Die Wohnungsnot in Deutschland hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen, vor allem in Ballungszentren wie Hamburg, Berlin, Köln oder München. Das Pestel Institut geht für das Jahr 2024 beispielsweise von einem Defizit von etwa 800.000 Wohnungen aus. Deswegen sollen jährlich mindestens 400.000 Wohnungen neu gebaut werden, wurde im Koalitionsvertrag der Bundesregierung vereinbart.
Nach Berechnungen des ifo Instituts werden 2024 aber lediglich etwa 210.000 Wohnungen fertiggestellt, im Jahr 2025 sogar nur noch rund 175.000. Die Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen (Arge) verweist in einer aktuellen Studie anlässlich des Wohnungsbautages 2024 zudem auf die stark gesunkene Zahl an Baugenehmigungen als wichtigsten Indikator für die Entwicklungen im Bausektor.
Als ein wesentlicher Grund für diese Entwicklung werden – neben zeitaufwendigen Planungs- und Genehmigungsverfahren – die stark gestiegenen Herstellungs- und Bauwerkskosten angegeben. Der Fachkräftemangel hat zudem die Bauaktivitäten über viele Jahre hinweg eingebremst. Noch vor zwei oder drei Jahren waren deswegen im Tiefbau Auftragsvorlaufzeiten von mehr als drei Monaten, im Hochbau sogar bis zu einem halben Jahr üblich. Das hat sich aufgrund der Konjunkturlage zwar etwas entspannt, die Lage dürfte allerdings durch den „demografischen Knick“, also das verstärkte Ausscheiden älterer Arbeitnehmer, schon in wenigen Jahren wieder kritischer werden.
Entsprechend groß sind die Hoffnungen, die auf serielles Bauen gelegt werden. Die Standardisierung mit möglichst industrieller Vorfertigung soll zum einen für kostensenkende Skaleneffekte sorgen, zum anderen die Abläufe vor Ort deutlich beschleunigen. Ideal ist dafür die Holztafelbauweise (siehe Infokasten) geeignet. Sie war bisher für Wohngebäude bis zur Gebäudeklasse 4 zugelassen.
Mit der längst überfälligen Änderung der Muster-Richtlinie über brandschutztechnische Anforderungen an Bauteile und Außenwandbekleidungen in Holzbauweise (MHolzBauRL) sollen unter bestimmten Voraussetzungen künftig ebenso Häuser der Gebäudeklasse 5 auf diese Weise gebaut werden dürfen – inklusive Sonderbauten bis zur Hochhausgrenze. Voraussetzungen sind allerdings brandschutztechnisch abgetrennte Räume oder Raumgruppen bis max. 400 m², deren bestimmungsgemäße Nutzung für selbstrettungsfähige Personen vorgesehen ist.
Serielles Bauen mit Holz als Lösung
Wie baulicher Brandschutz generell zu realisieren ist, beschreibt zunächst einmal § 14 der MBO: „Bauliche Anlagen sind so anzuordnen, zu errichten, zu ändern und instand zu halten, dass der Entstehung eines Brandes und der Ausbreitung von Feuer und Rauch (Brandausbreitung) vorgebeugt wird und bei einem Brand die Rettung von Menschen und Tieren sowie wirksame Löscharbeiten möglich sind.“
Um dieses Schutzziel zu erreichen, werden für tragende und aussteifende Bauteile in Abschnitt 4 der MBO abhängig von der jeweiligen Gebäudeklasse Anforderungen an das Brandverhalten von Baustoffen und Bauteilen gestellt. Beim Brandverhalten wird unterschieden zwischen
und bei der Feuerwiderstandsfähigkeit zwischen
Und genau hier liegt die für den Holzbau entscheidende Änderung: Die aktualisierte MHolzBauRL bietet nun weitergehende Regelungen für den Umgang mit Holz bis zur Hochhausgrenze. Bisher war die Holztafelbauweise nur bis zur Gebäudeklasse 4 erlaubt, denn für Gebäude der Gebäudeklasse 5 waren ausschließlich Bauteile in Massivholzbauweise zugelassen.
Dies soll nun geändert und Gebäude in Holztafelbauweise zukünftig auch in der Gebäudeklasse 5 zugelassen werden. Erwartet wird die Einführung noch im Jahr 2024. Bis zur Übernahme in die Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (VV TB) der jeweiligen Bundesländer wird allerdings ebenfalls der bekannte Weg über Abweichungsanträge und Erläuterungen im Brandschutzkonzept notwendig sein.
Welcher Abweichungsantrag?
Die Art der Abweichung lässt sich der Fußnote der Technischen Regel entnehmen. Für die Abweichung von der MHolzBauRL ist demnach ein materieller Abweichungsantrag nach § 67 (1) MBO erforderlich, der im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens zu beantragen ist.
Anders sieht es beispielsweise bei der Abweichung von den in den Technischen Baubestimmungen enthaltenen Planungs-, Bemessungs- und Ausführungsregeln nach § 85a MBO, wie etwa der Muster-Leitungsanlagen-Richtlinie (MLAR), aus. Ein formaler Abweichungsantrag ist hier nicht notwendig. Der Fachplaner des jeweiligen Gewerkes ist jedoch verpflichtet, über einen Gleichwertigkeitsnachweis die baurechtlichen Schutzzielanforderungen nachzuweisen, sodass mit einer anderen Lösung in gleichem Maße die Anforderungen erfüllt werden.
Welche Änderungen sind zu erwarten?
Mit dem Entwurf der MHolzBauRL vom September 2023 wurden vor allem neue Regelungen für die Verwendung von Brandschutzbekleidungen insbesondere in der Holztafelbauweise definiert. Mitunter sind Erleichterungen in den erforderlichen Bekleidungsstärken bzw. in der Anzahl an Gipsbekleidungsplatten vorgesehen. Die bewährten Regelungen zum Umgang mit brennbaren Bauteiloberflächen (Deckenuntersichten oder 25 % aller Wandoberflächen) bleiben jedoch unverändert.
Installationen (Leitungs- und Lüftungsanlagen) sind gemäß der MHolzBauRL grundsätzlich in Vorsatzschalen oder in Schächten und Kanälen zu führen. Der Entwurf vom September 2023 eröffnet dabei mehr Handlungsspielraum. Die Führung von elektrischen Leitungen und Rohrleitungen für nicht brennbare Medien, einzeln oder nebeneinander angeordnet, ist dann unter bestimmten Bedingungen beispielsweise auch auf Rohdecken zulässig. Für Öffnungen in Wänden und Decken zur Durchführung von Schächten, Kanälen und von Installationen ist in den Öffnungslaibungen eine Brandschutzbekleidung anzuordnen.
Einfachere und schnellere Bauprozesse
Diese brandschutztechnische Regelung bringt sowohl für die Errichter von Gebäuden aus seriell gefertigten Holztafelelementen als auch für das SHK-Fachhandwerk als maßgebliches Ausbaugewerk beträchtliche Vorteile im weiteren Bauprozess. So ist es beispielsweise bei der Planung entsprechender Neubauten nicht mehr notwendig, Schächte für die Steigstränge von Heizung/Sanitär aus wirtschaftlichen Gründen an oder in konventionell gemauerten Gebäudekernen – typischerweise für Aufzugsanlagen oder Treppenhäuser als notwendige Rettungswege – anzuordnen. Stattdessen sind herkömmliche Schachtkonstruktionen an beliebiger Stelle zulässig, die im zweilagig bekleideten Deckendurchgang gemäß § 40 (1) MBO durch für die vorgesehene Belegung klassifizierte Abschottungen ergänzt werden.
Typischerweise basieren solche Abschottungen für Rohrleitungssysteme auf einer Streckenisolierung aus Mineralwolle, also Schalen oder Matten mit einem Schmelzpunkt > 1000 °C, und den zugehörigen Verarbeitungshinweisen des Herstellers gemäß dem allgemeinen bauaufsichtlichen Prüfzeugnis (abP). Zu diesen Verarbeitungshinweisen gehören unter anderem:
Ohne zusätzliche Bewehrung ist eine solche Vermörtelung, wie in den Nachweisen beschrieben, bis etwa 170 mm lichte Weite zulässig. Bei Durchführungen durch die brandschutztechnisch entsprechend ertüchtigten Deckendurchgänge im Holzbau dürften in der Praxis aber eher geringere freie Querschnitte auftreten, da die Stärke der umlaufenden zweilagigen Bekleidung von mindestens 36 mm pro Seite inklusive 24 mm Aufkantung zu berücksichtigen ist.
Umso wichtiger ist deswegen bereits in einer frühen Planungsphase eine gewerkeübergreifende Abstimmung, da sich insbesondere bei Gemischtbelegung des Deckendurchgangs durch Systeme mit unterschiedlichen An- und Verwendbarkeitsnachweisen (abP bzw. aBG) ein größerer Platzbedarf ergeben kann. Gegenüber fremden Abschottungen fordert das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt) beispielsweise einen Mindestabstand von 200 mm, der unter bestimmten Voraussetzungen auf 100 mm verringert werden darf.
Alternativ ist über die Erleichterungen der MLAR die Führung von brennbaren (bis ø 32 mm) und nicht brennbaren (bis ø 160 mm) Rohrleitungen sowie einzelnen elektrischen Leitungen durch ein Holzbauteil ohne Brandschutzbekleidung zulässig. Die in der MLAR, Abschnitt 4.2 und 4.3, vorgegebenen Anforderungen an Ausführung und Abstände untereinander sind einzuhalten.
Fazit
Der Holzbau wird zunehmend attraktiver. Denn er trägt aufgrund des nachwachsenden Rohstoffs nicht nur den Gedanken der Nachhaltigkeit in sich, sondern bietet in Holzrahmen- oder Holztafelbauweise zugleich handfeste wirtschaftliche Vorteile. Dies gilt speziell mit Blick auf die serielle Vorfertigung. Das aktuelle Baurecht mit der im Entwurf vorliegenden Überarbeitung der MHolzBauRL ermöglicht dabei mittlerweile sogar schon Neubauten bis zur GK 5.
Im Gegensatz zum konventionellen Bauen sind im Holzbau während der Bauphase aber aufgrund brandschutztechnischer Anforderungen nachgeführte Ausführungsplanungen kaum noch möglich und wirtschaftlich auch nicht sinnvoll. Entsprechend wichtig ist eine detaillierte Planung im Vorfeld unter Einbeziehung aller Gewerke. Besonders betrifft das die frühzeitige Zusammenarbeit von Tragwerks- und Brandschutzplanern sowie der Gewerke Sanitär und Heizung, da die technische Gebäudeausrüstung raum- und geschossübergreifend die wesentlichen Gebäudefunktionalitäten trägt.
Umso mehr ist die Möglichkeit zu begrüßen, dass für Deckendurchführungen nun jene Brandschutzsysteme eingesetzt werden können, die für die Stahlbetonbauweise entwickelt wurden und die bereits ein allgemeines bauaufsichtliches Prüfzeugnis (abP) bzw. eine allgemeine Bauartgenehmigung (aBG) haben.
Unterschiede in der Holzbauweise
Der Entwurf der Muster-Richtlinie über brandschutztechnische Anforderungen an Bauteile und Außenwandbekleidungen in Holzbauweise (MHolzBauRL) vom September 2023 unterscheidet in Holztafelbauweise (Bauteile mit Hohlräumen) und Massivholzbauweise (hohlraumfreie Bauteile).
Massivholzelemente bestehen aus Schichten einzelner Holzlamellen oder Holzwerkstoffplatten, die miteinander verbunden oder verklebt sind. Zur Massivholzbauweise zählen außerdem Verbundbauteile, bei denen eine Kombination mit Schichten aus nicht brennbaren Baustoffen erfolgt (Hybridbauweise, wie beispielsweise Holz-Beton-Verbunddecken).
Die Holztafelbauweise ist vor allem bei mehrgeschossigen Gebäuden sehr wirtschaftlich. Denn diese Wand- und Deckenelemente können bereits im Werk gedämmt und weitestgehend vorgefertigt geschlossen auf die Baustelle geliefert werden. In den Elementen sind also sämtliche Einbauten, wie Fenster und Türen, sowie notwendige Leitungsführungen bereits enthalten. Der Richtprozess wird somit wesentlich beschleunigt. Außerdem wird häufig eine höhere Qualität der Bauausführung erreicht, weil etwa bauphysikalische Anforderungen wie abdichtende Übergänge an potenziellen Wärmebrücken, aber auch Maßnahmen zum Schall- und Brandschutz unabhängig von den Abläufen oder Witterungseinflüssen auf der Baustelle in den Fertigungshallen der Hersteller erfüllt werden.
Zu den Marktanteilen der unterschiedlichen Holzbauweisen liegen keine offiziellen statistischen Daten vor. Nach Einschätzung des Beratungsunternehmens Life Cycle Engineering Experts (LCEE) aus Darmstadt kann allerdings über die Differenzierung nach prozessualen Bauweisen und nach Gebäudearten geschätzt werden, dass im Wohnungsbau die Holzfertigteilbauweise in Form der Holzrahmen- bzw. Holztafelbauweise zu über 80 % dominiert.
Mehr Informationen unter: www.holzbauwelt.de