SBZ: 2017 war ein Rekordjahr für die Wärmepumpe, obwohl die Rahmenbedingungen für elektrisch angetriebene Wärmepumpen aufgrund des weiterhin niedrigen Ölpreises und steigender Strompreise eher ungünstig waren. Worauf führen Sie den Aufschwung zurück?
Martin Sabel: Die Entwicklung ist vor allem auf die guten Rahmenbedingungen im Neubausegment zurückzuführen. Seit 2016 gelten durch die neue Stufe der Energieeinsparverordnung höhere Anforderungen an die Effizienz von Gebäuden. Diese lassen sich mit Wärmepumpen besonders einfach und kostengünstig erfüllen. Dazu kommt natürlich die derzeit allgemein gute Baukonjunktur. Gleichzeitig gibt es sehr gute Förderbedingungen beim Bafa und der KfW sowie einige attraktive Landesförderprogramme. Dies hilft insbesondere der Erdwärme, die in den letzten beiden Jahren deutliche Zuwächse verzeichnen konnte.
SBZ: Felduntersuchungen des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme an ausgeführten Wärmepumpenanlagen deuten darauf hin, dass bei Planung und Installation von Wärmepumpenanlagen noch Optimierungspotenziale bestehen. Wo sehen Sie die Schwachstellen bei ausgeführten Anlagen?
Sabel: Neben tatsächlichen Fehlern bei Planung und Installation wirken sich auch Klima und Nutzerverhalten enorm auf die Effizienz der Anlagen aus. Dies ist zwar bei allen Heizungssystemen so, aber Wärmepumpenanlagen reagieren besonders sensibel auf höhere Temperaturhübe, zum Beispiel durch höhere Vorlauftemperaturen. Werden für Planung und Installation Fachleute herangezogen, die im Idealfall auch nach dem ersten Betriebsjahr eine Überprüfung der Anlage und der Einstellungen vornehmen, können Fehler bei den Anlagen mit hoher Sicherheit vermieden werden. Schwachstellen finden sich meistens bei komplexen Anlagenkonfigurationen mit komplizierten hydraulischen Schaltungen, dies zeigen auch die Ergebnisse des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme. Zur Verminderung von Fehlerquellen sollten also möglichst einfache Systeme geplant werden. Eine gute Hilfestellung dazu ist der Leitfaden Hydraulik des BWP.
SBZ: Rein technisch ist es möglich, die reale Arbeitszahl einer installierten Wärmepumpenanlage mitzuschreiben, zu dokumentieren und bei zu großer Abweichung eine Alarmmeldung abzusetzen. Bislang werden Wärmepumpengeräte mit solchen Energiemanagement-Funktionen nach meinem Kenntnisstand jedoch noch nicht angeboten, zumindest nicht bei den kleinen Leistungen. Wäre nicht mehr Transparenz bei der Wärmepumpeneffizienz sinnvoll?
Sabel: Die Jahresarbeitszahl ist nicht die beste Größe, um die Anlagenperformance zu beurteilen. Ein gutes Beispiel ist der Eigenverbrauch von Strom aus PV-Anlagen: Eine auf PV-Ertrag optimierte Fahrweise der Wärmepumpe führt zu höheren Speicherverlusten und damit zu einer niedrigeren Jahresarbeitszahl. Gleichzeitig werden aber die ökologische und ökonomische Bilanz der Anlage verbessert und zugleich die Stromnetze entlastet. Dasselbe gilt bei flexiblen Wärmestromtarifen.
Die Erfahrung der vergangenen Jahre hat gezeigt, dass Effizienzanzeigen für die Nutzer wenig Sinn ergeben. Die meisten Wärmepumpen verfügen bereits über Wärmemengen- und Stromzähler. Die JAZ ließe sich damit für jeden leicht errechnen oder kann bereits direkt ausgelesen werden. Der Mehrwert einer Anzeige erschließt sich folglich nicht so richtig. Generell gibt es aber schon eine Reihe von Angeboten, die per Fernüberwachung und Fernwartung eine schnelle Fehlererkennung und Fehlerbehebung ermöglichen.
SBZ: Wenn es diese Angebote gibt, warum werden sie noch so selten genutzt?
Sabel: Das funktioniert nur mit dem Einverständnis der Nutzer. Einige haben diesbezüglich Vorbehalte wegen des Datenschutzes oder wegen Cyberattacken. Hier gilt es, sichere Lösungen zu entwickeln und Überzeugungsarbeit zu leisten. Wärmepumpen mit richtigen Energiemanagementfunktionen können deutlich mehr leisten als nur eine Überwachung der Jahresarbeitszahl, Hauptaufgabe ist die Steuerung des komplexen Zusammenspiels von Wärmepumpe, weiteren Stromverbrauchern und PV-Erträgen. Der Schlüssel zu einer besseren Anlagenperformance ist jedoch ein guter, qualifizierter Fachpartner, der die Anlage optimal plant und einbaut. Die Themen Weiterbildung, Schulung und Qualifizierung stehen deshalb momentan im Fokus unserer Arbeit.
SBZ: Erfahrungen in der Schweiz deuten darauf hin, dass die meisten Wärmepumpen um 30 bis 50 Prozent überdimensioniert sind. Ein Grund dafür ist, dass die Fremdwärme in den hochwärmegedämmten Neubauten bei der Dimensionierung der Wärmepumpen unberücksichtigt bleibt. Brauchen wir an den Dämmstandard angepasste Auslegungsverfahren für Wärmepumpen, damit Überdimensionierungen sicher vermieden werden?
Sabel: Die Heizlastberechnung nach DIN EN 12831 ist die Grundlage für die Dimensionierung des Heizsystems und sie beinhaltet eine „Worst-Case“-Betrachtung. Ermittelt wird die erforderliche Leistung für die Normaußentemperatur (den kältesten Zweitagesmittelwert, der innerhalb von 20 Jahren zehn Mal erreicht oder unterschritten wurde). So gesehen sind alle Wärmeerzeuger während ihrer Laufzeit überwiegend überdimensioniert. Normativ werden natürlich die Dämmwerte sämtlicher Bauteile berücksichtigt, ebenso Wärmeströme innerhalb von Gebäuden, um Überdimensionierung zu vermeiden. Eine gewisse Abhilfe kann durch modulierende Wärmepumpen geschaffen werden, die ihre Leistung an den tatsächlichen Bedarf anpassen können.
Eine gewisse Überdimensionierung kann auch notwendig sein, um etwaige Sperrzeiten der Stromversorgung durch das EVU zu überbrücken. Uns ist nicht bekannt, dass Anlagen über die Normberechnung hinaus überdimensioniert werden. Das wäre auch nicht sinnvoll: Jedes zusätzliche Kilowatt Leistung kostet Geld. Jeder Planer wird daher die Leistung möglichst gering halten, um nicht den Kürzeren gegen andere Wärmeerzeuger zu ziehen.
SBZ: Planer und Installateure von Wärmepumpenanlagen stecken meiner Ansicht nach in einem Dilemma: Eine exakte Auslegung führt zu langen Aufheizzeiten nach Heizpausen, zum Beispiel bei Rückkehr aus dem Winterurlaub. Brauchen wir bei Wärmepumpenanlagen für Aufheizvorgänge oder einen überproportional hohen Warmwasserverbrauch Leistungsreserven? Oder müsste man den Nutzer besser über die Leistungsgrenzen von Wärmepumpen informieren?
Sabel: Um einen übermäßigen Heizstabeinsatz, mit dem ja theoretisch Leistungsspitzen gedeckt werden könnten, zu vermeiden, ist eine umfassende Information der Nutzer wünschenswert. Die Wiederaufheizung wird bei der Heizlastberechnung normativ berücksichtigt, aber eine geplante Überdimensionierung sollte auf jeden Fall unterbleiben, um ein häufiges Takten der Maschinen im „Normalbetrieb“ zu verhindern. Abhilfe können auch hier leistungsgeregelte Wärmepumpen schaffen.
SBZ: Je besser ein Haus wärmegedämmt ist, desto mehr beeinflusst die Trinkwassererwärmung die Jahresarbeitszahl einer Wärmepumpe. Hinzu kommen wasserhygienische Vorgaben, die eine Speichertemperatur von mindestens 60 °C erforderlich machen. Gleichzeitig soll der Speichervorrat innerhalb eines Tages einmal ausgetauscht werden. Welche Lösungen zeichnen sich ab?
Sabel: Gerade im Mehrfamilienhaus ist die Trinkwasserhygiene ein wichtiges Thema; die erforderlichen hohen Wassertemperaturen wirken sich natürlich bis zu einem gewissen Grad negativ auf die Effizienz aus. Ob die Trinkwassererwärmung über die Heizungswärmepumpe sinnvoll ist, hängt sicher vom Einzelfall und dem individuellen Warmwasserbedarf ab. Hier ist immer der Planer gefragt. Alternative Lösungen gibt es etliche: Neben der Trinkwassererwärmung durch separate Warmwasser-Wärmepumpen, die für den Einsatzzweck optimiert sind, kann die Versorgung auch über Frischwasserstationen in den einzelnen Wohnungen realisiert werden. Probleme mit der Hygiene oder die Untersuchung auf Legionellen entfallen damit. Unter Umständen können auch dezentral angeordnete, elektronisch geregelte Durchlauferhitzer sinnvoll sein. Nach DIN 1988-200 (Technische Regeln für Trinkwasserinstallationen) sind bei Anlagen mit hohem Wasseraustausch auch geringere Warmwassertemperaturen (> 50 °C) möglich, hierzu muss der Austausch des Wassers in der Installation des Warmwassersystems innerhalb von drei Tagen sichergestellt sein.
SBZ: Wissenschaftler fordern regelmäßig die Einführung von Schulungs- und Zertifizierungsmaßnahmen für Wärmepumpeninstallateure. Vorbilder hierfür sind Maßnahmen in Österreich und der Schweiz. Sind für deutsche Wärmepumpeninstallateure ähnliche Qualifizierungsprogramme geplant?
Sabel: Mit dem Eucert-Siegel gibt es ja bereits ein Ausbildungs- und Zertifizierungssystem für Wärmepumpeninstallateure. Dies ist bisher leider nicht auf die erhoffte Resonanz unter den Handwerkern gestoßen. Die Gründe dafür sind vielfältig und wir erarbeiten derzeit ein Konzept auf Basis der Richtlinie VDI 4645, das mehr Reichweite entfalten soll.
Die VDI 4645 ist eine ausführliche Anleitung zur Planung und Dimensionierung von Wärmepumpenanlagen; sie erscheint im März 2018 im Weißdruck. Gleichzeitig erscheint der Weißdruck der VDI 4645 Blatt 1: Dort ist ein Konzept für die Schulung von Planern und Errichtern auf Grundlage der VDI-Richtlinie beschrieben.
SBZ: Auf einschlägigen Fachveranstaltungen zur oberflächennahen Geothermie wurde von verschiedenen Wissenschaftlern die bisherige Praxis der Ringraumverfüllung von Erdwärmesonden infrage gestellt. Welche Situation haben wir heute? Stehen inzwischen bessere Materialien und Verfüllungsverfahren zur Verfügung?
Sabel: Was die Qualität der Ringraumverfüllung betrifft, so ist man in Deutschland aus meiner Sicht auch im europäischen Vergleich sehr gut aufgestellt. Für eine hohe Qualität der Ringraumverfüllung ist neben der Qualität des Materials die fachgerechte Ausführung entscheidend. Verfüllt wird im Kontraktorverfahren und für die Herstellung einer qualitativ hochwertigen Suspension stehen neben speziell für den Einsatzzweck entwickelten Materialien eine Reihe von qualitätssichernden Maßnahmen zur Verfügung, zum Beispiel die Dichtemessung mit einer Spülungswaage. Der eigentliche Verfüllvorgang lässt sich mit geeigneten Messsonden überwachen und dokumentieren. So ist für die Fachleute vor Ort jederzeit erkennbar, auf welchem Niveau sich der Suspensionsspiegel befindet.
Bei Hinweisen auf Komplikationen, etwa durch Suspensionsverluste aufgrund von Klüften im Gebirge, kann frühzeitig reagiert werden, um geeignete Maßnahmen zu ergreifen. Außerdem wird der Verfüllvorgang dokumentiert und damit auch im Nachhinein nachvollziehbar. Speziell entwickelte Verfüllmaterialien erlauben sogar eine Kontrolle, nachdem das Verfüllmaterial vollständig ausgehärtet ist, auch Jahre nach dem Einbau der Erdwärmesonde.
SBZ: Der Rückbau einer Erdwärmesondenanlage wurde bislang kaum thematisiert. Müssen nicht immer mehr in Nutzung befindliche Erdwärmesonden zurückgebaut werden?
Sabel: Eine Erdwärmesondenanlage ist äußerst langlebig und kann nach dem heutigen Kenntnisstand mindestens 50 bis 100 Jahre lang genutzt werden. Die eingesetzten Materialien sind äußerst widerstandsfähig und liegen gut geschützt vor mechanischen Beschädigungen im Untergrund. Das Material, aus dem Erdwärmesonden bestehen, wird zum Beispiel auch für Trinkwasserleitungen verwendet und stellt keine Gefahr für die Umwelt dar. Bei der Stilllegung sind die Hinweise in den Leitfäden der einzelnen Bundesländer beziehungsweise die Vorgaben der entsprechenden VDI-Richtlinien zu beachten.
Allgemein gilt: Wird eine Anlage nicht länger zur Gewinnung von Umweltwärme genutzt, sollte das Wärmeträgermedium entfernt, durch Wasser ersetzt und die Sonde dicht verschlossen werden. Je nach Bundesland müssen stillgelegte Erdwärmesonden den zuständigen Behörden gemeldet werden. Ein Rückbau von stillgelegten Erdwärmesonden ist außer in sehr seltenen Ausnahmefällen nicht erforderlich.
Info
Bei Wärmepumpen droht Kältemittelknappheit
Den Herstellern von Hauswärmepumpen steht womöglich nicht genügend Kältemittel für die angestrebte Jahresproduktion zur Verfügung. Dies wurde im Rahmen einer Informationsveranstaltung des Umweltbundesamtes (UBA) in Dessau zum aktuellen Stand der F-Gase-Verordnung bekannt. Hintergrund ist die schrittweise Verringerung der Verkaufsmengen an halogenierten Kältemitteln bis zum Jahr 2030 mit dem Ziel, Kältemittel mit einem hohen Treibhauspotenzial (Global Warming Potential, GWP) aus dem Markt zu drängen. Eine Besonderheit der aktuellen F-Gase-Verordnung, gültig seit 1. Januar 2015, ist die Gewichtung der Kältemittelfüllmengen nach ihrem Treibhauspotenzial und nicht mehr nach Kilogramm.
Derzeit werden in Hauswärmepumpen noch überwiegend teilhalogenierte Kohlenwasserstoffe als Kältemittel eingesetzt. Laut UBA enthalten nur etwa 5 % der auf dem Markt verfügbaren Hauswärmepumpen ein zwar halogenfreies, jedoch brennbares Kältemittel wie beispielsweise R 290 (Propan).
Durch die Senkung des Durchschnitts-GWP in der EU gemäß dem Phase-down-Szenario wird dem Markt ab 2018 ein Großteil der teilfluorierten Kältemittel „entzogen“, ab 2021 auch das Kältemittel R134a und das als Ersatzkältemittel für R410 A gehandelte R32. Dann stehen für neue kältetechnische Anlagen und Geräte fast nur noch halogenfreie Kältemittel zur Verfügung, wie etwa Propan, Kohlendioxid, Ammoniak oder Ammoniak-Dimethylether-Gemische.
Derzeit wehren sich die betroffenen Branchen über ihre Verbände gegen den von der EU verordneten F-Gase-Phase-down mit folgenden Argumenten:
- Bedrohliche Verknappung von Hoch-GWP-Kältemitteln; in der Folge rasant steigende Preise für Kältemittel sowie höhere Servicekosten
- Leistungseinbußen, Sicherheitsbedenken und Havariegefahr durch Ersatzkältemittel, sogenannte Drop-ins
- Teilweise fehlende sicherheitstechnische und bauliche Verordnungen für den Einsatz von halogenfreien Kältemitteln
- Mangel an Komponenten, die für den Einsatz von halogenfreien Kältemitteln von den Herstellern freigegeben bzw. optimiert sind.
Planer, Anlagenbauer und Installateure befinden sich durch die überraschende Zuspitzung des F-Gase-Phase-down in einem Dilemma: Will man spätere Schadenersatzforderungen durch Kunden zum Beispiel wegen Zwangs-Stilllegung einer Kältemaschine bzw. eines Kältegerätes mangels geeigneten Kältemittels vermeiden, muss man den Kunden über die aktuelle Situation des Kältemittelmarktes und die sich daraus ergebenden Konsequenzen informieren. Womöglich verliert der Anbieter wegen seiner Offenheit den Auftrag, da die Konkurrenz versucht, kostengünstige Restbestände von Hoch-GWP-Kältegeräten am Markt unterzubringen.
Autor
Wolfgang Schmid ist freier Fachjournalist für Technische Gebäudeausrüstung, München, wsm@tele2.de