Vergessen wird oft eine wichtige Tatsache: Viele Kunden greifen für ein entsprechend hochwertigeres Produkt gerne etwas tiefer in die Tasche. Sie wollen nicht billig und Standard, sondern originell und exklusiv. Oft vergessen Verkäufer leider auch, dass sie ihre Kunden regelrecht abwerten, wenn sie nicht versuchen, ihnen die beste – und damit möglicherweise hochpreisige – Lösung schmackhaft zu machen, sondern die günstige Alternative.
Zuerst sich selber überzeugen
Wer erfolgreich hochpreisig verkaufen möchte, muss selbst zu 100 % hinter dem jeweiligen Preis stehen. „So viel Geld, da müsste ich ja drei Monate für arbeiten!“, „Wie soll ich bloß so einen Preis rechtfertigen?“, „Die Chefin ist doch verrückt, ein so teures Produkt überhaupt ins Sortiment aufzunehmen. Die soll erst einmal zusehen, dass sie selbst ein paar davon verkauft!“ Verkäufer, die so denken, machen sich das Verkaufen unnötig schwer. Verkäufer müssen ins Gelingen verliebt sein und nicht ins Misslingen.
Deutlich hilfreicher sind deshalb konstruktive Gedanken wie „Interessanter Preis. Wie könnte ich denn so ein Produkt verkaufen?“, „Toll, endlich mal ein Produkt, dass mich verkäuferisch fordert“ oder „Na, da werde ich mal meinen Kollegen zeigen, dass ich hier die beste Verkäuferin im Betrieb bin – bis zum Wochenende habe ich sechs Stück davon verkauft!“
Was Kunden erwarten
Im Privatleben beklagen sich Verkäufer oft, dass sie an Menschen geraten, die ihnen das Geldausgeben schwermachen – etwa die gelangweilte Bedienung im Restaurant, der gleichgültige Handwerker oder die monotone Dame im Callcenter. Offensichtlich verhalten sich viele in der Rolle des Verkäufers nicht so, wie sie es sich selber als Kunde wünschen. Kunden erwarten:
- Aufrichtigkeit: Die ehrliche Meinung erfahren und nicht irgendwelche Phrasen, die indirekt vermitteln: „Ich sage es jetzt nur, damit du endlich kaufst.“
- Spaß und Freude: Menschen kaufen von Menschen. Der Alltag ist so schon ernst und eintönig genug. Wer als Verkäufer seine Kunden emotional berührt, macht enorm viel richtig.
- Engagement: Verkäufer müssen mitdenken, aber nicht für den Kunden denken. Das bedeutet, die richtigen Fragen zu stellen und gute Tipps zu geben, damit der Kunde auch garantiert das bekommt, was er wirklich braucht.
Der Preis ist irrelevant, wenn die Gegenleistung stimmt
Menschen sind manchmal sehr merkwürdig. Tankt beispielsweise jemand und erfährt dann ein paar Minuten später, weil er an der nächsten Tankstelle vorbeifährt, dass dort der Treibstoff zwei Cent günstiger ist, dann ärgert er sich: „Hätte ich mal hier getankt, dann hätte ich Geld gespart!“ Bei großen Summen setzt dagegen der Verstand häufig aus. So gibt es viele, die sich eine gebrauchte Immobilie kaufen – ohne zuvor einen unabhängigen Gutachter einzuschalten. Denn der könnte ja schnell 1000 Euro oder mehr kosten. Dass dies aber nur ein Bruchteil der Gesamtinvestition ist und ein möglicher unentdeckter Schaden häufig ein Vielfaches des Honorars ausmacht, wird ausgeblendet.
Kunden haben an manchen Tagen die Spendierhose an, an anderen nicht. Das hängt auch davon ab, ob ein Verkäufer ihnen aufmunternd oder ernüchternd begegnet, wenn sie gerade in Kauflaune sind. Dadurch kristallisiert sich auch langfristig heraus, wo man gern hingeht und welche Geschäfte man nur im Notfall betritt.
Bei Spontankäufen entscheidet die Stimmung
Verkäufer müssen stets versuchen, eine Balance zwischen genügend Aufmerksamkeit und angemessenem Abstand gegenüber der Kundschaft zu halten – was hier richtig ist, ist für jeden Kunden anders, aber entscheidend. Natürlich kann mit der konkreten Frage „Wie viel Geld möchten Sie denn ausgeben?“ herausgefunden werden, wo das Preislimit liegt. Aber manche Kunden haben keine preisliche Vorstellung oder wollen aus taktischen Gründen nicht sagen, wie viel Geld sie lockermachen würden.
Es gibt viele Menschen, die spontan etwas Hochpreisiges kaufen, weil es ihnen gefällt – auch wenn sie im tiefsten Herzen durchaus wissen, dass es eine Standardvariante für den halben Preis auch getan hätte. Aber man gönnt sich ja sonst nichts – vor allem, wenn die Stimmung zwischen Verkäufer und Kunde gut ist.
Mitarbeiterwettbewerbe sind häufig keine Lösung
Manche Führungskräfte hoffen, dass ein Verkaufswettbewerb den Absatz von neuen, hochpreisigen Produkte steigern könnte. Versprechen wie „Wer innerhalb des Monats x Produkte verkauft hat, bekommt y“ oder „Wenn wir bis zum Datum z gemeinsam x Produkte verkauft haben, dann machen wir y“ sind üblich. Oft werden sie begleitet von Aussagen oder E-Mails mit dem Tenor „Ihre Filiale steht in der Rangliste auf dem letzten Platz, wann fangen Sie denn endlich an?“ Die meisten Verkaufswettbewerbe scheitern, weil es nicht genügt, davon auszugehen, dass Mitarbeiter sich aus purem Eigeninteresse schon intensiv um den Verkauf bemühen. Außerdem
- stehen viel zu oft die Gewinner schon zu Beginn einer Ausschreibung fest,
- wissen viele Mitarbeiter gar nicht, wie sie überhaupt gewinnen können, und steigen vorschnell mental aus,
- motiviert die Siegprämie nicht zu einer Verhaltensänderung bzw. passiert auch nichts, wenn man nicht engagiert mitmacht.
Daher führen Wettbewerbe alleine nur selten zu einer Verkaufssteigerung. Allerdings können sie zum engagierteren Verkaufen beitragen, wenn sie auf die Umsetzung des Erlernten in der Verkaufsschulung setzen – und somit für alle Teilnehmer eine reelle Chance auf den Gewinn besteht.
Übung macht den Meister
Verkäufer können von Profisportlern viel lernen. Sie trainieren nicht nur regelmäßig, sondern sie entwickeln vor dem entscheidenden Wettkampf auch eine Strategie, wie sie mit hoher Wahrscheinlichkeit den Sieg holen. Verkäufer hingegen werden leider viel zu oft ins kalte Wasser geworfen. Da sind dann von heute auf morgen neue Produkte im Sortiment – und die gilt es zu verkaufen.
Viele Verkäufer berufen sich auf ihre Erfahrung und glauben, dass es auch ohne zu üben klappen wird. Doch Zahlen sind wie Zensuren. Und insbesondere diejenigen, die schon sehr lange dabei sind und glauben, sie könnten stets eine gute Verkaufsargumentation aus dem Ärmel schütteln, beweisen bei näherer Betrachtung leider viel zu oft, dass sie in ihrem alten Trott gefangen sind – und letztlich immer nur das Gleiche mit der gleichen Argumentation anbieten und verkaufen.
Wie ein Sportler darf auch ein Verkäufer niemals träge werden und sich auf früheren Lorbeeren ausruhen. Alle, die verkaufen, müssen sich regelmäßig zusammensetzen, überlegen und trainieren, wie sie Produkte optimal inszenieren und Einwände entkräften können, um schlussendlich mit hoher Wahrscheinlichkeit auf Augenhöhe den Abschluss herbeizuführen.
Fazit: Kunden kaufen bei dem, der gern verkauft
Kunden kaufen immer, die Frage ist nur: bei wem? Und zu welchem Preis? Wer Lust hat, Geld auszugeben, der wird es auch tun – wenn nicht in dem einen Geschäft, dann in dem anderen. Und wenn es zwei oder drei Geschäfte nicht schaffen, mit Begeisterung passende hochpreisige Produkte zu verkaufen, dann gehen die Kunden eben ins Internet. Die wichtigste Voraussetzung für hochpreisige Verkäufe im Ladengeschäft ist also, dass die Belegschaft selbst es liebt, hochpreisig anzubieten und zu verkaufen.
Tipp
Zum Weiterlesen und -hören:
Oliver Schumacher: 30 Minuten Preise durchsetzen, Gabal Verlag
Buch: ISBN 978-3-86936-643-2
96 Seiten, € 8,90
Audio-CD: ISBN 978-3-86936-715-6
€ 16,90
Auf www.gabal-verlag.de finden Sie das Inhaltsverzeichnis und eine Leseprobe.
Aus dem SBZ-Archiv
Weitere Artikel zum Thema Beraten + Verkaufen oder von Autor Oliver Schumacher finden Sie auf www.sbz-online.de unter „Archiv“. Dort können Sie unter „Suche über alle Inhalte“ nach Schlagworten suchen oder im „Heftarchiv“ in früheren Ausgaben blättern. Lesen Sie z. B. im Beitrag „Probleme direkt anpacken“, wie man erfolgreiche Kundengespräche führt, oder im Artikel „Verkaufsstark ins neue Jahr“ fünf Erfolgstipps, die aus durchschnittlichen Verkäufern Spitzenverkäufer machen.
Autor
Oliver Schumacher ist Sprechwissenschaftler und Betriebswirt aus Lingen/Ems. Er hält Vorträge, gibt Verkaufstrainings und schreibt Bücher zum Thema. info@oliver-schumacher.de www.oliver-schumacher.de