Die jüngsten Daten des Deutschen Wetterdienstes (DWD), insbesondere die aktuellen Kostra-DWD-2020-Werte, verdeutlichen, dass Regenspenden – also die Menge an Niederschlag, die innerhalb eines bestimmten Zeitraums, z. B. in fünf Minuten, fällt – signifikant gestiegen sind. Vergleicht man dies mit den Auswertungen von 2017, ist aufgrund von Starkregenereignissen im bundesweiten Durchschnitt ein Anstieg von bis zu 30 % zu verzeichnen. Dies hat direkte Auswirkungen auf die Anforderungen an Dachentwässerungssysteme, die in Deutschland nach der DIN 1986‑100 „Entwässerungsanlagen für Gebäude und Grundstücke – Teil 100: Bestimmungen in Verbindung mit DIN EN 752 und DIN EN 12056“ ausgelegt und dimensioniert werden.
Hierbei sind nicht nur die Regenentwässerungen, sondern auch eine adäquate Notentwässerung essenziell, um Überflutungen und damit verbundene Schäden zu vermeiden. Sowohl die Entwässerung mit Druckströmung als auch die Freispiegelentwässerung zeichnen sich durch die Fähigkeit aus, bei korrekter Auslegung auch mit erhöhten Niederschlagsmengen effizient umzugehen und zu gewährleisten, dass eine schnelle und sichere Ableitung des Wassers in die Kanalisation bzw. auf schadlos überflutbare Grundstücksflächen erfolgt.
Ein besonders kritisches Gefahrenbild bei Starkregen betrifft Flachdächer. Die Traglast eines Daches kann schnell überschritten werden, wenn Regenwasser nicht effektiv abgeführt wird. 1 m³ Wasser wiegt 1000 kg, was bedeutet, dass bereits eine 10 cm hohe Wasserschicht die Dachfläche mit 100 kg/m² belastet. Flachdächer, die nicht für die Aufnahme und Zwischenspeicherung von Wasser, wie etwa Gründächer, konzipiert sind, müssen das Wasser daher möglichst schnell abführen, um strukturelle Schäden und Undichtigkeiten zu vermeiden.
Um zu gewährleisten, dass Flachdächer bei Starkregen nicht unplanmäßig überlaufen, ist eine ausreichend dimensionierte Entwässerung unerlässlich. Bei einem Starkregenereignis von 200 l/m² in 24 Stunden müssen im Schnitt stündlich mehr als 8 l/m² an Wasser abgeführt werden. Da der Regenfall oft nicht gleichmäßig verteilt ist, kann dieser Wert schnell auf 20 bis 30 l/h ansteigen. Bei einer Dachfläche von 100 m² bedeutet dies, dass pro Stunde bis zu 3000 l Wasser abfließen müssen.
Entscheidungskriterien
Die Wahl des geeigneten Dachentwässerungssystems hängt von mehreren Faktoren ab – etwa von der Dachart, der geografischen Lage, den lokalen Niederschlagsmustern und den spezifischen Anforderungen des Gebäudes. Dachentwässerungssysteme korrekt und professionell zu berechnen, ist ein kritischer Schritt für die Planung und Realisierung von Bauvorhaben.
Angesichts der Vielfalt an Entwässerungssystemen benötigt jede Lösung eine präzise Planung und Berechnung, die auf die spezifischen Bedingungen und Anforderungen des jeweiligen Projekts abgestimmt ist. Dies erfordert ein tiefes Verständnis der physikalischen Prinzipien der Wasserbewegung, der lokalen Niederschlagsdaten, der spezifischen Eigenschaften des Gebäudes und des Dachs sowie möglicher Einflussfaktoren wie Kiesbelag oder Dachbegrünung, die die Abflussbeiwerte verändern.
Der HDE-Berechnungsservice des Unternehmens Saint-Gobain Pam Building etwa unterstützt seit Jahrzehnten Fachleute in der objektbezogenen Planung der Flachdachentwässerung. Diese Dienstleistung wird bei der anschließenden Verwendung des Produktportfolios kostenfrei angeboten. Zusätzlich zur präzisen Berechnung und Planung der Dachentwässerung bieten Experten eine Inaugenscheinnahme der fertigen Anlage an. Diese zusätzliche Überprüfung bietet Sicherheit sowohl für die ausführenden Handwerker als auch für die Planer.
Entwässerung mit Druckströmungssystemen
Die Dachentwässerung mit Druckströmung bzw. Hochleistungs-Druckentwässerung (HDE) stellt eine fortschrittliche und effektive Lösung für die Regenentwässerung von Dachflächen in unterschiedlichen Gebäudetypen dar, wie beispielsweise Werks- und Lagerhallen, Einkaufszentren, Sport- und Freizeitanlagen sowie Büro- und Verwaltungsgebäuden. Die HDE-Systeme sind speziell darauf ausgelegt, Flachdächer selbst bei extremen Niederschlagsmengen sicher und zuverlässig zu entwässern.
Gemäß DIN 1986‑100 erfolgt die Regenentwässerung bei HDE-Systemen über planmäßig vollgefüllte Regenwasserleitungen, die mit Druckströmung arbeiten. Sie nutzen das Prinzip der Schwerkraft, indem die Regenwasserleitungen vollgefüllt und durch den geodätischen Höhenunterschied zwischen dem Dachablauf und der Expansionsebene betrieben werden. Der notwendige Höhenunterschied erzeugt dabei den Unterdruck, der eine schnelle und effiziente Ableitung des Regenwassers sicherstellt. Für jeden Einsatz eines HDE-Systems ist ein rechnerischer Nachweis erforderlich, um die Leistungsfähigkeit und Sicherheit zu gewährleisten.
Im Vergleich zu Freispiegelentwässerungssystemen bieten HDE-Systeme zahlreiche Vorteile. Erstens erfordern sie kleinere Rohrdimensionen, was eine platzsparende Installation ermöglicht. Zweitens können diese Systeme ohne Leitungsgefälle verlegt werden, was flexiblere Planungsmöglichkeiten schafft, etwa niedrigere Unterdeckenkonstruktionen und effizientere Raumnutzung unter dem Dach. Darüber hinaus sorgen die hohen Fließgeschwindigkeiten in den Leitungen für eine selbstreinigende Wirkung. Ein weiterer Vorteil ist die Reduzierung des Grundleitungssystems, was weniger Erdarbeiten und damit geringere Tiefbaukosten zur Folge hat.
Besonderes Augenmerk bei der Dachentwässerung mit Druckströmung liegt auf den Flachdachabläufen, die mit speziellen Funktionsteilen ausgestattet sind, um bei Erreichung der Berechnungsregenspende das Eindringen von Luft in die Rohrleitungen zu verhindern. Dies stellt sicher, dass die Leitungen bei Starkregen vollgefüllt sind und die optimale Entwässerung gewährleistet ist.
Einbaubedingungen
Für eine bestmögliche Funktion der HDE-Systeme müssen bestimmte Einbaubedingungen und technische Anforderungen berücksichtigt werden. Dazu gehört eine Fallleitungslänge von 3 m sowie eine erste Anlaufhöhe von mindestens 0,4 m, gemessen von der Oberkante des Dachs bis zur Mitte der Anschlussleitung.
Die maximale Länge der Sammelleitung unterhalb des Dachs sollte das Zehnfache der Fallhöhe nicht überschreiten. Bei Überschreitung dieser Länge ist eine Prüfung durch Experten notwendig. Die Regenwassermenge pro Ablauf muss mindestens 1 l/s betragen, wobei die Spitzenabflussbeiwerte aller Abläufe des HDE-Systems identisch sein müssen, um eine gleichmäßige Verteilung des Wassers zu gewährleisten.
Die Selbstreinigung der Systeme ist durch eine Mindestfließgeschwindigkeit von 0,5 m/s im Leistungsbereich der Anlage gesichert. Zudem spielt die Planung des Leitungsverlaufs eine entscheidende Rolle. Idealerweise führen mehrere Dachabläufe vor der Einbindung in die Sammelleitung zusammen, wobei die Fallleitungen möglichst in der Mitte der Sammelleitung positioniert werden.
Zu vermeiden ist der Anschluss von Dachabläufen in unmittelbarer Nähe der Fallleitung, um eine optimale Entwässerung zu gewährleisten. Darüber hinaus sollte der Abstand zwischen zwei Abläufen maximal 20 m und die Distanz zur Attika maximal 10 m betragen. Die Dachfläche je HDE-Strang darf eine maximale Größe von 5000 m² nicht überschreiten und der Höhenunterschied aller Flachdachabläufe eines Systems darf maximal 1 m betragen.
Die Realisierung von HDE-Dachentwässerungssystemen hat oberhalb der Rückstauebene zu erfolgen. Leitungen unterhalb dieser Ebene müssen nach den Freispiegelregelungen dimensioniert werden.
Entwässerung mit Freispiegelsystemen
Freispiegelentwässerungssysteme sind ein bewährter Ansatz in der Gebäudeentwässerung, der sich durch seine Einfachheit und Zuverlässigkeit auszeichnet. Die Systeme nutzen das natürliche Gefälle, um Wasser durch teilgefüllte Rohre abzuleiten, was sie besonders für niedrige Gebäudetypen und kleinere Dachkonstruktionen attraktiv macht.
Ein wesentlicher Vorteil von Freispiegelsystemen liegt in ihrer Flexibilität bei der Installation. Da sie auf dem Prinzip der Schwerkraft basieren, entfällt die Notwendigkeit komplexer hydraulischer Dimensionierungen, wie sie bei Druckströmungssystemen erforderlich sind. Dies ermöglicht eine unkomplizierte Anpassung an verschiedene Gebäudestrukturen, insbesondere bei Objekten mit unterschiedlichen Höhen oder bei Dachflächen mit variierenden Abflussbeiwerten.
Besonders effektiv zeigen sich Freispiegelsysteme bei kleineren Dachflächen bis etwa 60 m², bei geringen Gebäudehöhen und bei niedrigen Stauhöhen. Zudem eignen sie sich für Dächer mit intensiver Begrünung oder auch für Retentionsdächer. Hier übernehmen Retentionsdächer die Funktion, Regenwasser zurückzuhalten und gedrosselt abzuleiten, was sowohl die öffentliche Kanalisation entlastet als auch die Wasserspeicherung für die Bepflanzung in Trockenperioden verbessert.
Ein weiterer Aspekt, der für den Einsatz von Freispiegelsystemen spricht, ist der Volumenstrom an den Abläufen. Bleibt dieser unter 1 l/s, ist eine Freispiegelentwässerung in der Regel die empfohlene Lösung. Denn hier muss häufig die Notentwässerung eine deutlich höhere Leistung erbringen als die Hauptentwässerung. Trotz der größeren Rohrdimensionen und des umfangreicheren Rohrnetzes, die Freispiegelsysteme im Vergleich zu Druckströmungssystemen erfordern, bleiben sie eine relevante und oft vorteilhafte Option. Ihre Effizienz basiert auf der sorgfältigen Planung des Gefälles, das typischerweise für einen Füllungsgrad von 70 % ausgelegt wird.
In manchen Fällen kann auch die Kombination von Freispiegel- und Druckströmungssystemen die optimale Lösung für komplexe Dachflächen darstellen. Dies ermöglicht eine flexible Anpassung an verschiedene Dachaufbauten und maximiert die Effizienz der Gebäudeentwässerung.
Komponenten im Blick behalten
Die kritische Betrachtung und sorgfältige Auswahl von Entwässerungskomponenten, insbesondere von Dachabläufen, ist für die Effizienz und Langlebigkeit von Gebäuden von entscheidender Bedeutung. Metallische Materialien wie Gusseisen oder Edelstahl zeichnen sich durch eine hohe Korrosionsbeständigkeit und mechanische Belastbarkeit aus, was Zuverlässigkeit unter extremen Bedingungen garantiert und den Wartungsaufwand minimiert.
Besonders Gusseisen punktet zudem mit sehr guten akustischen Eigenschaften, indem es die Geräusche des Wasserdurchflusses effektiv dämpft – ein wesentlicher Vorteil in lärmsensiblen Umgebungen. In Bezug auf den Brandschutz bieten metallische Systeme den Vorteil, dass sie keine speziellen Brandschotts im Flachdach benötigen. Brennendes Abtropfen oder Abfallen der Rohrleitungen ist ausgeschlossen, was zu einfacheren Brandschutzlösungen führt. Gleichzeitig tragen die Langlebigkeit und Recycelbarkeit der Systeme zu einer nachhaltigen Bauweise bei.
Moderne Entwässerungssysteme überzeugen durch ihre Systemflexibilität. Modulare Aufbauten ermöglichen eine flexible Anpassung an verschiedene Projektanforderungen, sei es für Betondächer oder begrünte Dächer. Diese Vielseitigkeit spiegelt sich auch in der breiten Palette an Komponenten und Zubehör wider, die für verschiedene Einsatzzwecke zur Verfügung stehen. Einheitliche, geschlossene Systeme vereinfachen dabei nicht nur Planung und Installation, sondern reduzieren auch die Kosten.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Energieeffizienz. Integrierte Wärmedämmung, beispielsweise durch Foamglas-Komponenten, verbessert die Gesamtenergieeffizienz und erfüllt die Anforderungen des Gebäudeenergiegesetzes. Die Verfügbarkeit von ein- und zweiteiligen Ablaufsystemen ermöglicht zudem eine optimale Anpassung an verschiedene Dachkonstruktionen. Spezielle Flanschkonstruktionen gewährleisten dabei eine sichere Integration in die Dachstruktur und optimale Abdichtung.
Fazit
Die Wahl des richtigen Dachentwässerungssystems ist angesichts zunehmender Extremwetterereignisse von entscheidender Bedeutung für die Sicherheit und Langlebigkeit von Gebäuden. Sowohl Druckströmungs- als auch Freispiegelsysteme bieten spezifische Vorteile für unterschiedliche Anwendungsfälle. Druckströmungssysteme zeichnen sich durch hohe Effizienz, Platzersparnis und Selbstreinigungseffekte aus, während Freispiegelsysteme durch ihre Einfachheit und Flexibilität überzeugen.
Die sorgfältige Auswahl aller Komponenten, insbesondere der Dachabläufe, unter Berücksichtigung von Materialqualität, Brandschutz, Wärmedämmung und Normkonformität ist entscheidend für die Gesamtleistung des Systems. Eine fachkundige Planung und Berechnung, die auf die spezifischen Bedingungen des jeweiligen Projekts abgestimmt ist, sowie die Einhaltung aktueller Normen und Richtlinien gewährleisten eine zukunftsorientierte und nachhaltige Lösung für die Dachentwässerung.
Weitere Infos auf www.sbz-online.de
Neugierig geworden?
Mehr rund um das Thema Dachentwässerung erfahren Sie in unserem Online-Dossier unter:
www.bit.ly/sbz_dach