssten, um den strengen Vorgaben der Trinkwasserhygiene gerecht zu werden. Hinzu kommt, dass damit jeder Haushalt selbst für die Energiekosten verantwortlich ist, die durch die Heizung anfallen. Die Stromversorgung der Wärmepumpe läuft wie bei anderen Haushaltsgeräten auch einfach über den wohnungseigenen Stromzähler.

    Abwasser als Energiequelle

    Derzeit entsteht in Wiesbaden unter dem Titel „Wohnen westlich des Schlossparks“ ein neues Wohnquartier. Die dortigen Stadtwerke, die ESWE Versorgungs AG, lassen hier fünf Mehrfamilienhäuser mit insgesamt 67 Wohneinheiten und 20 Einfamilien- bzw. Reihenhäuser errichten.

    Als Wärmequelle dient der Hauptabwasserkanal der Wiesbadener Entsorgungsbetriebe, der südlich des Baugebietes verläuft. Ein dort installierter Wärmetauscher macht das Abwasser mit einem Temperaturniveau von 12 bis 15 °C für die kalte Nahwärmeversorgung nutzbar. Mit den Wärmepumpen, die in jedem Einfamilienhaus für Heizung und die Bereitung von Brauchwarmwasser installiert sind, entsteht so eine einfache und wirtschaftliche Lösung.

    Zu den bundesweit größten Projekten seiner Art zählt ein Baugebiet in der Nähe von Hannover. Im ersten von drei geplanten Bauabschnitten sollen dort zwölf Mehrfamilienhäuser und 48 Einfamilienhäuser entstehen. Auch hier hat sich der Betreiber für ein kaltes Nahwärmenetz entschieden, das über Erdkollektoren die dezentralen Sole/Wasser-Wärmepumpen in den Wohnungen versorgt. Der große Vorteil dabei: Während in einem Neubaugebiet heutzutage Erdkollektoren wegen zu kleiner Grundstücke kaum realisierbar sind, lässt sich hier das komplette Quartier auf diese Weise versorgen.

    Im niederländischen Quartier Mijnwater versorgen ein Dutzend in Kaskade geschaltete Sole/Wasser-Wärmepumpen von Alpha Innotec mehr als 200 000 m² Fläche.

    Bild: Ait-Deutschland

    Im niederländischen Quartier Mijnwater versorgen ein Dutzend in Kaskade geschaltete Sole/Wasser-Wärmepumpen von Alpha Innotec mehr als 200 000 m² Fläche.

    Wärme vom Rechenzentrum

    In der Nähe von Frankfurt sollen in Kürze neun Mehrfamilienhäuser mit insgesamt 93 Wohneinheiten und 88 Doppel- und Reihenhäuser entstehen. Die Machbarkeitsstudie dazu läuft derzeit. Auch hier bietet sich eine Lösung an, die für einen einzelnen Bauherren nicht realisierbar ist. Das Quartier soll in unmittelbarer Nachbarschaft zu einem großen Rechenzentrum entstehen. Dessen Abwärme von etwa 1 MWh könnte zentral gepuffert werden und über ein kaltes Nahwärmenetz den dezentralen Wärmepumpen der Siedlung als Energiequelle dienen.

    Auf eine Mischung der Systeme setzt der Betreiber eines Projekts bei Grevenbroich, das derzeit auf seine Machbarkeit hin geprüft wird. Ein Teil der geplanten 400 Wohneinheiten wird dezentral mit Wärmepumpen ausgestattet, die über ein kaltes Netz mit Sole versorgt werden. Der andere Teil bekommt seine Heizenergie direkt aus der Wärmezentrale. Auch die Wärmequellenanlagen sind als Mischform aus Erdkollektoren und -sonden geplant.

    Weitere Wärmequellen

    Ein Beispiel für die Erschließung ungewöhnlicher Wärmequellen findet sich in den Niederlanden. Die Betreiber des Quartiers Mijn­water in Heerlen nutzen hierfür das Grubenwasser aus einem Bergwerk. Schon jetzt versorgt das ehrgeizige Projekt mehr als 200 000 m² beheizte bzw. gekühlte Fläche. Bis zum Jahr 2025 sollen es eine Million Quadratmeter werden.

    Dazu kommt die intelligente Kombination unterschiedlicher Systeme und Funktionen. So gibt es bereits erste Quartiere, in denen Verbraucher auch als Versorger auftreten und ihren selbst erzeugten Solarstrom einspeisen können. Gleichzeitig können Wärmepumpen auch optional mit Kühlfunktion betrieben werden. Hier ist die Kombination mit Photovoltaikanlagen besonders attraktiv, da der Strom dann zum größten Teil vom eigenen Dach kommt.

    „Die Stadtquartiere der Zukunft werden fast alle auf der Basis solcher oder ähnlicher Versorgungskonzepte entstehen. Das sind die wirtschaftlichsten Lösungen“, ist Projektierer Tsintsiper überzeugt. „Und sie bringen die Energiewende voran. Wir von Alpha Innotec haben deshalb ein Expertennetzwerk geschaffen, das solche Projekte komplett realisieren kann – von der Machbarkeitsstudie und Projektierung über die Erschließung der Wärmequelle, den Bau des Versorgungsnetzes und die Installation der Wärmepumpen bis hin zum Monitoring. Und natürlich übernehmen wir auf Wunsch auch die Wartung und Betreuung der Anlage im laufenden Betrieb.“

    Blick in die Heizzentrale des ­Quartiers Mijnwater – im Rahmen eines EU-Forschungsprojekts wird hier Gruben­wasser aus einem nahen Bergwerk als Wärmequelle genutzt.

    Bild: Ait-Deutschland

    Blick in die Heizzentrale des ­Quartiers Mijnwater – im Rahmen eines EU-Forschungsprojekts wird hier Gruben­wasser aus einem nahen Bergwerk als Wärmequelle genutzt.

    Autor

    Herbert Grab 
    ist Geschäftsführer der PR-Agentur ­Digit Media, 72770 Reutlingen,

    Bild: Digit Media