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Gegen Starkregen gewappnet

Notentwässerung von ­Flachdächern

Inhalt

Bei Starkregen geraten Flachdächer und ihre Entwässerungssysteme oft an ihre Leistungsgrenzen. Wenn die anfallenden Wassermengen nicht schnell genug abgeleitet werden können, staut sich das Regenwasser auf dem Dach (Bild 1). Im schlimmsten Fall kommt es zur statischen Überlastung der Dachkonstruktion und zum Einsturz des Flachdaches. Zur Vermeidung solcher Schadensereignisse ist eine exakte Planung und Ausführung von ­Regenentwässerungsanlagen und Notentwässerungen erforderlich.

Regelwerke

Die Planung und Ausführung von Regenentwässerungsanlagen und Notentwässerungen müssen grundsätzlich nach DIN EN 12 056-3 „Schwerkraftentwässerungsanlagen innerhalb von Gebäuden – Dachentwässerung, Planung und Bemessung“, Ausgabe Januar 2001, und DIN 1986-100 „Entwässerungsanlagen für Gebäude und Grundstücke“, Ausgabe Dezember 2016, erfolgen.

Bild 2: Schema Dachentwässerung mit Notüberlauf- bzw. Notablaufsystem.

Bild: Saint-Gobain HES

Bild 2: Schema Dachentwässerung mit Notüberlauf- bzw. Notablaufsystem.

Anforderungen an Notentwässerungen

Jede Dachfläche bzw. jeder durch die Dachkonstruktion vorgegebene Tiefpunkt muss gemäß Abschnitt 5.3.1 der DIN 1986-100 über eine Notentwässerung verfügen. Nach Abschnitt 5.9 können zur Notentwässerung entweder Notüberläufe (zum Beispiel durch Öffnungen in der Attika) oder Notabläufe (zum Beispiel Notabläufe mit Rohrsystemen) eingesetzt werden (Bild 2). Notabläufe können als Attikaabläufe frei durch die Attika entwässern.

Die Notentwässerung darf nicht an die Entwässerungsanlage angeschlossen werden, sondern muss mit freiem Auslauf auf schadlos überflutbare Grundstücksflächen abgeleitet werden. Von jedem Dachablauf aus muss ein freier Abfluss auf der Dachabdichtung zu einer Notentwässerung mit ausreichendem Abflussvermögen vorhanden sein. Lässt die Dachgeometrie eine freie Notentwässerung über die Fassade nicht zu, muss zur Sicherstellung der Notentwässerungsfunktion ein zusätzliches Leitungssystem mit freiem Auslauf auf das Grundstück diese Aufgabe übernehmen. Rohrsysteme zur Notentwässerung sind als Freispiegelsysteme oder als planmäßig vollgefüllt betriebene Systeme mit Druckströmung zu bemessen.

Wichtiger Hinweis: Nur in Ausnahmefällen kann auf eine Notentwässerung verzichtet werden. Im Kommentar zur DIN 1986-100 heißt es hierzu: „Nur bei planmäßig vorgesehener Regenrückhaltung auf Flachdächern in Massivbauweise, die dafür statisch berechnet sind, kann auf eine Notentwässerung verzichtet werden. Dabei sollte die Dachkonstruktion einen Einstau bis zur Attikahöhe aufnehmen können.“

Ermittlung des Abflussvermögens von Notentwässerungen

Dachentwässerungssysteme werden für r(5,5), das heißt ein am Gebäudestandort über fünf Minuten zu erwartendes Regenereignis – das alle fünf Jahre auftritt – bemessen. Nach Abschnitt 14.2.6 der DIN 1986-100 müssen das Dachentwässerungs- und Notentwässerungssystem gemeinsam mindestens den am Gebäudestandort über fünf Minuten zu erwartenden Jahrhundertregen r(5,100) entwässern können. Alle Regenereignisse bis zum Jahrhundertregen dürfen die statischen Reserven der Tragwerkskonstruktion nicht überschreiten. Somit wird das Mindestabflussvermögen der Notentwässerung nach folgender Gleichung berechnet:

QNOT = (r(5,100) – r(5,5) x CS) x A / 10 000 (l/s)

Dabei ist:

QNOT das Mindestabflussvermögen der Not­entwässerung in Liter pro Sekunde (l/s);

r(5,100) der über fünf Minuten zu erwartende Jahrhundertregen am Gebäudestandort nach Tabelle A.1 der DIN 1986-100 (Bild 3) oder nach Kostra-DWD-2010 in Liter pro Sekunde und Hektar [I/(s x ha)];

r(5,5) die über fünf Minuten am Gebäudestandort zu erwartende fünfjährige Berechnungsregenspende nach Tabelle A.1 der DIN 1986-100 (Bild 3) oder nach Kostra-DWD-2010 in Liter pro Sekunde und Hektar [I/(s x ha)];

CS der Spitzenabflussbeiwert nach Tabelle 9 der DIN 1986-100;

A die Dachfläche in Quadratmetern (m²).

Bild 3: Auszug aus Tabelle A.1 der DIN 1986-100 am Beispiel für die Stadt Bonn.

Bild: Bernd Ishorst

Bild 3: Auszug aus Tabelle A.1 der DIN 1986-100 am Beispiel für die Stadt Bonn.

Berechnungsbeispiel 1

Gegeben:

  • Jahrhundertregenspende r(5, 100) = 533 l/
    (s x ha) (Bonn Zentrum nach Tabelle A.1)
  • Berechnungsregenspende r(5, 5) = 285 l/
    (s x ha) (Bonn Zentrum nach Tabelle A.1)
  • Spitzenabflussbeiwert CS = 0,8 für Kiesdach nach Tabelle 9
  • Dachfläche A = 1000 m²
  • Gesucht:

    QNOT in Liter pro Sekunde (l/s)

    Lösung:

    QNOT = (533 – 285 x 0,8) x 1000 / 10 000 (Punkt- vor Strichrechnung)

    Ergebnis:

    QNOT = 30,5 l/s

    Info: Die angegebenen Regenspenden in der Tabelle A.1 der DIN 1986-100 gelten grundsätzlich für das Zentrum der aufgeführten Orte. Ist die Ermittlung der Regenspenden anhand der Tabelle A.1 der DIN 1986-100 nicht möglich, müssen die Regenspenden mithilfe des Kostra-DWD-2010 bestimmt werden.

    Ist ein außergewöhnliches Maß an Schutz für ein Gebäude (zum Beispiel Flughafengebäude, Forschungszentrum oder Klinikum) erforderlich, sollte gemäß DIN 1986-100, Abschnitt 14.2.6, die Notentwässerungsanlage allein den Jahrhundertregen r(5,100) sicher ableiten können. Hierbei ist die Ableitung des Jahrhundert-Regenereignisses selbst bei Ausfall der Dachentwässerungsanlage – zum Beispiel durch Rückstau im Regenentwässerungssystem oder verschmutzte Dachabläufe – sichergestellt. Das Abflussvermögen der Notentwässerung wird dann nach folgender Gleichung ermittelt:

    QNOT = r(5,100) x A / 10 000 (l/s)

    Dabei ist:

    QNOT das Abflussvermögen der Notentwässerung in Liter pro Sekunde (l/s);

    r(5,100) der über fünf Minuten zu erwartende Jahrhundertregen am Gebäudestandort nach Tabelle A.1 der DIN 1986-100 (Bild 3) oder nach Kostra-DWD-2010 in Liter pro Sekunde und Hektar [I/(s x ha)];

    A die Dachfläche in Quadratmetern (m²).

    Berechnungsbeispiel 2

    Gegeben:

  • Jahrhundertregenspende r(5,100) = 533 l/
    (s x ha) (Bonn Zentrum nach Tabelle A.1)
  • Dachfläche A = 1000 m²
  • Gesucht:

    QNOT in Liter pro Sekunde (l/s)

    Lösung:

    QNOT = 533 x 1000 / 10 000

    Ergebnis:

    QNOT = 53,3 l/s

    Konstruktion der Notentwässerungen

    Nach DIN 1986-100, Abschnitt 14.2.6, gelten folgende Grundanforderungen an die Konstruktion von Notentwässerungen: „Die Addition der Druckhöhen am Dachablauf und an der Notentwässerung ergibt die maximale Überflutungshöhe auf dem Dach. Die maximale Überflutungshöhe auf dem Dach muss mit dem Tragwerksplaner (Statiker) abgestimmt werden. Die aus der Überflutungshöhe resultierende Flächenlast über dem Entwässerungstiefpunkt (Dachablauf) darf den statisch zugelassenen Wert für die Dachkonstruktion nicht überschreiten. Kann dieses Ziel nicht erreicht werden, muss die Dachkonstruktion mindestens im Bereich der Gefälletiefpunkte verstärkt werden.“

    Eine Alternative zur Verstärkung der Dachkonstruktion in den Gefälletiefpunkten ist der Einbau von Notabläufen mit eigenem Leitungssystem und freiem Auslauf auf schadlos überflutbare Grundstücksflächen. Die resultierende Überflutungshöhe ergibt sich entweder aus der Addition der Druckhöhen h am Dachablauf und der Notentwässerungsströmung zur Öffnung in der Attika oder aus der Addition der Druckhöhen h am Dachablauf und am Notablauf.

    In der Praxis muss der Sanitärplaner zunächst vom Tragwerksplaner (Statiker) bestätigt bekommen, mit welcher zusätzlichen Last die Dachkonstruktion beaufschlagt werden darf, wobei jede 100 kg/m² einer ­zulässigen Wasserhöhe von 100 mm entsprechen.

    Info: Die Angaben der Tragwerksplaner (Statiker) bezüglich der zusätzlichen statischen Dachlasten beziehen sich erfahrungsgemäß in den häufigsten Fällen auf die zulässigen Schnee- und Eislasten am Gebäudestandort. Die benötigten Druckhöhen h in Millimeter für Dach- und Notabläufe erhalten wir aus der Tabelle 10 der DIN 1986-100 (Bild 4). Die Summe der Druckhöhen h für Dach- und Notablauf darf den maximal zulässigen Wasserstand auf dem Dach nicht überschreiten.

    Bild 4: Auszug aus Tabelle 10 der DIN 1986-100.

    Bild: Bernd Ishorst

    Bild 4: Auszug aus Tabelle 10 der DIN 1986-100.

    Info: Bei den Angaben in der Tabelle 10 der DIN 1986-100 handelt es sich um Mindestanforderungen für Dach- und Notabläufe. Diese Werte sind allgemein gültig und optimal anzuwenden, wenn zum Beispiel in der Vorplanungsphase noch kein Fabrikat für die Abläufe feststeht. Sobald aber das Fabrikat der Abläufe feststeht, sollten die Angaben für das Abflussvermögen und die Druckhöhe h der Ablaufhersteller verwendet
    werden.

    Ist eine Notentwässerung über Öffnungen in der Attika möglich, kann die Differenz zwischen statisch zulässiger Last und der Druckhöhe am Dachablauf h als Druckhöhe h für die Notentwässerungsströmung genutzt werden.

    Bild 5: Notablauf HDE INO DN 80 mit ­Anstauring.

    Bild: Saint-Gobain HES

    Bild 5: Notablauf HDE INO DN 80 mit ­Anstauring.

    Beispiel: Der Statiker hat eine zusätzliche Last von 150 kg/m² bestätigt. Aus der Tabelle 10 der DIN 1986-100 ergibt sich für die vorgesehenen Dachabläufe DN 100 bei Schwerkraftentwässerung eine Druckhöhe (Stauhöhe) h von 35 mm. Von den 150 mm maximaler Wasserhöhe verbleiben somit 115 mm als Druckhöhe h für die Notentwässerungsströmung zu den Öffnungen in der Attika.

    Gemäß DIN 1986-100, Abschnitt 14.2.6, muss die Unterkante der Notentwässerung oberhalb der erforderlichen Druckhöhe h für den gewählten Dachablauf liegen. Damit soll erreicht werden, dass die Notentwässerung erst anläuft, wenn der Berechnungsregen r(5,5) überschritten wird, bei Notabläufen zum Beispiel durch einen Anstauring (Bild 5).

    Ist der Hochpunkt einer Notentwässerungsströmung weiter als 10 m vom Not­überlauf/Notablauf entfernt oder liegen Not­überläufe/Notabläufe weiter als 20 m auseinander, ist die Wassertiefe im Hochpunkt der Notentwässerungsströmung mindestens mit dem zweifachen Wert für die erforderliche Druckhöhe h am Notüberlauf/Notablauf anzunehmen (Bild 6).

    Hierbei gilt:

    W = 2 x h (mm)

    Dabei ist:

    W die Wassertiefe der Notentwässerungsströmung in mm;

    h die Druckhöhe am Notüberlauf bzw. Not­ablauf in mm.

    Ermittlung der Größe von Notüberläufen

    Die Ermittlung der Größe von rechteckigen Notüberläufen ist in Abschnitt 14.5.2 der DIN 1986-100 festgelegt.

    Es gilt die Formel:

    LW = QNOT x 24 000 / h 1,5 (mm)

    Dabei ist:

    LW die Breite des Notüberlaufs in mm;

    h die Druckhöhe am Notüberlauf in mm;

    QNOT das Abflussvermögen des Notüberlaufs in Liter pro Sekunde (l/s).

    Berechnungsbeispiel 3

    Gegeben:

  • QNOT insgesamt = 53,3 l/s aufgeteilt auf sechs Notüberläufe
  • QNOT je Notüberlauf = 8,9 l/s
  • Druckhöhe h am Notüberlauf = 115,0 mm
  • Gesucht:

    LW die Breite der Notüberläufe in mm

    Lösung:

    LW = 8,9 x 24 000 / (115,0)1,5

    Ergebnis:

    LW = 173,2 mm (in der Praxis 175 mm)

    Zur Ermittlung der Größe von rechteckigen Notüberläufen kann auch gegebenenfalls Bild 39 der DIN 1986-100 verwendet werden. Die Größe von runden Notüberläufen ist in der DIN 1986-100 im Abschnitt 14.5.3 festgelegt. Zur Ermittlung der Größe von runden Notüberläufen stehen Bild 40 und Bild 41 zur Verfügung.

    Flachdächer mit Dachbegrünungen

    Für Planung, Bau und Instandhaltung von Dachbegrünungen gelten die FLL – Dachbegrünungsrichtlinien, Ausgabe 2018. Gemäß den Dachbegrünungsrichtlinien können zur Notentwässerung von Flachdächern mit Dachbegrünungen Notüberläufe – wie zum Beispiel rechteckige Öffnungen in der Attika – oder Notabläufe mit Rohrsystemen eingesetzt werden.

    Der Zufluss zu den Notüberläufen/Not­abläufen darf durch den Schichtaufbau der Dachbegrünung, Randeinfassungen oder sonstige Hindernisse nicht beeinträchtigt werden. Der Nahbereich der Notüberläufe/Not­abläufe ist so zu gestalten, dass das Wasser ungehindert abfließen kann und jederzeit eine Sichtkontrolle möglich ist. Dieser Bereich ist von Bewuchs freizuhalten.

    Gemäß DIN 1986-100, Abschnitt 5.8.3, sind Dach- bzw. Not­abläufe gegen Zuwachsen durch die Begrünung zu schützen, zum Beispiel durch einen mindestens 50 cm breiten Rand aus Kies. Für Dächer mit Dachbegrünungen muss ein statischer Nachweis unter Berücksichtigung der Sollwassertiefe für die Notentwässerung erbracht werden.

    Umkehrdächer

    Das Umkehrdach ist eine Sonderform des Warmdaches. Der Name rührt daher, dass der Schichtenaufbau, bei dem die Wärmedämmung im Nassen liegt, umgekehrt zur klassischen Warmdachkonstruktion ausgeführt ist. Beim Umkehrdach wird die Dachabdichtung direkt auf die tragende Konstruktion – zum Beispiel die Stahlbetondecke – aufgebracht, wobei die Dämmebene auf der Abdichtung liegt. Da hierbei Regenwasser durch die Fugen der Wärmedämmung und dann weiter über die Dachabdichtung zu den Abläufen fließt, darf die Wärmedämmung weder Wasser aufnehmen noch quellen oder schrumpfen. Als Auflast dienen zum Beispiel Kiesschüttungen, Begrünungen oder Plattenbeläge. Bei Umkehrdächern ist die Not­entwässerung grundsätzlich oberhalb der höchsten Entwässerungsebene anzuordnen und statisch nachzuweisen.

    Fazit

    Die genaue Planung und Ausführung von Dach- und Notentwässerungen stellen höchste Anforderungen an Sanitärplaner und Fachinstallateure. Eine genaue Koordination zwischen Sanitärfachleuten, Architekten, Statikern sowie den Bedachungsfachleuten ist die wichtigste Voraussetzung für sicherere Dachentwässerungs- und Notentwässerungssysteme. Bei fehlender Erfahrung sollten unbedingt die Beratungsfachleute der Hersteller hinzugezogen werden.

    Bild 6: Höhe der Notentwässerungsströmung bei größeren Abständen.

    Bild: Saint-Gobain HES

    Bild 6: Höhe der Notentwässerungsströmung bei größeren Abständen.

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    LITERATUR

  • DIN 1986-100 „Entwässerungsanlagen für Gebäude und Grundstücke“, Ausgabe ­Dezember 2016
  • Kommentar zur DIN 1986-100 und DIN EN 12 056-4, 6. überarbeitete und erweiterte Auflage 2016
  • DIN EN 12 056-3 „Schwerkraftentwässerungsanlagen innerhalb von Gebäuden – Dachentwässerung, Planung und Bemessung“, Ausgabe Januar 2001
  • Flachdachrichtlinie, Ausgabe Mai 2019
  • FLL Dachbegrünungsrichtlinien – Richtlinien für Planung, Bau und Instandhaltung von Dachbegrünungen, Ausgabe 2018
  • Autor

    Bernd Ishorst
    ist Berater, Fachautor und Referent. Er lebt in 53340 Meckenheim.

    Bild: Bernd Ishorst