Der momentan über das Gebäudeenergiegesetz zu verwendende Primärenergiefaktor für Netzstrom weicht inzwischen signifikant vom erreichten Stand ab.
Seit 2010 untersucht das Internationale Institut für Nachhaltigkeitsanalysen und -strategien (IINAS) aus Darmstadt im Auftrag der HEA anhand von Lebenswegdaten für Energie-, Stoff- und Transportsysteme die Ressourcennutzung und Umwelteffekte der deutschen Stromerzeugung.
Jetzt liegen die Ergebnisse für das Basisjahr 2020 vor. Für 2020 beträgt der nicht-erneuerbare kumulierte Energieverbrauch (KEVne) für die Abgabe aus dem lokalen Stromnetz 1,4 kWhprimär/kWhel. Die Treibhausgasemissionen für eine im Durchschnitt bereitgestellte Kilowattstunde weisen die Gutachter mit 382 g CO2-Äq/kWhel aus.
Hohe Dynamik beim Abschmelzen des KEVne
Der KEVne stellt das Verhältnis dar, welche Menge an Primärenergie aufzuwenden ist, um eine Kilowattstunde elektrische Energie an Endkunden zu liefern. Je mehr erneuerbare Energien im Strommix integriert sind und je geringer die Umwandlungs- und Verteilungsverluste in den Kraftwerken und Netzen sind, desto kleiner wird dieses Verhältnis. Vor fünf Jahren betrug dieser Wert noch 1,9. Dies verdeutlicht die Dynamik der Entwicklung.
Der KEV kann als Wert für die Festlegung der sogenannten Primärenergiefaktoren (PEF) herangezogen werden. Deren nichterneuerbarer Anteil (PEFne) wird zum Beispiel im Gebäudeenergiegesetz (GEG) oder in DIN V 18 599 für die energetische Bilanzierung herangezogen. Der beschriebenen Entwicklung sollte laut HEA bei der anstehenden GEG-Novelle und der technischen Regelwerke Rechnung getragen werden. Derzeit legt das GEG für netzbezogenen Strom einen PEFne von 1,8 fest und liegt damit knapp 30 % über dem physikalisch sachgerecht ermittelten Gutachtenwert von 1,4.
Die HEA hat die Studie „Der nichterneuerbare kumulierte Energieverbrauch und THG-Emissionen des deutschen Strom-mix im Jahr 2020 sowie Ausblicke auf 2030 und 2050“ als Download zur Verfügung gestellt.
Anmerkung der Redaktion:
Die Primärenergiefaktoren für / in EnEV und GEG wurden bisher eher grob im Einklang mit den realen Verhältnissen letztendlich politisch festgelegt, wenngleich die EU-Gebäuderichtlinie 2010 als „Gemeinsamer allgemeiner Rahmen für die Berechnung der Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden“ etwas anderes vorgibt: „Die Gesamtenergieeffizienz eines Gebäudes ist auf transparente Weise darzustellen und muss zudem einen Indikator für die Gesamtenergieeffizienz und einen numerischen Indikator für den Primärenergieverbrauch auf der Grundlage von Primärenergiefaktoren je Energieträger enthalten, die auf gewichtete nationale oder regionale Jahresdurchschnittswerte oder einen spezifischen Wert für die Erzeugung am Standort gestützt werden können.“
Die jeweils gültigen („anzuwendenden“) Primärenergiefaktoren fließen im Rahmen der öffentlich-rechtlichen energetischen Bewertung von Gebäuden und ihrer Anlagentechnik zum Zeitpunkt der Bauantragstellung ein. Die in der Planung unter anderem auf Basis der Primärenergiefaktoren getroffene Entscheidung hat aber Relevanz über die gesamte Nutzungszeit der Anlage.
Beim Primärenergiefaktor Strom mit vorgezeichneter hoher Dynamik wäre also eigentlich die Verwendung eines Mittelwerts über beispielsweise die kalkulatorische Nutzungsdauer des Wärmeerzeugers angebracht. Um der Klimarelevanz der Gebäudeplanung noch besser gerecht zu werden, ist allerdings auch eine Bewertung der CO2-Emissionen angebracht und vom Gesetzgeber angekündigt. Das wäre auch für andere Energieträger möglich, beispielsweise auf Basis einer Treibhausgas-Minderungsquote für Erdgas.
Gleichzeitig muss der Gesetzgeber aber auch Wert auf einen geringen bzw. sinkenden Endenergieeinsatz für den Gebäudebetrieb legen, denn mit den Energiewendezielen strebt der PEFne den Wert null an. Schon heute ist der primärenergetischen Bewertung durch Nebenanforderungen eine Grenze gesetzt, allerdings wird der zunehmen relevante Energieeinsatz für die Gebäudeerstellung (Graue Energie) bisher fast vollständig vernachlässigt.
Insgesamt wird immer deutlicher, dass die vor vielen Jahren mit der Energieeinsparverordnung eingeführten und in das Gebäudeenergiegesetz übernommenen Mechanismen zur energetischen Bewertung von Gebäuden im Rahmen ihrer klimarelevanten Bewertung nicht zukunftsfähig sind und ein Systemwechsel für die Energiewende und die Wärmewende dringend erforderlich ist. ■
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