Immer wieder hört man in der Presse sowie im Verwandten- und Bekanntenkreis von „falsch“ installierten Wärmepumpen. Hohe Betriebskosten, oft ein Vielfaches der vorher kalkulierten Berechnungen, sind die Folge. Ein Fehlerpotenzial liegt in der Installation. Meist ist der Fehler aber bereits in der Planung und Auslegung zu suchen. Die VDI 4645 gibt hier eine Empfehlung zur Auslegung von elektrisch betriebenen Wärmepumpen unter Berücksichtigung des notwendigen Brauchwasseranteils.
Voruntersuchung und Grundlagenermittlung
Bei der Voruntersuchung werden die gebäude- und standortspezifischen Randbedingungen aufgenommen. Genehmigungsrechtliche Rahmenbedingungen wie z. B. das Gebäudeenergiegesetz (GEG), die TA Lärm oder die Trinkwasserverordnung sind unbedingt zu berücksichtigen. Im Neubau ist die vorliegende Gebäudeheizlastberechnung gemäß DIN EN 12831-1 die Basis der weiteren Vorgehensweise.
Im Bestand sind meist weniger verlässliche Daten vorhanden. Oft wurde das Gebäude auch zu unterschiedlichen Zeitpunkten teilsaniert durch neue Fenster, Türen oder/und Dämmung. Hier empfiehlt sich, für den ersten Schritt eine überschlägige Heizlastberechnung durchzuführen. Diese ist aber vor Realisierung durch eine genaue Heizlastberechnung gemäß DIN EN 12831-1 zu überprüfen und zu ersetzen.
Überschlägige Heizlastberechnung im Bestand
Hier stehen in der Praxis unterschiedliche Ansätze zur Verfügung. So lässt sich die Heizlast überschlägig über den Energieverbrauch der letzten Jahre ermitteln. Um einen Mittelwert zu bekommen, wird hier dringend eine Bezugsperiode von mindestens drei Jahren empfohlen.
Der Energieverbrauch wird anschließend durch einen Divisor geteilt. Bei Ein- und Zweifamilienhäusern hat sich bei 1900 Vollnutzungsstunden, einem Kesseljahresnutzungsgrad von 75 % und normalem Trinkwarmwasserverbrauch ein Wert von 230 m³/(a · kW) für Erdgas und für Heizöl 250 l/(a · kW) etabliert. Bei einem Gasverbrauch von beispielsweise 2300 m³ pro Jahr ergibt sich eine überschlägige Heizlast von 10kW.
Ursachen für einen hohen Verbrauch in der letzten Heizsaison können etwa ein ineffizienter Betrieb der Heizung, eine zu hoch eingestellte Heizgrenztemperatur oder ein fehlender hydraulischer Abgleich sein. Dies birgt alles Optimierungspotenzial, genauso wie eine energetische Teilsanierung (Fenster, Türen, Dämmung). Aus diesem Grund ist die Ermittlung der Heizlast über den Verbrauch mit Vorsicht zu genießen.
Eine andere Möglichkeit, die Heizlast je m² Wohnfläche in Abhängigkeit von der beheizbaren Nutzfläche und dem Gebäudebaujahr zu ermitteln, wird durch die DIN EN 15378 gegeben (Bild A). Aber auch diese Methode kann stark fehlerbehaftet sein, da das Nutzerverhalten und mögliche durchgeführte Sanierungsarbeiten nicht berücksichtigt werden.
Etwas genauer kann dies mit dem Onlinerechner des Bundesverbands Wärmepumpe (BWP) durchgeführt werden (www.bit.ly/sbz77). Abhängig vom Aufstellort sind die entsprechenden Klimadaten wie die Normaußentemperatur und die Jahresmitteltemperatur verfügbar. Bauliche Besonderheiten, wie Gebäudetyp (EFH, EFH freistehend, RMH, EFH in Siedlung) und Teilsanierungen (Dach-, Wanddämmung, Isolierverglasung) finden nach entsprechender Eingabe Berücksichtigung. Die Heizlast kann nach Baualtersklasse, nach Jahresverbrauch, nach Volllaststunden oder nach Hüllfläche berechnet werden.
Praxisbeispiel: Mehrfamilienhaus mit sechs Wohneinheiten
Nachdem die Heizlast über die DIN EN 12831-1 ermittelt wurde, ist es an der Zeit, sich über die Brauchwassererzeugung, eventuelle Sperrzeiten und sonstige Verbraucher Gedanken zu machen. Hier gibt die VDI 4645 eine klare Hilfestellung zur Dimensionierung. Zum besseren Verständnis werden die folgenden Schritte hier in einem Praxisbeispiel erläutert:
Gegeben ist ein Mehrfamilienhaus mit sechs Wohneinheiten. Drei Wohneinheiten sind für ein Paar, die anderen drei Wohneinheiten für eine dreiköpfige Familie ausgelegt. Jede Wohneinheit verfügt über eine normale sanitäre Ausstattung mit Dusche, es sind keine Schwallbrausen verbaut.
Die Heizlast wurde mit 15 kW ermittelt. Der Aufstellort ist in 76131 Karlsruhe. Im Gebäude sind nur Fußbodenheizungen vorhanden und die Vorlauftemperatur im Auslegungspunkt beträgt 35 °C. Mit dem Energieversorgungsunternehmen (EVU) wurde ein Wärmepumpentarif abgeschlossen und eine maximale Sperrdauer von 2 Stunden am Tag vereinbart.
Der Gebäudeeigentümer wünscht eine monovalente Betriebsweise. Monovalent bedeutet, dass die Wärmepumpe der alleinige Wärmeerzeuger ist und die volle Heizleistung bei der entsprechenden Normaußentemperatur erbringt.
Die frei verfügbare Klimakarte des BWP (www.bit.ly/sbz78) liefert mit Eingabe der Postleitzahl notwendige Informationen wie die Jahresmitteltemperatur (11 °C), die Norm-Außentemperatur (–10,1 °C), die Klimazone und die Häufigkeit der Außentemperatur in 1-K-Schritten.
Nun wird der Heizwärmebedarf QH, AP ermittelt. Dies ist die Energiemenge für die Raumheizung über 24 Stunden:
QH, AP = 15 kW x 24 h = 360 kWh
Trinkwarmwasserbedarf nach bekannten Zapfprofilen
Anschließend geht es um den Trinkwarmwasserbedarf. Im Anhang J der VDI 4645 sind durchschnittliche Zapfprofile hinterlegt. Dort lassen sich der Energiebedarf QDPB für die Trinkwassererwärmung (TWE) für die Worst-Case-Bezugsperiode sowie der tägliche Energiebedarf QDP entnehmen. Hierbei ergeben sich folgende Werte:
QDPB = 2,24 kWh (von 20:30 bis 21:30 Uhr)
QDP = 5,845 kWh
QDPB = 4,445 kWh (von 20:30 bis 21:30 Uhr) QDP = 11,665 kWh
Im nächsten Schritt werden die Werte für QDPB und QDP mit den entsprechenden Nutzereinheiten multipliziert:
QDPB = 2,24 kWh x 3 + 4,445 kWh x 3 = 20,055 kWh
QDP = 5,845 kWh x 3 + 11,665 kWh x 3 = 52,53 kWh
Für die Trinkwassererwärmung ergibt sich also in der Zeit von 20:30 bis 21:30 Uhr ein Energiebedarf von 20,055 kWh und für den ganzen Tag ein Wert von 52,53 kWh. Je nach Speichergüte sind gemäß Herstellerangaben Bereitschaftswärmeverluste hinzuzurechnen. Für das Beispiel betragen diese 2,47 kWh/24 h. Die tägliche Energiemenge QDP, ges beträgt dementsprechend 55 kWh.
Bestimmung der Speichergröße
Abhängig von der Art der Energiespeicherung für die Deckung des Trinkwarmwasserbedarfs wird die Speichergröße ermittelt. Hier wird zwischen der direkten Speicherung von Trinkwasser (Bild C) oder der Speicherung von Heizungswasser zur Versorgung einer Frischwasserstation (Bild D) unterschieden.
Aus hygienischer Sicht ist die Speicherung von Heizungswasser zu bevorzugen. Wichtige Informationen für die technischen Regeln für Trinkwasser-Installationen geben die DIN 1988-200 sowie das Arbeitsblatt DVGW W 551.
Speicherung von Trinkwarmwasser
Für das notwendige Speichervolumen VDPB zur Speicherung von Trinkwarmwasser werden hierzu die Daten QDPB für die Bezugsperiode mit dem höchsten Energiebedarf benötigt. 10 °C kaltes Frischwasser ist auf 60 °C zu erwärmen. Es ergibt sich somit eine Temperaturspreizung von 50 K. Die spezifische Wärmekapazität von Wasser ist mit 4,19 kJ/kgK bzw. mit 1,163 Wh/kgK gegeben.
Das erforderliche Speichervolumen beträgt dann:
VDPB = 20,055 Wh / ((1,163 Wh/kgK * (333,15- 283,15) K) = 345 kg = 345 l
Weiter zu berücksichtigen sind die Verluste über eine Zirkulationsleitung QZirk (falls vorhanden) sowie der Speicherwirkungsgrad. Die Zirkulationsverluste können dem Energieausweis entnommen werden. In unserem Beispiel sind dies 4,8 kWh/24 h.
Da die Berechnung für die Bezugsperiode von 20:30 bis 21:30 Uhr durchgeführt wird, entspricht dies 0,2 kWh. Bei maximal 5 K Temperaturverlust im Rücklauf der Zirkulationsleitung (von 60 auf 55 °C) ergibt sich somit eine erforderliche Trinkwarmwassermenge von ca. 35 l, um die Zirkulationsverluste zu kompensieren. Um nun das erforderliche Mindestspeichervolumen VSP, min zu ermitteln, werden die 35 l zu VDPB addiert und ein Aufschlag für den Speicherwirkungsgrad fTWE von 15 % berücksichtigt. Dieser Zuschlag wird für nicht nutzbares Speichervolumen aufgrund von Durchmischung angesetzt.
Daraus ergibt sich das erforderliche Mindestspeichervolumen:
VSP, min = (345 l + 35 l) * 1,15 = 437 l
Speicherung von Heizungswasser für zentrale oder dezentrale Frischwassersysteme
Hier gilt dieselbe Logik wie bei der Speicherung von Trinkwarmwasser. Jedoch finden die Verluste für Zirkulation und Speicher keinen Ansatz, da diese bereits mit den für die Berechnung gewählten Temperaturen berücksichtigt wurden.
Bei einer Frischwasserstation wird eine Spreizung von 30 K auf der Heizungswasserseite empfohlen. Die Speichersolltemperatur beträgt 55 °C, die Rücklauftemperatur von der Frischwasserstation entsprechend 25 °C. Das notwendige Speichervolumen berechnet sich wie folgt:
VSP, min = 20,055 Wh / ((1,163 Wh/kgK * (328,15- 298,15) K) = 575 kg = 575 l
Aufgrund der geringeren Spreizung des Heizungswassers (30 K zu 50 K) ergibt sich ein größeres notwendiges Mindestspeichervolumen. Je nach Präferenz der Art der Energieeinspeicherung sind nun die Speicher dimensioniert.
Dimensionierung und Auswahl der Wärmepumpe
Anhand der berechneten Energiemengen für die Raumheizung und die Warmwassererzeugung wird die Wärmepumpe dimensioniert. Werden sonstige Verbraucher über die Wärmepumpe versorgt, wie etwa ein innen liegendes Schwimmbad, so ist diese Energiemenge hinzuzurechnen. In unserem Fall gibt es keine weiteren Verbraucher. Die Sperrzeiten des EVU finden nun Berücksichtigung:
= (360 kWh + 55 kWh + 0 kWh) / (24 h – 2 h)
= 18,86 kW
Dementsprechend wird eine Luft/Wasser-Wärmepumpe mit 18,9 kW Heizleistung bei einer Normaußentemperatur von –10,1 °C und 35 °C Vorlauftemperatur benötigt, um ausreichend Wärme für Heizung und Brauchwasser zu erzeugen.
Der Hersteller unseres Vertrauens hat nun aber zwei Modelle im Programm: einmal mit 18 kW und einmal mit 13 kW. Die größere Wärmepumpe ermöglicht fast den vom Bauherrn gewünschten monovalenten Betrieb, die kleinere Wärmepumpe kann monoenergetisch betrieben werden. Bis zum Bivalenzpunkt von –5 °C Außentemperatur erbringt die Wärmepumpe die notwendige Heizlast, dann kommt der Heizstab unterstützend hinzu (Bild E).
Welche Wärmepumpe soll nun eingesetzt werden? Beide Wärmepumpen erfüllen die Vorgaben. Da jedoch Außentemperaturen von weniger als –5 °C durchschnittlich nur 108,2 Stunden im Jahr auftreten, wird die kleinere Wärmepumpe empfohlen. Diese hat neben den geringeren Investitionskosten auch einen besseren Teillastregelbereich bei höheren Außentemperaturen zur Folge. Diese kommen deutlich häufiger vor als die tiefen Temperaturen.
Nach der Wahl der Wärmepumpe werden noch die notwendigen Volumen für die Mindestlaufzeit der Wärmepumpe sowie für den Abtauprozess berechnet. Für den monoenergetischen Betrieb findet eine Überprüfung statt, ob der Deckungsanteil der VDI-4650-Vorgabe entspricht.
SBZ-Serie: Grundlagen Wärmepumpe
500.000 installierte Wärmepumpen pro Jahr ab 2024 – auf diese Zielmarke haben sich Hersteller, Verbände und Politik auf dem zweiten Wärmepumpengipfel Ende 2022 geeinigt. Bis dahin ist noch viel zu tun und es werden sich noch viele SHK-Betriebe auf die eigentlich gar nicht so neue Technik einstellen müssen.
In dieser Artikelserie vermitteln die Fachbuchautoren Markus Heigele und Lars Keller dazu neutrale, grundlegende Informationen. Der Fokus liegt hierbei auf Anwendungen im Ein- und Zweifamilienhaus. Häufige Fragen werden geklärt und so eine Brücke für den Einstieg geschlagen. Aber auch wer sich bereits mit der Wärmepumpe beschäftigt, kann sein Wissen auffrischen und die ein oder andere Lücke füllen.
Teil 1: Effizienzzahlen (SBZ 01.23)
Der erste Teil definiert die gängigen Effizienzzahlen wie COP, SCOP, SPF, Jahresarbeitszahl und ErP-Gruppierung und erläutert, welche Einflussfaktoren hier mit reinspielen. Anschaulich wird auf die Effektivität und Effizienz eingegangen.
Teil 2: Photovoltaik und Batteriespeicher (SBZ 02.23)
Im zweiten Teil wird das Zusammenspiel von Photovoltaik, Batteriespeicher und Wärmepumpe näher betrachtet. Was macht die Nutzung von selbst erzeugtem Strom für den Betrieb der Wärmepumpe so attraktiv? Was ist bei der Umsetzung zu beachten und wie erreiche ich einen hohen Eigenverbrauch?
Teil 3: Auslegung gemäß VDI 4645 (in dieser Ausgabe)
Der dritte Teil widmet sich der korrekten Auswahl einer Wärmepumpe und der zugehörigen Pufferspeicher, da dies die Basis eines effizienten und störungsfreien Betriebs darstellt. Als Grundlage dient hier die VDI 4645. Zudem werden Möglichkeiten zur effizienten Trinkwassererwärmung vorgestellt.
Teil 4: Hydraulik und Regelung (SBZ 04.23)
Der vierte Teil wendet sich wieder der Effizienz zu und legt dar, wie hydraulische Schaltungen diese beeinflussen können. Was sind die Effizienzkiller einer Wärmepumpe und in welchen Bestandssystemen ist eine Wärmepumpe die falsche Wahl? Warum sind Wärmepumpen über die Heizkurve und nicht über Thermostate zu regeln und welchen Einfluss hat der Betreiber?
Weitere Infos auf www.sbz-online.de
Neugierig geworden? Mehr rund um das Thema Wärmepumpe erfahren Sie in unserem Online-Dossier unter: www.bit.ly/sbz_wp.