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Interview

Verkommt das SHK-Handwerk zum Spielball von Investoren?

Dr. Moritz Küntzler

Küntzler/Wyman

Dr. Moritz Küntzler

SBZ Chefredakteur Dennis Jäger im Gespräch mit Dr. Moritz Küntzler über die Auswirkungen der neuen Investoren bzw. Integratoren auf die SHK-Branche.

Was machen die neuen großen Marktmitspieler wie 1komma5° oder Aira und Co. mit der SHK-Branche in Deutschland? Verkommt das ehrbare Handwerk zum Spielball der Investoren, die hinter den auch „Integratoren“ genannten Firmen stehen? SBZ Chefredakteur Dennis Jäger hat nachgefragt beim SHK-Branchenkenner Dr. Moritz Küntzler. Er ist Partner des Unternehmens Oliver Wyman (Strategieberatung) in Frankfurt.

SBZ: End-to-End-Integratoren gewinnen an Marktmacht und werden laut Studie bis 2030 mindestens 20 % des Gesamtmarktes erobern. Welche Auswirkungen hat dieser Trend auf die langfristige Positionierung von Handwerksbetrieben im Wettbewerbsumfeld?

Moritz Küntzler: Mit den Integratoren – also Enpal, 1KOMMA5°, und so weiter – entsteht ein neuer, starker Wettbewerbertyp im deutschen Heizungs- und Solarmarkt. Das sehen Investoren übrigens auch so – sowohl Enpal als auch 1KOMMA5° gehören zu den wenigen deutschen „Unicorns“, also Start-ups mit Unternehmensbewertungen über einer Milliarde Euro. Diesem Wettbewerb müssen sich traditionelle Heizungshandwerksbetriebe stellen. Das heißt: bestehen gegen eine ausgeprägte Digitalmarketing-Maschine, gegen durchoptimierte Betriebsabläufe beim Integrator, gegen einen starken, bekannten Markenauftritt. Das wird nicht einfach.

SBZ: Was können Handwerksbetriebe tun, um ihre Kundenbindung zu stärken und als kompetenter Partner im Bereich der erneuerbaren Energien und Sektorenkopplung wahrgenommen zu werden, trotz des Wettbewerbs durch große Integratoren?

Moritz Küntzler: Man kann hier in zwei Stoßrichtungen denken: Wettbewerbsnachteile ausgleichen und Wettbewerbsvorteile stärken. Nachteile ausgleichen kann einen Ausbau der Online-Präsenz bedeuten, oder eine Systematisierung der Abläufe in Planung und Angebotserstellung. Gleichzeitig dürfen die Stärken nicht vergessen werden: Beispielsweise sind die tiefe lokale Vernetzung und das daraus entstehende Vertrauen wichtige Faktoren in der Kaufentscheidung vieler Verbraucher und das kann ein Integrator nicht einfach so replizieren.

SBZ: Installateur-Kapazität ist eine begrenzte Ressource, die darüber entscheidet, wer im Markt erfolgreich sein wird. Inwiefern ist dies eine Herausforderung für kleinere Handwerksbetriebe, die mit den großen End-to-End-Integratoren konkurrieren müssen, die häufig eigene Installationsflotten aufbauen?

Moritz Küntzler: Das ist so, und die Kapazität wird knapper werden. Die Zahl der in Deutschland Beschäftigten im SHK-Handwerk stieg zwar gemäß ZVSHK leicht an in den letzten Jahren, gleichzeitig wird die Arbeit aber mehr: Der Einbau einer Wärmepumpe dauert schlicht länger als bei einer Gastherme. Und je mehr sich der Markt in Richtung Wärmepumpen verschiebt desto größer wird der Bedarf an Handwerkerstunden. Da wird sich eine Lücke auftun.

SBZ: Angesichts des begrenzten Angebots an qualifizierten Installateuren müssen Betriebe ihre Ressourcen effizienter einsetzen. Welche Strategien empfehlen Sie Handwerksbetrieben, um ihre Kapazitäten optimal zu nutzen und auf komplexe Installationen und Wartungsservices zu fokussieren?

Moritz Küntzler: In vielen Betrieben, gerade kleineren, gilt noch die Maxime „jeder macht alles“. Hier hilft Arbeitsteilung: je mehr „zuliefernde Tätigkeiten“ wie z. B. Rechnungserstellung den qualifizierten Handwerkern abgenommen werden, desto mehr können sich diese auf ihre Kerntätigkeit, nämlich den Einbau von Heizungen, konzentrieren. Und damit auch mit der gleichen Kapazität an Handwerksmitarbeitern mehr Aufträge bearbeiten.

SBZ: Die Studie zeigt, dass die Nachfrage nach Großhändlern von End-to-End-Integratoren geringer ist als von traditionellen, fragmentierten Installateuren, was den Marktanteil der Großhändler perspektivisch verringern könnte. Welche Auswirkungen hat dies auf den Großhandel und wie sollten kleinere Installationsbetriebe darauf reagieren?

Moritz Küntzler: Tendenziell replizieren Integratoren einige Strukturen des Großhandels. Sie kaufen direkt beim Hersteller ein, übernehmen einen Großteil der Lagerhaltung, und sind entsprechend wenig abhängig vom Großhandel. Das heißt auch, dass der Großhandel (oder, äquivalent, Hersteller in zweistufiger Distribution) an jeder durch einen Integrator statt einem Handwerksbetrieb eingebauten Heizung weniger verdienen.

SBZ: Durch den Druck müssen Anbieter zunehmend Produkte aus verschiedenen Bereichen anbieten (z. B. Wärmepumpen im Sanitärbereich, PV-Anlagen im Elektrobetrieb). Welche Chancen sehen Sie für kleinere Handwerksbetriebe, sich in diesem breiteren Produktspektrum zu positionieren?

Moritz Küntzler: Ein breiteres Produktspektrum bietet die Chance für mehr Umsatz pro gewonnenem Auftrag – wenn man denn in der Lage ist, nicht nur die Wärmepumpe zu installieren, sondern auch noch die Solaranlage, die Wallbox, die Speicherbatterie und vielleicht auch noch die Steuerungssoftware für das Home Energy Management dahinter. Das erfordert allerdings den Aufbau neuer Fähigkeiten und die Einstellung anderer Profile: Ein SHK-Meister ist nicht gleichzeitig erfahrener Solarteur, und kann auch nicht automatisch Software-Konfigurationen durchführen.

SBZ: Ein zentraler Punkt ist der Preisdruck durch die große Marktmacht der Systemintegratoren. Wie können Handwerksbetriebe diesem Preisdruck kurzfristig begegnen, ohne in einem ruinösen Wettbewerb zu untergehen?

Moritz Küntzler: Wer kann: Nerven bewahren. Die aktuelle Preissituation mag konjunkturbedingt schwierig sein, mittelfristig wird die Nachfrage wieder anziehen. Wie erwähnt gibt es strukturell eher zu wenige als zu viele Installateurs-Kapazitäten im Markt. Die Herausforderung, kosteneffizient zu arbeiten, bleibt natürlich.

SBZ: Angesichts der Preis- und Margenbeschneidungen: Welche Strategien sollten die Handwerksbetriebe der Branche an sich entwickeln, um die Profitabilität ihrer Dienstleistungen langfristig zu sichern?

Moritz Küntzler: Eine möglichst effiziente Nutzung der – in der Regel gut bezahlten – Installateurs-Kapazitäten stellt einen wesentlichen Hebel hierfür dar. Wer Nebentätigkeiten an kaufmännische Mitarbeiter auslagern kann, hat schon viel gewonnen.

SBZ: Hersteller müssen ihre Beziehungen zu Installateuren sichern, da die Integration eigener Installateure mitunter problematisch sein kann. Was können Hersteller und Handwerksbetriebe tun, um gemeinsame Synergien zu schaffen, ohne in einen Konflikt zu geraten?

Moritz Küntzler: Auch Hersteller haben ein Interesse am Erfolg der Handwerksbetriebe. Und Hersteller können dem Handwerk im Wettbewerb mit Integratoren mehr unter die Arme greifen – z. B. könnten Sie Plattformen zur Auftragsbearbeitung oder für den Aufbau einer Online-Präsenz eines Handwerksbetriebs zur Verfügung stellen. Hier gibt es eine echte Möglichkeit zum Ausbau der Partnerprogramme, die noch sehr nach dem „Miles-&-More-Schema“ funktionieren.

SBZ: Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass die Kontrolle über die Systemintegration, insbesondere durch Home Energy Management und intelligente Zähler, entscheidend sein wird, um langfristig in der Branche führend zu bleiben. Wie können Handwerksbetriebe hier ansetzen, um von diesem Trend zu profitieren?

Moritz Küntzler: Der Aufbau entsprechender Installations-Kompetenzen für diese steht an erster Stelle. Neben den Integrator-Systemen wie Heartbeat von 1K5° gibt es auch offene, über den Großhandel verfügbare Home-Energy-Management-Plattformen wie von Smartfox, sodass hier kein Nachteil der Handwerksbetriebe bestehen muss – so sie in Installation und Wartung dieser Systeme entsprechend geschult sind. Hier lohnt sich Fokus und Spezialisierung auf ein Home-Energy-Management-System.

SBZ: In der Zukunft, so die Studie, werden sich Installateure immer stärker auf die Installation komplexer Produkte konzentrieren und weniger auf administrative Aufgaben. Was bedeutet das für die zukünftige Ausbildung und Spezialisierung von Installateuren?

Moritz Küntzler: Das Aufgabenspektrum wird enger – weil administrative Themen wegfallen – gleichzeitig aber auch breiter: SHK-Kompetenzen werden ergänzt um Elektrik-Fachwissen, um Kompetenzen im Umgang mit Kältemitteln und die Fähigkeit der Integration der verschiedenen Komponenten eines Sektorkopplungssystems sowie um Software-Know-how. Das alles abzudecken erfordert noch mehr Spezialisierung auf einzelne Anbieter und Produktpaletten, verbunden mit einem höheren Grad an Arbeitsteilung.

SBZ: Besten Dank für die Hintergründe, Herr Moritz Küntzler.

 

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