So sieht es aus: In den vergangenen 20 Jahren als Berater – auch für das Thema Digitalisierung im Handwerk – habe ich festgestellt, dass es drei Arten gibt, wie Unternehmer an das Thema herangehen. Da gibt es bis heute den Typ Digitalisierungsverweigerer. Unternehmer, die nichts mit der Digitalisierung zu tun haben wollen. Getreu dem Motto: „Die paar Jahre, die ich im Job noch vor mir habe, wird es auch so gehen.“ Dann gibt es eine große Masse an Pragmatikerinnen und Pragmatikern. Sie wissen, dass die Digitalisierung zum Beispiel bei der Zusammenarbeit mit Lieferanten, der Kommunikation im Team oder der Steuerberaterin im Grunde unerlässlich ist. Dort, wo es sich anbietet und eine sinnvolle Lösung auf der Hand liegt, wird digitalisiert.
Begeisterte suchen aktiv nach Digitalisierungschancen
Eine dritte, wachsende Gruppe ist die der Digitalisierungsbegeisterten. Diese Unternehmerinnen und Unternehmer begreifen die Digitalisierung als Chance mit enormem Potenzial zur Steigerung von Effizienz und Produktivität. Die Digitalisierung kann helfen, Zeit zu sparen und dem Fachkräftemangel zu begegnen, davon sind sie überzeugt. Deshalb suchen sie aktiv in ihrem Unternehmen nach Digitalisierungschancen.
Egal, ob du eher pragmatisch oder begeistert an das Thema Digitalisierung herangehst: Das Unternehmen auf sein Optimierungspotenzial hin anzusehen, lohnt sich auf jeden Fall.
Viele digitalisieren, was ohnehin schon läuft
Ein häufiger Fehler ist es jedoch, die Prozesse zu digitalisieren, die ohnehin schon am besten laufen. Sinnvoller ist es, dort hinzusehen und die Abläufe zu optimieren, die täglich Zeit und Nerven kosten. Auch hier gilt: Es ist kein Unternehmen wie das andere.
Während beispielsweise die Urlaubsplanung beim gut eingespielten Drei-Mann-Betrieb wunderbar mündlich nach Absprache funktionieren kann, stößt dieses Modell bei 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aller Wahrscheinlichkeit nach an seine Grenzen. Gerade dieses Thema ist für größere Unternehmen prädestiniert, um mit der Digitalisierung der Urlaubsanträge zu starten. Im zweiten Schritt kann man dann das Thema Dokumentation angehen und sich anschließend um Angebote, Rechnungslegung und Buchhaltung kümmern. Auch die Kommunikation im Team lässt sich mit modernen Messenger-Diensten wunderbar digitalisieren. Auf diese Weise gehen keine Informationen mehr verloren.
Kommunikation und Marketing: Hybrid ist ein Erfolgsmodell
Dann gibt es Themen, die am besten hybrid funktionieren. Dazu gehört beispielsweise das Marketing. Ein Unternehmen braucht eine Top-Präsenz in den digitalen Medien. Dazu zählt die eigene Internetseite genauso wie Blogartikel oder die Social-Media-Kanäle. Es sollte jedoch auch greifbar sein: Zum Beispiel durch Zeitungsanzeigen und aktuelle Berichte. Zudem ist es sinnvoll, durch Fahrzeugbeschriftungen oder Baustellenbanner aufzufallen. Denn ein gutes Unternehmen, das Kundinnen, Kunden, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter lieben, ist in beiden Welten zu Hause: der digitalen und der analogen. Ähnlich verhält es sich mit der Kundenkommunikation: Ein persönlicher Kontakt ist wichtig und unersetzlich für das gegenseitige Vertrauen. Jedoch können viele Baustellenbesprechungen und Vorbesprechungen heute auch wunderbar digital funktionieren, wie die letzten 24 Monate gezeigt haben.
Vorsicht ist bei der Digitalisierung manchmal angesagt
Es gibt auch Themen, bei denen die Digitalisierung mit Vorsicht zu betrachten ist. Bei Anwenderschulungen ist dies der Fall. Während reine Wissensvermittlung als Webinar wunderbar funktioniert, stößt sie hier an ihre Grenzen. Und auch die guten analogen Planungswände für die Einsatzplanung bringen digitalisiert eher Aufwand als zusätzlichen Nutzen. Ganz zu schweigen von dem besonderen Charme einer digitalen Betriebsfeier, die es nach Möglichkeit zu vermeiden gilt.
Entwicklungschancen erkennen: So geht es!
Kein Unternehmen ist wie das andere. Deshalb ist es wichtig, sich einen individuellen Überblick zu verschaffen und zu überlegen: Welche Themen und Prozesse gibt es in meinem Unternehmen? Und bei welchen bringt eine Digitalisierung den größten Mehrwert? Die Entscheidung vereinfacht zum Beispiel eine Digitalisierungsmatrix, wie ich sich in meiner Beratung für Unternehmen nutze. Von der Projektorganisation über Personalführung bis zu Vertrieb, Kommunikation und Unternehmensplanung sind alle Elemente des Unternehmens und der Unternehmensführung vorhanden. Diese kann jeder Unternehmer, jede Unternehmerin im eigenen Betrieb und bei den gewachsenen Prozessen durchgehen und überlegen: Wo bringt mir eine Digitalisierung persönlich am meisten?
Denn richtig eingesetzt, kann die Digitalisierung viel Zeit und Nerven sparen. Das erlebe ich täglich in meiner Praxis bei vielen Handwerksunternehmen in ganz Deutschland. Lasst uns also 2022 nutzen und mit der Digitalisierung beginnen oder sie fortsetzen. Mit Augenmaß. Ganz pragmatisch. Schritt für Schritt.
Info
Thorsten Moortz schreibt regelmäßig in der SBZ. Seine Themen sind aus dem Unternehmeralltag gegriffen, für den Unternehmeralltag. Er ist Marketingexperte für Kommunikation und Betriebsführung in der SHK-Branche. Er ist als Vortragsredner, Strategieberater und Coach aktiv. Mehr dazu auf: