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Blick hinter die Kulissen der Branche – SBZ-Serie, Teil 3

Qualitätsanforderungen wie im Flugzeugbau

SBZ: Herr Haase, hier bei Ihnen entsteht ein Kernprodukt der Energiewende – die Wärmepumpe. Um ehrlich zu sein: Es sieht deutlich aufgeräumter aus, als wir uns das in der Produktion eines derart komplexen Produktes vorgestellt haben.

Reiner Haase: Jedes Bauteil hat bei uns einen genau definierten Stellplatz in den Produktionslinien – egal ob es intern aus den Vorfertigungen oder von externen Lieferanten kommt. Generell steht das Produktions­equipment, wie z. B. Regale, Material- und Montagewagen usw. auf Rollen.

Das ist sehr flexibel und gleichzeitig schnell mit unserem internen Transportdienst dahin zu bewegen, wo es gebraucht wird. Die Kollegen an der Linie wissen genau, wohin sie greifen müssen, um das jeweils benötigte Teil zu bekommen. Wir nennen das „Standard“.

SBZ: Aber hemmt dieser Standard nicht auch eine gewisse Flexibilität in der Produktion?

Haase: Jede Wärmepumpe, die hier entsteht, wird aus rund 500 Einzelteilen zusammengebaut. Und das in einer festen Struktur nach einem besonderen System. Wird davon abgewichen, wächst das Potenzial, dass Fehler entstehen können an. Wir setzen auch dafür eine besondere Technik ein: das Assembly Management System, kurz AMS.

Mit dem AMS wird quasi jeder Prozessschritt überwacht. So werden z. B. funktionswichtige Bauteile vor der Montage gescannt. Damit wird geprüft, ob es sich um das richtige Bauteil für die jeweilige Wärmepumpe und die gewünschte Baugröße handelt. Wird das Bauteil nicht gescannt und das System bestätigt dies nicht, ist ein Weiterarbeiten an der Wärmepumpe quasi nicht möglich.

SBZ: Das heißt im Umkehrschluss, Sie können auch später noch genau nachvollziehen, welches Bauteil in welcher Wärmepumpe eingebaut worden ist?

Haase: Richtig, wir können die Prozessschritte detailliert nachvollziehen. Das lässt sich anhand eines Bauteils beschreiben, das mit z. B. vier Schrauben befestigt wird. Hierzu ist ein elektronischer Schrauber mit einem festen Drehmoment einzusetzen. Werden nicht alle vier Schrauben befestigt oder wird ein falscher Schrauber genutzt oder werden die vier Schrauben nicht in der richtigen Reihenfolge befestigt, lässt sich das sofort feststellen, denn jeder Prozessschritt wird per WLAN vom Schrauber zu einem Rechner geschickt, der prüft, ob man gegenüber der Spezifikation noch innerhalb der Toleranz ist. Erst wenn dafür das Okay gegeben wird, wird der nächste Prozessschritt in der Produktion freigegeben.

SBZ: Das hört sich fast nach den Qualitätsanforderungen im Flugzeugbau an und nicht nach Standards, die wir beim Wärmepumpenbau erwartet hätten.

Haase: Flugzeugbau ist dazu ein sehr gutes Stichwort, denn unsere Fachhandwerkspartner sollen sich genauso wie jeder Passagier eines Flugzeuges absolut sicher sein, dass in der Herstellung alles Menschenmögliche getan wurde, um eine optimale Funktion zu gewährleisten. Eine derartige Struktur gibt die Sicherheit, dass Fehler oder Qualitätsschwankungen in der Produktion fast völlig ausgeschlossen werden können.

SBZ: Trotz aller Absicherungen während der Produktionsphase: Die Wärmepumpen werden bestimmt dennoch nach Fertigstellung getestet?

Haase: Ja, natürlich. In der Endmontage greifen wir dafür u. a. auf einen Prüfstand zurück, der das gesamte System in Funktion simuliert. Dabei wird stets unter höheren Drücken gearbeitet, als es später in der Praxis vorkommen kann. Auch während der Produktion wird bereits getestet, z. B. der fertig gelötete Kältekreis in einem Hochdruckprüfstand. Die Wärmepumpe wird dabei mit einem Prüfgas beaufschlagt und es können Groblecks erkannt werden.

Auch die einzelnen Schalter wie das 3-Wege-Ventil oder der Druckschalter werden dabei geprüft. Anschließend geht es in einen Helium-Prüfstand, in dem sich auch Kleinst­undichtigkeiten erkennen lassen. Undichtigkeiten im Kältekreis können wir so absolut ausschließen.

Mit dem Assembly Management System (AMS) wird quasi jeder Produktions- und Prozessschritt überwacht. So lässt sich auch später noch nachvollziehen, welches Bauteil in welche Wärmepumpe eingebaut worden ist.

Bild: Vaillant

Mit dem Assembly Management System (AMS) wird quasi jeder Produktions- und Prozessschritt überwacht. So lässt sich auch später noch nachvollziehen, welches Bauteil in welche Wärmepumpe eingebaut worden ist.

SBZ: Sie sind von der Fertigung von Gas-Heizwertgeräten zu den Wärmepumpen gewechselt. Das ist ein Schritt, den viele Partner im Fachhandwerk auf ähnliche Art und Weise gehen. Welche Erfahrungen haben Sie dabei gemacht?

Haase: Nicht ganz – von den Heizwertgeräten ging es noch in die Endmontage der Gas-Brennwertgeräte. 2018 hatte ich dann die Wahl Fertigungsleiter Wärmepumpen zu werden. Das war schon ein wirklich bedeutender Wechsel, wenn man sich sehr lange mit Gas-Brennwertgeräten und ihrer Systematik beschäftigt und sich dann eine Wärmepumpe anschaut.

Mir war die Funktion der Wärmepumpe noch weitgehend unbekannt, es war kein Feuer im Gerät und wo war das Abgasrohr? Ich musste erst einmal genau verstehen, was wir da bauen und wie alles bis ins letzte Detail funktioniert, quasi den Sinn jedes Bauteils erkennen. Das hat mir extrem geholfen und ich war schnell vom Produkt und der Technologie begeistert.

SBZ: Wie haben Sie auf diesem Weg die Mitarbeiter mitnehmen und sie auch für Wärmepumpen begeistern können?

Haase: Es ging zunächst um die Technik des Gerätes und die Frage, was da eigentlich produziert wird. Insbesondere die Thematik „weg von fossilen Brennstoffen“ und im Sinne eines besseren Klimas hin zu umweltschonenden Heizgeräten zu kommen, war den Mitarbeitern wichtig. Aber das musste, genau wie bei mir, erst einmal in die Köpfe.

Deswegen haben wir lange über die Bedeutung der Wärmepumpe und ihre Funktionen gesprochen. Jeder musste wissen, was ein Verdampfer ist und wie er funktioniert oder wie ein elektronisches Expansionsventil arbeitet. Jeder Mitarbeiter muss verstehen, welche Auswirkungen es hat, wenn z. B. eine Lötstelle nicht korrekt ausgeführt wird.

Aus diesem Grund sind Diskussionsrunden und Trainings zu den Produkten nicht einmalig, sondern fortlaufend. Am Schluss waren alle stolz darauf, beim Thema Energiewende und erneuerbare Energieträger hautnah dabei zu sein und ihren Teil für ein besseres Klima zu leisten.

SBZ: Hilft das auch, wenn es darum geht, möglichst viele Wärmepumpen zu fertigen? Denn mittlerweile ist die Nachfrage im Markt nach Wärmepumpen ja deutlich gewachsen.

Haase: Grundsätzlich haben Sie als Hersteller zwei Möglichkeiten. Entweder Sie stellen sich hin und sagen: „Produziert so viel, wie Ihr könnt!“ oder sie nehmen die Leute auf dem Weg zur Wärmepumpe mit und erklären immer wieder, worum es geht. Das ist sicherlich aufwendiger, hat aber gewaltigen Einfluss auf die Qualität. Denn man muss sich immer wieder klarmachen, dass der Rest der Firma keinen direkten Kontakt zum Produkt hat.

Unsere Mitarbeiter in der Produktion nehmen aber jedes der rund 500 Teile in die Hand und bauen daraus eine Wärmepumpe zusammen. Da sind die Motivation und der Spaß an der Arbeit unendlich wichtig. Das Gefühl und das Wissen, eine gehörige Portion Einfluss auf die eigene Tätigkeit zu haben, ist genauso motivierend. Dafür ist es wichtig, die Mitarbeiter immer ins Boot zu holen und mit ihnen gemeinsam zu diskutieren.

SBZ: Was würden Sie einem Fachhandwerker vermitteln, der genau wie Sie vor der gleichen Entscheidung und dem gleichen Weg steht – vom Gas-Heizgerät zur Wärmepumpe?

Haase: Ich würde den gleichen Weg empfehlen, den wir auch gegangen sind. Zuerst das Produkt und seine Technologie, aber auch seine gesellschaftliche Bedeutung kennenlernen. Denn es geht dabei ja hauptsächlich um unser aller Zukunft. Wir wollen das Klima schützen und brauchen dafür nachhaltige Produkte.

Wenn ich die Wärmepumpe mal als reiner Mechaniker betrachte: Die ersten Heizwertgeräte waren noch recht aufwendig aufgebaut. Dann kam die Brennwerttechnik und die Komponentenvielfalt wurde schon deutlich geringer.

Auch die Wärmepumpe ist recht einfach aufgebaut mit klar strukturierten Komponenten. Letztendlich handelt es sich um ein überschaubares Gerät mit großer Wirkung. Das zu verstehen hilft aus meiner Sicht sehr, sich an Wärmepumpen heranzuwagen.

SBZ: Können Sie denn Fachhandwerker verstehen, die dennoch sagen: Die Wärmepumpe ist mir einfach zu fremd?

Haase: Absolut. Ich verstehe jeden Fachhandwerker, der sagt: Die Sicherheit, die ich bei Heiz- und Brennwertgeräten aufgebaut habe, ist dann erst einmal weg. Da kann ich Entscheidungen treffen und habe Erfahrungen über die Auswirkung dieser Entscheidungen. Vom Kopf war mir die ganze Argumentation auch klar, nur der Bauch musste noch mitgenommen werden.

Bei Wärmepumpen muss ich zunächst wieder anfangen zu lernen. Aus meiner Sicht hilft es dann auch, sich mit Kollegen auszutauschen, die bereits ihre Erfahrungen mit Wärmepumpen gemacht haben. Und auch unsere Verkaufsberater oder unsere Planungsunterstützung helfen ja aktiv dabei, den Weg hin zur Wärmepumpe zu gehen.

SBZ: In unserem letzten Interview haben wir die Entwicklung von Wärmepumpen kennengelernt. Wie ist denn intern die Verbindung zur Entwicklung? Tauschen Sie sich über Aspekte aus, die Ihnen bei einem Modell aufgefallen sind oder kommt die Entwicklung auf die Produktion zu?

Haase: Wie eng wir zusammenarbeiten sieht man an einer ganz einfachen Tatsache: Von der Produktion aus haben wir über eine Brücke eine direkte Verbindung zur Entwicklung in das Johann Vaillant Technologiecenter. Gemeinsam können wir schnell alle möglichen Themen angehen und man muss nicht lange herumtelefonieren. Das macht die Sache einfach. Wenn wir ein Problem haben, treffen wir uns alle direkt in der Produktion und schauen uns das Ganze an.

SBZ: Und wie sieht es bei neuen Wärmepumpen-Modellen aus? Wird die Produktion hier von Beginn an mit einbezogen?

Haase: Bei der Entwicklung eines neuen Modells kommen die Experten aus allen relevanten Bereichen frühzeitig zusammen. Dazu gehören z. B. Entwicklung, Engineering, Einkauf, Qualität, Logistik, Fertigungsplanung und natürlich auch die Produktion. Bis dann abschließend eine neue Fertigungslinie steht, die nach unseren Maßstäben funktioniert, sind eine ganze Menge Termine und gegenseitiges Verständnis nötig. Dafür gibt es dann tägliche Sitzungen, die immer sehr produktiv sind, weil jeder um die Bedeutung des Wissens der Kollegen aus allen Abteilungen weiß.

SBZ: Was ist denn ein typisches Problem bei der Produktion einer neuen Wärmepumpe?

Haase: Unsere Fertigungsplaner entdecken bei den ersten Entwürfen manchmal Dinge, die zwar sehr gut durchdacht sind und optimal funktionieren, aber in der Produktion so nicht machbar sind. Oder später die Wartung erschweren. Auch scharfe Kanten sind immer wieder ein Thema. Dann gehen die Entwürfe wieder zurück und es wird neu ­designt.

SBZ: Was würden Sie dem Fachhandwerk gerne noch mit auf den Weg geben?

Haase: An der Wärmepumpe führt in unserer Branche kein Weg mehr vorbei. Das zeigen auch die jüngsten Regierungsbeschlüsse zur Energiewende und zum Klimaschutz. Wir alle haben in unserer Branche die große Chance hier aktiv mitzuwirken, dass der Klimawandel gestoppt werden kann. Da ist der Schritt von den fossilen Energieträgern zur Wärmepumpe lohnenswerter denn je. Wir tun hier in der Produktion alles, damit sich unsere Partner im Fachhandwerk immer auf die Wärmepumpe verlassen können, die sie gerade planen und verbauen.

SBZ: Herr Haase, vielen Dank für das Gespräch.

In der Endmontage wird das Wärmepumpensystem in Funktion simuliert und mit höheren Drücken beaufschlagt als sie in der Praxis vorkommen können. Mit Hochdruck- und Heliumprüfständen lassen sich Undichtigkeiten im Kältekreis völlig ausschließen.

Bild: Vaillant

In der Endmontage wird das Wärmepumpensystem in Funktion simuliert und mit höheren Drücken beaufschlagt als sie in der Praxis vorkommen können. Mit Hochdruck- und Heliumprüfständen lassen sich Undichtigkeiten im Kältekreis völlig ausschließen.

Zur Person

Bild: Vaillant

Name: Rainer Haase

Berufliche Position: Fertigungsleiter Wärmepumpen in Remscheid

Persönliche Beziehung zu Wärmepumpen: „Ich bin selbst den Weg von Gas-Wandgeräten zu Wärmepumpen gegangen und musste mich erst selber von der Technologie überzeugen. Heute bin ich ein Wärmepumpenfan und von ihrer Funktionalität und dem Nutzen für die Gesellschaft mit Blick auf die Energiewende und den Klimawandel tief beeindruckt.“

Persönliche Meinung über Vaillant: „Wenn man in Remscheid wohnt, Reiner Haase heißt, im Stadtteil Hasenberg wohnt, Vater, Mutter und zwei Brüder bereits bei Vaillant gearbeitet haben – hat man dann eigentlich noch eine andere Chance, als seine Karriere bei der Firma mit dem Hasen im Logo zu beginnen? Die Entscheidung war goldrichtig, weil ich von Anfang an das Gefühl hatte, nicht nur ein winziges Teil im Getriebe zu sein, sondern das Unternehmensgeschehen aktiv mitgestalten konnte.“

Besonderheiten / Merkmale: Mit drei Kindern und einem ersten Enkelkind konzentriert sich Haase im Privatleben viel auf seine Familie. Wenn die Zeit es zulässt, ist er sportlich aktiv – u. a. im eigenen Fitnesscenter, das er sich im Keller seines Wohnhauses aufgebaut hat.

SBZ-Video

Rainer Haase gehört nicht nur aufgrund seines Namens zu den alten Hasen im Montagegeschäft. Seit fast 40 Jahren ist er bei Vaillant und lernte das Handwerk dabei von der Pike auf. Angefangen mit einer Ausbildung als Schlosser arbeitet er sich durch die verschiedensten Bereiche, von der Vor- zur Endmontage und der Instandhaltung. Heute ist er Fertigungsleiter für Wärmepumpen im Werk Remscheid. Das Video gibt einen Einblick in seine Arbeit.

Zum Video → www.youtube.com/watch?v=GvvLGk6u4J8

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