Eine zukunftsorientierte Wasserwirtschaft in Wohngebäuden umfasst nicht nur das Trinkwasser mit all seinen Qualitätsanforderungen für den menschlichen Gebrauch aus den vorgelagerten Infrastrukturen. Vielmehr beeinflusst unser Umgang mit Wasser durch und nach dem menschlichen Gebrauch den gesamten Wasserkreislauf mit all den nachgelagerten Infrastrukturen und den daraus resultierenden Auswirkungen auf die Umwelt. Ein besonderes Dilemma des Umgangs mit Wasser lässt sich aus dem Begriff „Wasserverbrauch“ ableiten. Selbst jene Wassermenge, die der Mensch als unbedingtes Nahrungsmittel täglich benötigt, wird mitnichten verbraucht, sondern vom Organismus in verschiedenen Formen umgewandelt und wieder abgegeben. Wasser kennt keinen Stillstand und lässt sich als Energie- und Informationsträger ebenso wenig verbrauchen, wie sich Energie verbrauchen lässt.
Was geschieht also mit diesem kostbaren Gut Trinkwasser nach dem Gebrauch zur Körperreinigung, nachdem es an der Haut entlang geglitten ist, diese erfrischt und gereinigt hat, Kontakt mit dem menschlichen Organismus aufnahm und es dann sogleich verrinnt oder ein paar Minuten später erst der Stöpsel gezogen wird? Steht das Abwasser nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit unserem Trinkwasser, mehr noch: mit unserem Grundwasser, das uns den Spiegel vorhält und zu erkennen gibt, was wir als wertvolle Information an die Umwelt weiter- bzw. zurückgeben?
Immerhin hat sich in den letzten Jahren die Erkenntnis durchgesetzt, dass Regenwasser mitnichten Abwasser ist, sondern wesentlicher Bestandteil des natürlichen Wasserhaushaltes! Was allgemein als Abwasser bezeichnet wird und über die verschiedensten Fall- und Sammelleitungen in einem Wohngebäude der Entwässerung zugeführt wird, unterscheidet sich nicht nur in der Qualität, sondern auch in der Quantität aller Teilströme und wirkt sich selbstredend auch auf jenes Wasser aus, welches wir an anderer Stelle wieder als Trinkwasser in das Gebäude einführen. Eine konstruktive Differenzierung ist an dieser Stelle mehr als geboten, die Schmutzwasser als Schwarz- und Grauwasser unterscheidet.
Was ist Grauwasser?
Die europäische Entwässerungsnorm DIN EN 12056-1 definiert Grauwasser als leicht verunreinigtes Abwasser welches vollkommen frei von Fäkalien ist, sich aber durch seine Herkunftsbereiche (Entwässerungsstellen) gemäß seiner Inhaltsstoffe unterscheidet. Insbesondere sind die Phosphor- und Stickstoffbelastungen deutlich niedriger als bei Schmutzwasser, welches aus Grau- und Schwarzwasser besteht. Grundsätzlich gilt es Grauwasser in zwei wesentliche Kategorien zu unterscheiden: Kategorie A schwach belastetes Grauwasser und Kategorie B stark belastetes Grauwasser.
Trotz unterschiedlicher Lebensgewohnheiten von Menschen in Wohngebäuden und den daraus resultierenden Nutzungsprofilen kann von einer Mindest-Grauwasserlast von ca. 40 l pro Person und Tag ausgegangen werden. Dies entspricht immerhin einer Jahres-Grauwasserlast von mehr als 15 000 l pro Jahr und Person. Der Grauwasserüberschuss resultiert hierbei aus dem Betriebswasserpotenzial, welches aus dem gebäudezentralen Grauwasserrecycling generiert wird. Dieses Beispiel zeigt stellvertretend für den Wohnungsbau, dass die notwendige Betriebswassermenge für die Toilettenspülung in der Regel immer durch das vorgelagerte Grauwasserrecycling aus Badewanne, Dusche und Handwaschbecken bereitgestellt werden kann.
Kategorie A: Schwach belastetes Grauwasser
Das Grauwasser der Kategorie A weist die geringste Konzentration an organischen Verbindungen und Nährstoffen auf. Ebenso sind die Belastungen mit Trüb- und Schwebstoffen gering. Schwebstoffquellen sind bei dieser Kategorie vor allem Haare und Hautbestandteile, vereinzelt aber auch anorganische Stoffe wie etwa Sand. Lediglich hinsichtlich der Bestandteile von Körperpflegemitteln (Mikro-Plastikpartikel) kann der Anteil schwer abbaubarer Verbindungen höher sein, als z. B. bei Grauwasser der Kategorie B.
Im Vergleich zu den Teilströmen aus den Herkunftsbereichen Küche (Spüle/Geschirrwaschmaschine) und Textilwaschmaschinen kann die Belastung mit pathogenen Keimen für die Grauwasser-Kategorie A bei ordnungsgemäßer Nutzung als gering angesehen werden. Bei einer nicht sachgemäßen Nutzung können die mikrobiologischen Belastungen gar dem von Schwarzwasser entsprechen. Zusammenfassend lässt sich also festhalten, dass es sich bei Grauwasser der Kategorie A sehr konkret um das Grauwasser aus Badewannen und Duschen handelt, Handwaschbecken zur Körperpflege inbegriffen. Dementsprechend gering ist der Reinigungsaufwand des anfallenden Grauwassers.
Kategorie B: Stark belastetes Grauwasser
Diese Kategorie zeichnet sich im Vergleich zur Kategorie A durch erhöhte Belastungsfrachten mit Grobstoffen aus, die aus einem erweiterten Herkunftsbereich im Wohnhaushalt stammen. Dies betrifft im konkreten Sinne sämtliche Küchen- und Hauswirtschaftsabflüsse, vor allem die Küchenspüle und Geschirrspülmaschine. Neben einer allgemeinen Erhöhung der Konzentration kommen in dieser Kategorie weitere Stoffe (Schwebstoffquellen) hinzu wie Speisereste, Sande, Erden sowie verschiedene (organische) Fasern und ungleich höhere Anteile von Fetten und Ölen. Zusätzliche Belastungen sind z. B. höhere Phosphorkonzentrationen durch die Verwendung von Reinigungstabletten in der Geschirrspülmaschine. Bei der Textil-Waschmaschine sind es die Bestandteile von Waschmitteln und anderen Suspensionen (Emulsionen) sowie weitere partikuläre Verschmutzungen an Ausgussbecken und dergleichen.
Zusammenfassend lässt sich für die Kategorie B festhalten, dass sich der Reinigungsaufwand entsprechend ihrer absehbaren Bestandteile und Inhaltsstoffe wesentlich von Kategorie A unterscheidet und in der Regel einen Grobfilter und Fettabscheider als Vorreinigungsstufe erfordert. Im häuslichen Bereich sind die absehbaren Grauwassermengen aus der Küchenspüle und der Geschirrspülmaschine gewöhnlich zu gering, um sie einer Grauwassernutzung zuzuführen. In gewerblichen Bereichen wie der Gastronomie kann die Verhältnismäßigkeit allerdings sehr schnell gegeben sein, auch das Grauwasser aus Küchenspülen dezentral zu nutzen. Hier sind ohnehin Fettabscheider und Grobfilter vorzusehen und bereits Bestandteil der Infrastruktur.
Installationsstruktur zur Grauwassernutzung
In beiden Kategorien können unterschiedliche mikrobiologische Belastungen auftreten, wie etwa durch das Händewaschen nach der Toilettenbenutzung, beim Duschen (Bidet) sowie durch Waschen und Zubereiten von Lebensmitteln, die somit ins Grauwasser eingetragen werden. Auf all diese aufgeführten Inhaltsstoffe und Schwebstoffquellen erfolgt die biologische und physikalische Reinigungsstrategie des Grauwassers, um eine Klarwasserqualität zu erhalten, die der EU-Richtlinie für Badegewässer entspricht, um den Anforderungen an das Betriebswasser zu genügen (VDI 2070). Aus dem Klarwasserbehälter der Grauwasserreinigungsanlage wird das gereinigte Grauwasser nun einer weiteren Verwendung im oder am Gebäude zugeführt, welches keine Trinkwasserqualität verlangt.
Die nebenstehenden Nutz- und Lastprofile für eine Wohneinheit mit vier Personen zeigen deutlich, dass der Betriebswasserbedarf für Toilettenspülung mit dem Grauwasser in jeder Wohneinheit gedeckt werden kann. Darüber hinaus bestehen noch weitere Potenziale für Reinigungswasser und Textilwaschmaschine. An der sanitären Ausstattung sowie der Anzahl der Bewohner pro Wohneinheit lässt sich absehen, dass dort die größten Potenziale an Grauwasser-Überschuss zu Buche stehen, welches als Klarwasser direkt dem natürlichen Wasserkreislauf zugeführt werden kann. Ohne Grauwassernutzung läge der Trinkwasserbedarf deutlich höher, bei etwa 24000 l pro Person und Jahr. Auswertungen von vergleichbaren Wohngebäuden und Wohneinheiten durch das Forum Wohnenergie lassen die Schlussfolgerung zu, dass mit Grauwassernutzung nicht nur mehr als 35 % Trinkwasser eingespart werden kann, sondern ebenfalls das öffentliche Kanalnetz nachhaltig entlastet wird und der natürliche Wasserhaushalt dezentral unterstützt werden kann. Selbst wenn noch keine Grauwasserreinigungsanlage installiert wird, sollte dennoch in der Installation zwischen Schwarzwasser-Leitungen und Grauwasser-Leitungen unterschieden werden. Es muss in jedem Fall die unterschiedliche Leitungsführung von Grau- und Schwarzwasser dokumentiert und gekennzeichnet werden. Die Auslegung einer Grauwasseraufbereitungsanlage erfolgt nach der Reinigungsleistung eines Tages.
Nutzungs- und Lastprofile als Basis der Anlagenplanung
Die Erstellung von Nutzungs- und den daraus resultierenden Lastprofilen der internen Wasserwirtschaft eines Gebäudes bildet die Grundlage der Bedarfsermittlung sowie der Darstellung einer internen Wasserbilanz, insbesondere von Sanitärräumen. Auf diese Weise ist besonders in Wohngebäuden eine Vollabdeckung des Betriebswassers für die Toilettenspülung aus gereinigtem Grauwasser als Betriebswasser erkennbar.
Durch die kompakte Bauweise können komplette Grauwasseraufbereitungsanlagen mit einer Tagesleistung von 200 l schon für weniger als 4000 Euro angeboten werden. Zu berücksichtigen sind allerdings auch die Mehrkosten durch die Trennung von Grau- und Schwarzwasserleitung, die schwer zu pauschalisieren und daher objektspezifisch zu ermitteln sind. Für ein Einfamilienhaus kann dieser Mehraufwand etwa mit maximal rund 1000 Euro veranschlagt werden.
Fazit
Die Nutzung einer gebäudezentralen Grauwasseraufbereitung verlangt eine differenzierte Struktur der Abwasserinstallation. Nur wenn die Trennung von Grauwasser- und Schwarzwasserleitungen konsequent umgesetzt wird, ist auch eine nachträgliche Integration einer Grauwasseraufbereitungsanlage möglich. Da in der Sanitärtechnik stets sehr penibel auf die Qualität des Mediums in Leitungen geachtet wird, wäre es nur konsequent, die Trennung von Grau- und Schwarzwasser-Leitungssystemen zeitnah zum Stand der Technik zu entwickeln.
In der nächsten SBZ-Ausgabe werden die Funktionsweise und Auslegung von Grauwassernutzungsanlagen sowie deren Reinigungsstufen behandelt.
Info
SBZ-Artikelserie Dezentrales Wassermanagement
Teil 1: Nachhaltige Wasserkonzepte SBZ 05/16
Teil 2: Schmutzwasser im Wohnungsbau SBZ 06/16
Teil 3: Gebäudezentrale Grauwassernutzung im Wohnungsbau
Teil 4: Bewirtschaftung von Niederschlagswasser
Teil 5: Wasser als regenerativer Energieträger
Teil 6: Passive Flächenkühlung mit Regenwasser
Teil 7: Nachhaltige Badsanierung – Chance für die Grauwassernutzung
Teil 8: Wärmerückgewinnung aus Grauwasser
Literatur
- Wasserhaushaltsgesetz (WHG) „Gesetz zur Ordnung des Wasserhaushalts vom 31. Juli 2009“
- Verordnung zum Schutz des Grundwassers (Grundwasser-Verordnung – GrwV) vom 9. November 2010
- Verordnung über Anforderungen an das Einleiten von Abwasser in Gewässer (Abwasserverordnung – AbwV) in der Fassung der Bekanntgabe 17. Juni 2004
- Verordnung zum Schutz der Oberflächengewässer (Oberflächengewässer-Verordnung – OGwV) vom 20. Juli 2011
- VDI 2070 „Betriebswassermanagement für Gebäude und Liegenschaften“
- DIN 1986-100 „Entwässerungsanlagen für Gebäude und Grundstücke – Teil 100: Bestimmungen in Verbindung mit DIN EN 752 und DIN EN 12056“
- Hartmann, Frank „Baubiologische Haustechnik“, VDE-Verlag, Berlin, ISBN 378-3-8007-3494-8
Autor
Frank Hartmann ist Gas-Wasser-Installateur, Heizungs- und Lüftungsbauer, Elektroinstallateur und Energietechniker. Er ist zudem Gründer vom Forum Wohnenergie für energieeffizientes Bauen und Renovieren, 97509 Zeilitzheim, Telefon (0 93 81) 71 68 31, hartmann@forum-wohnenergie.de