Abgeschlossene Verträge sind einzuhalten. Die Vertragsparteien sind im Rahmen der Zumutbarkeit verpflichtet, abgeschlossene Verträge zu erfüllen. Das ist der Grundsatz. Davon gibt es aber eben auch Abweichungen. Während ein Auftraggeber relativ weitreichende Kündigungsmöglichkeiten nach Abschluss eines Vertrages hat, steht dem Auftragnehmer nur in Ausnahmefällen ein Kündigungsrecht zu.
Kündigungsvoraussetzungen
Ein Auftragnehmer kann nur außerordentlich kündigen. Dafür müssen wichtige Gründe vorliegen. Im § 9 Abs. 1 der VOB/B sind solche Gründe aufgeführt. Liegen solche Kündigungsvoraussetzungen nicht vor, kann eine Drohgebärde des Auftragnehmers selbst einen Grund für eine Vertragsverletzung und eine Kündigung dann nach § 8 Abs. 3 VOB/B sein. Nach dem reformierten Vertragsrecht im BGB 2018 kann ein Auftragnehmer den Bauvertrag nach § 648a Abs. 1 BGB aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen. Ebenfalls ist eine Teilkündigung eines abgrenzbaren Teils des geschuldeten Werks möglich. Nach § 650h BGB ist eine schriftliche Kündigung nötig. Bei einer Kündigung durch den Bauunternehmer kann dieser verlangen, dass die andere Vertragspartei
- an der gemeinsamen Feststellung des Leistungsstandes mitwirkt und
- eine Vergütung für den bis zur Kündigung erbrachten Teils des Werks leistet.
Die Berechtigung, Schadenersatz zu verlangen, wird durch die Kündigung nicht ausgeschlossen.
Wichtige Gründe
Während in der VOB/B eine ganze Reihe von Tatbeständen aufgeführt werden, die einen wichtigen Kündigungsgrund darstellen, enthält das BGB hierzu nichts Konkretes. Allerdings dürften die VOB/B-Regelungen dazu Orientierung sein. Als wichtige Gründe für eine Auftragnehmerkündigung sind in der VOB/B unter anderem genannt: unterlassene Mitwirkungen durch den Auftraggeber, z. B. Fehlen von Ausführungsplänen, Nichtbeschaffung von Genehmigungen, Zahlungsverzüge oder fehlende Auskünfte über den voraussichtlichen Baubeginn nach § 5 Abs. 2 VOB/B.
Bei einem BGB-Vertrag ist ebenfalls die Mitwirkung des Bestellers nach § 642 Abs. 1 BGB erforderlich bzw. der Besteller oder Verbraucher dazu verpflichtet. Erfolgt dies nicht, ist der Bauunternehmer berechtigt, dem Besteller eine angemessene Frist zur Nachholung der Handlung zu setzen. Verstreicht die Frist erfolglos, gilt dann der Vertrag nach § 643 BGB als aufgehoben.
Bauverzug und Kündigung
In der derzeit angespannten Situation verfügbarer Kapazitäten steht oftmals die Frage, ob und wie lange ein Auftragnehmer Bauverzögerungen hinnehmen muss. Nach der VOB/B kann der Auftragnehmer kündigen, wenn eine Bauunterbrechung länger als drei Monate dauert (§ 6 Abs. 7 VOB/B). Der Auftragnehmer hat jedoch vor der Kündigung dem Auftraggeber erst eine angemessene Frist für seine Vertragserfüllung zu setzen und sollte die Kündigung unter die Bedingung des fruchtlosen Verstreichens der gewährten Frist stellen. Das OLG Frankfurt (Urteil vom 28. April 2017 – 29 U 166/16) hat sich vor einiger Zeit mit der Frage beschäftigt, wie bei einem vertraglich vereinbarten Abruf einer Leistung mit Verzögerungen des Abrufs umzugehen ist. Das Kündigungsrecht des Auftragnehmers nach § 6 Abs. 7 VOB/B setzt nicht voraus, dass mit den Arbeiten bereits begonnen worden ist. Es reicht auch aus, dass sich der vertraglich vorgesehene Beginn um mehr als drei Monate hinausschiebt, so das Gericht. Allerdings sei eine den Baubeginn nicht fixierende, sondern vom Abruf des Auftraggebers abhängig machende Regelung ähnlich § 5 Abs. 2 VOB/B regelmäßig als Bestimmungsrecht nach billigem Ermessen zu verstehen. Der Bauunternehmer wird durch ein derartiges Abrufrecht nicht unangemessen benachteiligt.
Wann ein Hinauszögern des Leistungsabrufs durch den Auftraggeber nicht mehr billigem Ermessen entspricht, sondern für den Auftragnehmer unzumutbar ist, hängt von den Gegebenheiten des Einzelfalls ab. Bei einem Bauvorhaben erheblichen Umfangs (hier: drei Mehrfamilienhäuser) kann jedenfalls ein Abruf binnen drei Monaten nach dem im Vertrag unverbindlich angegebenen „Circa“-Baubeginn noch ermessensfehlerfrei sein. Weitere Infos unter