Die Wärmerückgewinnung aus Abwasser durch Kanalsysteme, welche als Wärmequellen für Groß-Wärmepumpen zu komplexen Wärmequellenanlagen erweitert werden, rückt vor allem in der modernen Städteplanung immer mehr in den Fokus. Diese Entwicklung der Wärmepumpentechnologie in ihrer Definition ist der Wärmequellenanlage als solche zu verdanken. Dementsprechend steht diese Anwendungstechnik im direkten Zusammenhang mit einer Groß-Wärmepumpe. In dicht besiedelten Stadtgebieten mag dieser Anwendungsfall der Wärmerückgewinnung aus Abwasser durchaus sinnvoll sein, grundsätzlich aber gilt auch hier die Erkenntnis in Sachen Energieeffizienz, nämlich Energie dort zu nutzen, wo sie anfällt und benötigt wird.
Dezentralisierung ist das Leitbild für erneuerbare Energien und Energieeffizienz gleichermaßen. Sicherlich können sich je nach Anwendungsfall, Infrastruktur und Lastszenarien beide Anwendungsformen (zentral und dezentral) durchaus ergänzen. Allerdings wird es höchste Zeit, sich vielmehr mit dem Naheliegendsten zu beschäftigen: mit der dezentralen Wärmerückgewinnung aus Grauwasser, bevor es in den öffentlichen Kanal fließt und nicht zuletzt durch die Wegstrecke und durch die Durchmischung mit Schwarzwasser erheblich an Wärmemengen verliert.
Die Grauwassernutzung wird sich im Sinne einer nachhaltigen Wasserwirtschaft mittelfristig durchsetzen und das Leistungsportfolio des SHK-Handwerks erweitern. Weitere Anbieter werden hochwertige Produkte auf den Markt bringen. Unternehmen, die sich heute mit Regenwassernutzung, Behälterbau und deren technischer Ausstattung beschäftigen, könnten bald ihr Produktportfolio nachhaltig erweitern. Die Kerntechnik ist zweifellos die Reinigung des Grauwassers (und Vorhaltung von gereinigtem Grauwasser als Klarwasser), die mit entsprechender Behältertechnik zu kombinieren ist. Vielmehr könnte die Filter- bzw. Aufbereitungstechnik in kompakten Moduleinheiten komprimiert werden, um diese dann mit diversen, unter Umständen auch mit bestehenden Behältern kombinieren zu können.
Wärmemengen im Grauwasser
Neben der zweifachen Nutzung der Ressource Wasser, die Grund genug ist, die Grauwassernutzung nicht nur im Mehrgeschosswohnungsbau, sondern auch in öffentlichen Schwimmbädern, wo sich nicht selten Duschanlagen in einem ganztägigen Dauerbetrieb befinden, zeitnah zum Standard moderner Haustechnik zu erheben, schlummert in der Wärmerückgewinnung ein weiteres energierelevantes Nutzungspotenzial. Das Bewusstsein hinsichtlich des Wärmepotenzials von Abwasser ist bereits durchaus vorhanden, wurde es doch nicht zuletzt durch die Typologie einer Wärmequellenanlage im Kontext von Wärmepumpensystemen vorangetrieben.
Unterstellt man einen durchschnittlichen Warmwasserbedarf von 160 l pro Tag für eine Wohneinheit mit 4 Personen, bedeutet dies einen energetischen Aufwand von 8,41 kWh, der hierfür bereitzustellen ist. Dieses zur Körperreinigung in Badewanne, Dusche und Waschtisch genutzte Warmwasser findet nach kurzer Nutzung den Weg in die Grauwasser-Sammelleitung zum Grauwasser-Sammelbehälter. Ebenso verhält es sich mit der Energiemenge, die sich in diesem Wasser befindet und einmal mehr die Bedeutung von Wasser als Energieträger zeigt.
Ausgehend von einer durchschnittlichen Grauwassertemperatur von 30 °C, bedeutet dies immer noch einen Energieinhalt von 3,74 kWh. Setzt man diese Energiemengen ins Verhältnis, bedeutet dies, dass etwa 44 % der aufgewendeten Energie „ungenutzt“ verschwindet. Das ist ein außerordentliches Wärmerückgewinnungspotenzial nicht nur für Wohnhäuser, sondern gleichermaßen für Hotels, Sportstätten usw. Das fast deckungsgleiche Nutzungsintervall von Bedarf und Bereitstellung ist ein wesentlicher Grund für die deutlich höhere Effizienz dezentraler Lösungen.
Energie kann nicht verbraucht werden. Energie wird lediglich gebraucht und umgewandelt. Während des Duschens gelangt ein Teil der Wärmemenge des Warmwassers in die Raumluft, ein anderer Teil wird vom Körper des Menschen aufgenommen. Der weitaus größte Anteil aber fließt über die Duschwanne in den Entwässerungsanschluss. Verbraucht ist diese Wärme keineswegs, sie wird in der Regel nur nicht mehr genutzt, also im Klartext: verschwendet. Unverständlich erscheint, dass diese Energiemengen in den Energiebilanzen von Gebäuden bislang nicht dargestellt werden. Nicht nur aus diesem Grund wird am Forum Wohnenergie an der Nachweisführung zur Bilanzierung von Wasserströmen gearbeitet, da Wasser eben auch ein Energieträger ist. Die Nutzung dieses Wärmeenergiepotenzials aus Grauwasser sollte zeitnah gleichermaßen Eingang in die Energiebilanzen von Gebäuden finden.
Durch die stetig steigende Verbesserung der thermischen Hülle von Gebäuden wurde der Heizwärmebedarf in den letzten zehn Jahren deutlich reduziert. In Deutschland verhält sich diese Entwicklung ähnlich. Ferner ist dabei zu berücksichtigen, dass Warmwasser konstant ganzjährig bereitgestellt werden muss, während der Heizwärmebedarf nur innerhalb der Heizperiode, wenn die Außentemperatur unter die Heizgrenztemperatur fällt, benötigt wird.
Anforderungen an die Wärmerückgewinnung
Nun stellt sich für die Anwendung allerdings die Frage, wie dieses Wärmepotenzial aus dem Grauwasser herausgebracht werden kann und wie diese Wärme weiter genutzt bzw. welchem System zugeführt werden kann. Die Wärmerückgewinnung aus Grauwasser steht also ganzjährig zur Verfügung, wie auch der Wärmebedarf für Trink-Warmwasser ganzjährig ansteht. Dementsprechend ist es naheliegend, die aus dem Grauwasser zurückgewonnene Wärme direkt der Trinkwassererwärmung zuzuführen. Eine zentrale Fragestellung ist, wo die Wärme aus dem Grauwasser abgegriffen wird. Auf dem Weg vom Entwässerungsanschluss bis zum Grauwasser-Sammelbehälter, kann verhältnismäßig viel Wärme verloren gehen, was die Frage nach einer Wärmedämmung der Grauwasserleitungen aufwirft. Des Weiteren stellt sich die Frage, welche Bedeutung in Zukunft die biologische Reinigungsstufe erhält, da hierfür eine Mindestwärme notwendig ist und die maximale Wärmerückgewinnung behindert.
Andererseits ist eine Grauwassernutzung nicht zwingend notwendig, um Wärme aus dem Grauwasser zu generieren. In den Niederlanden und auch in der früheren DDR wurden schon in den 1980er-Jahren Duschwannen entwickelt, in denen sich direkt ein Wärmetauscher befindet, allerdings konnten sich diese Produkte kaum aus dem Nischenmarkt entwickeln.
Beispiel einer wohnungszentralen WRG aus Grauwasser
In der Schweiz wurde in jüngster Zeit eine moderne Duschwanne entwickelt, deren Funktion ebenso einfach, wie naheliegend ist. Das warme Duschwasser, welches vom Körper über die Oberfläche der Duschwanne in den Entwässerungsanschluss gelangt, wird bereits in der Duschrinne mit einer speziellen Siphonierhaube gleichmäßig über einen Wärmetauscher geführt, der dem warmen Duschwasser die Wärme entzieht. Die horizontale Tropfkante sorgt auch bei hohen Abwasserströmen für eine perfekte Benetzung des Wärmetauschers. Anschließend fließt das nun abgekühlte Duschwasser in die Entwässerung (Grauwasserstrang).
Im Durchflussprinzip wird die Wärme in den Kupferrohren nun an das darin fließende Kaltwasser abgegeben, welches sich laut Hersteller von ca. 10 auf 25 °C erwärmt. Das Kaltwasser fließt somit bereits vorgewärmt an die Armatur (Mischbatterie), wodurch weniger heißes Wasser aus der Warmwasserleitung, bzw. aus dem Boiler oder Solarspeicher benötigt wird.
Diese Duschwannen eigenen sich in ihren verschiedenen Bauarten und Ausführungsmodellen gut für die Badsanierung, auch wenn keine Grauwassernutzung vorgesehen ist. Wärme kann dabei ganzjährig zurückgewonnen und die Energieeffizienz des gesamten Gebäudes nachhaltig gesteigert werden. In diesem Kontext ist auch eine Jahres-Energiebilanz nachvollziehbar, da Trink-Warmwasser immer benötigt wird.
Beispiel einer gebäudezentralen WRG aus Grauwasser
In Österreich entwickelte der Speicherhersteller Forstner eine komplette Grauwasseranlage mit Wärmerückgewinnung, von der die Trinkwassererwärmung und Heizungsunterstützung mit Niedrigtemperatursystemen profitiert. Durch das effiziente Verfahren des patentierten Thermocycle kann aus dem gesammelten Grauwasser wertvolle Energie entzogen und direkt zur Vorerwärmung der zentralen Warmwasserbereitung genutzt werden. Laut Hersteller können mit diesem System aus 1000 l Grauwasser ca. 15 kWh zurückgewonnen und direkt der Warmwasserbereitung zugeführt werden.
Das exakte Schichtungsverhalten des systemintegrierten Hygienespeichers ermöglicht eine maximale Nutzung der zurückgewonnenen Wärmeenergie. Dieses System kann überall dort eingesetzt werden, wo warmes Grauwasser anfällt, egal ob Campingplatz, Freizeitanlage, Hotel, Hallenbad oder Mehrfamilienhaus. In einem Mehrfamilienhaus spielt natürlich die anfallenden Grauwassermenge, die Anzahl der Wohneinheiten bzw. deren Ausstattung eine wesentliche Rolle zur Wirtschaftlichkeitsbetrachtung. Es ist von einer entsprechenden Nutzung ab einer Größenordnung von sechs Wohneinheiten auszugehen.
Das warme Grauwasser wird im Sammelbehälter zuerst aufgestaut und gefiltert. Über einen integrierten Wärmetauscher wird Wärme entzogen und an einen Hygienespeicher zur Vorerwärmung des Warmwassers und zur Heizungsunterstützung übergeben. Für die Nacherwärmung des Hygienespeichers nennt der Hersteller eine Einsparung von bis zu 25 %. Die Analogie zur solarthermischen Warmwasserbereitung bedeutet keineswegs entweder oder, sondern vielmehr ein optionales Kombinationspotenzial, um die Energieeinsparung zur Trinkwassererwärmung – zumindest während der Sommermonate – weiterhin zu optimieren. Was liegt also näher, als eine Vorerwärmung des Warmwassers aus der „Restwärme“ des just gebrauchten Grauwassers zu generieren. Dieses Wärme-Recycling entspricht voll und ganz dem Begriff regenerativ, dezentral und höchst effizient.
Fazit
Die Wärmerückgewinnung aus Grauwasser ist mannigfach möglich. Gleichermaßen zentral wie dezentral, für den Neubau ebenso wie für die Sanierung, insbesondere die Badsanierung. Eine Grauwasseranlage ist dabei nicht zwingend notwendig, aber nachhaltig sinnvoll. Eine weitreichende Bedeutung könnte der Wärmerückgewinnung aus Grauwasser im Kontext von Ersatzmaßnahmen des EWärmeG zukommen. Der ursprüngliche Zweck des Erneuerbare-Wärme-Gesetzes (EWärmeG) ist es, im Interesse des Klima und Umweltschutzes, den Einsatz erneuerbarer Energien zur Wärmeversorgung zu steigern. Leider wird diese Zielsetzung durch die Möglichkeit etwaiger Ersatzmaßnahmen über Maßnahmen des baulichen Wärmeschutzes mit dieser auf den Winter konzentrierten Reduzierung konterkariert und verfehlt damit nicht selten die eigentliche Zielsetzung. Nicht nur aus diesem Grund bestehen berechtigte Zweifel darin, ob „Erneuerbare Wärme“ denn überhaupt gewünscht ist. Mit einer gezielten Definition der WRG aus Grauwasser als „Ersatzmaßnahme“ könnte der Forderung nach mehr erneuerbarer Wärme in Gebäuden ungleich mehr Glaubwürdigkeit verliehen werden. Und zwar nicht nur für den Winterfall, sondern ganzjährig, ganz im Kontext von Jahres-Energiebilanzen.
Info
SBZ-Artikelserie zum dezentralen Wassermanagement
Teil 1: Nachhaltige Wasserkonzepte SBZ 05/16
Teil 2: Schmutzwasser im Wohngebäude SBZ 06/16
Teil 3: Grauwassernutzung im Wohnungsbau SBZ 07/16
Teil 4: Bewirtschaftung von Niederschlagswasser SBZ 08/16
Teil 5: Wasser als regenerativer Energieträger SBZ 10/16
Teil 6: Passive Flächenkühlung mit Regenwasser SBZ 11/16
Teil 7: Nachhaltige Badsanierung mit Grauwassernutzung SBZ 12/16
Teil 8: Wärmerückgewinnung aus Grauwasser SBZ 13/16
Die gesamte Artikelserie finden Sie auch unter:
Autor
Frank Hartmann ist Gas-Wasser-Installateur, Heizungs- und Lüftungsbauer, Elektroinstallateur und Energietechniker. Er ist zudem Gründer vom Forum Wohnenergie für energieeffizientes Bauen und Renovieren, 97509 Zeilitzheim, Telefon (0 93 81) 71 68 31, hartmann@forum-wohnenergie.de