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Damit der Kunde nicht online kauft

Als „Homo oeconomicus“ wird ein Kunde beschrieben, der sich dann zum Kaufen entschließt, wenn er sich einen Nutzen von der Ware verspricht. Genau dieses Verhalten ist allerdings in unserer Konsumgesellschaft mit einem drastischen Überangebot an Waren und Anbietern überhaupt nicht mehr möglich. Trotzdem versuchen wir, uns an klaren Entscheidungskriterien zu orientieren, denn die Angst, eine falsche Entscheidung zu treffen, ist umso größer, desto vielfältiger das Angebot ist. Abhilfe versprechen wir uns von einem möglichst systematischen Vergleichen der verschiedenen Optionen. Als naheliegendes, weil vordergründig am einfachsten zu vergleichendes Kriterium bietet sich dabei der Preis an, den wir nun höher gewichten als früher.

Es ist so, als sitze ein Controller in unserem Kopf, der ständig flüstert: „Kauf nichts voreilig!“, „Check noch mal den Preis!“, „Vielleicht bekommst du es woanders noch günstiger!“ Dieses Verhalten nenne ich „Vergleicheritis“. Sie ist ein natürliches, menschliches Vorgehen. Wird es allerdings übertrieben, blockiert sich der Kunde selbst. Dann schlägt die Stunde des Verkäufers, der über den Preis hinaus umfassend berät und dem Kunden die Kaufentscheidung erleichtert. Hier sind drei Tipps, damit Verkäufer im Fachhandel nicht nur beraten, sondern auch verkaufen.

Tipp Nr. 1: Verkaufen 4.0 heißt Komplexität reduzieren

Machen Sie es dem Kunden einfach und zeigen Sie nicht zu viele Produkte. Natürlich gehört zu einem gelungenen Kauferlebnis die Möglichkeit, zu begutachten und auszuwählen. Zu viele Optionen und Varianten verzögern Entscheidungen jedoch unnötig lange oder verhindern sie sogar. Besser der Ver­käufer trifft auf Basis einer gezielten Bedarfsanalyse eine Vorauswahl für den Kunden und führt ihn fachkompetent zur Entscheidung.

Tipp Nr. 2: Die konkrete ­Kaufbereitschaft prüfen

„Was ist der Anlass, dass Sie sich nach … umsehen?“, „Welche Wunschvorstellung haben Sie bezüglich des Preises?“ und „Bis wann möchten Sie … erwerben?“ Das alles sind wichtige Fragen, um herauszufinden, wie klar die Kaufabsicht des Kunden ist. Konkrete Antworten bedeuten: Eine Entscheidung steht kurz bevor. Vage Antworten dagegen sind ein Indikator für die Orientierungsphase. Dann gilt es, nicht zu viel Zeit zu investieren, sondern mit dem Kunden die nächsten Schritte festzulegen, die noch für eine Kaufentscheidung nötig sind. Je nach Branche/Produkt könnte das zum Beispiel sein: genaue Maße/benötigte Menge definieren, Produkteigenschaften nach Vor- und Nachteilen beleuchten, Budget festlegen oder Finanzierungsmöglichkeiten errechnen, Muster besorgen etc.

Tipp Nr. 3: Eine klare Empfehlung aussprechen

Kunden gehen in den Fachhandel, weil sie Orientierung und Entscheidungshilfe erwarten. Dort treffen sie dann zuweilen auf Verkäufer, die den Käufer nicht bevormunden wollen bzw. Angst haben, ihn zu einer falschen Entscheidung zu drängen. Meine Bitte: Machen Sie Ihre Kunden glücklich und geizen Sie nicht mit Ihrer Fachkompetenz und persönlicher Einschätzung. Damit vermitteln Sie Sicherheit, beschleunigen die Kaufentscheidung und gewinnen so neue Kunden.

Aus der Gehirnforschung weiß man heute, dass alle Kaufentscheidungen vorwiegend emotional getroffen werden. Der Entscheidungsprozess ähnelt einem Pingpong zwischen emotionalen und rationalen Zentren in unserem Hirn, wobei den Gefühlen deutlich mehr Bedeutung zukommt. Wo die Ratio im Dschungel der Möglichkeiten versagt, sollen Intuition und Emotion helfen, die Wahl zu treffen. Und genau hier ist der Fachhandel im Vorteil, weil er den persönlichen Kontakt zum Kunden hat und seine Bedürfnisse und emotionale Verfassung besser einschätzen kann als ein Online-Shop.

So nicht: Wie man Kunden zur Online-Konkurrenz treibt

Es ist Samstagnachmittag und mein Partner und ich machen einen Shoppingausflug in die Innenstadt. Unser Ziel ist ein Fachhandelsgeschäft für Tischkultur, in dem wir schöne Salz- und Pfeffermühlen erwerben möchten. Der Laden ist leer – bis auf vier Verkäuferinnen, die emsig mit dem Auspacken von Ware beschäftigt sind. Wir begeben uns zum Regal mit den Gewürzmühlen und beginnen uns durch das Sortiment zu arbeiten. Es vergehen ca. fünf Minuten, ohne dass wir seitens der Verkäuferinnen angesprochen werden. Schließlich schränken wir unsere Auswahl auf zwei Mühlen aus Olivenholz mit dem stolzen Preis von jeweils 70 Euro ein. Allerdings überzeugt uns bei einer Mühle die Maserung des Holzes nicht so richtig und wir blicken hilfesuchend zu den weniger als zwei Meter entfernten Verkäuferinnen. Leider ohne von diesen registriert zu werden. Schnell ist das Smartphone gezückt: Eine kurze Recherche im Internet bringt zahlreiche Portale, die genau diese Gewürzmühlen ebenfalls anbieten und zwar im Set-Preis zu 110 statt 140 Euro. Das ist für uns der entscheidende Impuls, den Fachhandel ohne Kauf zu verlassen. Nicht weil wir darauf aus sind, 30 Euro zu sparen, sondern weil wir ohnehin nicht wahrgenommen wurden. Leider traurige Realität in vielen Geschäften!

Die Vorteile des stationären ­Fachhandels ausschöpfen

Dabei kann der stationäre Handel gegenüber dem Internet punkten, wenn er seine Vorteile zu nutzen weiß:

  • Die Ware ist anfassbar. Der Konsument kann den Kaufgegenstand sehen, berühren, an- oder ausprobieren. Das schafft nicht nur Sicherheit und Vertrauen, sondern löst auch den „Haben-wollen-Effekt“ aus.
  • Die Ware ist sofort verfügbar. Wenn ich mich schon extra auf den Weg gemacht habe, dann will ich die Beute jetzt auch sofort nach Hause mitnehmen.
  • Es gibt fachkompetente Verkäufer, die mich beraten können und mir bei meiner Entscheidung zur Seite stehen. Die Sorge, die falsche Entscheidung zu treffen, verschwindet.
  • Der Mensch kauft gerne vom Menschen. Wenn sich die richtige Wellenlänge einstellt, dann kann ich mit den Verkäufern auch noch nett plaudern und mich wohlfühlen.
  • Es ist einzig und allein von der Persönlichkeit und Motivation des Verkaufspersonals abhängig, ob ein Kunde nicht nur kauft, sondern so überzeugt die Badausstellung verlässt, dass er wiederkommt und sie im Bekanntenkreis weiterempfiehlt.
  • Keine Angst vor Beratungsklau!

    Mit „klauen“ meine ich ein Phänomen, vor dem sich immer mehr Händler fürchten: den Beratungsdiebstahl. Damit ist gemeint, dass sich der Kunde bei Händler A informiert und dann bei Händler B oder im Internet kauft. Das kann durchaus passieren. Die Frage ist: Wie häufig kommt es wirklich vor? Kommt es tatsächlich auch dann vor, wenn wir im Verkauf einen guten Job machen, uns in den Kunden einfühlen, ihm ehrlich die Funktionen und Vorteile verschiedener Produkte erläutern und ihm auf diese Weise dabei helfen, die lästige Kaufentscheidung zu treffen? Auf Basis von Marktforschungsergebnissen aus unterschiedlichen Branchen und der Einschätzung meiner Seminarteilnehmer kann ich sagen: Fakt ist, dass die tatsächliche Zahl der Konsumenten, die Beratungsklau betreiben, sehr viel geringer ist, als im Handel angenommen und befürchtet wird.

    Nicht ärgern, sondern den Fokus auf die richtigen Kunden setzen

    Außerdem stellt sich die Frage, was da eigentlich genau geklaut wird? Beratung oder Wissen kann es nicht sein – denn die Fachkompetenz des Verkäufers nimmt ja dadurch nicht ab! Vielmehr fühlen Verkäufer sich betrogen, weil sie umsonst Zeit und Energie investiert haben. Es müsste also Zeit- oder Energiediebstahl heißen. Die unangenehme Wahrheit ist, dass es in der Natur des Verkaufens liegt, dass nicht jedes Verkaufsgespräch zu einem Abschluss führt. Zu unterscheiden sind dabei allerdings die Kundentypen. Es gibt sogenannte Minuskunden, die werden nie bei uns kaufen, egal wie viel Mühe wir uns geben. Gott sei Dank gibt es auch Pluskunden, die so loyal sind, dass sie immer bei uns kaufen, auch wenn wir mal einen schlechten Tag haben. Die große Menge allerdings sind die Plus-minus-Kunden, die vor Ort entscheiden, ob sie bei uns kaufen oder nicht. Auf diese sollten wir unseren Fokus und unsere Energie richten, anstatt uns über wenige unfaire Kunden zu ärgern.

    Aktives Nachfragen führt zum Abschluss

    Freuen wir uns also lieber über den Kunden, der unsere Ware mit dem Smartphone fotografiert, und sprechen wir ihn aktiv an: „Es freut mich, dass Ihnen … gefällt. Welche Fragen darf ich Ihnen dazu beantworten?“ Oder: „Sie fotografieren gerade einen unserer absoluten Bestseller. Viele Kunden kaufen … bei mir, weil … Soll ich es Ihnen genauer zeigen?“ Wenn ich merke, dass der Kunde zögert, dann spreche ich das freundlich an und frage nach dem Grund. Auch eine beherzte Nachfrage wie: „Wovon ist es abhängig, wo Sie … kaufen?“ hat schon manche weiterführende Erkenntnis gebracht, die dann zum Kaufabschluss geführt hat. Und das macht nicht nur den Kunden, sondern eben auch den Verkäufer zufrieden!

    Autor
    Sandra Schubert ist Inhaberin der Firma Schubs Vertriebskonzepte und hält Vorträge rund um Erfolg und Motivation im Verkauf.

    S. Schubert