Die Nachfrage nach qualifizierten Arbeitskräften ist derzeit sehr hoch, auch die Sanitär- und Heizungsbranche muss sich anstrengen, freie Stellen zeitnah besetzen zu können. Stehen für offene Stellen keine Bewerber zur Verfügung, muss der Betrieb eventuell sogar Aufträge ablehnen, Termine verschieben oder Überstunden anordnen. Um den Kreis der Bewerbungen zu erhöhen, kann der Stellenanbieter gezielt Frauen ansprechen. Frauenpower soll nicht nur ein Schlagwort sein. Die Firma muss sich schon ein wenig umstellen, wenn sie Frauen ins Montageteam aufnimmt. So kann man nicht die Damen einfach in die gleiche Arbeitskleidung stecken wie die männlichen Kollegen.
Professionelle Ausrüster haben auch für die Damen besondere Angebote. Frauen für die Montage zu gewinnen, kann zur Chefsache erklärt werden. Es erfordert nicht nur ein Umdenken, sondern auch die Aussprache mit dem Team, das vorwiegend oder ausschließlich aus Männern besteht, die vereinzelt Vorurteile haben. Kommt von dort her Widerstand, behindert das die Integration der neuen Kollegin. Wer sie als schwaches Geschlecht betrachtet, diskriminiert sie.
Wenn im Team eine Frau startet, will sie nicht mit Samthandschuhen angefasst werden, sie erwartet keine Sonderbehandlung und reagiert sensibel auf männliche Vorurteile. Sie will ihren „Mann stehen“, ohne die typischen Eigenschaften ihres Geschlechts einzubüßen. Stark, kompetent, ehrgeizig – das weibliche Geschlecht hat sich im Handwerk bestens bewährt und steht den „Herren der Schöpfung“ bei der Arbeit nicht nach. Die Kollegen sind meist erstaunt, wie kräftig die Kollegin anpacken kann. Deshalb sollte der Chef „Schnuppertage“ anbieten, um weibliche Bewerber zu erreichen. Chancen kann eine Frau nur ergreifen, wenn man ihr Chancen bietet.
Typisch männlich
Wenn der Chef Einstellungen vornimmt, hat er im Hinterkopf immer noch den männlichen Bewerber. Er ist immer noch skeptisch, ob auch der Kunde die Frau an der Baustelle anerkennt, selbst wenn sie Meisterin ist. Durch die sogenannte „Defizittheorie“ sieht man die Nachteile der weiblichen Bewerberinnen, obwohl das Antidiskriminierungsgesetz dazu geführt hat, dass in Stellenausschreibungen beide Geschlechter angesprochen werden müssen. Trotz allem gibt es männliches Dominanzverhalten im Team, besonders wenn die Kollegin auch noch jünger ist und schon genauso gut wie ein Ü-40-Jähriger arbeitet.
Frauen sind für die Herausforderungen im Handwerk sehr gut aufgestellt, sie besitzen eine ausgeprägte Teamfähigkeit und sind ehrgeizig. Das Misstrauen der männlichen Kollegen, dass sie wenig Verständnis für Technik haben, ist völlig unbegründet.
Typische geschlechtsspezifische Unterschiede im Arbeitsverhalten sollten nicht versteckt, sondern transparent werden. Gibt es Probleme beim Heben von Lasten, kann das mit anderen Fähigkeiten kompensiert werden. Ist die Kollegin im Team neu, bricht sie erstmals in die Männerdomäne ein, muss sich jeder darauf einstellen. Einfühlungsvermögen, Intuition und andere weibliche Eigenschaften sind eine Bereicherung. Im Arbeitsalltag hat man die „Geschlechterbrille“ auf, weibliches Auftreten, das nicht in das Raster passt, muss ausgeblendet werden. Männer machen unbewusst den Fehler, dass sie mit einer Kollegin anders reden als mit einem Kollegen.
Mag sein, dass eine Frau, die erstmals im männlichen Team arbeitet, die Kollegen anfangs verunsichert. Auch für die Frau ist es nicht einfach, wenn sie erstmals in ein rein männliches Team integriert wird.
Typisch weiblich
Eine Frau im Handwerk muss wissen, dass es nichts bringt, irgendeine Rolle zu spielen oder gleich zu sein wie die männlichen Kollegen. Sich zu verstellen oder etwas vorzuspielen ist anstrengend, man büßt dabei auch die Authentizität ein. Frauen, die sich für das Handwerk entscheiden oder eine Ausbildungsstelle suchen, sollten auch wissen, was auf sie zukommt. Es gibt viele Beweise, dass sie ihren „Mann stehen“ können: im Boxsport, beim Skispringen, beim Fußball, bei der Polizei und in der Politik. Es bedarf der Unterstützung der Firma und des Arbeitsteams, damit eine Stellenbewerberin ohne Vorbehalte aufgenommen wird.
Werden Frauen vom Chef für ihre Arbeit gelobt, reagieren sie oft mit: „Das hätten andere auch geschafft.“ Ist Tiefstapeln eine weibliche Eigenschaft? Frauen denken bei Erfolgen eher, dass sie nur einen Anteil daran haben oder Glück hatten. Erfreulich, dass die jüngere Generation mit der eigenen Leistung auf sich aufmerksam macht und dem Ausspruch „Eigenlob stinkt“ eine Absage erteilt.
Gelegentlich haben Frauen immer noch Selbstzweifel und das Gefühl, sie seien weniger kompetent und leistungsfähig. Männer können ihre Erfolge besser in den Vordergrund stellen und sich gut verkaufen.
Frauen präsentieren sich weniger offensiv, sie unterschätzen eher ihr Können, während Männer meist zur Selbstüberschätzung neigen. Diese Art von Bescheidenheit ist in der Generation Z nicht mehr üblich. Tritt eine Kollegin selbstbewusst auf, überrascht das den älteren Kollegen und er bewertet es nicht positiv, weil dies nicht in sein Denkmuster passt. Ausnahmen werden extra erwähnt.
Mehr Gelassenheit bei Stress und Hektik
Frauen sind schneller in der Lage, sich auf neue Gegebenheiten einzustellen. Sie sind flexibel, können sich und andere besser organisieren als die Herren der Schöpfung und sie reagieren bei Stress und Hektik eher gelassen. Gute Kommunikationsfähigkeiten im Team oder im Kundengespräch liegen ihnen im Blut. Ihre Gesprächskompetenz ist ausgeprägter: Sie hören oft besser zu, interessieren sich für Kollegen, denken kooperativer. Es widerstrebt ihnen, Macht auszuüben, während Männer dazu neigen, ihre berufliche Erfahrung auszuspielen.
Allerdings: Es gibt Frauen, die sich durch ihren Zwang zum Perfektionismus selbst behindern. Es fällt ihnen schwer, mit dem Arbeitsergebnis von 99 Prozent zufrieden zu sein, ihr Ziel ist 120 Prozent. Typische Gedanken der Perfektionistin: „Wenn ich einmal einen Fehler mache, dann hat das schlimme Folgen“ oder: „Wenn ich nicht immer mein Bestes gebe, dann bin ich nicht zufrieden.“ Perfektionisten kommen aus einem leistungsorientierten Umfeld, in dem hohe Leistungsstandards normal sind. Nicht nur die Wertschätzung anderer ist wichtig, sondern auch das eigene Gefühl, alles perfekt zu machen. Um nicht „abzustürzen“, bemüht sie sich um Perfektion.
Männer brauchen Frauen im Team, weil damit die unterschiedlichen Arbeitsweisen der Geschlechter optimal kombiniert werden. Das Handwerk kennt inzwischen die Vorteile des gemischten Teams. Obwohl sich die Unterschiede im Kommunikationsstil in den letzten Jahren stark abgeschwächt haben, gibt es natürlich typische Eigenschaften zwischen den Geschlechtern.
Die Einstellung muss stimmen
Frauen haben oft Selbstzweifel und das Gefühl, sie seien weniger kompetent und leistungsfähig. Und sie befürchten, sich nicht durchsetzen zu können. Männer können ihre Erfolge besser in den Vordergrund stellen und sich gut verkaufen. Sie lassen sich leichter verunsichern, wenn jemand eine andere Meinung hat. Werden sie kritisiert, fühlen sie sich schnell persönlich angegriffen.
Häufig behindern sich Frauen auch durch Selbstzweifel selbst und vermuten, dass die Zusammenarbeit in der Männerdomäne mit Schwierigkeiten gepflastert ist. Wenn eine Frau keine Unterstützung hat, kann sie an den männlichen Netzwerken und Seilschaften scheitern. Nach wie vor gibt es in der Männerwelt offene und versteckte Vorurteile gegen Kolleginnen, wobei der Chef mit dem Aufruf nach Toleranz gefragt ist. Der unterschiedliche Kommunikationsstil sollte als geschlechtsspezifisch gesehen werden.
Fazit: Frauen stellen häufiger eine Frage, wenn sie mit ihren männlichen Kollegen sprechen. Sie drücken sich höflicher aus, was nicht heißt, dass sie nicht auch anders können, wenn es sein muss.
Weil sich die Erwartungen an Frauen und Männer unterscheiden, wird gleiches Verhalten ungleich beurteilt. Während sich ein Mann „Gehör verschafft“, gilt eine Frau als „vorlaut“. Bei ihm heißt es, „er lässt Dampf ab“, bei ihr, „sie verliert die Nerven“. Er handelt „strategisch“, sie „berechnend“. Ein Mann geht in seinem Beruf auf, eine Frau vernachlässigt die Kinder.
TIPP
Frauen im Handwerk: So geht’s!
Autor
Rolf Leicher ist Dipl.-Betriebswirt, Fachautor und Referent. Er lebt in Heidelberg. Telefon (0 62 21) 80 48 82 Rolf.Leicher@T-Online.de