Inwieweit können digitalisierte Bauprozesse helfen, die aktuellen Herausforderungen des Bauens – vor allem Kostensteigerungen und Fachkräftemangel – schnell und wirkungsvoll zu bewältigen? Das war eine der zentralen Fragen beim „TGA.Digital – Der BIM-Fachkongress zur Zukunft des Bauens“. Interessante Antworten gab es auch hinsichtlich der Praxis des SHK-Fachhandwerks.
Am 12. und 13. November 2024 veranstaltete das BIM Center Aachen zum zweiten Mal den BIM-Fachkongress in der Viega World. Das Konzept: Referentinnen und Referenten aus unterschiedlichsten Bereichen zu Wort kommen lassen!
Bauen komplett neu denken
Wie grundlegend der Umbruch ist, vor dem das Bauwesen steht, machte Prof. Dr.-Ing. habil. Christoph van Treeck deutlich: Aus der analogen Baustelle muss, so seine Kernaussage, eine Produktionslinie nach industriellem Vorbild werden, um perspektivisch den Bedarf beispielsweise an neuen Geschosswohnungen schneller, kostengünstiger und qualitativ hochwertiger bedienen zu können. Da das Bauhauptgewerbe aber nicht dafür bekannt sei, gerne Investitionen in Forschung und Entwicklung zu tätigen, sei ein eigenständiger Industriezweig notwendig, der das Bauen komplett neu denke.
Und zwar über modulare Bausysteme, die – im Gegensatz zum Plattenbau von früher – flexibel an unterschiedlichste Anforderungen anzupassen sind, ohne die Effizienz der Produktion zu verlieren. Die werde nämlich, so die These von Prof. van Treeck, künftig von der Baustelle getrennt und auf der Basis der BIM-Daten des Objektes in eine Fabrikumgebung verlagert, ähnlich der der Automobilindustrie.
Prof. Dr.-Ing. habil. Christoph van Treeck erläutert: „Mit industrieller Fertigung außerhalb der Baustelle meine ich nicht nur Betonfertigteile. Gerade in den technischen Ausbaugewerken steckt viel Potenzial. Im Bauwesen ist die Technische Gebäudeausrüstung (TGA) oft der komplexeste und kritischste Teil des Bauprozesses. Durch die Industrialisierung kann auch die TGA vorgefertigt, bauteilintegriert und standardisiert werden, was den gesamten Bauprozess erheblich vereinfacht und beschleunigt. Dabei geht es nicht nur um die Mechanisierung, sondern genauso um die intelligente Verknüpfung von Prozessen, Gewerken und Schnittstellen.“
Dieses große, visionäre Bild von Professor van Treeck fand, wenn auch in deutlich kleinerem Maßstab, eine inhaltliche Entsprechung bei Ulrich Bergmann.
In der Werkstatt mit BIM vorfertigen
Die von Handwerksmeister Ulrich Bergmann entwickelte „neue Badvorfertigung mit BIM als Lösung gegen den Fachkräftemangel“ hat bereits durch das Modulbausystem „Badia“ vielfach den Praxistest bestanden.
Ausgangspunkt dafür sind die Daten des Planers, hier: Autodesk Revit zum Einspielen in BIM. Sie stellen die Basis dar für die wirtschaftliche Vorfertigung kompletter Badmodule in der Werkstatt – von der Vorwandkonstruktion über die notwendige Verrohrung bis hin zum Spülkasten oder den schon montierten Steckdosen. Auf die baulichen Bedingungen vor Ort abgestimmt, müssen diese Module dann beim Endkunden nur noch aufgestellt, beplankt oder gefliest und feininstalliert werden.
Das zahle sich aus, so Ulrich Bergmann: „Der Planungsprozess ist detaillierter, die Kunden werden über die 3D-Planung von Anfang an eng in den Abstimmungsprozess eingebunden, und durch die weitgehende Vorfertigung können die SHK-Fachbetriebe mit weniger Mitarbeitenden mehr Aufträge effizienter und damit ertragreicher umsetzen.“ Hinzu komme die höhere Ausführungsqualität, weil nicht auf unumgängliche Unwägbarkeiten auf der Baustelle, wie die Koordination verschiedener Gewerke vor Ort, Rücksicht genommen werden müsse: „Damit können Kosten und Realisierungszeiten für den Prozess der Badplanung bis zur Installation um bis zu 50 % reduziert werden.“
Sowohl am Beispiel aus der Forschungswelt als auch aus dem des täglichen Handwerks wurde deutlich, wie stark sich die Zusammenarbeit auf der Baustelle in Zukunft ändern wird. Der Übergang vom seriellen Arbeiten* auf die – schon bei der integralen Planung digital vernetzte – parallele Zusammenarbeit macht zwingend neue, kooperative Arbeitsmethoden notwendig.
Baustellen-Roboter als Chance begreifen
Wie diese aussehen können, schilderten Ulrich Zeppenfeldt (Viega GmbH & Co. KG) und Heike Kling (Hilti Deutschland AG) – und schnitten zugleich ein weiteres, herausforderndes Thema an, das die Arbeitenden auf den Baustellen in Zukunft immer öfter beschäftigen wird: der über digitale Daten forcierte Einsatz von Robotern wie den semi-autonomen Bohrroboter Jaibot, die mehr und mehr ausführende Arbeiten schneller, präziser und vor allem 24/7 rund um die Uhr übernehmen werden.
Heike Kling über die Erfahrungen mit dem Roboter: „Unser Jaibot stellt jeden Tag in der Praxis diese Vorteile unter Beweis, beispielsweise durch das absolut präzise Bohren Hunderter Löcher in Betondecken für Trassenkonstruktionen. Also eine harte, den Menschen physisch stark belastende Arbeit, die die Mitarbeitenden auf den Baustellen entlastet und unmittelbar den Fachkräftemangel lindert. Gleichzeitig ersetzen die Roboter diese Mitarbeitenden.
Der Robotereinsatz löst also einen Prozess aus, der über eine entsprechende Führung der Mitarbeitenden eng begleitet werden sollte, um frühzeitig Vorbehalte abzubauen und den ,Kollegen Jaibot‘ als Chance und nicht als Bedrohung zu begreifen.“
Wichtig ist, die Mitarbeiter nicht erst bei der Begegnung mit Robotern gut zu begleiten, sondern schon bei der Implementierung von BIM und dem generellen Umgang mit digitalen Prozessen auf der Baustelle. Das wusste in diesem Zusammenhang Christoph Ulland.
Welche Auswirkungen hat die Digitalisierung handwerklicher Prozesse auf die Mitarbeiterführung in einem SHK-Betrieb?
Ulland, Komplettanbieter rund um Heizung und Sanitär, Lüftung-, Klima- und Kältetechnik für Privat- wie Gewerbekunden, hat schon früh das Potenzial digitalisierter Prozesse für alle Bereiche seines Unternehmens erkannt.
„Der Erfolg“, so Christoph Ulland, „steht und fällt mit der entscheidenden Frage, wie ich meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mitnehme!“ Aus der Praxis für die Praxis – seine Hinweise, was dabei beachtet werden muss und wo mögliche Bedenken oder Einwände zu erwarten sind, dürften viele Teilnehmende von „TGA.Digital – Der BIM-Fachkongress zur Zukunft des Bauens“ künftig auch bei der Einführung oder der Intensivierung der digitalen Planung mit BIM im eigenen Unternehmen nutzen können.
Als Nächstes kommt: die KI
Vor allem, weil dieser Digitalisierungsprozess schon vor dem nächsten, mindestens genauso großen Entwicklungsschritt steht: der „Künstlichen Intelligenz (KI) im Planen und Bauen“, so Prof. Dr.-Ing. Markus König von der Ruhr-Universität Bochum beim Fachkongress in der „Viega World“. Prof. König forscht seit vielen Jahren zur Digitalisierung im Bauwesen und hat unter anderem die BIM-Pilotprojekte des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) wissenschaftlich begleitet. Aktuell befasst er sich zum Beispiel mit der Entwicklung von Verfahren, die durch KI zum einen Bauwerksdokumente wie zweidimensionale Pläne, Bilder, Punktwolken oder Textdokumente in digitale 3D-Modelle überführen, und die zum anderen bei Umbaumaßnahmen bestehende digitale Bauwerksmodelle aufgrund von Baudokumenten automatisiert aktualisieren.
Die Nutzung von KI, so Prof. König, werde sich aber nicht auf diesen Planungsbereich beschränken, sondern sei schon heute im gesamten Baubereich zu finden: „In Ländern wie China übernimmt die KI beispielsweise schon die Baustellenüberwachung samt Einlasskontrolle und Einhaltung der Sicherheitsvorschriften. In Deutschland lässt der Datenschutz solche Anwendungsmöglichkeiten allerdings nur bedingt zu. Bereits umsetzbare Anwendungsfälle wären aber hierzulande die Nachverfolgung von Material auf den Baustellen, ein automatisches Schadensmanagement oder das Energiemanagement in der Betriebsphase. Andere Anwendungsfälle sind die Auswertung von Berichten und Kennzahlen oder die Organisation von Plänen und Dateien. Die KI kommt künftig also überall da zum Einsatz, wo große Datenmengen zur Verfügung stehen und über die automatisierte Auswertung Prozesse beschleunigt und verbessert werden können.“
Inwieweit sich ein Planungsbüro oder ein planendes Fachhandwerksunternehmen proaktiv mit der Einführung digitaler Methoden wie BIM und im folgenden Schritt der Nutzung von KI befasst, hängt für Prof. König dabei entscheidend von der Frage ab, wie lange das Unternehmen am Markt agieren wolle. Die nächsten 10 Jahre gebe es, so seine Einschätzung, noch genug konventionelle Projekte. Aber diese werden weniger, es müsse in den Transformationsprozess ins Digitale investiert werden: „Planungsbüros, die das nicht machen, werden auf Dauer verschwinden. Gleichzeitig aber werden sich neue, innovative Ingenieurbüros etablieren, die auf eben diese digitalen Prozesse spezialisiert sind und dem Bauen von morgen entsprechend wichtige Impulse geben.“
Wie weit die KI bereits in der Praxis ist, konnte als Referent Dr.-Ing. Bernd Petraus (TMM AG/Digital Building Industries AG) im Rahmen von „TGA.Digital – Der BIM-Fachkongress zur Zukunft des Bauens“ darstellen. Mithilfe der Software „berta & rudi“ wurde gezeigt, wie Energiekonzepte in einer völlig neuen Vorgehensweise kollaborativ erstellt werden können. Er konnte zeigen, dass es – wie so häufig bei der Anwendung von generativer KI – weniger darum geht, auf Knopfdruck fertige Ergebnisse zu erhalten. Viel entscheidender ist, dass man in eine Art Dialog tritt, zwischen Maschine, welche die aufwendige Fleißarbeit übernimmt, und Mensch, der durch die Lösungsfindung leitet, die Machbarkeitsprüfung durchführt sowie die Kommunikation mit fachfremden Dritten übernimmt. Und das nicht länger gefangen im ewigen Kreislauf aus zeitintensiver Konzepterstellung und der Erkenntnis im Kundentermin, dass falsche Annahmen zugrunde lagen. Stattdessen kann der gesamte Prozess auf einen gemeinsamen Konzeptworkshop in Echtzeit verdichtet werden, in welchem alle Annahmen validiert, alle Fragen geklärt und alle Ergebnisse gemeinsam abgesegnet werden können.
Quelle: Viega / ml
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