SBZ: Wenn ich rund um den Vaillant-Kosmos die Entwicklung der vergangenen Monate betrachte, dann komme ich zu einer Schlussfolgerung: Gas und Öl spielen offensichtlich keine große Rolle mehr?
Dr. Tillmann von Schroeter: Der eine Teil Ihrer Frage ist einfach beantwortet: Vaillant ist schon länger aus der Entwicklung von Öl-Brennwertgeräten ausgestiegen. Beim Thema Gas sehen wir hingegen weiter Potenzial, weil sich nicht in jedem Objekt die Wärme- und Warmwasserversorgung monovalent über Wärmepumpen lösen lässt. Deswegen brauchen wir in der Heiztechnik erneuerbare Gase – gerade in einer Volkswirtschaft, in der die Stromproduktion nicht beliebig skalierbar ist und keine riesigen Energiespeicher auf der Elektroseite vorhanden sind. Von daher arbeiten wir weiterhin an Heizgeräten, die erneuerbare Gase wie z. B. Wasserstoff einsetzen können – sei es für Hybridanwendungen oder auch reine Wasserstoff-Heizgeräte.
SBZ: Was macht Sie so sicher, dass sich die Situation nicht doch erneut ins Gegenteil verkehrt und Gas oder gar Öl wieder als günstige(re) Energiequelle an Ansehen gewinnen?
Von Schroeter: Eine Garantie gibt uns niemand und die momentanen Entwicklungen sind in der Tat hoch volatil. Im Herbst 2022 haben sich die Suchanfragen von Endkunden nach Wärmepumpen plötzlich um 60 % reduziert. Das zeigt die hohe Verunsicherung im Markt. Daraus leitet sich der Auftrag für die Politik und uns ab, Lösungen und eine klare Orientierung anzubieten. Der typische Deutsche ist seit jeher beim Heizen ein ökonomisch denkender Mensch. Kaum einer wird sich ein Heizsystem einbauen, das zu höheren Betriebskosten führt. Deswegen wird die Energiewende Richtung Wärmepumpe nur dann funktionieren, wenn die ökonomische Seite in die gleiche Richtung geht wie die technologische.
SBZ: Das heißt, Sie sehen Gas weiterhin als Player im Heizmarkt?
Von Schroeter: Wir haben dazu eine klare Position und sehen eine Zukunftsperspektive ausschließlich bei grünen Gasen wie beispielsweise Wasserstoff. Vaillant steht zu 100 % hinter den Zielen der Wärme- und Energiewende. Mit fossilen Gasen lassen sich weder die erforderlichen Klimaziele noch die benötigte Nachhaltigkeit erreichen.
SBZ: Neben dieser Thematik hat die Wärmepumpe als erstes Produkt der Branche auch eine wesentliche gesellschaftliche Bedeutung. Sehen Sie das genauso?
Von Schroeter: Wir empfinden es als große Wertschätzung, welche Verantwortung wir nun auch mit Blick auf die Energiewende in der Gesellschaft übernehmen dürfen. Der gesellschaftliche Beitrag, den wir leisten, ist Teil unseres Selbstverständnisses als nachhaltiges Unternehmen und sorgt gleichzeitig für eine hohe Identifikation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit ihren Aufgaben. Das gibt unserem Unternehmen viel Energie. Die gesamte Vaillant-Familie ist enorm motiviert und freut sich darauf, neue Wärmepumpenlösungen zu erarbeiten – sei es als Produkt oder in Form von Dienstleistungen, die Planung und Installation noch einfacher machen.
SBZ: Spiegelt die Meinung von Vaillant zu den Standbeinen Wärmepumpe und Gas bzw. Wasserstoff auch die Meinung Ihrer Partner im Fachhandwerk wider?
Von Schroeter: Unser Ansatz lautet seit nahezu 150 Jahren, zusammen intensiv auf Augenhöhe zu reden. Und noch wichtiger: genau zuzuhören. Wir haben das Glück, über eine Organisation zu verfügen, die sehr nah am Fachhandwerker im Markt unterwegs ist. Diese Stärke haben wir immer weiter kultiviert. Heute entwickeln wir gemeinsam mit unseren Partnern neue Produkte, prüfen sie gemeinsam auf Herz und Nieren und diskutieren über Konzepte, die uns künftig gemeinsam tragen werden.
SBZ: Das setzt aber auch voraus, dass das Fachhandwerk und die Branche zu Änderungen bereit sind.
Von Schroeter: Jeder Wandel schmerzt anfangs, weil gewohnte Prozesse verändert werden. Und der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Erst im Laufe der Zeit werden dann erfolgreiche Änderungen akzeptiert. Die Diskussion über neue Geschäftsmodelle mit der Online-Ansprache von Endkunden ist für mich dafür ein typisches Beispiel. Solche Veränderungen tun anfangs weh, helfen am Schluss aber allen Beteiligten. Die Branche ist etabliert und wir sind fast 150 Jahre alt. Aber das kann natürlich keine Legitimation dafür sein, dass alles immer so bleibt, wie es ist – wenn wir gemeinsam weiter erfolgreich sein wollen. Wir müssen auf den Markt und unsere Partner hören, weil ansonsten Entwicklungen an uns vorbeigehen. Dafür müssen wir hinreichend flexibel bleiben.
SBZ: Was empfehlen Sie Handwerksunternehmern in dieser Zeit, mit Blick auf deren Heizungs-Geschäftsfelder, welche Ausrichtung(en) wäre(n) jetzt angebracht? Gas und Öl allenfalls noch in der Wartung, dafür erneuerbare Energien in der Modernisierung und im Neubaugeschäft?
Von Schroeter: Für den Neubau und die Modernisierung von „neueren“ Ein- und Zweifamilienhäusern empfehlen wir ganz klar die Wärmepumpe. In der Modernisierung größerer und älterer Häuser würde ich den Fokus auch auf Hybridheizungen legen. Gerade im Hinblick auf die angedachten Gesetze neuer Heizsysteme mit mindestens 65 % Anteil an erneuerbaren Energieträgern werden wir unserer Ansicht nach noch kurz vor Toresschluss vielfach einen Wechsel Gas gegen Gas erleben – falls die Kosten für Energieträger nicht entsprechend politisch ausgesteuert werden.
SBZ: Welche Hebel müssen Ihrer Meinung nach umgelegt werden, um erneuerbare Energien – sprich die Wärmepumpe – schneller als bisher „in den Markt zu bringen“ bzw. an den Kunden und um die angenommenen Ausbauziele zu erreichen? (Anm. d. Red.: 500.000 Anlagen pro Jahr)
Von Schroeter: Es muss für den Haus- und Wohnungseigentümer bzw. den Investor nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch sinnvoll sein, eine Wärmepumpe zu installieren. Das wird aus einer Mischung aus attraktiven Energiekosten und Förderung erreicht. Leider entwickeln sich die Kosten insbesondere für Strom in die falsche Richtung. Als wir in der politischen Diskussion vor rund einem Jahr darüber nachgedacht haben, wie wir den Preis für eine kWh auf 20 Cent bekommen, hat keiner mit einer Strompreisbremse gerechnet, die den Preis auf 40 Cent reduzieren soll. Zwar investieren viele Haus- und Wohnungseigentümer gleichzeitig auch in eine Photovoltaikanlage. Wir brauchen aber eine Politik, in der die Wärmepumpe auch ohne eine Photovoltaikanlage nicht nur umweltpolitisch, sondern auch wirtschaftlich eine sinnvolle Entscheidung ist.
SBZ: Der Schwenk hin zur Wärmepumpe als Leittechnik im Heizungsmarkt verlangt der Branche viel ab. Das Handwerk z. B. muss in sehr kurzer Zeit enorm viel Fachwissen auffrischen oder gar neu aufbauen. Regelungstechnik, Kältekreisläufe und -mittel – es gibt viel zu tun. Was unternimmt ein Hersteller wie Vaillant, um an dieser Stelle für mehr Wissen und letztlich mehr Sicherheit im Planen und Installieren zu sorgen?
Von Schroeter: Es ist richtig, dass wir noch ein erhebliches Potenzial im Markt haben, um mehr Wärmepumpen zu installieren – durch Fachhandwerker, die wir als Branche noch nicht dafür begeistern konnten, Wärmepumpen zu verbauen. Hier sehe ich es als Aufgabe der Hersteller an, dem Fachhandwerk den Einstieg in den Wärmepumpenmarkt so einfach wie möglich zu machen. Weil es kaum noch einen Fachhandwerker gibt, der sagt, dass wir die Wärmepumpe nicht brauchen. Im Gegenteil: Die Notwendigkeit der Technologie Wärmepumpe wird vom Großteil der Handwerksbetriebe gesehen. Auch die Tatsache, dass die Wärmepumpe für den eigenen Betrieb immer wichtiger werden wird, ist klar. Diese grundsätzliche Marktrelevanz und eine immer bessere Unterstützung seitens der Hersteller wird immer mehr Fachhandwerker überzeugen können, selbst aktiv zu werden.
SBZ: Was unternehmen Sie derzeit als Hersteller, um die Hürde für das Fachhandwerk herunterzusetzen?
Von Schroeter: Wir wollen unsere Fachhandwerkspartner eng unterstützen, indem wir die Herausforderungen gemeinsam bewältigen. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bieten vor Ort Verkaufs- und Planungsunterstützung an. Unsere digitalen Services im Fachpartner-Net unterstützen jeden Schritt und unser Kundendienst ist täglich zur Stelle – nicht nur für Inbetriebnahmen; wir begleiten beispielsweise auf Wunsch auch die Installationen von Wärmepumpen. Das gibt Vertrauen und Sicherheit. Und wir erleben bei unseren Partnern immer wieder eine riesige Offenheit, diesen Schritt mit uns zu gehen – und dem eigenen Betrieb ein neues Standbein zu verschaffen. Wir ziehen hier alle gemeinsam an dem Strang, der die Branche in den Wärmepumpenmarkt führt.
SBZ: All das Engagement von Ihrer Seite baut natürlich darauf, dass auch die Produktqualität bei Wärmepumpen stimmt. Sie setzen dabei auf eine breit aufgestellte Forschung und Entwicklung. Warum ist Ihnen das so wichtig?
Von Schroeter: Unsere Forschung und Entwicklung ist ein ganz wichtiger Baustein für die hohe Produktqualität. Und diese Qualität beginnt schon bei der Auswahl der richtigen Komponenten und einem einwandfreien Produktdesign. Darüber hinaus müssen alle unsere Produkte und auch die zahlreichen Komponenten höchsten Testansprüchen genügen. Da ist es in einer Zeit mit extrem volatilen Lieferketten außerordentlich hilfreich, alle notwendigen Tests selbst durchführen zu können und sich nicht auf externe Aussagen verlassen zu müssen. Auch deswegen haben wir sehr viel in unsere Forschung und Entwicklung investiert.
SBZ: Sind denn bei der Wärmepumpe noch große Effizienzsprünge zu erwarten? Die Naturgesetze der Physik lassen sich wohl kaum wegforschen.
Von Schroeter: Wir verfolgen aufmerksam die Diskussion um den Einsatz verschiedener Kältemittel und haben bereits eine Entscheidung für den Wechsel zum besonders umweltschonenden Kältemittel R290 getroffen. Ein absoluter Pluspunkt, nicht nur für die Umwelt, sondern auch für die Effizienz. Weitere Chancen sehen wir in einer besseren Einbindung in die Haustechnik inklusive smarter Kombinationen mit Photovoltaik und intelligenter Speichertechnik – hinsichtlich Wärme und Strom. Die Möglichkeiten der Digitalisierung werden es erlauben, die Wärmeverteilung viel besser aufzustellen. Wir rechnen alleine in puncto Nutzung der Digitalisierung mit einer bis zu 20 % höheren Effizienz.
SBZ: Kopfzerbrechen bereitet gerade der Bestand. Mehrfamilienhäuser mit Gas-Etagenheizungen sind nicht mal so eben mit einer Wärmepumpe modernisiert. Welche Ansätze verfolgt Vaillant, um auch hier Erfolge zu erzielen?
Von Schroeter: Wir sehen hier drei Ansätze. Der erste ist die serielle Sanierung. Hier sind auch monoenergetische Systeme – teilweise mit einer separaten Lösung für die Warmwasserversorgung – machbar. Die zweite Möglichkeit besteht in hybriden Lösungen, die dabei helfen, insbesondere in den Übergangszeiten deutlich effizienter zu werden. Der dritte und neueste Konzeptansatz sind Wohnungs-Wärmepumpen, mit denen wir bereits in ersten Pilotanlagen arbeiten. Das heißt, wir setzen hier auf kalte Nahwärme mit Wärmepumpen auf der Etage und ggf. einer eigenständigen Lösung für das Warmwasser.
SBZ: Der Fertigungsbereich für Wärmepumpen am Standort Remscheid ist deutlich gewachsen, Vaillant produziert effizienter. Welche Lieferzeiten haben Sie aktuell und wo möchten Sie einmal landen?
Von Schroeter: Zum aktuellen Zeitpunkt (Anm. d. Red.: Anfang Januar 2023) haben wir je nach Wärmepumpenmodell Lieferzeiten von drei bis zwölf Monaten. Wir gehen damit sehr offen um und veröffentlichen diese Daten jeweils auf dem neuesten Stand für unsere Fachhandwerkspartner im Fachpartner-Net. Derzeit werden die Lieferzeiten wieder kürzer, wir sind aber noch lange nicht da, wo wir hinkommen wollen. Unser nächstes Etappenziel ist durchgängig eine maximale Lieferzeit von drei bis sechs Monaten für alle Modelle.
SBZ: Mit einem gestrafften Herstellungsprozess geht meist ja auch eine Optimierung aufseiten der Herstellerkosten einher. Werden Wärmepumpen irgendwann einmal günstiger zu bekommen sein als zu aktuellen Preisen?
Von Schroeter: Die Wettbewerbsintensität im Wärmepumpenmarkt ist sehr hoch. Und es ist klar, dass alle Hersteller mit den aktuellen Investitionen höhere Stückzahlen mit entsprechenden Skalierungseffekten realisieren wollen. Für den Verbraucher ist das gut.
SBZ: Herr Dr. von Schröter, Preise hin oder her – Hand aufs Herz! Was meinen Sie, ist das 1,5-Grad-Ziel noch zu erreichen oder werden alle entscheidenden Grenzwerte gerissen? Die jüngsten Meldungen dazu geben ja wenig Anlass zur Hoffnung.
Von Schroeter: Wenn wir unser Handeln nicht beschleunigen, werden wir die gewünschten Ziele in der Energiewende verfehlen. Deswegen kann es nur unser Anspruch sein, die Wärmeversorgung noch schneller und radikaler umzubauen. 2022 war ein sehr gutes Jahr für die Gebäudetechnik, weil unglaublich viele Investitionen getätigt worden sind. Die Heiztechnikbranche transformiert sich in einem atemberaubenden Tempo. Darüber hinaus gehen wir alle seit letztem Jahr sensibler mit Energie um. Das Thema Energieeffizienz ist endgültig in den Köpfen angekommen und das ist ein ganz entscheidender Hebel.
SBZ: Herr Dr. von Schroeter, besten Dank für die Ein- und Ausblicke!