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Weniger ist mehr

Erdwärmesonden (EWS) und die dazugehörenden Wärmepumpen (WP) sind oft unnötig teuer und energetisch nicht effizient genug. Überdimensionierungen von 100 % sind bei größeren Anlagen keine Seltenheit, besonders wenn die Gebäudetechnik mittels vorgegebener Standardverfahren nach DIN 12831, VDI 2078 und DIN V 18599 berechnet wird. Diese Vorgehensweise führt zu hohen Auslegungswerten mit negativen Auswirkungen auf die Wirtschaftlichkeit und damit auch auf die Akzeptanz von Erdwärmeanlagen.

Dies war der Tenor auf dem Fachkongress „Oberflächennahe Geothermie“, der im Rahmen der Geotherm in Offenburg stattfand. Auch der Gesamtprozess EWS-/WP-Planung müsse auf den Prüfstand. Denn die Beschaffung und das Zusammenführen geologischer und hydrogeologischer Daten sowie das Genehmigungsprozedere seien sehr aufwendig, oft lückenhaft und damit teuer.

Schlankere Auslegung mit Gebäudesimulation

Über die Berechnung von EWS-Feldern für Wohnanlagen mittels Gebäudesimulation referierten Andreas Lahme (alware GmbH) und Dr. David Kuntz (tewag GmbH). Am Beispiel einer Wohnsiedlung mit 20 Häusern (8500 m2 Wohnfläche für etwa 180 Personen) zeigten die Experten, dass durch eine Gebäudesimulation der Liegenschaft nicht nur der Raumkomfort verbessert, sondern auch Investitionskosten in erheblichem Maße eingespart werden können. Hier wurden für drei Szenarien vergleichende Berechnungen angestellt:

  1. Auslegung nach Norm-Heizlast ohne sommerliche Kühlung
  2. Gebäudesimulation mit passiver Kühlung
  3. Ergänzende Regeneration des EWS-Felds.

Im ersten Fall ergeben sich aus der Berechnung des EWS-Felds etwa 10 800 Sondenmeter und eine Wärmepumpenleistung von 380 kW. Da im Sommer nicht gekühlt werde, müssten überhöhte Raumtemperaturen einkalkuliert werden.

Im zweiten Fall zeigte das Ergebnis der Gebäudesimulation, dass die Heizanforderungen reduziert werden können. Durch die passive Kühlung wird das EWS-Feld regeneriert und gleichzeitig der sommerliche Raumkomfort sichergestellt. Unterm Strich ergibt sich ein EWS-Feld mit 7200 m Sondenlänge, während für die Leistung der Wärmepumpe 200 kW ausreichen.

Der dritte Fall entspricht dem Auslegungsszenario zwei, jedoch mit einer zusätzlichen Regeneration der EWS mittels kostengünstiger thermischer Solarkollektoren. Dadurch kann das EWS-Feld auf 4200 Sondenmeter verkleinert werden, die Leistung der Wärmepumpe bleibt bei 200 kW. Vorteil von Fall drei ist nicht nur eine höhere Wirtschaftlichkeit durch die Einsparung von Sondenmetern und damit auch eine größere Marktakzeptanz, sondern auch ein schonenderer Umgang mit der endlichen Ressource Erdwärme. Das heißt, die Umgebungstemperatur der EWS ist laut Simulation auch nach 50 Jahren noch stabil.

Baugebiete komplett mit Geothermie

Einzellösungen mit Erdwärmesonden für Einfamilienhäuser sind heute kaum mehr wirtschaftlich darstellbar. Die Unterfränkische Überlandzentrale eG, Lülsfeld (ÜZ), ein Stromversorger in 143 Ortsteilen in den Landkreisen Schweinfurt, Kitzingen, Main-Spessart, Haßberge und Würzburg, will deshalb für Quartiere im ländlichen Raum ein „Rundum-sorglos-Paket“ für Bauherren von Eigenheimen anbieten.

Hintergrund ist ein hoher Anteil an Strom aus EEG-Anlagen im Versorgungsgebiet, der möglichst wertsteigernd in der Region verbraucht werden soll. Das Angebot: In neu entstehenden Baugebieten werden die Bauplätze nicht nur mit Strom-, Wasser- und Abwasseranschlüssen versorgt, sondern optional auch mit einer bis zu 100 m tiefen EWS-Anlage für einen Jahres-Heizwärmebedarf von etwa 15 000 kWh. „Im Idealfall werden die Erdwärmesonden eines Neubaugebiets in einem Zuge erstellt, was bedeutend wirtschaftlicher ist als individuelle Bohrungen“, so Alexander Wolf, Energieberater bei der ÜZ.

Das Angebot wird von der ÜZ durch eine Probebohrung sowie die geothermische Simulation der EWS abgesichert. Gleichzeitig übernimmt die ÜZ das Genehmigungsverfahren, vergibt die Bohrarbeiten unter Begleitung durch Sachverständige und kümmert sich auch um die Qualitätssicherung und die Abnahme der EWS, inklusive der Schlussabnahme der Wärmepumpen mit Wärmepumpen-Check. Auch die Fördermittelberatung und der Bafa-Antrag gehören mit zum Paket. Wolf betont, dass es für derartige Siedlungen dennoch keinen Anschlusszwang gibt. Gekauft wird die EWS-Anlage zusammen mit dem Grundstück.

Wichtig für die ÜZ ist die Option Sektorkopplung, denn damit lasse sich das Angebot an EEG-Strom besser nutzen, so Wolf. Die von der ÜZ angebotenen Regeloptionen für die jeweilige Wärmepumpe umfassen vier Tarifzonen mit Smart-Grid-ready-Funktionen. Dazu gehört etwa die Erhöhung der Heizwassertemperatur im Pufferspeicher um 5 K zu Niedertarifzeiten oder um bis zu 20 K, wenn im Netz überschüssiger „kostenloser“ Strom aus EEG-Quellen zur Verfügung steht (negative Spotmarktpreise).

Als Beispiel nannte Wolf den 24. Dezember 2017, als es am Strommarkt zu einer längeren Phase negativer Spotmarktpreise (-46 €/MWh) kam. In Folge konnten im Versorgungsgebiet „Strüdlein“ über die Smart-Grid-Funktion Wärmepumpen mit einer Gesamtleistung von 60 kW zugeschaltet werden. Für dieses innovative Geschäftsmodell wurde die ÜZ mit dem Bayerischen Energiepreis 2018 (Hauptpreis) ausgezeichnet.

Monitoring für die gesamte Erdwärmeanlage

Bei richtiger Auslegung, fachgerechter Ausführung und optimalem Betrieb zählen EWS-Anlagen, also Wärmepumpen mit der Wärmequelle EWS, zu den wirtschaftlichsten Energiesystemen am Markt. Allerdings zeigt die Praxis, dass zwischen gut funktionierenden und optimal betriebenen EWS-Anlagen noch eine große Bandbreite besteht. Besonders bei Anlagen kleiner Leistung ist der Nutzer oftmals damit zufrieden, dass ausreichend Wärme zur Verfügung steht.

Die Jahresarbeitszahl der Wärmepumpe spielt dabei eine eher untergeordnete Rolle. Meist wird diese vom Gerät auch nicht angezeigt, sodass Abweichungen von der Soll-Leistungszahl (COP) erst bei Betriebsstörungen, bei unkomfortablen Raumtemperaturen oder unerwartet hohen Stromrechnungen auffallen. Im Grunde wird der Kunde durch die fehlenden Leistungsangaben im Unklaren gelassen, ob er überhaupt das bekommt, was er bezahlt hat.

Frank Burkhardt, Geschäftsführer des Bohrunternehmens Burkhardt GmbH, ist überzeugt, dass EWS-Anlagen mit wenig Aufwand signifikant optimiert werden können. Aus den Erfahrungen von Burkhardt lassen sich folgende Empfehlungen ableiten:

  • Durch die heute größtenteils hochwertige Bohrgerätetechnik liegen die Herausforderungen einer EWS nicht mehr beim Bohren, sondern beim Verfüllen des Bohrlochs.
  • Oft werde bei Druckprüfungen mit zu hohen Prüfdrücken gearbeitet. Darunter könne die Qualität der Ringraumabdichtung leiden.
  • Fehlendes Know-how seitens der Fachplaner verteuere EWS-Projekte. Einige Planer würden versuchen, alle Risiken auf das Bohrunternehmen zu übertragen.
  • Der Stromverbrauch der EWS-Umwälzpumpe ist bei vielen Anlagen zu hoch, da die EWS-Anlagen mit turbulenter Strömung betrieben werden. Beispielsweise reiche bei einem Einfamilienhaus ein Volumenstrom von 1,3 m<sup>3</sup>/h aus. Dies entspreche einer Anschlussleistung der Pumpe von 44 W. In der Realität treffe man auf turbulente Strömungen mit 4,6 m<sup>3</sup>/h und 300 W, ja sogar auf 7,0 m<sup>3</sup>/h mit 1100 W Anschlussleistung.
  • Die Fehlersuche bei EWS-Anlagen ist oft schwierig, da keine Daten bzw. Revisionspläne vorliegen. In einem konkreten Fall war Schwitzwasser in einem nicht dokumentierten Sensor die Ursache für eine Fehlerinterpretation, die zum Einbau einer überdimensionierten EWS-Umwälzpumpe führte.
  • Bei grö&szlig;eren EWS-Feldern mit mehreren Verteilern sind in manchen Fällen nicht alle Sonden freigeschaltet. Dies beeinflusst die Soleeintrittstemperatur in die Wärmepumpe negativ.

Voraussetzung für sehr gut funktionierende EWS-Anlagen sei ein kontinuierliches Monitoring. Denn aus den Datenaufzeichnungen von Erdwärmesonden und Wärmepumpen lassen sich relativ einfach Rückschlüsse für Optimierungen ziehen.

Da die meisten Wärmepumpenhersteller dem Monitoring bislang eher ablehnend gegenüberstehen, hat Burkhardt zusammen mit dem Geologen André Voutta, Herrenberg, ein preisgünstiges Monitoringgerät in Form eines Heiztagebuchs mit Fernzugriff entwickelt. „Allein durch das Mitschreiben von Daten der Wärmequelle und der Wärmeverbraucher lassen sich viele Anlagen durch Nachjustieren optimieren“, so Burkhardt. Wichtig sei, dass die Daten von Fachleuten interpretiert werden.

Fazit

Nach der Qualitätskontrolle am Bohrloch konzentriert sich die Branche nun auf die Effizienzverbesserungen bei EWS-Anlagen. Etwa auf eine höhere Wirtschaftlichkeit durch die Gebäudesimulation oder neue Geschäftsmodelle, wie die kollektive Erschließung von EWS-Anschlüssen für Siedlungen und Quartiere durch Energieversorger. Ein wichtiges Instrument ist zudem das Anlagenmonitoring, das die Optimierung im laufenden Betrieb ermöglicht. All dies sind wichtige Impulse, die der Geothermie zu mehr Akzeptanz verhelfen können.

Info

Effizienzhaus-Plus-Siedlung mit Wärmepumpen

Die Effizienzhaus-Plus-Siedlung „Hügelshart“ in Friedberg bei Augsburg zeigt, dass derartige Projekte bereits heute privatwirtschaftlich funktionieren. Dort hat die Asset Bauen Wohnen GmbH in Kooperation mit der Baywa AG ein kleines Kunststück vollbracht: nämlich durch ein übergreifendes, wirtschaftlich ausgerichtetes Qualitätsmanagement und den Einsatz hocheffizienter, aber konventioneller Baustoffe Effizienzhäuser Plus mit nur geringen Mehrkosten gegenüber EnEV-Standard zu realisieren.

„Wir haben sehr intensiv geplant und dabei die Varianten mit dem besten Verhältnis aus Energieeffizienz und Wirtschaftlichkeit gewählt“, erklärt Steffen Mechter von Baywa Baustoffe. „Dabei wurde auch der Bedarf an Haushaltsstrom in die Planung miteinbezogen.“ Aus wirtschaftlichen Gründen wurde beispielsweise eine Stromeigenversorgung über Photovoltaik von „nur“ etwa 70 % gewählt. Hierfür sind die Dächer winteroptimiert ausgeführt, also steiler als sonst üblich, was sich im letzten schneereichen Winter schon ausgezahlt hat.

Herzstück des Energiekonzepts ist die Kombination aus Luft/Wasser-Wärmepumpe mit Invertertechnik, Heizkreispufferspeicher, Trinkwasserspeicher, PV-Anlage und einem Zwei-Tages-Batteriespeicher. Eine Besonderheit für Einfamilienhäuser ist zudem die Heiz- und Kühldecke zur ganzjährigen Temperierung der Wohnräume. So sei eine um 3 °C niedrigere Vorlauftemperatur möglich, mit der laut Mechter eine Energieeinsparung von ca. 18 % erreicht werde. Die Option „Raumkühlung“ war wohl ein mitentscheidendes Verkaufsargument.

Während die Gebäudetechnik der Häuser über ein Energiemanagementsystem gesteuert wird, verzichtete der Objektentwickler auf die „intelligente Verknüpfung“ der Hausgeräte mit der PV-/Batterieanlage. „Familien können sich nicht nach den Vorgaben intelligenter Hausgeräte richten“, begründet Mechter diesen Schritt. „Bei einer Familie mit Kindern muss die Wäsche zum Zeitpunkt X fertig sein, egal ob die PV-Anlage Strom liefert oder nicht.“

Konflikte um das volatile, von der Sonne abhängige Stromangebot gibt es dennoch. Das Monitoring der Energieanbieter (PV, Netz) und der Energieverbraucher (Wärmepumpe, Haushalt, Ladepunkt Elektroauto) zeigt, dass die Gleichzeitigkeit von Wärmepumpe und Beladung des Elektroautos die Energiebilanz eines Effizienzhauses Plus und damit die Eigenversorgung mit Strom signifikant verschlechtert.

Info

Langsamere Hebungen in Staufen

Kritische Vorträge zum Thema Geothermie waren in Offenburg eher die Ausnahme. Obwohl Staufen im Breisgau als Synonym für das wohl größte Desaster in der Geschichte der oberflächennahen Geothermie in Deutschland quasi vor der Haustüre liegt. Dafür widmete die Badische Zeitung (BZ) einen Tag nach der Geotherm dem Thema Staufen und dessen verkorkster Geothermie-Bohrung eine ganze Seite.

Die gute Nachricht: Die Gipsschicht quillt langsamer, aber nach wie vor. Die schlechte Nachricht: Das Abpumpen von Grundwasser zur Trockenlegung der Gipsschicht mit aktuell etwa 3 l pro Sekunde muss – Zitat BZ – „wohl noch über Generationen fortgesetzt werden“. Sonst könnte sich der Quellvorgang wieder verstärken. Immerhin hat die „Verbohrung“ von Staufen zu schärferen Vorschriften bei Geothermiearbeiten in Form der „Leitlinie Qualitätssicherung Erdwärmesonden“ (LQS-EWS) geführt. Diese gilt allerdings nur in Baden-Württemberg.

Autor

Wolfgang Schmid ist freier Fachjournalist für technische Gebäudeausrüstung, München, wsm@tele2.de