Nach dem erneuten Lockdown im November 2020 ist die Aufrechterhaltung der Trinkwasserhygiene in Gebäuden aller Couleur wieder ein wichtiges Thema geworden. Was ist jedoch zu tun, um die Trinkwassergüte sicherzustellen oder nach dem Ende des Ausnahmezustands wieder herzustellen?
Ist die Übertragung des Corona-Virus über Trinkwasser ausgeschlossen?
In der Stellungnahme des Umweltbundesamts (UBA) vom 12. März 2020 heißt es u.a., dass „Trinkwässer, die unter Beachtung der allgemein anerkannten Regeln der Technik gewonnen, aufbereitet und verteilt werden, sehr gut gegen alle Viren, einschließlich Coronaviren, geschützt sind. Eine Übertragung des Corona-Virus über die öffentliche Trinkwasserversorgung ist nach derzeitigem Kenntnisstand höchst unwahrscheinlich.“
Pandemie-Maßnahmen haben Einfluss auf Trinkwasseranlagen
Die zur Eindämmung der Pandemie einzuhaltenden Maßnahmen haben jedoch Einfluss auf Trinkwasseranlagen. Bei Betriebs-Stilllegungen oder Betriebsunterbrechungen von Trinkwasser-Installationen sind doch einige vorbeugende Maßnahmen zu beachten. Die anschließende Wiederinbetriebnahme nach längerer Stilllegung bedarf sogar besonderer Maßnahmen.
Nicht ungewöhnlich: Nutzungsunterbrechungen in Liegenschaften
Genau genommen sind Nutzungsunterbrechungen in Liegenschaften eine wiederkehrende Gegebenheit. Doch diese rückt momentan durch die Coronapandemie in den Fokus. Ein Beispiel dafür: Die Trinkwasserversorgungsanlagen von Schulen werden während der Ferien schon immer für eine gewisse Zeit (wenige Tage oder/und ein bis zu sechs Wochen) stillgelegt. Ähnliches gilt für Kitas und Kindergärten.
Anlagenbetreiber sensibilisieren
Doch in dieser Corona-Notsituation besteht auch in anderen Liegenschaften (Büro- und Fabrikationsgebäuden) die Gefahr, dass ein bestimmungsgemäßer Betrieb nach den allgemeinen Regeln der Technik - wie definiert z. B. in VDI/DVGW 6023, DIN 1988-200 oder DIN EN 806-5 - nicht sichergestellt werden kann. Deshalb ist eine Sensibilisierung und Aufklärung der Betreiber bei der aktuellen Lage sehr wichtig.
Spülplan erarbeiten
Zwei Faktoren beeinflussen in besonderem Maße die Trinkwassergüte in der Gebäudetechnik: regelmäßiger Wasseraustausch und Temperaturhaltung. Auch der Werkstoff der Trinkwasserleitungen und die regelmäßige Wartung spielen eine Rolle. Hinzu kommen aktuell geänderte Betriebsbedingungen. Es empfiehlt es sich als ad hoc Maßnahme einen Spülplan nach Liegenschaft und den Stilllegungszeiten zu erarbeiten.
Wann spricht man von einer Betriebsunterbrechung?
72 Stunden Stillstand
Eine Nichtnutzung von mehr als 72 Stunden stellt eine Betriebsunterbrechung dar und ist zu vermeiden. Soweit nachgewiesen werden kann, dass die Trinkwasserbeschaffenheit nach TrinkwV über längere Zeiten der Nichtnutzung erhalten bleibt und die Gebäude keinen besonderen Anforderungen unterliegen, darf diese Frist auf maximal sieben Tage verlängert werden.
Und mehr als 72 Stunden?
Eine längere Betriebsunterbrechung ist ein nicht bestimmungsgemäßer Betrieb der Trinkwasser-Installation. Bei längerer Verweilzeit des Wassers in der Trinkwasser-Installation kann die Wasserbeschaffenheit durch Vermehrung von Mikroorganismen und in Lösung gehende Werk- und Betriebsstoffe beeinträchtigt werden.
Mögliche Maßnahmen
Bestimmungsgemäßen Betrieb aufrechterhalten …
Spülplan erstellen
Zur Aufrechterhaltung des bestimmungsgemäßen Betriebs ist durch den Betreiber (veranlasst/automatisiert) mindestens alle 72 Stunden an allen Entnahmestellen Trinkwasser (kalt und warm) zu entnehmen. Steht kein Haustechniker oder Hausmeister für diese Arbeiten zur Verfügung, sollte ein SHK Fachbetrieb für das regelmäßige Spülen beauftragt werden. Ist der Betreiber der Anlage nicht in der Lage einen solchen Spülplan umzusetzen, so sollte er die Trinkwasser-Installation an der Hauptabsperreinrichtung schließen und die Trinkwasser-Installation mit allen Komponenten (Trinkwasser kalt und warm) vorübergehend außer Betrieb setzen.
Spülstation temporär oder dauerhaft installieren
Eine Option wäre eine temporär installierte Spülstation oder sogar die Nachrüstung einer solchen Lösung. Nur neuere Trinkwasser-Installationen dürften mit sogenannten „Hygienestationen“" ausgestattet sein. Grundsätzlich sind für alle Maßnahmen an Anlagen entsprechende Nachweise an den Betreiber auszuhändigen.
… oder Trinkwasser-Installation außer Betrieb setzen
So ist bei der Wiederinbetriebnahme vorzugehen
Bestimmungsgemäßer Betrieb bis 4 Wochen unterbrochen
Bestimmungsgemäßer Betrieb mehr als 4 Wochen unterbrochen
Bestimmungsgemäßer Betrieb länger als 6 Monate unterbrochen
Bei mikrobiologischer Belastung: Maßnahmen nach DVGW W 557 bzw. DVGW W 551
Wiederinbetriebnahme nach längerer Unterbrechung
Es ist ratsam in hygienisch besonders sensiblen Liegenschaften, wie Schulen, Kitas/Kindergärten etc., auch schon früher als in den vorgegebenen sechs Monate eine Untersuchung des Trinkwassers (Legionellenbeprobung) durchzuführen. Zu beachten ist jedoch: Jede Liegenschaft ist anders zu betrachten. Darauf sind die Maßnahmen abzustimmen.
Hotels: Spülplan erstellen
Mussten komplett schließen, der Termin für die Wiederöffnung steht noch nicht fest. Deshalb wäre es wichtig einen Spülplan zu erstellen.
Bürogebäude: Spülplan erstellen
Sie werden teilweise nur noch von wenigen Mitarbeitern benutzt, Thema Homeoffice. Sehr selten oder fast nie, werden diese Liegenschaften komplett stillgelegt. Deshalb gilt auch hier die Empfehlung, einen Spülplan zu erstellen.
Öffentliche Einrichtungen und große Liegenschaften: Pläne sollten ohnehin vorhanden sein
Für Schulen, Kitas, Kindergärten, Sporthallen, Sportstätten sowie große Liegenschaften, wie Eventanlagen, Konzert- und Messehallen, sollten entsprechende Pläne aufgrund der ohnehin wechselnden Nutzung bereits vorliegen. Das gilt auch für Fabrikationsgebäude bei Werksferien.
Welche rechtlichen Aspekte gilt es zu beachten?
Trinkwasser verteilen
Laut § 4 der TrinkwV muss das an die Verbrauchsstellen zu transportierende Trinkwasser so beschaffen sein, dass durch seinen Genuss oder Gebrauch eine Schädigung der menschlichen Gesundheit, insbesondere durch Krankheitserreger, nicht zu besorgen ist. Das wichtigste Lebensmittel muss hygienisch rein und genusstauglich sein. Diese Anforderungen gelten als erfüllt, wenn bei der Wassergewinnung, der Wasseraufbereitung und der Wasserverteilung mindestens die allgemein anerkannten Regeln der Technik eingehalten werden und das Trinkwasser den Anforderungen der §§ 5 bis 7a der TrinkwV entspricht.
Anlage errichten, erweitern, ändern und unterhalten
In der AVBWasserV (§ 12 Kundenanlage) heißt es: „Die Anlage darf nur unter Beachtung der Vorschriften dieser Verordnung ... sowie nach den anerkannten Regeln der Technik errichtet, erweitert, geändert und unterhalten werden."
Zum bestimmungsgemäßen Betrieb verpflichtet
Nicht immer bekannt ist: Die Eigentümer, Anlagenbesitzer und Betreiber von sanitärtechnischen Anlagen sind nach VDI 3810 (Blatt 1) verpflichtet, die Anlage nach den anerkannten Regeln der Technik bestimmungsgemäß zu betreiben und in ordnungsgemäßen Zustand zu erhalten. Weiter heißt es: "Sanitärtechnische Anlagen sind für die Menschen von großer Bedeutung, weil davon das gesundheitliche Wohlbefinden abhängt. Es ist daher dringend erforderlich, dass diese Anlagen von den hierfür Verantwortlichen in einem technisch und hygienisch einwandfreien Zustand erhalten werden."
Fazit des Autors
Not sollte erfinderisch machen. Das gilt jedoch nicht bei der Erhaltung der Trinkwassergüte im Krisenfall. Hier darf es keine Kompromisse geben. Solange nicht hierfür besondere Hinweise gegeben werden (z.B. Abkochen, Verwendungseinschränkung), muss und darf der Verwender auf die unbedenkliche Nutzung des Trinkwassers „aus dem Wasserhahn“ vertrauen. Man sollte auf bekannte und bewährte Methoden zurückgreifen. Doch neben den einzuleitenden Maßnahmen hat die Aufklärung zum Thema Betriebsunterbrechung, Stilllegung und Wiederinbetriebnahme von Trinkwasser-Installationen einen hohen Stellenwert. Gerade die Betreiber sind über die Maßnahmen zu informieren. Wenn alle an einem Strang ziehen, sollte die Gefährdung nach Ende der Pandemie durch nicht mehr hygienisch einwandfreies Trinkwasser in Liegenschaften auf ein sehr geringes Maß zu reduzieren sein.