Obwohl das Ende der Lernkurve rund um Erdwärmesonden (EWS) noch nicht erreicht ist, gilt die Wärmequelle „Untergrund“ in Fachkreisen wegen der stabilen Temperatur im Erdreich, insbesondere bei extrem tiefen Außentemperaturen, als hocheffizient und robust. Allerdings gibt es Einschränkungen durch die Bohrtiefe und bei der zur Verfügung stehenden Fläche für die Anordnung von Erdwärmesonden. Auch zeigen sich im Langzeitbetrieb oftmals gewisse Leistungseinbußen durch eine zu hohe Entnahmeleistung im Heizbetrieb.
Regeneration von Erdwärmesondenfeldern mittels Luft-Wärmeübertrager
Kathrin Singer von der Tewag GmbH aus Regensburg empfiehlt deshalb eine Kombination von oberflächennaher Geothermie und weiteren Umweltquellen wie Luft oder Abwärme. Damit könne einerseits der Untergrund regeneriert werden, andererseits bestehe die Option, die jeweils höhere Quellentemperatur für den Wärmepumpenbetrieb zu nutzen. Besonders wichtig sei die Regeneration bei großen Erdwärmesondenfeldern mit einer hohen Entzugsleistung im Winter und nur wenig Regeneration über das Jahr.
Sie sagt: „Durch eine gezielte Einbindung von Solarthermieanlagen, Luft/Sole-Wärmeübertragern und/oder Trockenkühlern könnten bis zu 35 % an Antriebsenergie für die Wärmepumpe eingespart werden.“ Im Idealfall sollte bei Erdsondenfeldern die zweite Wärmequelle von Anfang an eingeplant werden, weil dadurch auch teure Bohrmeter entfallen. Am Beispiel einer Quartiersversorgung mit 168 Erdwärmesonden in Verbindung mit einem Luftkühler liefert Singer den Nachweis, dass mit der Einbindung einer externen Wärmequelle rund 50 % der Netto-Investitionskosten (bezogen auf die Wärmequelle) und rund 30 % an Heizkosten über einen Zeitraum von 25 Jahren eingespart werden können. Der Markt habe auf den Trend zu Multiquellen-Wärmepumpenanlagen bereits reagiert und biete fertige Zusatzmodule für Sole-Wärmepumpen an, beispielsweise den Terra-Booster der ATF GmbH aus Schönaich. In jedem Fall sollten Erdwärmesondenanlagen im Heiz- und Kühlbetrieb gefahren werden, denn dies sei die einfachste Möglichkeit der Regeneration des Untergrunds, so Singer.
Erdkollektoren mit Energiezaun bilden Pendelspeicher
Dass die Nutzung der Erdwärme auch ohne Tiefenbohrungen funktioniert, verdeutlichen Projekte der GeoCollect GmbH, Chemnitz, auf der Basis von oberflächennahen Erdwärmekollektoren. In mehr als 1000 Anlagen habe dieses Konzept seine Leistungs- und Funktionsfähigkeit bewiesen, so Vertriebsleiter Volkmar Frotscher. Er sieht in Multiquellensystemen eine Möglichkeit, mit weniger Grundfläche höhere Leistungen zu erreichen. Am Beispiel eines realisierten Projektes in Lüneburg erklärt Frotscher, dass durch eine Kombination von GeoCollect-Erdwärmekollektoren und Energiezaun eine nahezu 100 % erneuerbare Energieversorgung auch im nicht sanierten Gebäudebestand möglich ist. Im vorliegenden Fall wurden die Erdkollektoren so angeordnet und verschaltet, dass ein leistungsfähiger Pendelspeicher entsteht. Auch PVT- oder thermische Solarkollektoren könnten in ein solches System eingebunden werden. Wichtig bei Anlagen dieser Größenordnung seien eine sorgfältige Planung der Hydraulik (Tichelmann, innovative Hydraulikmodule) und ein temperaturgeführtes Quellenmanagement. Der Vorteil gegenüber Luft/Wasser-Wärmepumpen seien durchschnittliche Jahresarbeitszahlen zwischen 4,6 und 5,6, keine optische und akustische Belästigung sowie eine nahezu kostenlose sommerliche Gebäudetemperierung.
Sondenfelder aktiv regenerieren
Berechnungen und Erfahrungen mit Einzelsonden können nicht einfach auf Sondenfelder übertragen werden. Besonders im Rahmen der kommunalen Wärmeplanung seien solide Lösungen auf sicherer Grundlage gefragt, betont Prof. Dr.-Ing. Frieder Häfner, TU Bergakademie Freiberg, in seinem Vortrag „Effizienter Betrieb von Erdwärmesondenfeldern und ihre aktive Regeneration“. Wichtig sei der Nachweis einer nachhaltigen Wärmeentnahme aus dem Erdreich über den Lebenszyklus des Sondenfeldes, mindestens aber für einen Zeitraum von 50 Jahren. Häfner empfiehlt dazu die Software ModThermWg/ModGeo3D, mit der verschiedene Szenarien numerisch simuliert werden können, wie beispielsweise die Bauart von Sonden und deren Anordnung im Erdreich sowie verschiedene Regenerationsvarianten. Wichtig sei, dafür genügend Fremdwärme zur Verfügung zu stellen, beispielsweise die Abwärme von RLT-Anlagen, von Luft/Wasser-Wärmeübertragern oder von hybriden Solarpaneelen, sogenannten PVT-Kollektoren. Diese Bauart liefere nicht nur erhebliche Wärmemengen, sondern auch den Strom für die Wärmepumpe. Von einem Sondenfeld unter einer Gebäudegrundplatte rät Häfner ab, da dann die natürliche Regeneration in der oberen Erdschicht unterbrochen werde. Wichtig für die Regeneration sei auch der Sondenabstand, der maßgeblich die Dauerleistung des Sondenfeldes beeinflusse. Um die Baukosten für das Sondenfeld gering zu halten, empfiehlt Häfner den Einsatz von Ringrohrsonden. Je nach Regenerationsgrad könnten damit gegenüber den allgemein gebräuchlichen Doppel-U-Sonden bis zu 40 % der Baukosten eingespart werden. In jedem Fall sollte der Fokus der Planung auf einer möglichst hohen Wärmepumpen-Rücklauftemperatur (= Sondenvorlauftemperatur) liegen, die im Idealfall zwischen 5 und 8 °C betrage. Zusammen mit einer hohen Regenerationsrate könnten damit Jahresarbeitszahlen von mehr als 4,5 erreicht werden.
Aquiferspeicher wirtschaftlicher als Erdwärmesondenfelder
Für die erfolgreiche Umsetzung der Wärmewende bedarf es nicht nur Wärmepumpen großer Leistung, sondern auch ausreichend dimensionierter, möglichst saisonaler thermischer Speicher. Immer dann, wenn große Heizleistungen (im Winter) und Kühlleistungen (im Sommer) gefragt sind, könnte es sich lohnen, das überaus große energetische Potenzial von thermischen Aquiferspeichern, sogenannten ATES (Aquifer Thermal Energy Storage), anzuzapfen. Forscher des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) sehen darin eine Schlüsseltechnologie im Kontext der Wärmewende.
Im Vergleich zur konventionellen Wärme- und Kältegewinnung mittels fossiler Energieträger könnten mit ATES-Systemen bis zu 75 % an Treibhausgasemissionen vermieden werden, so Ruben Stemmle vom KIT. Für ein klassisches ATES-System werden zwei Bohrungen (Dublette) benötigt: Während der Sommermonate wird das Gebäude mittels Grundwasser aus Tiefen zwischen 15 m und 50 m gekühlt und das erwärmte Wasser wieder in den Grundwasserleiter zurückgeführt. In den Wintermonaten wird diese eingespeicherte Wärme als Wärmequelle für eine Wärmepumpe zum Heizen genutzt, wobei das abgekühlte Medium wieder in den Grundwasserleiter zurückgepumpt wird. Durch die Nutzung von ATES-Systemen könnte die Treibhausneutralität in Deutschland bis zum Jahr 2045 erreicht werden, so die KIT-Studie. Demnach eignen sich rund 54 % der Fläche in Deutschland gut bis sehr gut für die Speicherung von Niedertemperaturwärme im Erdreich. Meist entscheide der sommerliche Kühlbedarf die Wirtschaftlichkeit eines ATES. Je größer der Untergrundspeicher, desto wirtschaftlicher sei die Investition, so Stemmle. Schon ab etwa 100 kW Heiz-/Kühlbedarf seien ATES-Systeme kosteneffizienter als Erdwärmesonden. ATES haben sich in den Niederlanden bereits zu einer Art Standard für die Beheizung und Kühlung von Gewächshäusern entwickelt. Dort sind bereits mehr als 3000 ATES-Speicher installiert. In Deutschland erschweren legislative, regulatorische und sozioökonomische Barrieren den Markteinstieg, so Stemmle.
Mitteltiefe Geothermie für Wärmepumpen mit BHKW-Booster
Eigentlich hatte die Hamburger Energie Geothermie GmbH (HEGeo) ihre Bohrdublette als Tiefenbohrung geplant, doch eine zu geringe Mächtigkeit des ursprünglichen Reservoirs erforderte eine Umplanung noch bei laufendem Projekt. Da man bereits in einer Tiefe von 1300 m auf einen mitteltiefen Sandsteinhorizont mit zufriedenstellendem Zufluss (140 m3/h) und einer Wassertemperatur von 48 °C stieß, wurde eine zweite, abgelenkte Bohrung niedergebracht und verfiltert. Carsten Hansen von der HEGeo erklärt das nun geänderte Nutzungskonzept so: Um die geforderte Heizwassertemperatur von 75 bis 85 °C für eine Fernwärme-Quartiersversorgung zu erreichen, ist ein mehrstufiger Wärmepumpenprozess in Verbindung mit einem BHKW nötig. Das BHKW liefert dazu den Strom für die Wärmepumpe und übernimmt die Nacherwärmung des Heizwassers. Erreicht wird dadurch eine Heizleistung von 6 MW, ausreichend für etwa 6000 Haushalte. Das Projekt ist Bestandteil des Gesamtprojekts „IW3, Integrierte Wärmewende Wilhelmsburg“ und wird als eines der Reallabore der Energiewende vom Projektträger Jülich gefördert.
Potsdam setzt auf mitteltiefe Geothermie
Auch die Stadt Potsdam sieht in der mitteltiefen Geothermie eine Lösung, die fossilen Energieträger von Fernwärmesystemen durch die Nutzung geothermischer Potenziale zu ersetzen. Sven Fuchs, GFZ Potsdam, lokalisierte in den mitteltief angeordneten salzwasserführenden Aquiferen (1000 bis 1500 m tief) ein ausreichend hohes geothermisches Potenzial zur Bereitstellung von „grüner Fernwärme“. Die Auswertung einer Dublettenbohrung im Stadtgebiet von Potsdam – Thermalwasser mit 43 bis 48 °C – deute darauf hin, dass eine kommerzielle Nutzung möglich ist. Voraussetzung ist eine Hochtemperatur-Wärmepumpe, um die umliegenden bestehenden Wohngebäude mit der entsprechend hohen Vorlauftemperatur zu versorgen.
Fazit des Autors
Die sich verändernden energiepolitischen Rahmenbedingungen und insbesondere das Wärmeplanungsgesetz für klimaneutrale Fernwärme bietet neue Perspektiven für die oberflächennahe, mitteltiefe und tiefe Geothermie mit einem starken Akzent auf ATES-Systemen. Interessant wird sein, ob der von Borobotics entwickelte langsam arbeitende und damit lautlose Bohrroboter den Weg in die Praxis findet und inwieweit diese Bohrtechnologie zur Kostensenkung beiträgt.
Dass sich dieser Markt insgesamt künftig sehr dynamisch entwickeln wird, lassen die gestiegene Anzahl an Ausstellern der Geotherm (241, Vorjahr 160), Besuchern (6509, Vorjahr 4982) und Vorträgen (56, Vorjahr 38) sowie die optimistischen Ergebnisse der Referenten vermuten. Dabei geht der Trend weg von der Einzelsonde hin zu Sondenfeldern und weiter zu Niedertemperatur-Aquiferspeichern, deren Wärme- und Kältepotenzial über Großwärmepumpen erschlossen wird. Wichtige Impulse für den Wachstumsmarkt oberflächennahe Geothermie kommen von den zahlreichen wissenschaftlichen Untersuchungen im Zusammenhang mit der Qualitätssicherung am Bohrloch sowie von den sich verändernden energiepolitischen Rahmenbedingungen.
Entwicklungen in der oberflächennahen Geothermie in Kürze:
Großes Marktpotenzial für Eisfreihaltungssysteme
Systeme zur Eisfreihaltung, beispielsweise von Rampen, Auffahrten, Dächern, Pflastern, Parkplätzen, Landebahnen, Sportanlagen und anderen Anwendungen, werden meist mit Strom über elektrische Widerstandsheizungen beheizt. Im Verbundvorhaben Gerdi (Förderkennzeichen 03ETW001D) wurde ein Verfahren entwickelt, das mittels einer direkt gekoppelten CO2-Erdwärmesonde ausschließlich Erdwärme nutzt. Durch die Einbindung eines Zweiphasen-Thermosyphons kann auf eine Umwälzpumpe verzichtet werden, d. h. der Antrieb erfolgt rein thermisch. Ansprechpartner für das Projekt sind Lars Staudacher und Georg Mederl vom ZAE Bayern e. V.
Laut Zion Market Research wurden in Deutschland 2023 Eisfreihaltungssysteme mit einem Marktvolumen von 490 Millionen Euro verbaut; 2026 soll das Volumen 580 Millionen Euro erreichen.
Erdwärmepumpen für bestehende Fernwärmenetze
Die Dekarbonisierung bestehender Hochtemperatur-Fernwärmenetze ist ein wichtiger Bestandteil der Wärmewende. Mit den Forschungsvorhaben HeatShift (Hochschule Kempten, Fernwärmeversorgung Ulm, ZAK Energie, AGFW, Siemens Energy und ecop Technologies) sollen Lösungen für die optimale Einbindung von Wärmepumpen in bestehende, oft über 120 °C heiße Fernwärmenetze unter Einsatz von Abwärme und saisonal zwischengespeicherter Überschusswärme gefunden werden. Die Hochschule Biberach, Institut für Gebäude- und Energiesysteme, erstellt dabei ein Modell für einen saisonalen Erdwärmesondenspeicher, welches in die kommerzielle Kraftwerks-Simulationsumgebung „EBSI-LON Professionell“ integriert wird. Ziel ist es, die konventionellen Hochtemperatur-Wärmenetze möglichst lange weiterbetreiben zu können.
Bohrroboter statt Bohrturm
Konventionelle Bohrverfahren für Erdwärmesonden sind sehr energieintensiv, ungenau, verursachen Lärm und können zu Schäden an Gebäuden, Gärten und der Landschaft führen, sagt Hans-Jörg Dennig, Institute of Product Development and Production Technologies (IPP) an der Züricher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW). Gerade deshalb komme die oberflächennahe Geothermie nur schleppend voran bzw. andere Heizungsarten würden bevorzugt. Dennig und sein Team sind zuversichtlich, dass ihr neues Bohrverfahren ein Game-Changer sein wird, denn der von ihnen entwickelte innovative Bohrroboter benötigt weder ein Bohrgestänge noch ein Raupenfahrzeug noch größere Gerätschaften wie bei konventionellen Bohrverfahren. Durch die autonome und energieeffiziente Arbeitsweise werden auch die Erstellungskosten gesenkt, so die Theorie. Derzeit wird der „Grabowski“ genannte Bohrroboter in Ton-, Sand- und Lockergestein getestet. Ziel ist eine maximale Bohrtiefe von 250 m. Auf Basis der bisherigen Ergebnisse wurde das Spin-off „Borotronics“ gegründet (www.borobotics.ch), welches die Kommerzialisierung des Produkts übernimmt. Das Unternehmen geht davon aus, dass der innovative Bohrroboter der oberflächennahen Geothermie neue Impulse verleihen wird. Bis 2035 könnten auf diese Weise in der Schweiz und in Deutschland rund 3,2 Millionen Erdwärmepumpen installiert werden, so die Prognose von Borobotics.
Geothermisch aktivierte Gründungselemente
Mit der Umsetzung des Gebäudeenergiegesetzes wächst nach Ansicht von Bauer Resources das Interesse an geothermisch aktivierten Fundamentplatten und Energiewänden. Dies gelte insbesondere für Regionen mit enger Bebauung und Bohrtiefenbegrenzung. Zur Absicherung der Leistungsfähigkeit dieser Art von Geothermie hat Bauer einen speziellen „Thermal Response Test“ (TRT) entwickelt, wobei das Unternehmen eigens dafür eine numerische Berechnung auf der Basis von wissenschaftlich bestätigten Algorithmen einsetzt. Diese Art der Berechnung von geothermischen Fundamentgründungen sei deutlich schneller als rein numerische Methoden. Auch sei eine hinlänglich genaue Abschätzung eventueller thermischer Einflüsse von Nachbargrundstücken möglich.