Eine Studie hat die Rolle der Wärmepumpe in einem zu 100 % erneuerbaren Stromsystem gegenüber einen Szenario mit „auch Wasserstoff-Heizungen“ untersucht. Das Ergebnis ist eindeutig: Der teilweise Einsatz von Wasserstoff-Heizungen statt Wärmepumpen in der dezentralen Wärmeversorgung wäre für das Gesamtsystem ineffizienter.
In der Diskussion über die Erreichung der Klimaziele für den Gebäudesektor wird kontrovers diskutiert, ob in Gebäuden, die nicht an Wärmenetze angeschlossen werden, bestehende fossile Heizungssysteme vorrangig durch Wärmepumpen oder auch durch Wasserstoff-Heizungen ersetzt werden sollen.
Einer Antwort kann man sich aus verschiedenen Blickwinkeln nähern. Da weder grüner noch „nur“ blauer oder türkisener Wasserstoff mit geringerem Treibhausgaspotenzial als Erdgas noch auf viele Jahre gar nicht in ausreichender Menge zur Verfügung steht, stellt sich die Frage eigentlich nur, wenn man Deutschlands Verpflichtungen aus der Pariser Übereinkommen ignoriert, auf CO2-Rückholaktionen vertraut oder die Übererfüllung aus anderen Sektoren oder anderer Nationen zum Ausgleich beanspruchen will.
Auch die Verfügbarkeit von Strom ist für den kritischsten Fall beantwortet: Kalte Dunkelflaute: Genug Strom auch bei 9 Mio. Wärmepumpen. Bei den Gesamtkosten gehen die Meinungen auseinander, eine aktuelle Studie von DIW Berlin und der Brüsseler Denkfabrik Bruegel besagt aber: Die Kosten für die direkte Elektrifizierung der Wirtschaft sind niedriger als bei einem umfangreichen Einsatz von Wasserstoff oder synthetischen Gasen.
Nun hat die Prognos AG in einer Kurzstudie für die Stiftung Klimaneutralität die beiden Optionen – vorrangiger Ersatz fossiler Heizsysteme durch Wärmepumpen oder auch durch Wasserstoff-Heizungen – bezüglich der Konsequenzen für ein zu 100 % aus erneuerbaren Energien gespeistes Stromsystem untersucht.
Mit Wasserstoff-Heizungen wäre es ineffizienter
Beide Strategien erfordern zusätzlichen Strom aus erneuerbaren Energien. Im ersten Fall wird der Strom direkt mithilfe von Wärmepumpen zum Heizen von Gebäuden eingesetzt. Im zweiten Fall wird mithilfe von Strom erst Wasserstoff produziert, der zu den Gebäuden transportiert wird, um dort in Heizungen eingesetzt zu werden. Bei der Abwägung der Vor- und Nachteile der beiden Strategien sind in der Debatte (neben anderen) zwei wichtige Fragen gestellt worden:
1. Führt ein deutlich höherer Strombedarf in einem klimaneutralen Stromsystem – u. a. bedingt durch eine hohe Anzahl an Wärmepumpen – auch zu einem höheren Bedarf an regelbarer Kraftwerksleistung als Backup-Kapazität?
2. Da in beiden Fällen Wasserstoff eingesetzt würde, entweder zur Stromerzeugung in Backup-Kraftwerken oder in Gebäudeheizungen, wie groß wäre der jeweilige Bedarf?
Stiftung Klimaneutralität hat die Prognos AG damit beauftragt, in einer Kurzstudie diesen Fragen nachzugehen.
Die Studie zeigt, dass Wärmepumpen dadurch, dass sie ihren Verbrauch teilweise an der wetterabhängigen Einspeisung erneuerbarer Energien ausrichten können, zur Flexibilität des Stromsystems beitragen können. Der Einsatz von Wasserstoff-Heizungen hingegen führt zu einem deutlich höheren Wasserstoff- und damit auch höheren Strombedarf. Im Ergebnis wäre der Einsatz von Wasserstoffheizungen statt Wärmepumpen in der dezentralen Wärmeversorgung für das Gesamtsystem ineffizienter.
Wichtig zur Einordnung: Im Referenzszenario „Klimaneutrales Deutschland 2045“ (KNDE2045) sind im Jahr 2045 in Deutschland 14 Mio. Wärmepumpen installiert. Um zu beantworten, welchen Einfluss die Versorgung eines Teils der dezentralen Wärmeversorgung durch Wasserstoff-Heizungen statt Wärmepumpen auf das klimaneutrale Stromsystem hat, wurden eine Sensitivität des KNDE2045-Szenarios modelliert, in der die Anzahl der strombetriebenen Wärmepumpen von 14 auf 13 Mio. reduziert ist.
Die Analysen zeigen, dass der Strombedarf für die Wärmepumpen um ca. 9 % sinkt, dies aber nur geringe Auswirkungen auf die maximal benötigte Residuallast hat. Im Vergleich zum Basisszenario sinkt die nötige gesicherte Leistung von kaum (− 0,2 GW). Dagegen steigt der zusätzliche Bedarf an Wasserstoff stark an: Der Wasserstoffbedarf von 1 Mio. Wasserstoff-Heizungen ist ungleich höher als der der Kraftwerke, die für 1 Mio. Wärmepumpen als Backup-Kapazität bei der Stromerzeugung benötigt werden. Der Einsatz von 1 Mio. Wasserstoff-Heizungen führt zu einer Verdopplung des Wasserstoffbedarfs in der Wärmeversorgung gegenüber dem Basisszenario (+ 7,7 TWh).
Ein Policy Paper der Stiftung Klimaneutralität formuliert 4 Ergebnisse / politische Schlussfolgerungen:
1. Flexible Stromverbraucher wie Wärmepumpen können ihren Verbrauch zumindest teilweise an der wetterabhängigen Einspeisung erneuerbarer Energien ausrichten. Sie tragen damit zur Effizienz eines zu 100 % erneuerbaren Stromsystems bei.
2. Der Einsatz von Wasserstoffheizungen in der dezentralen Wärmeversorgung ist insbesondere wegen des deutlich höheren Bedarfs an Wasserstoff ineffizient.
3. Auf Basis von erneuerbaren Energien hergestellter Wasserstoff kann wesentlich effizienter in Backup-Kraftwerken eingesetzt werden, die Strom in den Zeiten produzieren, in denen erneuerbare Energien in nicht ausreichendem Umfang zur Verfügung stehen. Mithilfe von Wärmepumpen wird Strom so wesentlich effizienter zur Wärmebereitstellung eingesetzt.
4. Zur Erreichung der Klimaziele im Gebäudesektor sollten daher Wärmepumpen als zentrale Technologie gefördert werden.
Download der Kurzstudie der Prognos AG
Ausblick
Dass die Debatte um Wasserstoff-Heizungen damit schon zu Ende ist, ist nicht zu erwarten, denn für die Gas-Wirtschaft geht es um einen für ihr Geschäftsmodell wichtigen Markt. Und sie kämpft auch nicht um 1 Mio. Wasserstoff-Heizungen, sondern um einen größeren Anteil der 14 Mio. dezentralen Wärmeerzeuger.
Politisch gibt es zu Wasserstoff im Wärmemarkt bisher kein klares Ja oder Nein. In der von der GroKo verabschiedeten Nationalen Wasserstoffstrategie (NWS) heißt es unverbindlich: „Auch langfristig wird nach Ausschöpfen der Effizienz- und Elektrifizierungspotenziale bei der Prozesswärmeherstellung oder im Gebäudesektor ein Bedarf an gasförmigen Energieträgern bestehen bleiben. Wasserstoff und seine Folgeprodukte können langfristig auf verschiedene Weise einen Beitrag zur Dekarbonisierung von Teilen des Wärmemarkts leisten.“
Diese Formulierung in der NWS ist alles andere als eine Steilvorlage für Wasserstoff zum Heizen. Aber auch kein Ausschluss. Faktisch existiert zurzeit ein Handlungsvakuum für die Gaswirtschaft, die herstellende Industrie, das Heizungshandwerk, TGA-Planer, Energieberater und Gas-Kunden.
Das Dilemma will der Nationale Wasserstoffrat (NWR), der von der Bundesregierung mit der Verabschiedung der NWS am 10. Juni 2020 berufen wurde, über eine Bottom-Up-Studie auflösen. In einer Empfehlung vom 16. April 2021 kommt der NWR zu dem Schluss, dass sich aus den damals vorliegenden Studien belastbare Empfehlungen für politisches Handeln zum Heizen mit Wasserstoff noch nicht verantwortbar treffen lassen.
Angesichts des schwindenden Treibhausgas-Budgets ist es bereits bemerkenswert, dass die Beauftragung von drei Fraunhofer-Instituten mit einem Bottom-Up-Ansatz rund 6 Monate gedauert hat. Die Studie, die nun bis zum Frühjahr 2022 fertig gestellt werden soll, soll Grundlage für Empfehlungen im Sinne einer Roadmap mit Optionen für einen dekarbonisierten Wärmemarkt 2045 sein. Wenngleich sich bereits die Frage aufdrängt, ob 2045 als Zieldatum eigentlich haltbar ist.
Ein wenig hat sich die Politik mit dem Ampel-Koalitionsvertrag übrigens doch schon festgelegt. Ab 2025 sollen alle neu installierten Heizungen (auch bei der Modernisierung) mindestens mit 65 % erneuerbaren Energien betrieben werden. Zu diesem Zeitpunkt werden aber auch nach Aussagen der Gaswirtschaft wohl keine diesen Kriterien entsprechenden Gase in ausreichender Menge zur Verfügung stehen. Blauer und türkisfarbener Wasserstoff basieren auf fossilen Energieträgern. Die Gaswirtschaft bliebe mit einer Umsetzung der 65-%-Klausel für erneuerbare Energien dann noch die Hybrid-System-Option mit einem auf 35 % begrenzten Erdgasanteil. ■
Im Kontext:
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